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Nachtgeschichte

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13.11.2003
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Nachtgeschichte

Nachtgeschichte


Die Nacht war hereingebrochen.
Dorian saß auf seinem Kinderbett und starrte durchs Fenster ins Freie.
Der Wind sammelte die Wolken und schickte sie unentwegt am Mond vorbei.
Der Mond war groß und voll. Ab und zu, wenn der Wind wieder Wolkenknäuel davor schob, sah es aus, als hätte er einen Bart.
Dorian musste lachen, wenn er ihn so sah. Der Mond antwortete mit einem lustigen Zwinkern. Manchmal aber, wenn er ihn mit halb geschlossenen Augen ansah, glaubte er, in ein hämisches Grinsen zu sehen.
Dorian wurde durch ein Poltern auf der Treppe aus seinen Träumereien gerissen.
Großmutter kam. Er konnte sie förmlich sehen, wie sie mit ihrem großen Buch in der rechten Armbeuge ihren massigen Körper Stufe für Stufe nach oben zog. Die hölzernen Treppenstufen hatten viel zu ertragen. Dorian sah im Geiste, wie jedes Astauge weinte, wenn Großmutters Riesenfüße darauf traten.
Er zog sich unter seine Decke zurück. Oscar, sein Teddy der neben ihn lag, schien auch tiefer zu rutschen. Dorian wusste, was ihm bevorstand.
Die Eltern waren bei Freunden zu Besuch und Großmutter hatte wieder mal den Drang, nichts besseres zu tun als ihm schaurige Geschichten zum Einschlafen vorzulesen. Er mochte ihre Geschichten nicht und Mutter hatte es ihr schon so oft verboten. Doch Großmutter hatte ihren Starrsinn und ihr schien es zu gefallen, wenn er mit großen ängstlichen Augen unter der Decke hervorlugte. Dorian war machtlos und fügte sich stets seinem Schicksal. Doch er hatte gelernt weg zu hören. Immer, wenn sie las, schuf er in seiner Fantasie seine eigenen Bilder und Handlungen. So gelang es ihm in letzter Zeit, Großmutters Grauen zu entfliehen und sanft einzuschlafen.
Die Tür zu seinem Zimmer öffnete sich, zu seinem Erstaunen ohne Knarren. Vater, so fiel ihm ein, hatte kürzlich die Scharniere geölt.
Schniefend stand die alte Dame im Zimmer und warf einen gewaltigen Schatten.
Das Buch fest umklammert steuerte sie auf den alten Ohrensessel zu und ließ sich in ihn fallen. Selbst im Bett spürte Dorian, wie der Boden bebte und er glaubte vom Sessel ein Stöhnen zu hören.
Großmutter schob ihre Brille zurecht und schlug bedächtig das Buch auf.
„Nun Dorian, kommen wir zum schönsten Teil des Tages, der Nachtgeschichte.“
Er glaubte Hohn in ihrer Stimme zu hören und ihr spitzer Mund entgleiste zu dem hämischen Grinsen, das er zuvor im Mond gesehen hatte.
Mit tiefer dunkler Stimme begann sie eine Geschichte vorzulesen. Ab und zu schaute sie über den Rand ihrer Brille zu Dorian, der Oscar fest an sich drückte.
Es war wieder eine Geschichte über Dämonen, Hexen und Wölfe, die blutrünstig durch die Wälder schweiften. Dorian versuchte sofort seine eigene Story aufzubauen. Doch irgendetwas lähmte seinen Willen. Immer wieder verlor er sich und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der Wind heulte hinterm Fenster und jagte Wolke für Wolke vorbei.
Irgendwas ist heute anders, dachte er und hörte säuselnde Stimmen.
„Zeige es ihr endlich. Lass dich nicht kleinkriegen.“ Immerfort stachelten die Stimmen ihn an.
„Du kannst es. Verpasse ihr einen gehörigen Schrecken. Trau dich.“
Dorian schaute zur Großmutter. Sie schien nichts zu hören und las unentwegt weiter.
Na gut, dachte er, versuche ich es eben noch mal. Er drückte seinen Teddy fester an sich und begann in sich zu gehen.

