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Nachbar mit Fernrohr

Kew

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26.05.2009
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Nachbar mit Fernrohr

In der Küche stieg Dampf auf. Claudia kochte Nudeln, briet Zwiebeln und Knoblauch, schmolz einen Käse in der Pfanne. Sie trug ein Sommerkleid, aber ihre Arme waren winterblass – zierliche Arme mit einer Uhr am Handgelenk und Pigmentflecken auf der Schulter.
Jenseits der Straße saß Thore am Fernrohr. Sanft drückte das Okular auf sein Auge und sein Blick schwenkte mit, als Claudia vom Herd zum Küchentisch lief. Sie trank frisch gepressten Orangensaft, direkt aus der Schnabeltasse. Dabei fiel ihr Haar ewig den Rücken hinab, schwarze Strähnen auf buntem Stoff, Thore kaute auf seiner Oberlippe. Er wartete darauf, dass Claudia ins Wohnzimmer ging. Auf dem Sofa neben ihm lagen zwei aufgefaltete Taschentücher, seine Hose stand offen, das Gürtelende seitlich weg gespreizt wie eine Schlange. Auf dem Plattenspieler lief Billie Holiday.
Claudia löschte das Licht in der Küche und ging ins Wohnzimmer. Mit einem dampfenden Teller auf dem Schoß saß sie vorm Fernseher und das Licht flackerte über ihr Gesicht wie Geisterwesen. Thore griff sich in die Boxershort, pulsierende Hitze zwischen seinen Fingern.
Als die Taschentücher zerknüllt und vollgesogen unterm Sofa lagen, fingerte Thore nach dem Weinglas auf dem Beistelltisch – das Gesöff schmeckte widerlich und er schwor sich, nächstes Mal Wein in Flaschen zu kaufen und nicht im Tetrapack. Er fühlte sich leer und entspannt und die Zeit gerann, während er in den Halbschlaf glitt. Die Bilder des Tages zogen vorüber, Schnappschüsse von der Uni, der Fußgängerzone, von Dennis, alle verwaschen und nostalgisch, wie Amateuraufnahmen aus den Sechzigern.
Dennis war am Nachmittag zu Besuch gewesen. Sie hatte über Claudia gesprochen – ein Gespräch, das in Endlosschleife die immer gleichen Argumente durchkaute: Thore solle sie ansprechen, Thore sei gar nicht an einer Beziehung interessiert, Thore solle sich trauen, Thore finde das Beobachten weit besser. Er bemerkte kaum, dass Claudia vom Fernseher zum Computer wechselte, nur das Licht wurde schwächer und monoton.
Claudia stand auf einem Küchenstuhl. Sie knüpfte ein Seil an einen Haken in der Decke. Sie arbeitete gewissenhaft und ließ sich Zeit. Sie ruckte am Seil, um den Halt zu prüfen. Sie stieg vom Stuhl und kehrte zum PC zurück. Sie setzte sich nicht, sondern blieb stehen, wie jemand, der nur eine Mail verschickt. Sie trank Vodka aus der Flasche. Sie schaltete PC und Bildschirm aus. Sie sah sich im Zimmer um, prüfend wie eine Hausfrau nach dem Putzen. Sie stieg auf den Küchenstuhl. Sie knotete aus dem Seilende eine Schlinge.
„Scheiße!“
Mit fünf Schritten war Thore aus der Wohnung. Wie Fremdkörper eilten seine Füße die Stufen hinab und ständig die Gefahr zu stolpern und als Haufen gesplitterter Knochen auf dem Treppenabsatz zu enden. Aber er kam heil nach unten, kam heil über die Straße – eine Hupe jaulte ihm nach und der Fahrer schrie Unflätiges in die Nacht. An der Haustür klingelte Thore Sturm, in einer Abwärtsbewegung drückte er ein dutzend Knöpfe. Der Türsummer sprang an und Thore sprintete aufwärts, vorbei an Frau Samjok, die im Nachthemd aus ihrem Türspalt äugte. „Was ist denn passiert?“
„Rufen Sie die Polizei! Den Hausmeister! Irgendwen!“
Er stürmte weiter, immer rum im Karree, rum im Karree, und auf jedem Absatz spähten Gesichter wie Gnome aus den Türen. Mit hämmernden Herzen erreichte er ihre Tür, Würgen in Hals und Magen.
„Claudia! Mach die Tür auf. Scheiße. Tu’s nicht. Mach die Tür auf. Claudia.“ Er warf sich mit voller Wucht gegen die Tür und die Tür öffnete sich. Vor ihm ragte ein Hüne auf, ein rasierter Schädel, ein wuchernder Bart, 100 Kilo Kampfgewicht und Tattoos auf Hals und Oberarmen. „Fuck!“ Thore stolperte die letzte Treppe hinauf. Ein hastiger Blick aufs Namensschild, bevor er sich gegen die Tür warf und nichts passierte. Beim zweiten Versuch krachte seine Schulter und er schrie und taumelte zurück. Mit den Fäusten schlug er gegen die Tür und beachtete die Gesichter nicht, die übers Treppengeländer spähten. Schwer und endgültig legte sich eine Hand auf seine Schulter; hinter ihm stand der Hüne. „Weg da.“
„Nein … ich … Claudia …“ Der Hüne knallte ihm eine, dass sein Nacken knackte. Thore schlug der Länge nach hin, schmierte mit dem Gesicht über kalten Stein. Völlig weggetreten sah er noch, wie der Hüne die Tür mit einem Brecheisen aufhebelte und in der Wohnung verschwand. Thore lehnte sich an die Wand, zu schwach, um aufzustehen. Minuten später kehrte der Hüne zurück, zitternd und bleich unterm Bart. Die Gesichter am Treppengeländer rückten näher.

