Nacht
Kapitel 1
Es ist Nacht...eine ewige Nacht. Trastan W. Hephet geht durch die kalte Dunkelheit, während es wie aus Eimern gießt. Doch er hat sich an die Nacht gewöhnt. Es ist sein Revier. Nicht, dass es ihm gut gefällt, aber wohin soll er gehen? Die Welt ist schon lang nicht mehr, wie sie einmal war. Man erzählt sich, sie wäre einmal hell und freundlich gewesen, aber das einzige Licht kommt von den vereinzelten Neonröhren und Fenstern dieser dunklen Stadt in dieser dunklen Zeit. Durch den Regen ist alles grau.
Dunkle Gestalten ziehen durch die Straßen, in der Gegend treibt eine Gang ihr Unwesen, aber das ist inzwischen in der ganzen Stadt nicht anders. Gesetze sind hier nicht mehr viel Wert. Die örtliche Polizei verliert immer mehr an Macht, selbst der Polizeichef verdient nur einen Hungerlohn. Die meisten Cops lassen sich für ein paar Dollar bestechen. Die wenigen Cops, die noch für Recht und Ordnung sorgen, machen dies mit Gewalt und Terror. Überfälle, Mord und Korruption gehören hier zur Alltäglichkeit.
Trastan will nur noch eins: Nach Hause. Er zieht seinen schwarzen Mantel enger zu, damit er nicht so friert und nicht nass wird. Doch sein Mantel ist sowieso schon völlig durchnässt und er ist sicher, dass er morgen mit einer Erkältung aufwachen wird. Er läuft durch die Schatten weiter die Strasse entlang und sieht, wie in einer Seitenstrasse ein alter Mann von Jugendlichen mit einem Baseballschläger zusammengeschlagen wird. Trastan hört Knochen brechen, ein letzter Aufschrei....Und das vielleicht nur für ein paar Schuhe, die der Alte besitzt. Aber wen kümmerts? Es ist nicht das erste Mal in dieser Woche, und es wird auch nicht das letzte Mal sein. Hephet geht weiter die Strasse entlang, nicht einmal besonders leise oder unauffällig. Wenn er überfallen werden sollte, wen würde das schon interessieren? Der Tod ist der einzige Weg aus dieser Welt. Eine Welt, die es nicht wert ist, in ihr zu leben. Er hasst diese Welt und das Leben in ihr.
Nach ein paar Minuten steht er vor seinem Haus...zumindest vor dem Haus, in dem er seine Wohnung hat. Sie ist nicht groß, aber sie genügt ihm. Neben dem Kellereingang hat die Polizei die Umrisse einer Leiche hinterlassen, in der Ferne hört man Schüsse.
Diese Stadt könnte aus einem Alptraum stammen. Überall dunkelgraue Fassaden, die durch die ewige Dunkelheit pechschwarz zu sein scheinen. Was ist passiert? Wo ist das Licht der Welt hin? War die Welt wirklich einmal so schön, wie man sich erzählt?
Trastan schließt die Tür auf und betritt das Treppenhaus. Hier drin ist es kaum besser als draussen. Graffitis, Blut und Schimmel sind das einzige, was die grauen, trostlosen Wände bedeckt. Aber wenigstens regnet es hier nicht. Er nimmt seine Kapuze ab und wischt sich das kalte Regenwasser aus seinem blassen Gesicht. Er fühlt sich krank. Er ist zwar gerade erst 30 Jahre alt, aber er fühlt sich, als wäre er schon viel älter. Müde macht er sich auf dem Weg, die Treppe bis in den 7ten Stock hinaufzugehen. Es gibt zwar einen Aufzug, aber der ist schon kaputt, seit er hier wohnt.
Auf dem Weg nach Oben hört er durch die dünnen Türen alle möglichen Geräusche. Hinter einer Tür hört man ein Ehepaar laut streiten, hinter einer anderen schreit ein Kind...es ruft schon seit Tagen nach seiner Mutter, aber niemand scheint sich verantwortlich zu fühlen. „Vielleicht sollte ich einmal nach dem Kind sehen“, überlegt Trastan, geht aber erstmal weiter.
Oben angekommen bemerkt er, dass die Tür gegenüber von der Polizei abgesperrt wurde. Dort ist vor kurzem eine junge Frau, Anfang 20, eingezogen. Aufgrund unmissverständlicher Geräusche in der letzten Zeit ist sich Trastan sicher, dass sie eine Nutte war. Sie war schwer krank...wenn sie nicht durch ein Verbrechen getötet worden wäre, wär sie wahrscheinlich in wenigen Wochen sowieso gestorben.