Der Wind fuhr vom Himmel herab und teilte in einem wilden Orkan den Wald.
Ein langer spitzer Schatten schwamm daraus hervor, gefolgt von einem dunklen Wanderer. Im weiten schwarzen Mantel gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, trat er aus dem schwarzen Forst heraus, im Bunde mit drei Wölfen. Feuer loderte in den Augen der Tiere und aus ihren gefletschten Zähnen tropfte Blut. Der Mann schritt kraftvoll aus und wenn er sein Gesicht zum Himmel richtete, sah man seine, ebenfalls glühenden, Augen.
Dorian sah ihn kommen, mit seinen Gefährten. In seiner Fantasie führte er sie zum Haus, während Großmutter las und las.
„Wir sind angekommen“, dröhnte die Stimme des dunklen Wanderers in Dorian. „Öffne uns, damit wir das Spiel beginnen können“.
Wieder sah er zur Gr0ßmutter. Sie las immer noch und schaute nicht einmal auf. Wieder schloss er seine Augen und spürte das typische Kribbeln in seinen Schläfen. Körperlich im Bett, schwang sich sein Geist auf und glitt die Holzstufen mit den weinenden Astaugen hinab. Alles schien zu schreien, als wolle es ihn zurückhalten. Zu seiner Verwunderung, brachte er es auch fertig, das Türschloß der Haustür zu bewegen. Sofort sprang sie weit auf und kalter fauchender Wind drang herein. Mit ihm floss der Schatten des dunklen Wanderers ins Haus, gefolgt von seinen drei teuflischen Wesen.
Die Täfelung der Wände begann zu knistern, als die Vier, den Flur entlang, der Treppe zustrebten. Eisiger Wind fegte durchs Haus und die Tränen der Astaugen begannen zu gefrieren.
In diesem Moment verlor Dorian die Kontrolle und er wusste, dass er etwas heraufbeschworen hatte, das sich seinem Willen entzog. Seine Schläfen schmerzten vor Anstrengung, doch es war umsonst. Nie gekannte Angst überfiel ihn. Er wollte Großmutter warnen, doch er brachte kein Wort über seine Lippen.

Mit lauten Knarren öffnete sich die Zimmertür. Dorian sah erschrocken, wie die Wölfe herein sprangen und ihre Kreise um Großmutter zogen, während der dunkle Wanderer seinen Mantel ausbreitete und das Zimmer in schwarze Nacht hüllte.
Jetzt erst blickte die alte Dame auf und sah mit Entsetzen was sich um sie herum abspielte. Kreischend hielt sie sich das Buch vors Gesicht und zog die dicken Füße hoch.
„Dorian, Dorian“, schrie sie. „Was sind das für Scheusale?“
Doch Dorian war erstarrt vor Angst. Was sollte er tun? Sein Wille war wie gelähmt.
Die Wölfe jedoch zogen ihre Kreise im schneller werdenden Tempo. Und so, wie sie kreisten, drehte sich der Ohrensessel mit der kreischenden Großmutter. Es wurde so rasend schnell, das Brille und Buch wegflogen. Schließlich war sie nur noch ein flirrendes Etwas auf einen kaum erkennbaren Sessel.
Wie auf ein Zeichen hielten die Wölfe abrupt im Lauf inne. Der Sessel kam zum stehen und Großmutter sackte in sich zusammen wie eine verdrehte dicke Schaufensterpuppe. Langsam nur fand sie wieder zu sich und begann erneut zu kreischen. Da sprangen die Wölfe mit gierigen Mäulern auf sie. Ihre scharfen Zähne gruben sich in Arme und Hals. Großmutters kreischen erstarb in dem Moment als Ihr Kopf mit weit geöffneten Augen, fast staunend, auf den Boden fiel und in eine Ecke rollte. Kopflos zappelte der dicke Körper ein letztes mal und Blut schoss zur Decke um von dort wieder herab zu regnen.

Als Dorian aus seiner Ohnmacht erwachte, standen die Eltern im Zimmer und ein Mann, den er als Doktor Fabian erkannte unterhielt sich leise mit ihnen.
„Herzversagen“, konstatierte er.
„Sie hat bestimmt nicht leiden müssen. Der Tod kam schnell und kurz. Irgendwann ist jede biologische Uhr abgelaufen.“
Dorian schaute auf den Sessel, in dem Großmutter, in sich zusammengesunken, lag. Keine Spur von Gewalt und Blut deutete auf das vergangene Geschehnis. Sie lag da, mit herab gerutschter Brille und schien zu schlafen. Ihr Buch war aufgeklappt und als Dorian genauer hinsah, entdeckte er nur weißes unbedrucktes Papier.

