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Nachmietersuche

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06.10.2013
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Nachmietersuche

Henning stand in seinem Wohnzimmer und wartete. Er hätte sich setzen können, das dunkle Sofa, ein Dreisitzer, war noch da, der Umzug sollte in vier Wochen sein. Aber Henning wartete stehend, das war sein Protest gegen diese gesamte dämliche Aktion. Jetzt muss ich hier warten und stehe mir die Füße platt, dachte er. Aber da läutete es schon, viel zu pünktlich, er hätte also gar nicht warten brauchen. Auch das ärgerte ihn. Nun hatte ich nicht einmal Zeit mich kurz hinzusetzen, dachte er und ging zum Türöffner.

Luisa stellte sich vor, sie hatten ja telefoniert. Er koordinierte die Nachmietersuche, die Vermieter hielten sich heraus, sie wollten weder warten, noch pünktlich da sein. Sie wollten Luisa nicht durch die Wohnung führen und auch keine anderen möglichen Nachmieterinnen und Nachmieter. Luisa hatte sich vorgestellt, und Henning führte sie nun durch die kleine Dachgeschosswohnung, so sparte er am Ende einen Monat doppelte Miete, den er sich kaum leisten konnte. Sofort war er freundlich: „Schau dich in Ruhe um. Allzu groß ist es ja nicht. Deshalb ziehe ich auch aus, mit meiner Freundin in was Größeres.“
Luisa: „Für mich ist es groß. Die erste eigene Küche – die bleibt drin, oder? Ein eigenes Bad. Für die erste Studentenwohnung fast zu groß. Und das Haus ist echt schön, ich mag ja Altbau.“
Henning: „Klar, alt ist schön, wenn es nicht so alt aussieht.“
Henning zeigte das Wohnzimmer, das Bad, sprach über Nebenkosten und dass er die Hausordnung nur selten eingehalten habe.
Luisa: „Das Parkett ist toll!“
Henning: „Laminat.“
Luisa: „Toll“
Henning: „Ja.“

Sie verabschiedeten sich. Luisa wollte die Wohnung gerne haben, sie war die vierte Interessentin. Es war nicht schwierig jemanden zu finden, renovierter Altbau, die Nähe zur Uni, der Preis war in Ordnung. Henning sagte: „Alles klar, wenn du die Wohnung haben willst, schreib mir nochmal deine Telefonnummer auf. Die Vermieter melden sich dann bei dir. Die wollen dich vorher gerne kennenlernen und entscheiden dann, die wohnen ja unten im Haus.“
Luisa: „Gab es da eigentlich mal Probleme. Vermieter im Haus, da muss man ordentlich sein, oder?“
Henning: „Nein, keine Ordnungsprobleme. Die sind eher, na ja, ziemlich cool, Medienleute. Wohnen und wohnen lassen.“
Sie verabschiedeten sich noch einmal. Luisa fuhr mit dem Fahrrad davon. Henning ging nach unten zu Cornelia und Stefan, die Vermieter, die das gesamte Erdgeschoss der Gründerzeitvilla bewohnten. Bericht erstatten.

Henning: „Jetzt war Luisa eben da. Die hat auch Interesse an der Wohnung.“
Stefan: „Und wie war die?“
Henning: „Was meinst du bitte? Ich habe ihr das Schlafzimmer nur kurz gezeigt.“
Stefan: „Aber du hast doch einen Eindruck von ihr.“
Henning: „Das war heute Wohnungsbesichtigung, nicht Nachmieterinnenbesichtigung. Nett war die.“
Cornelia: „Wir wollen das nur wissen. Denn die letzten, die du angeschleppt hast, die gingen gar nicht.“
Stefan: „Gar nicht.“
Cornelia: „Dieser Ramon, oder wie der hieß, kam hier im Sakko mit dem BMW vom Papa. Das geht gar nicht.“
Stefan: „Nein, gar nicht.“
Cornelia: „Und diese Marie, die hatte gleich den ganzen Vater mitgebracht. Der wollte die Details besprechen. Ich wollte dem schon sagen, er soll kurz im Auto warten. Das hat ja keinen Zweck.“
Stefan: „Überhaupt keinen.“
Cornelia: „Und trotzdem lädt man die ja auf einen Kaffee ein, das war total verschenkt. Und von dieser Lina brauchen wir gar nicht reden. Alleinerziehende Mütter, super, muss ja nicht immer Familie sein. Aber da oben? Mit zwei kleinen Kindern. Geht gar nicht. Wie denkt die sich das? Sagte noch, dass könne sie ja entscheiden, ob das geht. Das muss man sich dann anhören. War diese Luisa in Ordnung?"
Henning sah auf die alten Holzdielen, die hier im Erdgeschoss lagen: „Ja, ich denke schon. Sie hat gedacht, der Fußboden oben sei Parkett.“
Cornelia: „Parkett? In einer Studentenwohnung verlegen wir doch kein Parkett. Noch so eine. Was denken die denn? Nein, die Wohnung möchte ich nicht, meine Studentenwohnung muss einen Kirschparkettboden haben, oder was?!“
Stefan: „Oder Eiche."
Henning: „Sie will die Wohnung ja.“
Cornelia: „Aber sie mäkelt gleich am Boden herum. Laminat ist nicht edel genug.“
Henning: „Doch, ist edel genug, ganz edel.“
Stefan: „Dann soll sie selbst Parkett verlegen da oben.“
Cornelia: „So ein Blödsinn. Weißt du, Henning, wir machen uns da die Mühe, nur damit du früher aus der Wohnung kommst. Wir haben mit den letzten beiden Kandidaten einen ganzen Samstag verplempert. Zwei Stunden war dieser Ramon da. Ich kann mir auch etwas Schöneres vorstellen an meinem Wochenende.“
Henning: „Natürlich, aber, naja, das ist doch nicht mein Problem.“
Cornelia: „Genau, es ist unser Problem, weil du den Monat Miete sparen willst – ist ja auch in Ordnung, hatten wir immer gesagt, stehen wir zu –, aber jetzt kommt wieder so eine Luisa und beschwert sich über das Laminat. Das machen wir echt nur dir zuliebe.“
Henning: „Ja, großartig. Wollt ihr denn Luisas Nummer haben. Oder soll ich sie anrufen, wer Laminat mit Parkett verwechselt, ist leider raus.“
Stefan: „War das ein Witz?“
Henning: „Nein, ein Quiz, das Fußbodenbelagquiz.“