Es ist bereits nach 2 Uhr in der Nacht. Müde lässt Hephet sich auf sein Bett fallen und sieht sich in seiner kleinen 2 Zimmerwohnung um. Die Wände sind morsch und schimmelig, Regen prasselt laut gegen die Fensterscheibe und fast jedes Geräusch im Haus ist so laut, als wäre es in seinem Zimmer. Er schließt die Augen und versucht zu schlafen. Immer wieder hört er das verzweifelte Schluchzen und Weinen des Kindes im Stockwerk unter ihm. Er versucht es zu ignorieren, doch es gelingt ihm nicht. Es scheint immer lauter zu werden.
Er steht auf und noch immer läuft eiskaltes Regenwasser aus seinen langen Haaren an seinem Rücken herab. Er zieht sich wieder an und verlässt die Wohnung.
Trastan klopft an die Tür, aus dem er das weinende Kind hört und wartet ab. Plötzlich ist das Kind still. Er vermutet, das das es Angst hat, klopft noch einmal und ruft: „Ist alles in Ordnung?“ – keine Antwort. „Hab keine Angst, ich werde dir nichts tun, ich verspreche es. Du kannst die Tür öffnen.“ Wieder keine Antwort. Nach ein paar Sekunden öffnet sich die Tür einen Spalt und die Augen eines kleinen Mädchens blicken ihn ängstlich an. Trastan hockt sich hin und sagt nocheinmal: „Du brauchst keine Angst haben. Warum weinst du?“ Das Mädchen antwortet nicht sofort, nach ein paar Sekunden fragt es aber ängstlich: „Wer sind sie?“ „Ich heiße Trastan“, anwortet er. „Ich wohne direkt über dir. Sind deine Eltern nicht zuhause?“ Wieder beginnt das Mädchen zu weinen. „Meine Mom ist tot“, antwortet es. „Das tut mir leid. Hast du niemanden, der sich um dich kümmert?“ fragt Trastan. Das Mädchen schüttelt den Kopf.
„Darf ich reinkommen?“ fragt Trastan und versucht freundlich zu lächeln. „Es ist kalt und ungemütlich hier draussen.“ Nach kurzem Zögern entfernt das Mädchen den Sicherheitsriegel und öffnet die Tür ganz. Der Anblick der Wohnung lässt Trastan das Blut in den Adern gefrieren. In einem Bett liegt eine Frau. Die Bettwäsche ist mit Blut getränkt und ein Küchenmesser steckt in ihrer Brust. Trastan beginnt zu würgen, muss sich zusammenreissen, um sich nicht zu übergeben. Der süsse Geruch der Verwesung erfüllt die ganze Wohnung. Kurzentschlossen packt er das Mädchen und nimmt es mit in seine Wohnung. Was ist hier geschehen?
Nach einiger Zeit des Schweigens erzählt das Mädchen, dass ihr Vater vor ein paar Tagen betrunken nach Hause gekommen sei. „Sie haben sich oft gestritten“, erzählt das Mädchen. „Dad hat war oft furchtbar wütend, aber meistens ist er dann ins Bett gegangen. Aber diesmal hat er Mom mit dem Messer erstochen. Dann ist er weg gegangen und hat mich allein gelassen.“
„Mein armes Kind, du hast Furchtbares erlebt. Hast du niemanden, zu dem du gehen kannst? Keine Verwandten?“ „Nein“ antwortet das Mädchen. „Wir werden schon jemanden finden, zu dem du gehen kannst. Bis dahin kannst du hier bei mir bleiben. Wie heißt du eigentlich?“ „Erica“, antwortet sie. „Das ist ein hübscher Name, ehrlich“, sagt Trastan, um Erica ein wenig aufzuheitern. „Du solltest jetzt ein bisschen schlafen, Erica. Es ist schon spät.“
Trastan lässt sie in seinem Bett schlafen und legt sich selbst auf seine alte Couch. Er ist überrascht, wie schnell Erica eingeschlafen ist. Sie hat wohl sein Tagen nicht geschlafen. Trastan liegt noch eine lange Zeit wach und überlegt, was mit Erica geschehen soll. Es gibt ein Waisenhaus in der Stadt, aber das ist völlig überfüllt und bei ihm kann sie nicht bleiben. Er hat kaum genug Geld, um sich selbst am Leben zu halten. Völlig erschöpft schläft er schließlich doch ein.
