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Nachtschicht...

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02.05.2002
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Nachtschicht...

2:30 Uhr

Ich werde von einem penetranten Piepen geweckt. Irgendwie war ich gerade noch im Tiefschlaf. Wie ein Eimer kaltes Wasser tönt mir dieses Piepen entgegen.
Ich setze mich auf und schaue auf das Display: „CHIR_ALARM Disco Mecki – Nauenstr. 121 – Stadtzentrum, Polizei vor Ort, Schlägerei“
Ich springe in meine Hose, mein Kollege steht schon in der Tür. Auf dem Weg in die Fahrzeughalle werfe ich noch einen Blick auf die Wandkarte, ah da unten…

Das Tor fährt auf, ich starte den Wagen und setze aus der Halle. Kaum draußen schalte ich die Blaulichter ein und gebe Gas. Um diese Uhrzeit ist nicht viel los auf den Straßen. Aber ein paar seltsame Gestalten irren noch umher. Achtzig, neunzig, schnell für ein so großes Auto rausche ich durch die Nacht. An der nächsten Kreuzung lasse ich die Hörner laufen, die Ampel zeigt rot. Alles frei? Und ab, wieder gebe ich Stoff. Mit flackernden Blaulichtern fliegen wir durch die Nacht, vorbei an Kneipengängern und Disco’s.

2:37 Uhr

„5/83/1!“ tönt es aus dem Funkgerät. Mein Kollege Michael antwortet: „5/83/1 kommen“ „Zur Information ein weiteres Fahrzeug ist ebenfalls unterwegs, da geht es wohl noch hoch her!“ „5/83/1 verstanden!“ Wir sehen uns kurz an. Können sich diese Irren nicht einfach mal eine Nacht nicht die Köpfe einschlagen?
Noch eine Straße und wir sind da. Michael drückt die vier (status 4 – eintreffen Einsatzstelle).

Da stehen zwei Polizeiwagen mit Blaulicht auf der Straße und ein Stück weiter großes Getümmel. Wunderbar, echt Klasse… Begeisterung macht sich breit. Im negativen Sinne, wohlgemerkt.
In sicherer Entfernung steigen wir aus dem Wagen, ich hole noch rasch den Notfallkoffer aus dem Wagen und ziehe mir ein Paar Untersuchungshandschuhe an. Langsam gehen wir auf das Gewusel zu. Und siehe da liegt schon einer, seine Freundin Kniet über ihm.
„Guten Abend! Der Rettungsdienst, Falke mein Name!“ stelle ich mich vor und Knie auch schon neben dem Patienten. Dieser zeigt uns ein blutüberstömtes Gesicht und Keucht merkwürdig vor sich hin. Als der Patient sich zu mir dreht sehe ich eine offene Verletzung der Wange, vielleicht mit Beteiligung des Gesichtsschädels oder sind es nur massive Ablederungen? Michael hat schon den Koffer auf und beginnt mit der Blutdruckmessung, hinter uns höre ich den zweiten Wagen eintreffen. „Blutdruck 110 palpatorisch, Puls 120, ein bisschen Schockig der Gute“ sagt Michael. „Ich lass mal den Doc kommen, und dann suche ich mir mal einen von der Polizei.“, sage ich. Michael beginnt den Mann zu versorgen und spricht beruhigend auf seine aufgelöste Freundin ein.
Ich begrüße die Kollegen und greife zum Funk, ich drücke die Fünf. Kurz darauf erscheint ein J im Display. „Einmal den Notarzt zur Einsatzstelle! Schock nach massiver Verletzung des Gesichtes.“ „Verstanden, ich schicke euch den NA aus dem Süden.“ Nachdem das geklärt ist schaue ich bei meinem Spannmann noch einmal nach dem rechten und versuche in dem Getümmel auszumachen wen man ansprechen könnte. Ein Polizist löst sich aus der Masse und kommt zu uns. „Morgen! Wir haben noch zwei leichtverletzte Personen an Eure Kollegen übergeben.“ Er zögert, blickt auf den Patienten. „Ist es schlimm?“ „Sieht zumindest nicht schön aus.“ Ich knie mich auf den Boden und packe den Koffer zusammen. Erst einmal ins Auto, denke ich.