 

Hallo Laurin,

deine Geschichte ist für mich nach langer Pause mein neuer Einstieg auf KG.de.

Vorab ein paar Fehler, die ich entdeckt habe. Ich denke, du benutzt die neue Rechtschreibung.

Der Wind sammelte die Wolken zusammen...
"zusammen" würde ich weglassen

... mit halb geschlossenen Augen ansah, glaubte er, in ein hämisches Grinsen zu sehen.
Komma

und ihr spitzer Mund entgleiste zu dem hämischen Grinsen
Ich weiß nicht, ob ein Mund entgleisen kann. Wie wäre es mit "verzerrte"?

Doch irgend Etwas lähmte seine Gedanken. Immer wieder verlor er sich und konnte keinen klaren Gedanken fassen.
irgend Etwas = irgendetwas
Das erste "Gedanken" würde ich durch "Willen" oder "Geist" ersetzen.

Irgend was ist heute anders...
Irgendwas

Immerfort stachelten die Stimmen auf ihn ein.
prasselten?

Im weiten schwarzen Mantel gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen,
trat er aus den schwarzen Forst heraus, ...
Ein Zeilensprung hinter "gezogen," zuviel.

Wieder sah er zur Gr0ßmutter.
Großmutter

Zu seiner Verwunderung, brachte er es auch fertig, das Türschloß der Haustür zu bewegen.
Komma

Mit lautem Knarren öffnete sich die Zimmertür.
Ist das Absicht? Die Scharniere wurden doch geölt.

Jetzt erst blickte die alte Dame auf und sah mit Entsetzen was sich um sie herum abspielte.
Komma hinter "Entsetzen"

Es wurde so rasend schnell,...
Er (der Sessel)

Als Dorian aus seiner Ohnmacht erwachte, standen die Eltern im Zimmer und ein Mann, den er als Doktor Fabian erkannte unterhielt sich leise mit ihnen.
Komma hinter "erkannte"

„Herzversagen“, konstatierte er, sie hat bestimmt...
... konstatierte er. "Sie hat bestimmt...

Ihr Buch war aufgeklappt und als Dorian genauer hinsah, sah er nur weißes unbedrucktes Papier.
Das "sah" würde ich ersetzen gegen "erblickte" oder "entdeckte"

Das waren sicherlich nicht alle Fehler, aber zumindest die, welche mir sofort ins Auge sprangen. Manches davon ist Geschmackssache (Wortwiederholungen).

Deine Story an sich ist recht solide. Ganz nett für zwischendurch. Du reitest mE nach ein wenig zuviel auf dem Mond und den Astaugen herum. Die erste Erwähnung der Astaugen war eine tolle Idee, danach trivialisierst du sie. Der letzte Satz ist cool.

Viele Grüße, Xenomurphy.

 

Hallo Xenomurphy,
du hast ja mit meiner Geschichte den richtigen Einstieg gehabt.
Trotzdem danke ich dir für die Hinweise.
Jetzt habe ich echt viel zu tun um mein Geschreibsel noch mal zu überarbeiten.
In den nächsten Tagen werde ich wohl Zeit dazu finden.
Gruß Laurin.

 
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Hi Laurin.

Werde hier nicht so genau auf Unstimmigkeiten eingehen, wie mein Vorschreiber. Ich finde, wenn sie mich nicht zu stark aus dem Lesefluß herausbringen, überlese ich sie einfach.

Ich bin eigentlich ein großer Fan von Gefühlen; von Ängsten, die sich durch den Protagonisten auf den Leser übertragen. Ich war eigentlich immer der Meinung, ohne diese Gefühle (oder auch Gedanken) gäbe eine Geschichte nicht viel an Spannung her.
Du hast mich eines Besseren belehrt. Deine story ist sehr sachlich geschrieben; kurze, prägnante Sätze.
Meiner Meinung fast wie ein Zeitungsbericht. Und doch schaffst Du es, den Leser nicht loszulassen.
Es war wirklich angenehm, sich in Deine story hineinzuversetzen und darin zu verweilen.
Auch fand ich, Du bringst sehr schöne Verbindungen hinein (das hämische Grinsen des Mondes - das hämische Grinsen der Großmutter).
Mir hat komischerweise die Sache mit den Astaugen besonders gut gefallen. Zog sich wie ein roter Faden durch die story. (Ich würde es auf jeden Fall drin lassen!!!)
Auch der Schluß hat mir gefallen. (Das mit dem weißen Papier). Hätte zwar nicht sein gemußt, aber hat der story noch mal einen drauf gesetzt. -Positiv gemeint-

Also, wie gesagt, hat echt Spaß gemacht, Deine Geschichte zu lesen. Werde weiter bei Dir am Ball bleiben.

