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Nachtmahl

Seniors
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23.08.2001
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Nachtmahl

Exakt mit dem zwölften Glockenschlag erwachte sie.
Mitternacht.
Ihre Zunge klebte am Gaumen, sie hatte Durst. Einen mörderischen Durst. Langsam erhob sie sich, streckte knackend ihre müden Knochen und setzte sich auf die Bettkante. Sie sah sich um und stand schließlich auf. Es war kalt geworden, und so zog sie einen schwarzen Umhang über. Wo würde sie jetzt am ehesten etwas zu Trinken bekommen? Hier nicht, so viel war klar. Schnell schlüpfte sie in ihre Schuhe und schlich sich dann nach draußen. Auf der Straße war kein Mensch zu sehen. Aber sie wusste, wohin sie wollte. Schnell ging sie die Straße hinunter. Ihre Schritte lenkten sie unaufhaltsam in Richtung der Vergnügungsviertel der Stadt. Hier waren ihre Chancen einfach am größten.
Sie lief etwa eine Viertelstunde durch die Nacht, bis sie die erste Disco erreichte. Hier würde sie fündig werden, da war sie ganz sicher. Sie ging selbstbewusst auf den Eingang zu - und wurde von einem sehr bestimmt aussehenden Türsteher gestoppt.
"Sorry, Kostümfest ist erst nächstes Jahr wieder. Kein Einlass!" Sie fauchte ihn wütend an, entschied sich dann aber, kein Aufsehen zu erregen und drehte sich um. Auch an der nächsten Disko hatte sie kein Glück, sie erschien dem dortigen Gorilla einfach zu alt. Gerne hätte sie ihm ein paar Takte zum Thema Höflichkeit älteren Mitbewohnern gegenüber erzählt, aber sie verkniff es sich. Sie hatte Durst und brauchte so schnell wie möglich etwas zu trinken, da lohnte sich der Aufwand einfach nicht, sich auf offener Straße mit einem körperlich deutlich Überlegenen anzulegen. Also zog sie ab und wandte sich dem nächsten Laden zu. Hier hatte sie Glück: Mit ihrem langen schwarzen Haaren, dem Umhang und ihrer blassen Haut fiel sie in der Gothic-Disco kaum auf. Unbehelligt betrat sie den Laden. Zielstrebig ging sie durch die Menge, von irritierten Blicken und leisem Gemurmel begleitet, welchem sie jedoch keine weitere Beachtung schenkte.
Schließlich hatte sie gefunden, was sie suchte. Sie kämpfte sich zur Bar durch, starrte den Typen dahinter intensiv an und wartete ab. Der Barkeeper brauchte nicht lange, bis er auf sie aufmerksam wurde.
"Was kann ich Dir bringen?" Da sie seine Worte durch den Lärmpegel schon kaum verstand, verzichtete sie auf eine Antwort und griff stattdessen einfach über den Tresen. Der verwirrte Blick des Barmannes war ihr egal, sie hatte Durst und musste ihn stillen, jetzt, sofort. Sie zog das Objekt ihrer Begierde heran, immer näher, bis es direkt vor ihrem Mund schwebte. Die protestierenden Geräusche des Barkeepers ignorierte sie ebenso wie das aufgeregte Gemurmel der Umstehenden.
Sie konnte an nichts anderes mehr denken. Sie öffnete den Mund und schlug ihre Zähne in die glatte, straffe Haut. Augenblicklich füllte der köstliche rote Saft ihren Mund. Gierig trank und schluckte sie, sie konnte nicht wieder aufhören, bis sie den letzten Tropfen herausgesogen hatte. Dann ließ sie die leere Hülle achtlos fallen.
"Was schulde ich Dir?", fragte sie den Barmann, der nicht in der Lage war, zu antworten. Sie zuckte mit den Schultern, warf einen Fünf-Euro-Schein auf den Tresen und drehte sich um. Niemand hinderte sie daran, zu gehen.

Als sie wieder zuhause ankam, legte sie sich zufrieden hin. Das war gut. Wenn es bloß nicht immer so lästig wäre, an den Saft zu kommen! Natürlich hatte sie gelegentlich einen Vorrat im Haus, aber oft genug war er aufgebraucht, bevor sie es merkte und ihn wieder aufstocken konnte. Trotzdem würde sie bei nächster Gelegenheit daran denken, sie konnte nicht jede Nacht bis zur Disco laufen und dort für Aufsehen sorgen.
Das Letzte, woran sie dachte, bevor sie einschlief, war dieser Geschmack. Süß, aromatisch, himmlisch.
Blutorange.

