Nachts
Heißes Wachs tropfte zäh auf den Boden, verlief sich auf seinem schattigen Grund, schimmerte sanft im dämmrigen Kerzenlicht.
Warme Luft stand im Raum und trug die Dunkelheit gemächlich in die Zimmerecken.
Stille hing unter der Decke, nur ab und an durchbrochen vom leisen Knistern des Kerzendochts.
Die kleine Flamme reflektierte sich in der staubigen Fensterscheibe, die der Nacht an sich den Zugang verwehrte.
Entfernter Laternenschein ließ sich nur vermuten.
Und so fand eine Träne ihren vorgeschriebenen Weg im Glanze des schüchternen Kerzenscheins, perlte unauffällig aus dem Augenwinkel, verfing sich in dünnen Wimpern und floss flink über die fahle Wange um auf meinen Lippen zu vergehen, hinterließ nur eine müde Spur unbekannten Schmerzes.
Der Blick folgte wahllos einem Schatten an der Wand um den Geschmack zu vergessen, doch die Erinnerung blieb, Gedanken waren gestorben, doch wurden wiedergeboren.
Die Hand war zu müde um die Kerze zu ersticken, die Augen zu wach um sich in Schlaf zu ertränken.
Der Sehnsucht war die Flucht ins Schwarz verwehrt.
Die blasse Hand verkrampfte sich im kalten Kissen um sich das zitternde Schluchzen fort zu lügen, obwohl es ein Schrei der gebleichten Seele war, obwohl es in Alpträumen wohl immer wieder die Verfolgung aufnehmen würde, obwohl es nichts half, gegen diese unbesiegbare Qual.
Von Zeit zu Zeit schauderte die Kerzenflamme vor der melancholischen Melodie, die der kalte Herbstwind in den Fugen des alten Holzes spielte und bewahrte sie ihr Leben lang in einem kleinen Traum.
Gedanken verkrochen sich im staubigen Schatten der Nordwand um sich in Sinnlosigkeit zu betäuben, die Hand suchte Halt.
Keine Träne konnte mehr die verstecktesten Traurigkeiten entlassen.
Gen Abgrund schlitternd griff eine Hoffnung nach ihrem Verhängnis, verzweifelt eine Möglichkeit suchend dem Schmerz Herr zu werden, endlich in schwarzen Schlaf zu fallen und sonst nichts mehr zu spüren.
Und so war es eine rote Träne, die die letzte Angst nach außen trug, über trockene Haut Richtung Schwerkraft floss, am schmalen Knöchel nach unten tropfte um die Flamme der Kerze für diese Nacht zu erlöschen.