Kapitel 2
„Lauf, Trastan! Lauf!“ Der kleine Trastan hat furchtbare Angst. Gerade noch ist er mit seinen Eltern lachend durch die dunklen Gassen der Stadt gegangen und nun hat sich alles verändert. Böse Männer haben an einer dunklen Ecke gelauert und seinen Vater mit einem Gewehr erschossen. Völlig verstümmelt liegt er auf der Strasse. Alles ist blutrot, sogar der Himmel. Immer wieder befiehlt seine Mutter ihm, wegzulaufen, doch er ist wie eingefroren. Er kann sich nicht bewegen. Er hört das Stöhnen der Männer, die Schreie seiner Mutter. Blut, überall wo er hinsieht. Die Männer reissen seiner Mutter die Kleider vom Leib und stürzen sich einer nach dem anderen auf sie. Trastan versteht nicht, was passiert. Einer der Männer dreht sich zu ihm um und sagt etwas, doch er versteht die Worte nicht. Immer wieder blickt er auf seine Mutter und seinen Vater, immer wieder schreit seine Mutter, er soll weglaufen. Der Mann, der ihn ansieht, läuft auf ihn zu. Ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Er kommt näher, hält ein Messer in seiner Hand. „Lauf weg, Trastan!“ „Mom!!!, MOM!!! NEIN!!!“
„...NEIN!!!“ Schweißgebadet wacht Trastan auf. Einen Moment muss er sich orientieren. Er ist noch immer in seiner Wohnung. Ängstlich blickt Erica ihn an. „Es ist alles in Ordnung, Erica. Ich hab nur schlecht geträumt.“ „Sie haben nach ihrer Mom gerufen.“, sagt sie leise.
Sie frühstücken. Trastan hat noch ein paar Scheiben Brot und teilt sie nun mit Erica. Beide reden während des Essens kein Wort. Draussen ist es immer noch dunkel wie mitten in der Nacht, obwohl es schon 10 Uhr am Morgen ist. Aber es war nie anders, und es wird nie anders werden. Hephet hat starke Kopfschmerzen, vielleicht Fieber. Aber er kann nicht wieder ins Bett gehen. Er muss sich um Erica kümmern. Wenigstens hat sein Leben jetzt einen Sinn. Zumindest für kurze Zeit, überlegt er.
Nach dem Frühstück geht er mit Erica zur U-Bahn Station, um sie zum Waisenhaus zu bringen. Die Station ist ziemlich heruntergekommen. Überall liegt Müll herum und es gibt nur schwaches Licht. Ein alter, rostiger U-Bahn Zug hält und Trastan und Erica steigen ein.
In der U-Bahn ist es nicht sauberer als draussen, aber wenigstens ist es hier einigermaßen hell. Nach ca. 10 Minuten Fahrt steigen sie in der Nähe des Waisenhauses aus.
„Tut mir Leid, Mr. Hephet, aber wir sind völlig überbelegt.“ Die ältere Frau am Informationsschalter des Waisenhauses scheint es ehrlich zu meinen. Sie würde gern helfen, kann aber nicht. Trastan sieht sich um. Das Waisenhaus macht auf ihn nicht den besten Eindruck. Es gibt zu wenig Personal und das ganze Gebäude wirkt alt, schmutzig und verfallen. Da sich die Regierung nicht kümmert, sind Waisenhäuser fast ausschließlich auf Spenden angewiesen, die meist nicht sehr hoch ausfallen.
Sie gehen zurück zur U-Bahn und fahren wieder zurück zu Trastans Wohnung. „Warum hast du heute Nacht nach deiner Mom gerufen?“ fragt Erica plötzlich. Trastan schweigt kurz, entschließt sich dann aber, Erica von seiner Vergangenheit zu erzählen. „Als ich so alt war wie du, da war ich mit meinen Eltern unterwegs. Wir waren auf der Geburtstagsfeier von meinem Onkel und sind mitten in der Nacht nach Hause gegangen. Unterwegs wurden wir überfallen. Meine Eltern wurden beide getötet. Ich hätte auch nicht überlebt, wenn mir nicht ein Polizist das Leben gerettet hätte...manchmal wünsche ich mir, er hätte es nicht getan.“ „Oh, tut mir leid“, sagt Erica leise. „Ist schon ok. Ich hab kein Problem, darüber zu reden. Wir haben wohl Ähnliches erlebt, was?“ Erica nickt.