_____________
9. April 2003

 

Klasse! Hat mir total gut gefallen. bin einfach nur begeistert
Gruß Sera

 

Oh, danke! *rotwerd*
Das war mit Abstand die schnellste Antwort, die ich je auf eine Geschichte bekommen habe! :)

Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hey Königin des Chaos!

Eigentlich war mir ja schon nach den ersten Sätze deiner Story klar, dass es sich bei dem Hauptcharakter um einen Vampir handelt, dennoch hast du es geschafft, dass die Geschichte nicht langweilig wurde und man weiterliest!
Gründe dafür könnten sein:
1) Die "Kürze" des Textes (es gibt zwar noch kürzere, aber unheimlich lang ist er ja nicht ;) )
2) Man weiß (oder vermutet es), dass der Chara ein Vampir ist, allerdings weiß man nicht, was du mit ihm vorhast. Also praktisch ein Überraschungseffekt :)

Auch sprachlich gesehen hat mich die Geschichte überzeugt, mir persönlich sind keine Fehler aufgefallen und auch Wortwahl und Satzbau find ich der Geschichte angemessen (anders gesagt: richtig gut).

:thumbsup:

Greetinx
Alisha

 

Hej Ali!

Danke, freut mich, dass Dir der Text gefällt!
Aber bist Du Dir sicher, dass es sich um einen Vampir handelt? ;)

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

__________________________
Dies ist Beitrag Nr. 1000

 

*unschuldigsumm*

Hehe... ok, ich verbesser mich mal eben (nachdem ich das Ende noch mal in aller Ruhe gelesen habe):

Und zwar macht das deine Story noch mal eine Ecke besser, weil man anfangs denkt, es handelt sich um einen Vampir, aber spätestens wenn man den letzten Satz liest (oder ihn irgendwie übersieht *pfeif*), wird einem klar, dass dies nicht stimmt. Hehe, cool... :)

 

Hallo Chaosqueen,
tolle Geschichte , in einem flüssigen Stil geschrieben. Auch ich dachte bis zum Schluss, dass deine Prot. ein Vampir wäre, auf Blutorange wäre ich nie gekommen. Super Idee!
:thumbsup:
Liebe Grüsse
Blanca

 

Hej Blanca!

Cool, dann hab ich ja mein Ziel erreicht! :)
Die Idee kam mir neulich Nacht, als ich halb verdurstet eine Saftpackung ausgesaugt habe... :D

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hallo an das chaos persönlich! :D

Eigentlich muss ich ja Latein lernen, aber weil ich von Jasmin nur noch Lobeshymnen zu hören bekommen hab, dachte ich mir, Pause muss sein und hab deine Geschichte gelesen.

Aaaaalsooooo, mir gefällt deine Geschichte wirklich gut... Sie lenkt einen richtig schön in die Irre, man rechnet schon mit einem Vampir und denkt, was für eine langweilige Story über einen durstigen Vampir...
Tja, und dann kommst du mit deiner Blutorange! :D
Die Idee ist gut, und du hast einen angenehm zu lesenden Stil.

Eigentlich kritisierte ich ja gerne was, sieht ja ein kleines bisschen seltsam aus, wenn nur positive Antowrten ohne Kritik kommen. Aber, aber mir fällt einfach nix auf. Ich find nix...
Dann eben nicht. :p

bye und tschö

 

Hej Du!

Tut mir wirklich leid, dass ich Dir nichts zum Kritisieren gelassen hab, soll nicht wieder vorkommen, okay? :D

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

moin chaosqueen,
die story ist echt gut. zuerst war ich mir ziemlich sicher, von keinem vampir zu lesen. es waere einfach zu offensichtlich gewesen. als sie dann den barmann ueber die theke zog, kamen mir erste zweifel. nach dem biss in straffe haut und dem roten saft, dachte ich es nun doch mit einem vampir zu tun zu haben und war und und zweifelte daran, eine gute story vor mir zu haben. ich hatte aber zu weit gelesen, um aufzugeben. das war auch gut denn somit hat mich der schluss dann doch noch positiv ueberrascht.
das einzige, das ich zu verbessern wuesste, waere wohl
"Sie lief etwas eine Viertelstunde durch die Nacht"
ich denke 'etwas' soll 'etwa' sein.
schoenen gruss, timibert

 

Hi timibert!