Um den Sarg drängten sich Grabkränze und Blumengewinde. Durch ein Fenstertriptychon fiel buntgefärbtes Licht bis auf die ersten Sitzreihen, wo schwarz in schwarz gekleidet Claudias Familie weinte. Die Luft war mit Weihrauch gesättigt und dem Geruch nach Kerzenwachs. Thore saß ganz am Ende der Kapelle und hielt Abstand zu den Trauergästen, die gramgebeugt vorüberschritten – er fühlte sich als Fremder und Störenfried.
Leise Orgelmusik hob an, der Pfarrer erschien. Seine Schuhe quietschten auf dem Steinboden. Er trat an die Kanzel und sortierte seine Rede, aber der Papierstapel glitt ihm aus den Händen und die Seiten segelten wie Schmetterlinge durchs staubige Licht. Mit einem gequälten Lächeln fischte der Pfarrer die Blätter vom Parkett. Die Orgelmusik wurde lauter und die Trauergemeinde sang ein Lied von Gott und von Heimkehr. Nur Thore schwieg. Er dachte an Claudia im Sarg, die Hände um ein Kreuz gefaltet, die Striemen am Hals verdeckt vom Grabgewand, und wäre sich falsch vorgekommen, zu singen.
Drei Moll-Akkorde beendeten das Lied. Der Pfarrer räusperte sich und begann seine Rede. Er sprach von Gott, von Tod, Trauer und Auferstehung – Worthülsen bloß, Phrasen, die nur an der Oberfläche kratzen, darunter blieb alles dunkel und unverstanden. Erst als der Pfarrer von Claudia erzählte, hörte Thore zu. Mit vierzehn wurde sie konfirmiert, ein aufgewecktes Mädchen mit Zahnspange und Zöpfen. Anschließend blieb sie der Kirche treu und fuhr Jahr für Jahr mit der Jugendgruppe ins Ausland, nach Kroatien und Korsika, wurde schließlich selbst zur Aufsichtsperson.
Der Pfarrer erzählte von ihren Freunden, es mussten viele gewesen sein, und Thore dachte an die Claudia, die einsam kochte und einsam im Wohnzimmer saß, das Gesicht flackernd beleuchtet. Wann war der Bruch gekommen? Beim Studium? Später, während der Arbeit? Vielleicht war es eine unglückliche Liebe gewesen, vielleicht eine Fehlgeburt, von der niemand wusste oder niemand sprach. Vielleicht war auch nichts passiert und nur die Jahre fraßen langsam die alten Freundschaften, bis nichts mehr blieb außer Arbeit und Fernsehen. Letztlich bekam Thore kein Bild zusammen. Er hörte Dinge über eine Fremde.
Die Sargträger kamen, sechs fesche Kerle in Schwarz, die abends sicher auf Frauenjagd gingen – Thore fand die Vorstellung befremdlich.
Auf dem Friedhof schien die Sonne und der Trauerzug kroch über staubigen Kies. Thore blieb auf Abstand und las im Vorübergehen die Inschriften der Grabsteine, verwitterte Zeugnisse vergangener Zeit. Vor ihm zählten sich zwei alte Männer die Freunde und Bekannten auf, die seit dem letzten Treffen gestorben waren. Zwischendrin kamen sie auf Claudia zurück. „Armes Ding. So jung.“ „Und Selbstmord. Die arme Mutter.“ „Gut, dass wir keine Kinder haben.“ „Jaja. Keine Kinder.“
Thore schwitzte in seinem Anzug.
Die Prozession hielt und der Pfarrer sprach letzte Worte und der Sarg sank in die Erde. Die Trauergäste kondolierten der Familie, Vater, Mutter, Schwester, und warfen Erde ins Grab, prasselnder Aufschlag in der Tiefe. Thore verharrte abseits.

Vorm Club schwamm die Straße in Laternenlicht. Schatten trieben hindurch wie Fische: ein Obdachloser mit filzigem Haar, ein Pärchen, das sich lautstark auf Spanisch stritt, eine Gruppe betrunkener Asiaten. Thore atmete bewusst langsam. In seinem Magen rebellierte der Alkohol, beißender Schmerz und beißende Übelkeit, und er überlegte sich, ob er eine Ecke suchen sollte zum Kotzen. Keine zwei Meter entfernt schleusten die Türsteher Gäste in den Club. Sie warfen ihm drohende Blicke zu.
„Hey, alles in Ordnung?“ Dennis trat neben ihn. „Du siehst echt scheiße aus.“ Er legte Thore eine Hand auf die Schulter, sah ihm von unten her ins Gesicht. Er trug ein T-Shirt, auf dem sich ein Model den Zeigefinger unter die Nase hielt, auf den Finger war ein stilisierter Schnurrbart geklebt.
„Mhm.“
„Musst du kotzen?“
Thore wehrte ab. „Geht schon.“
„Sollen wir gehen?“
„Warten nicht die Mädchen auf dich?“
„Die kommen schon klar.“
Sie liefen die Straße hinab, vorbei an Schaufenstern, in denen Neonröhren fahles Licht auf Plastikpalmen warfen, auf Kleiderpuppen, auf Dildophalanxen und Porno-Blu-Rays. Gänsehaut kroch über Thores Arme. Er blickte zum Himmel hinauf, wo nur der Widerschein der Stadt zu sehen war, keine Sterne, kein Mond, nur das Blinken eines Flugzeugs im Landeanflug. Schwindel überkam ihn. Sein Kopf kippte nach vorne und zwei Kerle füllten sein Blickfeld. Selbst in Hemden gezwängt – das eine war lila, das andere rot - wirkten sie wie Schläger: Auf Anabolikamuskeln prangten Tattoos, sie hatten weder Haare noch Augenbrauen. „Habt ihr mal Feuer?“
Dennis zückte sein Feuerzeug und die Flamme erhellte frisch rasierte Wangen. „Dein Kumpel sieht fertig aus.“
„Ne Bekannte ist gestorben“, erwiderte Dennis.
„Mein Beileid. Ist echt scheiße, so was.“ Sie patschten Thore auf die Schulter - schwer wogen ihre Hände, schwer ihre Blicke - verabschiedeten sich und verschwanden die Straße hinab, zwei massige Gestalten, die Irrlichter jagten.
„Hast du schon mal überlegt, dich umzubringen?“, fragte Thore.
„Klar.“ Dennis hob die Schultern. „Jetzt schau nicht so. Ich glaub nicht, dass das so komisch ist.“ Er fischte eine Packung Zigaretten aus der Hosentasche.
„Kann ich eine?“, fragte Thore.
„Seit wann rauchst du?“
„Ist doch egal.“
Thore steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und Dennis gab Feuer. Heiß und kratzig füllte der Rauch seine Lungen und, während er die Zigarette ungeschickt zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, fühlte er sich cool.
„Wie würdest du es machen?“, fragte er.
Dennis grinste, aber es wirkte nicht überzeugend. „Ich würde im Bad alle Abläufe verstopfen und das Wasser aufdrehen. Dann setzte ich mich vor den Fernseher. Vielleicht schau ich einen Film von Kusturica. Arizona Dream zum Beispiel.“
Sie kamen an einem umgestürzten Glascontainer vorbei. Flaschen und Joghurtgläser glitzerten im Gelblicht, und davor stand ein Pfandsammler, von Ehrfurcht ergriffen und viel zu betrunken, um zu kapieren, dass ihm dieses Scherbenmeer keinen Cent bringen würde.
„Ich rauche einen Joint. Ich trinke Absinth. Auf dem Tisch neben mir steht diese Beistelllampe. Die, die du so hässlich findest. Ich hab das Kabel durchgeschnitten und halt das Ende in der Hand.“ Seine Faust ballte sich um ein Kabelstück.
„Der Stecker steckt in der Steckdose und das Wasser kommt näher. Ich bin dann schon total breit und dreh den Fernseher voll auf. Das Wasser kommt an meine Füße. Und wenn das ganze Zimmer voller Wasser ist, lasse ich das Kabel fallen. Meine Wohnung ist ziemlich alt, da rettet mich keine Sicherung.“
Sie standen vor der Haustür und rauchten noch eine Zigarette, bevor sie durchs dunkle Treppenhaus aufwärts stiegen – die Beleuchtung war seit Tagen kaputt und keine Reparatur in Sicht, denn mit Lungenentzündung lag der Hausmeister im Krankenhaus. Dennis lief vorneweg und Thore sah seinen Schatten und hörte ihre gemeinsamen Schritte, leise und schlurfend, und fühlte sich wie ein Geist, schwerelos und ohne Zeitgefühl. Sie erreichten die Wohnungstür. Thore kramte nach dem Schlüssel.
Drinnen roch die Luft abgestanden, als wäre seit Tagen nicht gelüftet worden. Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Nach dem Treppenhaus wirkte das Deckenlicht grell und unnatürlich. Thore senkte den Blick. Dennis ging in die Küche und brachte zwei Gläser mit Wasser.
„Komm schon, dann geht’s dir besser.“
„Manchmal bist du echt wie meine Mutter.“ Aber er trank das Wasser.
„Such dir halt ne Freundin. Dann übernimmt die das.“
„Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Also den letzten Schritt. Davor, kein Problem. Ich steige auf den Stuhl, ich mach eine Schlinge ins Seil. Das ist irgendwie ganz normal. Das ist Alltag. Ich stecke meinen Kopf durch die Schlinge. Ich spüre das Seil um meinen Hals. Jetzt ist es schon was anders, es ist beängstigend. Aber ich kann es mir vorstellen. Ich hab da einen Zugang. Aber dann … Wie kommt man dazu, den letzten Schritt zu machen, den Schritt runter vom Stuhl? Wie schafft man es, den Stuhl umzuwerfen? Ich versuch die ganze Zeit dahinter zu kommen. Mir das plausibel zu machen. Aber alles bleibt leer. Wie in einem Traum, wenn hinter der Tür etwas Bedrohliches, Dunkles lauert, aber man nicht weiß, was es ist. Und wenn man die Tür schließlich öffnet, wacht man auf.“
Er schloss die Augen und ließ sich in die Sofalehne fallen. Rot und gelb schien Licht durch seine Lider. Seine Lungen fühlten sich kratzig und verschleimt an, als müsste er spachtelweise Teer aus seinen Bronchien kratzen.
„Stell dir vor, du willst mir erzählen, wie es ist, eine Frau zu küssen.“ Dennis klang wie früher sein Vater beim Vorlesen von Gutenachtgeschichten mit einer Stimme sanft und rau wie eine Muskatnussreibe – bei Dennis war das ganze freilich die Folge von Alkohol und Zigaretten.
„Du kommst da nicht weit. Du kannst zwar sagen, dass du das Mädel umarmst, dass du den Mund öffnest, mit der Zunge in ihr herumwühlst, dass du vielleicht schmeckst, was sie gegessen hat. Aber was bringt das? Ich hab immer noch keine Ahnung. Und daran ändert sich nichts, bis ich losgehe und eine Frau küsse.“
Träge versank Thore im Schlaf. Ihm war warm und der leichte Schwindel, der noch blieb, war wie das Schaukeln einer Wiege, das sanfte Rollen eines Schiffs auf See - und der Horizont so weit und die Wellen auf und ab und die Möwen im Wind …
„He, nicht schlafen.“ Dennis rüttelte an seiner Schulter. „Du musst mir was versprechen.“
„Was denn?“ Er blinzelte in Dennis Gesicht, das über ihm schwebte wie ein verirrter Mond.
„Na, dass du dich nicht umbringst.“
Thore lächelte schlaff. „Ne, ich doch nicht. Mir geht es nicht schlecht. Mich beschäftigt das nur. Claudia und alles.“