Die Trage rastet laut ein, als ich den Tragetisch in den RTW schiebe. Ich drehe den Sauerstoff auf und schliesse die Türen. Die Freundin des Patienten lasse ich auf dem Beifahrersitz platz nehmen, ich selber steige wieder in den Patientenraum. Michael hat schon eine Infusion vorbereitet und die fertige Absaugung bereitliegen. Gesichtsverletzungen sind nie schön, und zumeist auch noch gefährlich.


Ich überstrecke den Handrücken des Mannes, der mittlerweile etwas apathisch wirkt. Und nachdem ich einen Zugang gelegt habe reicht mir Michael schon die Blutentahme-Röhrchen. Schnell ist das Blut abgenommen und eine Infusion angeschlossen. Noch während ich den Patienten untersuche und Michael anfängt das EKG anzuschliessen öffnet sich die Türe. Der Notarzt ist da. Nach einer schnellen Begrüssung teile ich noch die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung mit. „Vermutlich Fraktur der rechten Rippen. Im Bauchraum höre ich auch etwas, könnte sich ein perforiertes stumpfes Abdominaltrauma anbahnen. Zweiter Zugang gefällig?“ „Sie legen den zweiten Zugang. Und wir,“ er schaut zu Michael, „wir schauen uns mal an ob wir nicht direkt besser intubieren.

„Hören Sie mich? Hallo?“ der Notarzt rüttelt den Patienten. Dieser stöhnt und versucht sich zu bewegen. „Ich habe beim auskultieren der Lunge ein deutliches Blubbern gehört. Wir wollten gerade absaugen und eine Narkose vorbereiten.“ Michael betont seine Aussage mit der Ampulle und der Spritze in der Hand. „Schau schon mal dass wir ein Beatmungsbett im Uniklinikum bekommen.“ Der Arzt hat sich zu seinem Fahrer gewendet. „Wenn die genaueres wissen wollen, die sollen sich etwas gedulden.“

Ich lege den Absaugkatheter zur Seite. Der junge Mann hatte viel Blut in die Atemwege bekommen. Wir können nur hoffen, dass er nicht soviel auch geschluckt hat, denn dann ist das Erbrechen nur eine Frage der Zeit. „Komm! Zwei Etomidate rein. Und dann relaxieren!“ der Arzt macht Druck. Ich klettere auf die Seite des Patienten und beginne den Arm frei zu machen. Auf dem Handrücken sieht es hier nicht so gut aus wie auf der anderen Seite. Also Ellenbeuge, ja wunderbar eine kleine Pipeline. „Einmal eine Viggo organge!“ sage ich. Schon bekomme ich die Kanüle vom Fahrer der Arztes gereicht. „Uni kann aufnehmen, die wollen wissen ob die den Schockraum warm laufen lassen sollen.“
„Nicht nur!“, sagt der Doc, „CT anschmeissen und eine OP Bereitschaft wecken. Ich will das Röntgen und die Sono besetzt haben.“ „Na die werden sich freuen!“
Mein Zugang liegt Perfekt. „Druck?“ frage ich. „Vor zwei Minuten bei 90!“ „Danke Michael, Doc? Soll ich direkt eine HAES anhängen?“ „Lass erst noch eine Jono im Schuss reinlaufen.“ Also hänge ich eine Kochsalzlösung an.
Mittlerweile hat der Arzt den Patienten intubiert und beatmet ihn mit dem Beatmungsbeutel. Ich greife nach der HAES die Michael mir reicht und wechsle die erste Infusion mit der Stärkelösung. Sie wird die Flüssigkeit aus dem freien Raum im Körper in die Blutbahn ziehen. Es klopft an der Tür.
„Bitte?“ frage ich durch einen Spalt. Draussen steht ein Polizist, er fragt ob er kurz mit dem Patiente sprechen könne. „Geht nicht. Wir fahren zu Uni, kommt dahin.“ Und schon ist die Tür wieder zu.

Michael schliesst den Patienten noch an das Beatmungsgerät an. „Ok, und wir fahren!“ sagt der Doc. Ich klettere raus und laufe um den Wagen. Als ich mich ans Steuer setze schaue ich kurz zu dem verängstigten Mädchen. „Mach dir keine Sorgen dein Freund ist bei uns in guten Händen. Schnall dich bitte an.“

Und los geht’s. Ich drücke die Sieben und schon fliegen wir durch die Nacht, lassen den Trubel an der Einsatzstelle hinter uns. An der nächsten Kreuzung das gleiche Spiel wie immer. Die Presslufthörner tönen durch die Nacht, während das Blaulicht von den Häusern zurückgeworfen wird und die Dunkelheit in ein blaues Farbenspiel verwandelt.
Im Spiegel sehe ich Michael und den Arzt. Es ist nicht mehr weit bis zur Klinik.