Als sie die U-Bahnstation verlassen, fällt wieder einmal Regen vom pechschwarzen Himmel herab. Ein fernes Donnern ist zu hören. Gegenüber des Hauses, wo Trastan seine Wohnung hat, befindet sich eine Bar. Meist treffen sich dort Gauner, Irre und Mörder. Ein halbes Dutzend Motorräder ist davor geparkt. „Halte dich von dort fern, Erica. Dort gibt es Gestalten, denen man besser aus dem Weg gehen sollte.“ Ein übergewichtiger, glatzköpfiger Rocker mit einer schweren Lederjacke blickt drohend zu ihnen hinüber. Erica erwidert ängstlich den Blick. Der Glatzkopf flüstert einem großen, dünnen Punker etwas zu und beide lachen. „Geh einfach weiter, Erica.“ sagt Trastan leise.
In den folgen Nächten hat Trastan immer wieder den selben Albtraum. Er stellt fest, wie ähnlich Erica ihm doch ist. Sie kommen sehr gut miteinander klar und Trastan merkt, wie es Erica von Woche zu Woche besser geht. Sie scheint den Tod ihrer Mutter gut verarbeiten zu können...oder sie verdrängt, was passiert ist.
Kapitel 3
17. November. Ich, Trastan William Hephet habe mich entschlossen, ein Tagebuch zu schreiben. Seit dem Tod meiner Eltern hat mein Leben jeden Sinn verloren, aber nun habe ich endlich etwas gefunden. Ein Lebensziel. Ich kenne Erica erst knapp 3 Monate, aber sie ist für mich wie die Tochter, die ich nie hatte. Sie hat einiges mitgemacht. Sie musste mit ansehen, wie ihr Vater ihre Mutter erstochen hat, und war mehrere Tage allein in der Wohnung, nachdem ihr Vater sie verlassen hat. Ich wundere mich, wie gut sie das alles verarbeiten kann. Sie lächelt häufig und schafft es ab und zu auch, mir ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern.
Sie fühlt sich wohl und sicher in meiner Nähe und es ist ein gute Gefühl, dass es jemanden gibt, der mich mag.
Trastan legt das Buch zur Seite...morgen wird er einen weiteren Eintrag schreiben. Jeden Tag einen. Erica schläft bereits und er selbst ist auch schon müde. Plötzlich klopft es an der Tür. „Wer ist da?“ fragt Trastan. Wieder klopft es. „Hey, was soll das? Wissen sie nicht, wie spät es ist?“ Dann hört er schwere Schläge. Mit einem lauten Krachen bricht die Tür auf und einige Männer, einer davon der glatzköpfige Rocker, stürzen mit Knüppeln, Baseballschlägern und einer mit einem Revolver bewaffnet in die Wohnung. „Erica!“ schreit Trastan. Aus seinem Schlafraum hört er Schüsse. Er rennt los, doch plötzlich spürt er einen schweren Schlag auf den Kopf. Es wird dunkel...
„Lauf weg, Trastan!“
Die Strasse ist voller Blut, bis zu seinen Fussknöcheln steht der kleine Trastan im Blut.
„Lauf weg, Trastan!“
Schreie, Schläge, Schüsse...lautes Stöhnen. Trastan weiß nicht, was um ihn herum passiert. Ihm ist schwindelig und übel. Er kann sich nicht bewegen.
„Lauf weg, Trastan!“
Ein Mann stürzt auf ihn zu, schreit irgendwas durch die Dunkelheit. Tausendfache Echos von sämtlichen Geräuschen bringen seine Sinne völlig durcheinander.
„Lauf weg, Trastan!“
Ein letzter Schrei seiner Mutter, Blut spritzt. Der Mann will gerade mit einem Messer auch auf den kleinen Trastan losgehen, da donnern wieder Schüsse durch die Nacht. Der Mann bricht zusammen, sein Schädel von Einschusslöchern zerfetzt.
Warum endet dieser Traum hier nicht?
Ein Polizist steht neben der Leiche des Mannes, die Waffe immer noch auf dessen Kopf gerichtet. Plötzlich richtet er die Waffe auf Trastan. Ein Lichtblitz...