Thore betrat das Bistro: Tische aus angerautem Plastik, Stühle mit Kunstlederbezug, und die Kellner eilten geschäftig von Gast zu Gast, balancierten Tabletts voller Wassergläser und Saftschorlen. Musik säuselte an der Hörschwelle und aus der Küche kam das Klappern von Metall. Thore sah sich um, leicht verloren zwischen Geschäftsleuten, die an Tablets oder Notebooks hantierten, während sie Pasta und exklusive Sandwiches aßen. Eine Hand winkte ihm.
Die Hand gehörte Alexandra Zimmerman, Claudias Schwester. Sie hatte ihn angerufen, viel zu früh am Morgen, Thore klang wie ein Zombie am Telefon, und ihn um ein Treffen gebeten. Sie trug ein Kostüm in Grau und Schwarz. Sie sah Claudia nicht ähnlich, sondern war hübsch – hübsch wie strenge Lehrerinnen hübsch waren, mit Haaren zum Dutt gesteckt und schmalem Mund.
„Es freut mich, dass Sie kommen konnten.“ Thore, der sich unwohl fühlte in T-Shirt und Jeans, nahm ihr gegenüber Platz. „Bestellen Sie ruhig etwas. Ich habe bereits gegessen.“ Auf ihrem Teller verkümmerte ein Salat, ein kompliziertes Muster aus Rucola und Eisberg, aus Tomaten und Hühnchenbrust.
Sie schwieg, während Thore sich durch das Speiseangebot arbeitete und ihr scheue Blicke über den Kartenrand zuwarf, unsicher, was sie von ihm wollte. In der Ferne waren die Bässe einer Demo zu hören. Schließlich bestellte er Penne Arrabiata und ein Glas Wasser.
„Hätten Sie die Nudeln gerne mit oder ohne Knoblauch?“
„Äh, ohne.“
Die Kellnerin zog ab.
„Nun, Sie können sich sicher denken, weshalb ich Sie um dieses Treffen gebeten habe.“
Konnte er nicht und deshalb wartete er, während Frau Zimmerman an ihren Haaren zupfte und in der Handtasche kramte, als suche sie Zigaretten. Ihre Finger waren lang und weiß und wie gemacht, um spinnengleich über eine Klaviatur zu huschen. Die Demo kam näher, die Bässen wurden lauter.
„Kennen Sie den Grund?“
„Weshalb sich Claudia umgebracht hat?“
„Ja.“
„Nein.“ Sie wirkte enttäuscht. „Ich hab Claudia kaum gekannt.“
„Ich dachte …“
„Es war nur Zufall, dass ich gesehen habe, was passiert ist. Wir wohnen … wohnten … auf gleicher Höhe.“
Die Kellnerin servierte die Arrabiata und vielleicht war das der Grund, weshalb Frau Zimmerman nicht aufstand und ging. Gedankenverloren hing ihr Blick im Raum, während Thore mit Unbehagen aß. Vorm Bistro defilierten die ersten Demonstranten mit Transparenten vorüber, die Thore nicht lesen konnte, mit Fahrrädern, Skateboards, einem Traktor, der knatternd und im Schritttempo von einer Jugendlichen gesteuert wurde. Die Musik übertönte inzwischen das Hintergrundsäuseln im Bistro, klang aber immer noch weit entfernt, nur der Bass war zu hören und keine Melodie.
„Sie wundern sich sicher, warum ich Sie nach dem Grund gefragt habe. Als ihre Schwester sollte ich schließlich Bescheid wissen.“ Thore, den Mund voller Nudeln, antwortete nicht. „Die Wahrheit ist, wir sind nur Halbschwestern. Mein Vater hat zweimal geheiratet. Und auch, wenn wir uns eigentlich nie gestritten haben, verstanden wir uns nicht sonderlich gut, also Claudia und ich. Wir hatten einfach nicht sehr viel gemeinsam. In der Kindheit fiel das natürlich nicht sonderlich auf. Da sind wir in den Sommerferien gemeinsam über den Strand gelaufen.“ Thore versuchte, sich das Bild vorzustellen – Claudia und Frau Zimmerman, beide auf Kindergröße geschrumpft, flitzten an der Wasserkante entlang, während die Wellen wie Tiere nach ihren Füßen leckten. Ihre Gesichter wirkten altklug und gruselig. Keine von beiden lachte. „Aber später wurde es ziemlich auffällig. Wir hatten verschiedene Freundeskreise, verschiedene Interessen. Nach der Schule haben wir praktisch den Kontakt verloren und haben uns nur noch bei den Familienfeiern zu Weihnachten gesehen.“
Der Bass wurde durchdringend, Thore spürte ihn in Brust und Bauch, vibrierende Wellen, waberndes Pulsieren, und noch immer keine Melodie. Ein Lieferwagen fuhr vorüber, eingeklemmt zwischen den Demonstranten, die im Gehen zu tanzen versuchten, und in Seiten- und Hintertür standen die Boxen, schwarz, kantig und massiv. Mit Seilzügen war ein Generator aufs Dach geschnallt. Und obwohl der Bass durch Mark und Bein ging und die Gläser auf den Tischen zuckten, klang die Musik seltsam leise, mehr nach purer Leistung als einem Lied. Die meisten Gäste sahen genervt aus dem Fenster. Viele mussten ihre Telefongespräche unterbrechen, ihre Handys lagen nutzlos in der Hand.
Die Demo zog vorüber, die Musik flaute ab. Thore fühlte sich schwummrig. Er hatte das Gefühl, Dinge gehört zu haben, die ihn nichts angingen.
„Wissen Sie, ich mache mir Vorwürfe“, sagte Frau Zimmerman. „Vielleicht hätte ich ja was ändern können. Ich meine, wenn ich mehr Kontakt zu ihr gehabt hätte. Wenn ich wenigstens mal am Wochenende angerufen hätte. Einfach fragen, wie es ihr so geht. Vielleicht hätte das einen Unterschied gemacht.“
„Ich denke nicht … Ich meine, letztlich war es Claudias Entscheidung. Sie können für niemanden die Verantwortung übernehmen.“
Sie lächelte schmal und Thore hatte das Gefühl, dummes Zeug zu reden und verstummte mit brennenden Wangen.
„Danke. Das ist sehr wichtig für mich.“
Das Lächeln blieb und Thore, der sich weniger unwohl fühlte, zwang seine Mundwinkel nach oben. Dann schüttelte Frau Zimmerman den Kopf, als wäre ihr aufgefallen, was sie gerade tat. „Sie entschuldigen mich.“ Elegant und geschmeidig stand sie auf, elegant und geschmeidig ging sie in Richtung der Toiletten. Thore zerfriemelte seine Serviette. Die Fitzel schneiten auf den Teller.
Frau Zimmerman kehrte mit frischem Make-up zurück, ihr Gesicht wirkte jetzt wieder gefasst und souverän. „Vielen Dank dafür, dass Sie kommen konnte. Leider wartet ein Termin auf mich. Aber bleiben Sie ruhig sitzen, das Essen geht auf mich.“ Sie zückte ihre Brieftasche, Schlangenleder oder ein geschicktes Imitat, und klemmte einen Fünfzig-Euro-Schein unter ihren Teller. „Falls Ihnen doch noch etwas einfällt, oder Sie etwas hören, melden Sie sich bitte bei mir. Hier ist meine Telefonnummer.“
Zwischen Zeige- und Mittelfinger reichte sie ihm eine Visitenkarte. Thore wog die Karte in der Hand. Auf schmerzhaft hohen Absätzen verließ Frau Zimmerman das Café und verlor sich rasch unter den Passanten. Thore dachte an Claudia, dachte an lange Abendstunden, wenn rostiges Licht die Hausdächer färbte, wenn sie am Herd stand und Reis kochte oder Nudeln, wenn sie vorm Fernseher saß.