Als ich die Einfahrt zur Klinik hochfahre sehe ich ein Team im Eingang stehen. Schnell die Acht gedrückt, und den Wagen angehalten. Ich steige aus und gehe ans Heck des Wagens. Kaum habe ich die Türen geöffnet da hat mein Kollege auch schon das EKG und das Beatmungsgerät an die Trage gehangen. Schnell die Trage aus dem Wagen holen und ab in die Notaufnahme. Der Arzt erklärt einem der Krankenhausärzte schon alles was wichtig ist, und mein Kollege schiebt die Trage. Ich ziehe diese durch die Schiebetür in den Schockraum. „Morgen!“ sage ich zu der Schwester die am PC steht. „Morgen, sieht ja nicht schön aus.“ „Kannst Du mal nach der Freundin sehen? Die haben wir auch mitgebracht.“ „Ich schicke sie ins Wartezimmer.“

Nach der Übergabe des Patienten stehen Michael und ich am Auto. „Meinst Du der schafft das?“ „Kommt auf die Befunde an.“ sagt Michael. „Wie kann man sich so auf die Fresse hauen?“ „Als wir jung waren…“ beginne ich. „Hör auf! Kippe?“ Ich nehme eine Zigarette aus der mir angebotenen Schachtel und zünde sie an. Michael schaut mich an: „Gut gelaufen?“ „Denke schon. Ich hätte früher eine Zervikalstütze anlegen sollen, und vielleicht hätten wir draussen schon den Bodycheck machen sollen.“ „Nein, war schon richtig! Mit dem Verletzungsmuster erst einmal ins Auto.“ „Wer putzt? Wer schreibt?“, frage ich. „Nettes Mädel hatte der.“ „Eigentlich wollte ich morgen mit Mareen einkaufen gehen, kann ich nach dieser Nacht wohl knicken.“ sage ich. „Du schreibst und dann legst Du dich schlafen. Ich mach die Karre wieder klar. Ok?“ „Danke!“ stammel ich, „wie spät ist es eigentlich?“ „Halb vier! Meine Frau ist mit den Kids für drei Tage bei den Grosseltern in Bayern, ich kann den ganzen Tag pennen.“ Michael lächelt und gibt mir einen Stups in die Seite. Was soll ich sagen? Solche Kollegen sind doch was besonderes, oder?

 

Hallo!
Ich habe zwar länger nichts mehr veröffentlicht, aber das ist nicht bös gemeint. ;)
Ich habe einfach viel zu tun. Und mit der obigen Geschichte habe ich versucht ein paar Eindrücke von meinem momentanen "Nebenjob" zu verarbeiten.

Los ihr Geier! Ich warte! :)

 

Muss aber ein ziemlich interessanter Nebenjob sein...
Jedenfalls hast du es geschafft ihn ziemlich mitreisend und authentisch zu schildern. Ich konnte mich sehr gut in die Lage des Prot./von dir hineinversetzen. Spannend beschrieben, keine Fehler (oder ich habe sie mit meinen müden Augen übersehen), schöne Formulierungen.
Nur für meinen Geschmack zu viele Fachbegriffe, die der Normalsterbliche nicht versteht. Vielleicht mehr Erklärungen, oder welche weglassen. Ansionsten hab ich nichts zu meckern und gratuliere zu einer gelungenen Story und hoffe, du hast heute Nacht ungestört schlafen können!

 

Morgen allerseits!

Kevin, ich danke Dir für Deinen netten Beitrag!

Lass mich rasch einiges klären:

Status:
1 - Einsatzbereit über Funk/Melder
2 - Einsatzbereit am Standort
3 - Ausfahrt zum Einsatz
4 - Eintreffen Einsatzstelle
5 - Sprechwunsch - wird im Normalfall von der Leitstelle mit einem J - Sprechaufforderung quittiert.
6 - Ausser Betrieb/Nicht Einsatzbereit
7 - Patient aufgenommen
8 - Eintreffen Krankenhaus

Man drückt einfach numerische Tasten an einem Zusatzgerät zum Funk. Die Leitstelle kann dadurch sehr einfach den Status aller Fahrzeuge kontrollieren und die entstprechenden Zeiten protokollieren.