Henning wollte zur Tür gehen, er steckte den Zettel mit der Nummer in die Hosentasche. Cornelia fasste ihn an der Schuler und sagte: „Wir wollen doch nur einen ganz normalen Studenten. Der hier hinpasst.“
Stefan: „Und nicht so was Schnöseliges. Jemand, der eben ein bisschen locker drauf ist.“
Henning: „Wie ihr!“
Stefan: „Das kann doch nicht so schwer sein.“
Henning: „Ganz locker.“

 

Hallo,

ich hab nach dem ersten Absatz schon jedes Interesse an der Geschichte verloren, weil sie mir offenbar die kalte Schulter zeigt und so cool sein will, nichts zu erzählen.
"Da setzt er sich hin und dann steht er schon wieder auf." - Wahnsinn. Man merkt das schon an den Partikeln "Doch - schon - aber".

Wenn Belanglosigkeit in der Erzähl-Ästhetik Programm ist, dann findet das in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

Dann das Erzählen ganz einzustellen und einfach nur in Drehbuchform einen Dialog abzuspielen - das scheint mir auch eine ziemliche Bankrotterklärung zu sein.

Der ganze Text, liest sich für mich wie: "Guck mal, wie schwer ich es im Leben habe, die anderen Menschen sind so komisch und halten sich für normal, dabei bin ich doch normal."

1. Absatz Langweilig
2. Rest der Geschichte: Sitcom-Dialog

Wenn man glaubt, dass man aus "Eine Nachmieterin guckt sich die Wohnung an, ich erzähl den Vermietern davon und die sind damit nicht einverstanden, aber obwohl ich deren Einwände für lächerlich halte, kann ich nix machen, weil ich ja was von ihnen will" - wenn man glaubt, aus dem Stoff eine "erzählenswerte Geschichte" stricken zu können: Will man dann provozieren oder stellt man sich selbst eine Aufgabe, an der man scheitern muss? Oder ist einem der Leser scheißegal und man will es einfach nur jemandem erzählen?

Das sind so Texte, da frag ich mich: Wo zum Geier kommen die her? In welcher Erzähltradition steht das? In der von Sketchen? Von lustigen Geschichten? Da sag ich zum Bauern Fred: Fred, die Äpfel verfaulen, die muss doch einer einholen. Und der Fred sagt zu mir: Ach du, ich wart noch zwei Tage.

Wo sind die Bücher, in denen solche Geschichten stehen? Und wenn es keins von diesen Büchern gibt - liegt das daran, dass die keiner schreiben kann, dass keiner auf die Idee kam, die bisher zu schreiben, oder weil sie einfach keiner lesen will.

Solche Geschichten, die auf "realen Ereignissen" beruhen, sind immer dann furchtbar, wenn der Autor sich im Recht wähnt und seinen Unmut über die "anderen" deutlich machen will.

Der Leser ist nicht der Freund des Autors, der ihm ein offenes Ohr schenkt, weil der Tag so hart war.

Gruß
Quinn

 

Hallo Jim!