In Boxershorts saß Thore auf dem Sofa, trank Kaffee. Sonnenlicht wärmte ihm die Füße und Müdigkeit trieb in seinem Kopf umher wie Rauch. Das Fernrohr stand verloren in der Ecke und Staub überzog das Olivgrün und Schwarz mit fadem Pelz. Jenseits der Straße waren die Fenster mit Gardinen verhängt. Auf dem Boden lagen Bücher und Blöcke verstreut, hastige Notizen und Mitschriften, Unikram, der ihn nicht wirklich interessierte – er sah sich nicht mehr als Psychologe oder Psychotherapeut. In der Küche faulte der Biomüll.
Thore ließ den Kaffee stehen und ging duschen. Er rasierte sich, zog sich an, verließ die Wohnung. Er stieg auf sein Fahrrad und fuhr Richtung Friedhof. Bis auf wenige Passanten waren die Straßen leer – die halbe Stadt lag an den Baggerseen im Umland oder döste bei herabgelassenen Rollos im Bett, zu träge zum Reden, zu träge für Sex, nur der Fernseher flimmerte im Dunkel. Thore schmeckte Salz auf den Lippen. Seine Müdigkeit wurde zu Kopfschmerzen.
Auf dem Friedhof war niemand. Thore lief die Grabreihen ab, bis er Claudias fand. Verdorrte Kränze und vertrocknete Blumen häuften sich vor dem Stein, ihr staubiger Geruch schwängerte die Luft und Käfer krochen im Schattengewirr am Boden. Das Grablicht war längst ausgebrannt. Von den Besuchen am Grab seines Großvaters wusste Thore, dass ganz in der Nähe eine Sammelstelle für Abfälle lag, und so sammelte er Kränze und Blumen und trug das Knäuel vorbei an betenden Madonnen und zerfressenen Engeln.
Als er wieder kam, schwitzend und schlechtgelaunt, stand ein Mann vorm Nachbargrab. Er war vielleicht fünfundsechzig, trug einen Hut und einen Anzug aus Leinen. In der Hand hielt er einen Stock, mehr Zierde denn Stütze, er stand sehr gerade und aufrecht, obwohl Schweiß seinen Kragen verfärbte. Seine ganze Erscheinung hatte etwas von alten Fotos, von weißen Männern unter Palmen, von Kuba und vergangener Zeit – nur die Zigarre fehlte.
„Guten Tag“, grüßte der Mann.
„Guten Tag. Liegt hier ihre Frau?“ Thore deutete auf das Grab, vor dem der Mann stand.
„Ja.“
„Mein Beileid.“
„Es ist Jahre her. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt.“ Thore musterte den Mann von der Seite. Sein Gesicht wirkte entspannt. Ein Bus fuhr am Friedhof entlang, ganz grollender Motor und Sonnenreflexe. Thore kniff die Augen zusammen.
„Darf ich fragen, wen Sie besuchen?“, fragte der Mann.
„Eine Nachbarin. Ich kenne sie eigentlich gar nicht.“
„Dann ist es sehr nett von Ihnen, dass Sie hergekommen sind.“
Als wäre alles gesagt, schwieg der Mann, und Thore fragte sich, wie es war, alt zu sein und zu erleben, dass die Bekannten, die Freunde, die Familie starben, dass bei jedem Begräbnis die Trauergemeinde kleiner wurde, dass immer weniger beim Leichenschmaus zusammensaßen, um sich zu erinnern. Mit einem Winken verabschiedete sich der Mann von seiner Frau. Thore folgte ihm Richtung Straße und Alltag. Am Friedhofstor gab ihm der Mann die Hand. Seine Haut war warm und trocken. Er wandte sich zum Gehen.
„Kann ich Sie noch etwas fragen?“
„Natürlich.“
„Wie haben Sie es geschafft? Ich meine, wie haben Sie den Tod Ihrer Frau überstanden?“
„Ich habe mit dem Rudern angefangen. Ein schönen Sonntag noch.“
Unter einem grausam blauen Himmel ging der Mann die Straße entlang und Thore wartete, bis er an einer Kreuzung abbog und verschwand.

