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Nacht

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12.06.2012
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Nacht

Es war lauter als sonst. Zu laut.
Die Geräusche schienen mich zu verschlucken und ich verlor fast gänzlich die Orientierung. Ich hatte Angst angerempelt, geschubst, beschimpft zu werden, hinzufallen und hilflos am Boden zu liegen. Umso glücklicher war ich einen bekannten Duft zu vernehmen, einen Duft nach Brot und Kuchen. Hier irgendwo musste der Bäcker sein, bei dem es die besten Zimtschnecken der Stadt zu kaufen gab, und von dort aus war es nicht mehr weit bis zu meiner Wohnung: geradeaus, am Lärm des Friseursalons vorbei, an der Ecke mit dem Gullideckel rechts, und zuletzt noch einmal, bei dem Gestank der Müllcontainer, links. Die dritte Haustür in der Hauswand, die mit der höchsten Stufe, war meine.
Vorsichtig tastete ich mit meinem rechten Fuß die stufe ab und vernahm, wie erwartet, ein Rascheln. Der Zeitungsjunge hatte sich mal wieder in der Tür geirrt, und die Zeitung zu mir, anstatt zu Herrn Kohl gebracht. Dabei hatte ich mein Zeitungsabo schon vor langer Zeit gekündigt. Kopfschüttelnd hob ich die Zeitung auf und legte sie Herrn Kohl vor die Haustür. Was sollte ich auch damit? Ich würde sie bestimmt nicht lesen! Wieder vor meiner Haustür angekommen tastete ich nach dem Schlüssel in meiner linken Hosentasche und steckte ihn, die Zacken mussten nach unten, in das Schloss. Als ich ihn drehte vernahm ich das mir allzu bekannte Knacken, was mir signalisierte, dass ich die Tür öffnen konnte, und trat ein.
Ich stellte meinen stock in die Ecke, denn hier konnte ich mich auch ohne ihn zurechtfinden, und ging in die Küche. Dort ließ ich mich auf einen Stuhl sinken, den mit der quietschenden Lehne, und nahm meine Sonnenbrille ab. Auch die brauchte ich hier nicht. Hier, zu Hause, gab es keine fremden Menschen, die erschrocken aus dem Weg sprangen, oder angewidert die Luft einsogen, wenn sie mich ohne Sonnenbrille sahen. Doch noch viel schlimmer als die, waren diejenigen, die Mitleid mit mir hatten. Die, die mich plötzlich am Arm fassten, und mich über die Straße zerrten, ohne, dass ich sie um Hilfe gebeten hatte.
Seufzend tastete ich nach dem Radio, das sich auf dem Regal genau in meiner Kopfhöhe befand, und schaltete es ein. Rauschen. Na toll! Die Putzfrau musste es mal wieder verschoben haben. Wie sollte ich denn jetzt meinen Lieblingssender wiederfinden? Hilflos schob ich das Radio auf dem Regalbrett hin und her, bis ich ein Klirren neben mir auf dem Boden vernahm. Wer hatte denn bitte ein Glas, eine Vase, oder was auch immer auf das Regal gestellt? Resigniert gab ich dem Radio einen letzten Klaps und kauerte mich auf meinem Stuhl zusammen. Scherben konnte ich in meinem Zustand nun wirklich nicht gebrauchen!
Wenigstens funktionierte das Radio jetzt doch wieder, wenn auch immer noch mit einem leisen Rauschen im Hintergrund. Anscheinend war ich auf einer Art Wissenschaftssender gelandet, ein Mann erzählte nämlich monoton über eine nahende Mondfinsternis. Unwillkürlich musste ich lachen. Mondfinsternis! Das traf meinen Zustand genau. Bei mir war immer Nacht. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie immer sternlos ist.

 

Hallo MisoSuppe,

so sehr kurze Texte sind schnell geschrieben und gelesen, aber sie sind sehr selten gut. auf so wenigen Zeilen verdichtet, fällt jedes unnötige Wort stärker ins Gewicht, auch eventuelle Schwächen im Aufbau fallen schneller auf.
Ausnahmen: eine wirklich neue Pointe, oder eine bisher ungelesene Zuspitzung, besonders treffende und interessante Gedanken zum Zeitgeschehen oder zu zeitlosen Themen: um so eine Perle herum wäre es sogar sinnvoll, nicht zuviele Worte zu machen, sondern nur genau so viele, wie man braucht, um sie sozusagen in den Fließtext einzubetten.
aber! wenn man nicht auf so einen Einmaleffekt spekulieren kann, sollte man schon weiter ausholen beim Erzählen.

hier finde ich leider nichts Neues. und auch keine eigentlich auserzählte Geschichte oder wenigstens den Versuch.
wobei du ziemlich am Anfang begonnen hast, die Wahrnehmung des Ich-Erzählers zu beschreiben: wie es dort riecht, wie das klingt und wie sich dies anfühlt - das hätte ich interessant gefunden, einen Stadtspaziergang mit Beschreibungen, die auf das Optische verzichten müssen. das wäre auch noch keine Geschichte, aber eine interessante Sichtweise ...