Danke auch für Dein Kompliment - freut mich wirklich, dass ich Euch alle so schön in die Irre geführt habe, ich war mir nicht so sicher, ob es wirklich klappen würde. :)

Den Tippfehler werd ich gleich mal korrigieren, danke für den Hinweis!

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hallo chaosqueen,

mir hat auch gefallen, dass man zwischen Mitleid und Abscheu schwankt. So eine Vampirin ist ja nicht gerade angenehm, aber diese ständige, respektlose Zurückweisung...

Tschüß... Woltochinon

 

Mal ein ganz neuer Aspekt... ;) Wobei es sich ja nun mal nicht um einen Vampir handelt!

Gruß

chaosqueen :queen:

 
Zuletzt bearbeitet:

hi queen,

also...die story ist eine gute übung gegen flüchtiges lesen..dein schreibstil war so schnell...(was ich klasse fand)..das auch mein lesestil immer schneller wurde *smile* - und ich solidarisiere mich mal mit alisha.. war auch trotz der blutorange sicher..einen vampir vor mir zu haben..*smile*..ist ja auch immer noch möglich..vielleicht ist "blutorange" nur seine bezeichnung..für sein leckeres (menschliches) mahl...

also gelungene überraschung...

liebe grüße, streicher

 

Hallo Königin,
also, ich hab mich gefragt, ob sie was anderes sein konnte als ein Vampir. Eigentlich ist das ja völlig klar, aber da Du auf Alishas Feststellung so widersprüchlich geantwortet hast, habe ich gesucht.
Wenn sie kein Vampir ist, dann ist sie voll auf dem Blutorangentrip und hat sich in der Bar so´n Ding reingezogen.
Aber mal realistisch: Glaub mir. Sie ist ein Vampir und sollte sie Dir was anderes erzählt haben, dann lügt sie.
Was mich noch gestört hat, ist, daß die Kritiker so sehr löblich sind. Also hab ich mir gesagt: Ich finde was!
Also hier:
---------
Als sie wieder zuhause ankam.....
---------
Wörter wie: Als und plötzlich, fallen mir oft auf, weil ich sie nicht schön finde und meine, man könne sie durch Umschreibungen bildhafter ersetzen.
Macht der Geschichte aber nicht wirklich was. Ist nur so meine Macke.
Mir hat sie auch gefallen. Ich meine, sie ist Dir gelungen.:D
Viele Grüße
Manfred

 

Vergiss meine Kritik.
Heute im Bett habe ich mir alternative Formulierungen überlegt.
Die meisten fingen mit "als" an.
"Plötzlich" mag ich aber trotzdem nicht, du hast es nur leider nicht benutzt.
:rolleyes:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hej zusammen!

@Streicher:
Das war ja genau mein Ziel: Den Leser so in die Irre zu führen, dass er glaubt, einen Vampir vor sich zu haben (äh... also, in der Geschichte natürlich nur), und ihm dann am Ende eine lange Nase zu drehen.

Nein nein, ich würde nie Blutorange sagen, wenn ich Blut meine, bin doch ein ehrenhafter Vampir! :D

@Dreimeier:
Ich hab Alisha widersprüchlich geantwortet??? :confused: Hm, nicht, dass ich wüsste. Ich schau mal.
Und wann und wo ich meinen Blut(orangen)durst lösche, weiß ich auch noch... wo kommen bloß wieder diese Flecken auf meinem Nachthemd her...? ;)

Hm. Manchmal geht es nicht ohne "als". Genrell gebe ich Dir da aber Recht, hier fällt mir leider auch nichts Besseres ein.

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

Hi Susanne,

endlich hatte ich Zeit, Deine Geschichte zu lesen! :)
Ich bin voll reingefallen! :)
Nach wenigen Sätzen dachte ich: Och schon wieder eine Vampirgeschichte, das hat moonshadow doch schon so nett in ihren "Freigetränken" behandelt - langweilig... Als ich aber dann den Schluß las, fragte ich mich: Was, das Blut des Barkeepers schmeckt nach Blutorange? Häh? Ja, ich bin manchmal etwas schwer von Begriff. Als es dann bei mir klingelte, mußte ich lachen. Die Geschichte gefällt mir also sehr gut!
Ich freu mich darauf, dass Du sie Morgen vorliest!

Gruß
Barbara

 

Hej Barbara!

Danke für Deine Kritik - jaja, ich hab Euch alle aufs Glatteis geführt! :D Musste mal sein, immer kann selbst ich nicht ernsthaft schreiben! ;)

Lieben Gruß

chaosqueen :queen:

 

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