 

Hallo Kew,

ich habe die Geschichte mit großer Spannung gelesen. Ich wollte wissen, worum es darin geht.
Fazit: Wie überwindet man ein Trauma? Antwort: Rudern.
Ich gehe davon aus, dass Thore sich in derselben Situation wie Claudia befindet: einsam. Er braucht ein Fernrohr, um menschliche Beziehung herzustellen. Ein schönes Bild für Fernenliebe. Man liebt das Ferne, weil man damit weniger Schwierigkeiten hat als mit dem Nahen.

Und dann fragst du dich, was für ein Mensch das ist. Mit wem er da spricht. Ob er eine Frau hat. Ob er Kinder hat. Ob ihm seine Arbeit gefällt.“
„Eins muss ich dir lassen.“ Dennis nickte anerkennend. „Interesse ist ein toller Euphemismus für notgeil.“
„Idiot.“
Notgeil beziehe ich nicht nur auf Sex, sondern auf menschliches Zusammensein.
Deswegen die helle Aufregung, mit der er sie retten will. Deswegen die Fragen, wie man sich beim Aufhängen fühlt. Er sieht in ihrer Handlung die Vorwegnahme seines Selbstmords.
(Übrigens bin ich mit Claudia und Frau Samjok durcheinander gekommen wegen der Freigebigkeit der Namen. Habe es jetzt vielleicht verstanden..
„Wie würdest du es machen?“, fragte er.
Dennis grinste, aber es wirkte nicht überzeugend. „Ich würde im Bad alle Abläufe verstopfen und das Wasser aufdrehen. Dann setzte ich mich vor den Fernseher. Vielleicht schau ich einen Film von Kusturica. Arizona Dream zum Beispiel usw. ...“
Die Todessehnsucht hat Thore gepackt, er verwahrlost bereits.

er sah sich nicht mehr als Psychologe oder Psychotherapeut. In der Küche faulte der Biomüll.
Der weise, alte Mann im Friedhof weiß Rat: Das Leben aktiv anpacken. So ist das Thema Deiner Geschichte: Leben/Sterben oder Überleben (Thema bei Hesse).
Wichtiges Thema, richtiger Ansatz bei der Einsamkeit, das Fernrohr ist ein einleuchtendes Symbol für Menschenferne und Einsamkeit. Inhaltlich alles gut gelungen.
Sprachlich liest es sich gut und flott. Mir fielen nur Sätze auf, die ich zu überladen fand.

Thore ging in die Küche. Das Fenster blickte hier auf den Innenhof, wo Ratten im Inzest lebten, und alles war voller Schatten, als wäre die Nacht im Anmarsch oder ein Gewitter. Im Kühlschrank stand ein Krug mit Holundersirup, Eiswasser und Minze. Als er mit zwei schwappenden Gläsern ins Wohnzimmer zurückkehrte, saß Dennis auf dem Sofa, die Arme hinterm Kopf verschränkt; unter den Achseln zeichneten Schweißflecke sein T-Shirt.

Was ist die Funktion dieses Abschnitts in Bezug auf die Geschichte/Handlung? Andeutung der menschlichen Finsternis von Thore? Wozu die Andeutung von Inzest? Warum die Schweißflecken? Angst? Ich glaube, dass an einigen Stellen die Beschreibung zu überladen ist und vom Kern der Geschichte wegführt. Was schade ist, denn eigentlich ist die Geschichte knallhart. Die Umwege mildern die Situation von Thore.
Dennis interessierte sich weder für Technik [,] noch für das Militär
Komma weg
halbverdeckt
halb verdeckt
so’n
so 'n
Durchs gekippte Fenster drang Essensgeruch und abendlicher Straßenlärm.
drangen
Gesprächsfetzten
Gesprächsfetzen
als man die Enkeln glauben machen wollte
den
Vorrübergehen
Vorübergehen
In seinem Magen rebellierte der Alkohol, beißender Schmerz und beißende Übelkeit
rebellierten
Schläger: auf Anabolikamuskeln prangten Tattoos,
Auf
Heiß und kratzig füllte der Rauch seine Lungen und Komma während er die Zigarette ungeschickt zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, fühlte er sich cool,
Ich versucht die ganze Zeit
versuchte
Zimmermann
Zimmerman
In Boxershorts saß Thore auf dem Sofa, Sonnenlicht wärmte ihm die Füße, und trank ungesüßten Kaffee
Komma weg

Ein wichtiges Thema, gut erzählt.
Herzlichen Dank
Wilhelm

 

Hej Kew,

von Dir ist dieser wirklich gute Beitrag, der umfassend erklärt, woran bisher noch jede Selbstmordgeschichte, die ich hier gelesen habe, gescheitert ist. Die von Dir aufgelisteten Fehler vermeidest Du alle.

Trotzdem funktioniert diese Selbstmord-Geschichten-Version für mich nicht. Ich find's gut geschrieben aber wirklich eintauchen kann ich nicht.

Zum einen empfinde ich es als merkwürdig (im Sinne von "den unbewussten Mit-Fühl-und-Denke-Fluss störend"), dass jemand aus Langeweile oder einer Spiellaune heraus einen Menschen beobachtet, der in keiner Weise interessant ist.

Zum Vergleich: Ich würde es ähnlich schwer finden zu glauben, dass jemand einer Person folgt, die er flüchtig in der U-Bahn gesehen hat, mit ihr aussteigt und bis vor ihr Haus oder den Supermarkt hinterhergeht, mit der Begründung "das Ganze ist ein Spiel", also vollkommen absichtslos und nicht deswegen, weil er nur aus diesem Grund in die U-Bahn eingestiegen ist und geplant hatte, so etwas zu tun.

Auch Thore hat sich das Fernrohr nicht angeschafft, um grundsätzlich zu beobachten, wer ihm gerade vor die Linse kommt (zumindest wird davon nichts gesagt), sondern sieht sich nur die langweilige Claudia an (soll das eine Art Paradoxon darstellen: Sie ist so langweilig, dass sie schon wieder interessant ist?).
Wo ist da die Motivation? Damit wäre die ganze Aktion nicht nur plausibler, sondern auch spannend.

Zwei Reihen weiter sitzt jemand und telefoniert. Und dann fragst du dich, was für ein Mensch das ist.
Was Du beschreibst, ist flüchtiges Interesse. Das ist das Gegenteil von "mit einem Fernrohr angucken".

Wird überhaupt verständlich, was ich meine?