ehrlich gesagt ist es sehr gewagt, in die Rolle eines blinden Ich-Erzählers zu schlüpfen - das sind so sehr spezifische Themen, da kann man sehr viel falsch machen. also das so nebenbei schreiben, bringt weder dem Schreiber noch dem Leser was. deine Figur wird hier so hilflos dargestellt, und sie denkt so Gedanken, die klingen sehr danach, als würde sie ein Sehender einem Blinden zutrauen. oder dem klischierten Bild eines Blinden.

normalerweise schon die Geschichten aus der üblichen Perspektive erzählen, außer die enggeführte Ich-Perspektive drängt sich wirklich auf, damit kann man schon interessante Sachen machen, aber wenn das nicht gezielt stattfindet, doch besser personale Erzählsituation.

du hast in deinem Profil als Motivation für Hiersein und Schreiben angegeben, dass du gerne herausfinden möchtest, ob du Talent hast oder nicht. das lässt sich natürlich nach einem einzigen Text, und dazu so einem kurzen, nicht einschätzen. immerhin so viel kann ich reinen Gewissens sagen: MisoSuppe ist ein guter Name.

Grüße und viel Spaß hier noch,
Kubus

 

Hallo MisoSuppe!

Mir fallen zu deinem Text drei Punkte ein:

Punkt 1: Bis auf ein paar Kleinigkeiten schreibst du recht angenehm. Was ich zu bemängeln habe folgt jetzt:

Umso glücklicher war ich einen bekannten Duft zu vernehmen

Einen Duft vernehmen? Das klappt nicht, mit vernehmen verbinde ich immer hören. Ich denke, dass man einen Duft eher wahrnimmt.
Oder vielleicht so:
Umso glücklicher war ich, als mir ein bekannter Duft in die Nase stieg.

Vorsichtig tastete ich mit meinem rechten Fuß die stufe ab und vernahm, wie erwartet, ein Rascheln.

Stufe bitte groß geschrieben

Als ich ihn drehte vernahm ich das mir allzu bekannte Knacken, was mir signalisierte, dass ich die Tür öffnen konnte, und trat ein.

Dein Protagonist vernimmt sehr viel. Du solltest an diesen Stellen ein wenig variieren. Mal hört dein Protagonist was, mal vernimmt er was, mal dringt ihm was in sein Ohr.

Ich stellte meinen stock in die Ecke

meinen Stock

So viel zu den Fehlern, die für mich offensichtlich waren. Mit Zeichensetzung habe ich so meine Probleme, deshalb weiß ich nicht an welchen Stellen das Komma weg muss und an welchen Stellen nicht. Das überlasse ich dann lieber denjenigen die sich damit besser auskennen.

Punkt 2: Grundsätzlich finde ich die Idee über einen erblindeten Menschen zu schreiben gar nicht so schlecht, aber dein Text zieht mich total runter, insbesondere wenn ich solche Stellen lese:

Hier, zu Hause, gab es keine fremden Menschen, die erschrocken aus dem Weg sprangen, oder angewidert die Luft einsogen, wenn sie mich ohne Sonnenbrille sahen. Doch noch viel schlimmer als die, waren diejenigen, die Mitleid mit mir hatten. Die, die mich plötzlich am Arm fassten, und mich über die Straße zerrten, ohne, dass ich sie um Hilfe gebeten hatte.

Es kommt immer darauf an, wie man solche Erfahrungen verpackt. Ich habe einmal eine Geschichte über eine junge Frau geschrieben, die ein entstelltes Gesicht hat und ich weiß um die Schwierigkeiten solche Dinge auf unaufdringliche Weise, fast beiläufig zu erwähnen.

Punkt 3: Ich muss mich Kubus in dem Punkt anschließen, dass dein Text keine richtige Geschichte ist. Ich erfahre zu wenig von deinem Protagonisten. Er wird wohl kaum Zeit seines Lebens blind sein. Wie ist es zu der Erblindung gekommen? Findet er vielleicht eine Weg damit zurechtzukommen? Gibt es nur negative Reaktionen auf ihn/ sie? Gibt es keine schöne Erfahrungen?

So ist der Text sehr negativ gestaltet. Wenn es um körperlich benachteiligte Menschen geht lese ich gerne Geschichten die Mut machen.


Gut finde ich das Ende:

ein Mann erzählte nämlich monoton über eine nahende Mondfinsternis. Unwillkürlich musste ich lachen. Mondfinsternis! Das traf meinen Zustand genau. Bei mir war immer Nacht. Mit dem kleinen Unterschied, dass sie immer sternlos ist.

Spiegelt sehr gut die Gefühle deines Protagonisten wider.

So viel erstmal von mir!

LG,
Elfa

 

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