Leider kann ich mich Quinn nur anschließen. Mit einer Ausnahme: Diese Parkett/Laminat Sache fand ich gut. Das ist direkt Loriotartig aufgezogen. Diese Verdrehung der Tatsache, die dann wiederum so verdreht, Tatsache wird und bleibt. (Bei Loriot sieht das so aus: http://www.youtube.com/watch?v=AxQ7oqOTXlI )
Aber, das hilft dem Text auch nicht weiter. Es fehlt halt die einfachste Grundstruktur einer Geschichte: Ausgangssituation – Handlung – Veränderung oder Wende oder Erkenntnis.
Ich meine, so gesehen hinkt dieser Text hinter deiner ersten Mieter/Vermieter Story meilenweit hinterher.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Jim, mich hat der Leseeindruck auch am ehesten ans Zappen erinnert; eine Episode, eine Illustration.
Ich bin ja sehr fürs Knappe, aber dennoch beim Lesen über die Dialoge gestolpert; ab drei wird's unübersichtlich ohne "Moderation".
Zur Charakterisierung der Personen: Zunächst wird der Protagonist als irrational verärgert dargestellt -- wie Asterix es nennt: loriotesk; im Gespräch mit den Vermietern ist die überzeichnete Verbohrtheit auf einmal ganz beim Vermieterpaarer, und Henning ist sehr, sehr cool; ein unerklärter Wandel.
Und für mich mal schön: sorgfältige Orthographie & Interpunktion. Selbst wenn das für Dich selbstverständlich ist -- man ist da ja Kummer gewohnt. ,)

 

Ich musste auch an Loriot denken. Und das ist ja nichts schlechtes. Mit anderen Worten: ich finde, der Dialog ist ziemlich gut. Falls Sitcom, dann sehr gute Sitcom. Das mit diesem "Name Doppelpunkt" ist allerdings nicht sehr elegant. Ich glaube, gerade eine so kurze Geschichte sollte sich formal nicht so weit rauslehnen. Aber vielleicht schreibst du ja eine ganze Serie in diesem Stil. Oder lies mal rein in JR von William Gaddis, das ist fast alles Dialog, aber er schafft es, aus dem Ton klar zu machen, wer spricht. (Jedenfalls meistens.) Gibt eine Amazon-Vorschau, da reden am Beginn des Buches auch drei Leute miteinander.

Dass die Figur des Henning nicht ganz konsistent ist (Lakritze) halte ich auch für ein Problem. Habe kurz getippt, dass die "Vermieter" seine Eltern sind, dann hätte diese Charakterwendung vielleicht mehr Berechtigung. Aber dann habe ich mir gedacht, es liegt auch im Statuswechsel begründet: Am Anfang ist er ja quasi selbst der Vermieter, und empfindet halbbewusst die damit verbundene Macht. Wenn er dann runter zu den Vermietern wechselt, geht dieser Nimbus natürlich verloren, und er ist wieder Henning, der Bummelstudent.

 

Vorab: Ich war bei der Geschichte auch unsicher. Da dachte ich, ein paar andere Eindrücke könnten helfen. Hilft auch.

@Quinn: Die Einwände zum ersten Absatz nehme ich ernst. Das ist interessant. Das Gespräch, nun ja, da kann man drüber streiten. Bankrotterklärung, dann bin ich da nicht der erste, der auf diese Weise seinen Bankrott erklärt. Wie baronsamedi sagt, dass kann auch funktionieren. Der Ton müsste dann individueller sein (guter Einwand) und die Kürze ist ein Problem; Stichwort: einlesen (sehr guter Einwand). Ach, und: Ich bin nicht Henning, und gestern war ein guter Tag.

@Asterix: Ja, das ist ästhetisch viel banaler (Dass sich hier jemand an die alte Geschichte erinnert... das hatte ich nicht erwartet). Und auch ja: Das war der Versuch von einer konventionell erzählten Geschichte zu einem Loriot-Ton hinüberzuwechseln. Da steht Loriot ganz unmittelbar als Vorbild da. (Natürlich, das ist immer ein Problem über "Vorbilder" zu sprechen; als könnte ich hier just mal Loriot imitieren. Der ist das schon meisterhaft. Aber die Ähnlichkeit ist kein Zufall...)
Die Geschichte ist schlecht gebaut: Ok, das nehme ich hin. Da gilt es anzusetzen!

@Lakritze: Ja, der Wandel der Figuren. Das soll natürlich so sein. Das ist mir nicht hineingerutscht. Wenn es nicht funktioniert - also nur als Inkonsistenz wahrgenommen wird, nicht als sinnvoll - ist das vielleicht die wichtigste Erkenntnis. Danke dafür.

@saronsamedi: Obwohl saronsamedi eine gute Idee hat, die Inkonsistenz zu erklären. Mit den Eltern wär vielleicht eine gute Drehung gewesen. Das behalte ich im Kopf. Danke für Deine 'wohlwollende' :-) Lektüre...

 

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