Bis dahin! Salem

 

Hallo Salem,
danke für deine Nachricht.
Es ist schön auch mal ein paar Lichtblicke zu haben.
Die nächste Geschichte, die ich einsende, werde ich wohl etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Es ist eben vieles auch etwas Subjektiv.
Gruß Laurin.

 

Hallo Laurin!

Herzlich willkommen auf kg.de! :)

Beim Lesen der Geschichte musste ich irgendwie an "Rotkäppchen" denken. :D

Ich fand die Geschichte durchaus unterhaltsam und sprachlich recht ansprechend, auch wenn ein paar Fehlerchen drin sind bzw. die eine oder andere Formulierung noch etwas verbesserungswürdig ist.
Um mich wirklich mit dem Protagonisten identifizieren zu können fehlt mir noch etwas. Vielleicht wäre es gut, wenn du den Anfang mit den Beobachtungen (Wolken etc.) noch etwas ausbauen und Dorians Gefühle und Ängste etwas stärker beleuchten würdest.

Ein paar Details noch:

"und er glaubte vom Sessel aus ein Stöhnen zu vernehmen."
>>> meines Erachtens ein bisschen missverständlich: Er liegt im Bett, und das Stöhnen geht vom Sessel aus, wo die Oma sitzt.
So, wie du es geschrieben hast, könnte man auch meinen, Dorian sitzt auf einem Sessel und nimmt das Stöhnen von dort aus wahr.

"Immerfort stachelten die Stimmen auf ihn ein."
>>> "anstacheln" kenn ich ja, aber "auf etwas einstacheln"? Formulierung ist etwas unglücklich, finde ich.

Viele Grüße
Christian

 

Das Buch fest umklammert steuerte sie auf den alten Ohrensessel zu und ließ sich in ihn fallen. Selbst im Bett spürte Dorian, wie der Boden bebte und er glaubte vom Sessel aus ein Stöhnen zu vernehmen.

Hallo Criss.
Das Stöhnen des Sessels ist wohl berechtigt, wenn Omas Massen ihren Gewichtsausgleich suchen.


"Zeig es ihr endlich. Lass dich nicht Kleinkriegen!" Immerfort stachelten die Stimmen auf ihn ein.

Anstacheln ist ja klar.
„Auf Etwas einstacheln“, finde ich im Text nicht.
Gruß Laurin.

 

Geschrieben von Laurin
Das Stöhnen des Sessels ist wohl berechtigt, wenn Omas Massen ihren Gewichtsausgleich suchen.
Da hast du mich leider völlig missverstanden. Mir ging es nicht darum, dass der Sessel Geräusche von sich gibt, sondern dass die Position des Erzählers missverständlich rüberkommen kann.

„Auf Etwas einstacheln“, finde ich im Text nicht.
Die Stimmen "stacheln immerfort auf ihn ein", das ist dasselbe - meiner Meinung nach gibt es diesen Ausdruck im Deutschen nicht.

Gruß
Christian

 

Hi Criss,
mit diesen Textstellen hatte ich eigentlich bisher keine Probleme bei anderen Lesern oder Zuhörern erfahren.
Kann es sein dass das Problem vielleicht auf deiner Seite liegt?
So wie jeder ein Bild anders sieht in seinem Stil und Farbigkeit, liest sich jeder auf seine Art in eine Geschichte.

Gruß Laurin.

 

Bei der ersten Textstelle hab ich geschrieben, dass es missverständlich sein könnte.

Das zweite ist kein Deutsch. "Anstacheln" gibt es, "einstacheln" hingegen nicht. Schau einfach im Duden nach.

Wenn du schwache Textstellen in deiner Geschichte hast, dann hab ich damit kein Problem. Es ist deine Geschichte. ;)

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Criss,
habe den Satz überarbeitet.
Gruß Laurin.

 

Habe die gesamte "Nachtgeschichte" noch mal überarbeitet.
Einige Anregungen von Euch habe ich mit einfließen lassen.
Gruß Laurin.

 

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