Mein zweites Problem zeigt sich in diesem Absatz (vielleicht ist es auch das erste Problem in einer anderen Form)

Ich kann es mir einfach nicht vorstellen. Also den letzten Schritt. Davor, kein Problem. Ich steige auf den Stuhl, ich mach eine Schlinge ins Seil. Das ist irgendwie ganz normal. Das ist Alltag. Ich stecke meinen Kopf durch die Schlinge. Ich spüre das Seil um meinen Hals. Jetzt ist es schon was anders, es ist beängstigend. Aber ich kann es mir vorstellen. Ich hab da einen Zugang. Aber dann … Wie kommt man dazu, den letzten Schritt zu machen, den Schritt runter vom Stuhl? Wie schafft man es den Stuhl umzuwerfen? Ich versucht die ganze Zeit dahinter zu kommen. Mir das plausibel zu machen. Aber alles bleibt leer. Wie in einem Traum, wenn hinter der Tür etwas Bedrohliches, Dunkles lauert, aber man nicht weiß, was es ist. Und wenn man die Tür schließlich öffnet, wacht man auf.“
Hier sagt er: "Ich habe eigentlich keinen guten Grund dafür, mich das alles zu fragen. Ich gehe dieses (mit dem Verstand nicht zu lösende) Problem mit dem Verstand an und verstehe einfach nicht, warum ich es nicht lösen, nicht wirklich berühren kann."

Für mich sind die zentralen Punkte dieser Geschichte leer.

Noch mal konkret:

an ihrem Körper wirkten die Sachen langweilig, als wäre sie eine Schaufensterpuppe.
(Schaufensterpuppen sind leblos, aber die Klamotten, die sie anhaben wirken deswegen nicht automatisch "langweilig") Langweilige Personen sind schwer zu beschreiben. Schwerer ist es nur noch, anderen glaubhaft zu verklickern, dass jemand eine absolut langweilige (schwer zu beschreibende) Person voller Interesse beobachtet, ohne irgendwelche Gründe dafür zu nennen :p)
Warum, zum Teufel, muss sie überhaupt langweilig sein? Lass das weg und die Geschichte nimmt schon mal etwas Fahrt auf.

Ich würde nach Thores Motivation forschen.
Du könntest auch mal ausprobieren, inwieweit sich die Geschichte verändern würde, wenn Claudia sich nicht selbst umbringt, sondern eines Unfalltodes stirbt. Nach meinem Empfinden macht das keinen großen Unterschied, was dafür sprechen würde, dass es hier entweder noch zu wenig oder zuviel um Selbstmord geht.

LG
Ane

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber Kew,
ganz schön morbid.
Ich habe deine Geschichte und auch die beiden bisherigen Kommentare sehr sehr interessiert gelesen. Ich merk daran, wie unterschiedlich wir Leser doch sind, wie unterschiedlich wir wahrnehmen und wie sehr wir dabei doch voneinander profitieren können.
Ich lese deine Geschichte von Thore so: Ein einsamer junger Mensch beobachtet als Ersatz für das wirkliche Leben andere Menschen. Weil er selbst sehr einsam ist, sich zumindest so fühlt, denn eigentlich hat er ja einen Dennis, der sich um ihn kümmert, beobachtet er nicht interessante, spannende Leute, eine hübsche Frau oder von mir aus feiernde Omas, nein, er beobachtet einen anderen Menschen, der noch einsamer ist als er selbst. Als wollte er, ohne dass ihm das bewusst ist, sehen, was sie tut, wie sie mit ihrem Leben umgeht. Dass sie sich selbst töten will, das hat er natürlich nicht erwartet, vielleicht hat er sich von der Beobachtung der einsamen Claudia etwas Poitives erhofft. Dass endlich was bei ihr passiert - in positiver Richtung natürlich. Als sie sich selbst tötet, ist das für ihn ein Schlag, er versucht, sie zu retten, ihr Selbstmord lässt einen Damm in ihm brechen. Jetzt versteht er, was ihn bei der Beobachtung getrieben hat. Und er spielt selbst mit der Vorstellung des Selbstmordes. Interessanterweise fragt er sich nicht, warum sie sich getötet hat, er fragt sich nur, wie sie den Mut finden konnte.
Das Thema ist hart und sehr bewegend. Ich denke, dass schon viele viel Menschen mit der Idee des Selbstmordes gespielt haben, weil sie sich einsam oder verzweifelt fühlen. Es ist ja oft nur ein Hilfsgedanke, man stellt sich vor, endlich wäre alles aus, weil man will, dass der Schmerz endlich endet. Und sehr sehr viele Menschen haben sich schon mit der Frage beschäftigt, wie sie weiterleben sollen. Von daher, das Thema ist nicht nur hart, sondern es ist ein wichtiges Thema, in dem man sich auf die eine oder andere Art wiederfinden kann. Und ich finde auch, dass du das rüberbringst, ich merke als Leserin, was du zeigen willst. Und für mich ist es ein einfaches, aber großartiges Ende, das deine Geschichte hat.

Dennoch habe ich mich an einigen Stellen gefragt, wieso das Ganze vor mir abläuft, wie wenn ich hin und her schwimmenden Fischen in einem Aquarium zuschaue. Und jetzt kommt Ane ins Spiel. Sie hat sich gefragt, warum Thore keine spannenden Menschen beobachtet, sondern so eine langweilige Maus wie Claudia. Und da legt sie den Finger auf einen entscheidenden Punkt.
Ich glaube zu verstehen, was du sagen willst, wenn er gerade Claudia beobachtet (sie ist wie ein Ersatz für ihn). Aber durch Anes andere Sicht wird mir auch klar, was hier fehlt: Thores Not, warum er zu dem Lebensbehelf Fernrohr greift, muss spürbarer werden.
Im Moment behilfst du dir mit so Bildern wie den Ratten vorm Fenster (die sind echt zu krass und dann vögeln sie auch noch im Familienverband, die würd ich echt kicken), den sich duckenden Möbeln in Claudias Wohnung oder den Schatten im Hof. Es ist ja wahrscheinlich auch prinzipiell richtig, die Melancholie eines Menschen nicht mit ausufernden Gefühlsbeschreibungen zu "töten". Aber hier kommt es mir so wenig vor, dass mir dann bestimmte Beschreibungen (ähnlich wie Wilhelm) zu überladen vorkommen. Die Beschreibung der Atmosphäre ist gut , an den einzelnen Bildern kann ich auch gar nichts aussetzen, sie sind aber noch zusammenhanglos zu dem inneren Zustand deines Protagonisten. Und daher wirken einige Beschreibungen überladen und zu schnell und motivlos auftauchend.
Das klingt jetzt furchtbar kritisch. Ist aber null so gemeint. Ich denke einfach, dass du am Anfang noch nachlegen müsstest, stärker Thores Situation zeigen müsstest. Keine einfache Aufgabe, denn schnell macht man da wieder zu viel.

Eine Sache noch: Du beschreibst ja gerne viele Details, deine Texte sind oft voller kleiner, wunderbarer Beobachtungen. Aber manchmal führen diese Beobachtungen auch zu weit ab, führen den Leser in die Irre. Also diese sinnlichen Details würde ich ein bisschen stärker an die Kandare nehmen. Sie prüfen, ob sie für den Gehalt meiner Geschichte taugen oder ob sie quer schießen.
Als Beispiel zwei Stellen, wo ich das ganz stark so empfunden habe:

Das Fenster blickte hier auf den Innenhof, wo Ratten im Inzest lebten, und alles war voller Schatten, als wäre die Nacht im Anmarsch oder ein Gewitter.
Ganz prinzipiell ersetzt mir dieses Hinterhof"idyll" zu sehr Thores Gemütszustand. Es taucht unvermittelt auf und ohne jeglichen Bezug zu seiner psychischen Not, die ihm zwar noch nicht bewusst ist, die aber doch auch an ihm selbst spürbar werden sollte. Und der "Inzest" der Ratten führt endgültig ab. Ich frage mich dann sofort, warum du das schreibst. Also wenn Leute Ratten im Hinterhof sehen, dann ekeln die sich oder kreischen oder werden von mir aus sonstwie morbid, aber sie kommen doch nicht auf deren Vögelgewohnheiten. Also fragt man sich als Leser, was du denn damit mitteilen willst und schon ist man ab vom Schuss.

