Guten Morgen Verchiel,
eine merkwürdige Geschichte mit dem Titel Nachhall.
Emilie Autumn, Szenengröße, und ihre Lieder immer geliebt von ihr, dröhnt in unmenschlicher Lautstärke über das wohl hässlichste Gleis, 12. Taubendreck auf den kaugummiverkrusteten Kopfsteinpflastern. Darauf ihr Bild. Die Regentropfen rinnen auf dem verglasten Rahmen, wie sie es „damals“ auf ihrer Wange getan haben, wenn die schwarzen Wolken wieder aufzogen. Drei rote Kerzen um ihr Bild. Tray, der sie wohl am meisten von uns geliebt hat, vielleicht weil er selbst am wenigsten von diesem parallelen Leben hatte, bestand auf drei.
- Emilie Autumn: die existiert tatsächlich. Habe die Dame gerade gegoogled. Hatte zuerst gedacht, das sei ein frei erfundener Name für diese Story.
- Szenegröße: mMn ohne „n“ in der Mitte
- Die Dopplung
ihr/
e liest sich nicht schön
- …
das wohl hässlichste Gleis: von wem o. was?
- … rinnen auf de
n (Akkusativ)
- weshalb ist
damals in Anführungszeichen gesetzt? Ergibt für den Leser keinen Sinn
-
(Die Regentropfen) rinnen (damals) auf ihrer Wange: ist eine holprige Formulierung
- …
weil er selbst am wenigsten von diesem Leben hatte(?) Vermutlich im Sinne von: am wenigsten (kaum) an diesem parallelen Leben teilnahm
Für Menschen, die von Frankfurt über Hamburg Altona nach Rostock wollten, sah diese Szenarium sicher seltsam verstörend aus, doch wir konnten uns an den verkanteten und rauen Seelen der anderen halten, um nicht noch tiefer zu fallen. Ich glaube wenn man Trauer intensiviert, und dann gemeinsam teilt, kann es sich schmerzhaft schön anfühlen. So schade, dass sie das nichtmehr fühlen wird. Es ist makaber. Wir fünf, deren Leben nackt und wehrlos auf der Straße liegen haben nur einige Kratzer und Cutt’s davongetragen.
- wollten = fuhren bzw. in Hamburg Altona nach Rostock umstiegen
- diese
s Szenarium
- … doch wir konnten uns an die …
- … kann sie (bezieht sich auf Trauer) sich schmerzhaft …
- 2x fühlen
- … liegen, (Komma)
Und sie, deren Leben auch glänzende Ecken hat, hat sich dem Druck hingegeben und den Löffel an den nächsten weitergereicht. Alice, links von mir, formte aus ihrer Trauer die Musik. Sang, schön, aber irgendwie leer. Dead is the new alive. Die Kälte und Nässe wusch uns den Schmerz wie kleine dreckige Schmutzpartikel von der Haut.
- 2x Leben
- hat = hatte (da das Mädchen bereits tot ist). Hier würde ich ohnehin ein Vollverb einsetzen. Bspw.
aufwies
- hingegeben o. ergeben?
- Sang, schön (bin mir unsicher, ob das Komma an dieser Stelle korrekt platziert ist. mMn nein)
- Die Kälte und Nässe wuschen …
Und als die Frau mit der Stimme ohne Idiosynkrasien, frei von Leid und Tragik, die Einfahrt ankündigte hatten wir alle dieselbe Idee. Hinterher, weg, raus, zurück, vorwärts, ratsch, schwarz.
-
Idiosynkrasie bedeutet Abscheu/ Abneigung. Was soll eine Stimme ohne Abscheu sein?
- … ankündigte, (Komma)
- … Idee: (Doppelpunkt)
Du beginnst im Präsens (dröhnt, rinnen) u. wechselst dann ins Präteritum (wollten, sah, konnten usw.). M.E. folgt dieser Zeitsprung keiner zwingenden Logik (denn wir befinden uns nach wie vor um die identische Uhrzeit auf demselben Bahnsteig), sondern ist schlichtweg falsch.
Insofern ich den kurzen Text richtig verstehe, ist eine junge Frau gestorben: Unfall, Drogen, Krankheit? Wird nicht verraten. Ihre Freunde stehen auf Gleis 12 (in Hamburg-Altona?), haben dort ein Foto von ihr aufgestellt mit drei Kerzen drum herum und hören laute Musik. Es ist kalt und regnet. Sie trauern gemeinsam: geteiltes Leid ist halbes Leid. Die Ansage aus dem Lautsprecher (= Frau mit Stimme ohne Idiosynkrasien?) kündigt den nächsten Zug an. Jetzt wird es kryptisch. Die Gruppe wird den besteigen o. läuft zurück zum Ausgangspunkt o. will ebenfalls sterben?
Fällt in die Kategorie Kürzest-Textsplitter. Bin mir unsicher, ob mir diese Gattung gefällt. Eher nicht, weil der Autor zu viel anreißt ohne sich die Mühe zu machen, es mir als Leser zu erklären. Aus jeder ultrakurzen Zeitungsmeldung zu diesem Drama würde ich wahrscheinlich schlauer werden als aus diesen dunklen Zeilen. Seltsam ist die Geschichte m.E. einzig hinsichtlich der kryptischen Sätze. Ansonsten beschreibst du den Tod eines jungen Mädchens bzw. die fassungslose Trauer der Freunde. Das wäre für mein Dafürhalten eine Alltagsszene. Denn gestorben wird jeden Tag millionenfach auf der Welt.
Die Geschichte könnte mMn eine deutliche Verlängerung vertragen. Ich persönlich fühle mich jetzt aufgrund der von dir gewählten Worte und Satzkonstruktionen nicht mehr betroffen/ gerührt, als wenn ich den Text in einer „normalen“ Langversion gelesen hätte. Für die Mitteilung von Trauer auf knappem Raum gibt es Todesanzeigen u. Gedichte. In Prosa würde ich mehr dazu schreiben.
Hoffe, du kannst mit einigen meiner Hinweise was anfangen.
Vg sinuhe