„NEIN!!!“ Trastan liegt auf dem Rücken, kann sich nicht bewegen. Alles scheint sich zu drehen. Er versucht die Augen zu öffnen, aber alles ist verschwommen. Entfernte Stimmen sind zu hören. Völlig verzerrt und mit tausendfachen Echos. Wieder versucht er die Augen zu öffnen, es ist hell, er kann schemenhaft die Decke seiner Wohnung erkennen, dann wird es wieder schwarz.
...er öffnet die Augen ein weiteres Mal. Helles Licht ist zu sehen, alles ist verschwommen, scheint aber schnell klarer zu werden. Nach ein paar Minuten bemerkt er, dass er in einem Krankenhaus liegt. Verwirrt sieht er sich um und ruft nach Erica.
Sofort betritt ein Arzt den Raum. Er trägt einen schmutzigen, weißen Kittel, spricht mit einer tiefen Stimme, die wie die eines alten Mannes klingt, aber der Mann scheint kaum älter als Trastan selbst zu sein.
„Wie fühlen sie sich, Mr. Hephet?“ fragt der Arzt. „Wo ist Erica, wie geht es ihr?“ fragt Trastan sofort. „Es tut mir leid, Mr. Hephet. Aber wir konnten nichts mehr für sie tun.“
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
„Ich....ich will raus. Ich möchte nach draussen, etwas frische Luft schnappen!“ sagt Trastan. Nein, das darf nicht sein. Erica ist nicht tot. SIE IST NICHT TOT!
„Sie sind schwer verletzt, Mr. Hephet. Wir werden sie noch ein paar Wochen hier behalten müssen. Sie haben eine schwere Gehirnerschütterung.“
Trastan blickt an die Decke. Erica ist nicht tot...sie darf nicht tot sein. Plötzlich wird ihm wieder schwindelig. Er schläft ein.
Als er aufwacht, ist der Arzt nicht mehr im Raum. Er versucht, aufzustehen. Ihm ist noch immer schwindelig, und er hat starke Kopfschmerzen. Aber er schafft es.
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
„Ich kann etwas tun...“ murmelt Trastan. „Ich weiß, was ich zutun habe...“ Er verlässt den Raum. Die Gänge des Krankenhauses sind schmutzig und leer. Durch einen Hinterausgang kommt er nach draussen. Wieder gießt es wie aus Eimern und helle Blitze, gefolgt von lautem Donner erfüllen den schwarzen Himmel. Er kann sich kaum auf den Beinen halten, geht aber trotzdem immer weiter.
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
Immer wieder denkt er an das, was er verloren hatte. Sie war zu einem fröhlichen Kind geworden...zu seinem Kind. Zu seinem Lebensinhalt. Nun ist sie tot...
Wieder verspürt er Übelkeit und Schwindel. Das bunte Neonlicht einer Bar verschwimmt vor seinen Augen in der Dunkelheit. Ein älterer Mann hält ihn am Arm fest, sagt irgendwas. Trastan reisst sich los und geht weiter, versteht die Worte nicht, hört nicht zu. Nach ein paar Minuten, ein paar Stunden, er hat jedes Zeitgefühl verloren, erreicht er eine Brücke. Er blickt über das Geländer. Unten ist ein Fluss. Er versucht sich an den Namen des Flusses zu erinnern, aber es fällt ihm nicht ein. Alles dreht sich und ihm wird wieder übel.
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
Die wenigen Lichter der Stadt spiegeln sich im Wasser. Wieder verschwimmt das Licht vor seinen Augen, plötzlich sieht er etwas im Wasser...hört eine Stimme. „Trastan, hilf mir!“ ...“Erica?“ Er beginnt zu schwanken, verspürt höllische Kopfschmerzen. Als es wieder klarer wird, blickt er wieder ins Wasser, aber da ist nichts.
„Trastan, hilf mir!“
Wieder ein Schwindelanfall. „Erica!“
„Trastan, hilf mir!“
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
„Nein! Sie ist nicht tot!!!“
„...wir konnten nichts mehr für sie tun.“
Er blickt noch einmal ins Wasser, sein Kopf wird wieder klarer. Erica ist tot, er hat keinen Zweifel mehr. Er klettert über das Geländer, blickt ins Wasser. Es macht keinen Sinn mehr...alles macht keinen Sinn.
„Mom, Dad, Erica...ich werde bald bei euch sein. Ich werde euch niemals wieder verlassen.“ Murmelt er leise.
Er steht mit dem Rücken zum Geländer, beugt sich nach vorn, hält sich nur noch mit einer Hand fest....
...er lässt los.