Auf seinem Nacken glitzerten die Härchen im Licht und auf Höhe der Schultern, vom T-Shirt halbverdeckt, jagte ein Skorpion in Naziuniform eine Maus, die mit einem Käse unterm Arm vorüberpreschte.
Hier genauso. Dass man die Härchen sieht und das Tattoo, das finde ich schön, aber bei der Nazuuniform überleg ichnatürlich sofort, was der Dennis für einer ist. Und eigentlich willst du mich doch zu Thore bringen und seine Situation mir klar machen.

Überhaupt krankt der erste Teil für mich daran, dass du mir hier zu unentschieden wirkst, von wem du eigentlich sprechen willst.

„Sonst benutzen das Scharfschützen.“ (...) Ne, danke, aber was zu trinken wär cool.“

Später finde ich die Geschichte saustark geschrieben, zum Teil sogar richtig spannend. Ich hatte gehofft, er schafft es, Claudia zu retten. Auch der Hüne, wie du den beschreibst, das fand ich alles toll.
Später hab ich mich dann gefragt, wieso Thore nie danach fragt, warum Claudia sich töten will, er fragt sich immer nur, wie sie den Mut für den letzten Moment aufbringen konnte. Das wirkt zunächst irritierend, aber ich fand es aus psychologischer Sicht ganz gut, diese Idee, weil es unterstellt, dass Thore schon einen ganzen Schritt zu weit in der Depression ist. Und vielleicht wirkt es auch gar nicht mehr so irritierend, wenn Thores Not von Anfang an etwa spürbarer wird.

In dem Gespräch mit Dennis (diese Kusssache) war mir auch was unklar geblieben, aber das schreib ich dir später noch, weil mich grad dieZeit drängt.

Ich fand deine Geschichte toll, aber ich fänd sie noch besser, wenn der erste Teil sich verdeutlichen würde.

Ich finde deine Art zu schreiben klasse und zum Neid kriegen, aber das weißt du ja, das habe ich dir ja auch schon in vorherigen Geschichten gesagt. Von daher ordne bitte meine Kritik richtig ein. Ich hab jetzt einfach aus Zeitgründen nur den Finger auf einen Punkt gefehlt, der mir noch fehlt.
Viele liebe Grüße
Novak

 

Hey Kew,

mich hat Deine Geschichte vor allem an eine andere hier erinnert, an Frau Thal, weiß nicht, ob Du sie kennst. Die hat mich damals ziemlich begeistert, weil sie den Fokus auf das Umfeld legt. Das war ein spannender Ansatz für eine Selbstmordgeschichte, aus "fremder" Sicht, ähnlich wie Du ihn gewählt hast. Nur geht die Autorin einen Schritt weiter und lässt das Umfeld zu Mitschuldigen werden und stellt damit eine Verbindung her. Das ist bei Dir anders. Du hast die Beobachtung aus der Distanz gewählt, durch das Fernrohr und dadurch haben Thore und Claudia eigentlich auch keine Verbindung, die Nähe schafft. Ich weiß, das war so beabsichtigt, aber ich weiß nicht, ob das clever ist. Wenn Protagonist und Antagonist in keiner Verbindung stehen und nebeneinander heragieren, dann ist schwierig, den Leser da irgendwo hineinzuziehen. Er bleibt, wie Thore auch, Beobachter aus der Ferne.

Schön dagegen finde ich die Einsamkeit, die Dein Text vermittelt. Bei Claudia und auch bei Thore, obwohl der ja zumindestens einen Dennis hat. Also Einsamkeit als Motiv, ist sicher ein gesellschaftlicher Punkt, in den man als Autor mal den Finger stecken kann. Warum auch sonst, gibt es ausgerechnet zu Weihnachten die meisten Selbstmorde oder Versuche. Aber ich hätte es wirklich spannender gefunden, wenn die Figuren nicht nebeneinander, sondern miteinander (auch wenn das miteinander kein miteinander ist) agieren. Es ist so A macht das und b macht das und a reagiert auf b, aber es ist abgeschlossen, da bewegt sich nichts mehr. Ich weiß nicht, ob klar wird, was ich meine. Ließ Frau Thal ;).

Den ersten Absatz fand ich sehr lang, auch wenn ich irgendwann begriff, okay, sehr ruhige Geschichte, nimmt sich Zeit, erzählt aus, lass Dich drauf ein. Aber für den Leser muss es eben auch losgehen und das tut es im ersten Absatz nicht. Da habe ich darauf gewartet, dass es nun doch endlich losgeht. Und ehrlich, die drei Infos, die da drin stecken, könnte man auch im zweiten Absatz unterbringen und da geht es dann ja los.

Die Sonne versank, eine geschmolzene Frucht am Horizont.

Also manche Bilder ... sind schon sehr bemüht und wirken dadurch komisch. Das hier z.B.

... und auf jedem Absatz, wenn er um die Kurve schlidderte wie ein Rennfahrer im Vollrausch, fürchtete er, die Kontrolle zu verlieren und als Haufen gesplitterter Knochen am Fuß der Treppe zu enden.

Echt? Denk er in diesem Moment noch an sich selbst? Er rast wie ein Irrer, weil er von Claudia getrieben wird und auf dem Treppenabsatz, warte mal Claudia, ich muss zwischendurch auch mal an mich denken. Glaub ich nicht.n Ich glaube sein Kopf ist voll von Panik um solch sachliche Überlegungen überhaupt anstellen zu können.

„Claudia! Mach die Tür auf. Scheiße. Tu’s nicht. Mach die Tür auf. Claudia.“

Woher kennt er eigentlich ihren Namen? Also den Vornamen? Das schafft etwas Vertrautes zwischen ihnen, was es eigentlich nicht gibt.

Völlig weggetreten sah er noch, wie der Hüne die Tür mit einem Brecheisen aufhebelte und in der Wohnung verschwand.

Noch so ein Ding. Also, da klingelt wer spät abends das ganze Haus wach, rennt nach oben, begegnet den Hünen und ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass in der Wohnung oben Gefahr in Verzug ist, hat der Hüne ein Brecheisen parat und hilft ihm bereitwillig die Tür gewaltsam zu öffnen. Ohne zu wissen warum. Na, vielen Dank Nachbar ;). Und all die anderen Mieter sollten doch auch dazu kommen, der Mensch ist ja neugierig und das ist ja was aufregendes in in ihrem langweiligen Leben, das treibt sie schon aus ihren Wohnungen, denk ich.