Infusionen:

Jono/Jonosteril ist eine Elektrolytlösung die in den Blutkreislauf infundiert wird. Sie dient hauptsächlich als Volumenexpander und Träger für weitere Medikamentengaben.

HAES Hydroxyethylstärkelösung. Hoffentlich hab ich mich jetzt nicht verschrieben, den richtigen Namen druckt noch nicht einmal der Hersteller auf die Verpackung. ;)
Diese Stärkelösung zieht die freie Flüssigkeit aus dem extra- und intervasal Raum in den Vasalraum. Also aus dem Körper in die Blutbahn.

Viggo's/Kanülen
Viggo ist eigentlich ein Markenname von einem Hersteller der Venenverweilkanülen. Seit langem werden schon keine Stahlkanülen mehr eingesetzt. Diese machen aus so ziemlich jeder Vene Hackfleisch. Heute zieht man den "Stahlkern" einfach wieder aus der Vene heraus, und zurück bleibt ein Kunststoffstück in der Art eines kleinen Schlauches. Das ist flexibel und für die Patienten viel angenehmer.

Abdominaltrauma
Das Abdomen ist der Bauchraum. Ein Trauma immer eine Verletzung. In diesem Fall ein stumpfes, weil ja durch die Gewalteinwirkung auf das Abdomen Organe beschädigt sind, z.B. ein Riss der Kapsel um die Milz o.ä. Also man sieht keine Verletzungen.
Perforiert dürfte klar sein. Er blutet also in den Bauchraum ein.

Mhhh... hab ich was vergessen?
Ahja... der Protagonist wird nicht mit seiner Freundin einkaufen gehen. Er wird noch zwei betrunkene Jugendliche aus einem Auto auf der Landstrasse holen - welches diese nahezu Fachmännisch um einen einsamen Baum gewickelt haben - und dann am frühen morgen eine alte Dame von ihrer Kellertreppe retten, auf welcher sie gestürzt war und seit dem Abend lag.
Es ist immer schwer einen Partner zu finden, der soooooo viel Verständnis für einen aufbringt wenn man wieder einen schlechten Tag-/Nacht- Dienst hatte.
Hoffentlich ist die Freundin meines Protagonisten ein solcher Mensch :rolleyes:

Ciaoly Martin

 

Hi Core

Ich muss kevin leider zustimmen, deine Story liest sich eher wie das Drehbuch zu einem medizinischen Lehrvideo. Mag sein, dass die Spannung für Leute vom Fach durchaus rüberkommt, aber wenn man in jedem Satz irgendetwas nachschlagen muss, stört das den Lesefluss von Ottonormal-Leser doch erheblich.
Ich bin mir sicher, dass du eine Menge Fachwissen hast und auch alle Ausdrücke korrekt verwendet sind, somit kann man wenigstens was lernen ;), aber für eine spannende Geschichte reicht das nicht.

Da wäre es vielleicht besser gewesen, mehr Wert auf die Beschreibung der Gedanken zu verwenden, die den Ärzten durch den Kopf gehen. Wie sie mit dem Stress fertig werden, wie sie mit der Angehörigen umgehen usw.
Sowas könnte auch für einen Laien spannend zu lesen sein.

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Hallo Wolkenkind!

Vielleicht passt auch zu dieser Story keine echte Spannung. Die Gedanken wie man mit den Angehörigen umzugehen hat, ähmm... das lernt man wohl eher in der Theorie.

Ich habe lange schon kein Krankenhaus mehr gesehen, wo man sich aufopfernd um die Angehörigen kümmert. Es fehlt an Geld, damit an Personal. Tja und das vorhandene Personal ist nicht nur völlig überarbeitet sondern hat auch noch Zeitdruck, weil nach jedem Patienten wird man von Papierkram erschlagen. :(
Armes Deutschland...


Ansonsten stimme ich dir in gewissem Maße zu. Es liest sich etwas holprig. Was mich im Nachhinein selber etwas stört: Ich habe es nicht geschafft das Tempo und das Arbeiten nach Schemata zu verdeutlichen.

Aber solche Stories sind auch nicht wirklich mein Ding. :rolleyes:

ciaoly Martin

 

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