Minuten später kehrte der Hüne zurück, zitternd und bleich unterm Bart, die Augen irreweit aufgerissen, und obwohl natürlich nichts dergleichen geschah, wartete Thore darauf, dass die Augäpfel aus den Höhlen sprangen, wie Flummis durchs Treppenhaus flitzten und alle Gesichter am Treppengeländer schrien auf wie bei Munch.

Ist nett, der Flummivergleich, aber dem Anlass nicht entsprechend. Ich mein, dem steht der Schreck im Gesicht geschrieben, Panik, Hilflosigkeit, geistige Überforderung mit der Situation und dann bringst Du da lustige Erinnerungen an Kinderspielzeug. Das beißt sich, das ist drüber, zu viel des Guten. Lass den Schreck ein Schreck sein und versuch nicht, da irgendeinen originellen Schrecken draus zu machen. Und so weiter, den Text entlang. Schreiben ja auch andere schon Beispiele.

Der Pfarrer erzählte von ihren Freunden, es mussten viele gewesen sein, und Thore dachte an die Claudia, die einsam kochte und einsam im Wohnzimmer saß, das Gesicht flackernd beleuchtet.

Das mochte ich gern. Hier erzählst Du sehr natürlich. Es geht Dir hier um Inhalt, nicht um Form. Und dieser Gegensatz - der bewegt mich dann auch mal und ich stelle mir die Frage, ja, was ist passiert bei Claudia. Das wäre tatsächlich eine spannende Frage, der Du aber nicht nachgehen kannst, weil Dir das wissende Personal dazu nicht hast. Du hast Thore, der sie seit zwei Wochen durch ein Fernglas beobachtet und die Schwester, die keine Bindung mehr hat. Du hast ahnungslose Enden ... Du kannst mir Claudias Geschichte nicht erzählen, weil sie niemand kennt, und auch Thores erzählst Du nicht, weil er eigentlich mehr durch das geschehen führt, um hier zur wirklich interessanten Figur zu werden. Und ein Entwicklung bei ihm, sehe ich nicht. Das ist so mein Hauptkritikpunkt. Und das er am Ende trauert, kauf ich nicht. Er hat etwas verloren, was ihm eine Beschäftigung gab, auf die er jetzt verzichten muss. Er wird was finden, Facebook oder so, da bin ich mir sicher. Und er wird über Facebook genauso einsam sein, wie mit Claudia hinter dem Fenster.

Also, der Text hat schon Punkte, interessante Ansätze, aber mir bleibt das alles zu sehr an der Oberfläche, was natürlich der "Beobachtung" geschuldet ist. Lesen lässt sie sich gut, auch die Ruhe, das Langsame mochte ich, zumindestens ab da, wo es losging. Und ich habe sie auch gern gelesen, nur am Ende, da fehlte mir eben ein bisschen - ja, sagen wir, eine Geschichte einer Figur. Die Schnittmenge, der eine tuts und dem anderen fehlt nur der mut dazu - auch das ist ein spannender Punkt, aber ich weiß zu wenig, was die beiden zu diesem Punkt überhaupt treibt. Und genau das ist ja das spannende an Selbstmord und die Frage, die für Angehörige so oft offenbleibt. Warum? Und das ist ja eigentlich die Geschichte hinter dem Selbstmord. Die sollte man schon erzählen, denk ich, wenn man sich in eine solche Situation als Leser einfinden soll.

Ist jetzt mein Eindruck. Empfinden andere anders, wie ich aus den Kommentaren entnehmen kann. Vielleicht stehe ich auch nur noch so im nachhaltigen Eindruck von der Thal-Geschichte und messe dich daran, was nicht fair ist und auch nicht objektiv. Sorry dann dafür.

Beste Grüße, Fliege

 

Hi,

„Sonst benutzen das Scharfschützen.“
Es ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, dass das hier grammatikalisch korrektes Deutsch ist, ich hab das als radebrechendes osteuropäisches Deutsch hier verstanden, so wie: Du nicht nehmen Fahrstuhl, du nehmen Treppe. Sonst benutzen das Scharfschützengewehr. Ansonsten wird das nur von Scharfschützen verwendet - das Fernrohr nämlich! Natürlich. Da mal ein „nur“ rein, oder so.

Wenn das sonst gar keinem aufgefallen ist, bin ich halt auf dem völlig falschen Trichter gewesen.

Dennis schlich bewundernd um das Fernrohr, das auf seinem Stativ in der Mitte des Raumes stand. Olivgrün und schwarz stach es ab gegen das helle Parkett, die hellen Möbel, die Bilder an den Wänden – naiv bunte Farbschlachten, LSD-verzerrte Innenansichten von Kathedralen und Einkaufspassagen - Jesus hing gekreuzigt über einem Schuhgeschäft, die Jungfrau Marie bewachte feist und fromm eine Drogerie.
Hier fliegen dir unaufmerksam lesende Leser raus. Mit hohem Bogen, weil es genuschelt ist. Hier ändert sich der Gegenstand des Satzes von „Fernrohr“ auf „Bilder“, so mittendrin.
Und „Dennis“ ist auch noch da – der ist auch Gegenstand dieses Gedankenkonstrukts.
Das ist natürlich grammatikalisch alles möglich, es ist auch nix falsches hier drin, aber es ist unklar, und nicht „poetisch-schön unklar“, sondern so schmuddelig.
Dennis schlich bewundernd um das Fernrohr – Was für'n Fernrohr? Wie sieht das aus? Das ist ja das erste Bild?
„Das auf seinem Stativ in der Mitte des Raumes stand“ - da hast du 2mal hier „Stativ/stand“, das „seinem“ - Mitte des Raumes, naja.
Olivgrün und schwarz (das ist gut) stach es ab gegen das helle Parkett – so, okay.
Dennis, Fernrohr auf Stativ, helles Parkett
Und jetzt. „Die hellen Möbel, die Bilder an den Wänden“ -dagegen sticht das Fernrohr, um das Dennis herumschleicht, also immer noch ab. Die Information brauch ich jetzt eigentlich nicht mehr.
Und dann: „Naiv bunte Farbschlachten usw. usf.“ - das heißt: Der Text beginnt mit Dennis, dann verschiebt er sich auf das Fernrohr und dann interessieren ihn aber die Bilder noch viel mehr.
Es ist aber nicht im Text wiederzufinden, dass hier eine neue Idee anfängt, es ist noch nichts etabliert.
Stell dir mal vor, ich würd dir was erzählen und in rattere runter, wie spannend der moderne amerikanische Film ist, vor allem Ryan Gosling, der ist jetzt auch in einem neuen Film, den hab ich im Kino hier um die Ecke geguckt, weil da gibt es das beste Popcorn, das Popcorn da ist nämlich gleichzeitig cremig und salzig und es knuspert so wunderbar, so wunderbar knuspert das, dass ich usw. Da würde man auch sage: Alter, arbeite mal an deiner Gesprächsführung.
Man unterschätzt das als Autor immer wieder, denke ich, aber ein neuer Text muss immer neu etabliert werden. Es muss am Anfang die Zugbrücke unten sein, dass man den Leser erstmal in die Burg lässt. Und das ist jedesmal neu.

Im Kühlschrank stand ein Krug mit Holundersirup, Eiswasser und Minze.
Macht mich fertig. Holundersirup, Eiswasser und Minze.Wahnsinn. Krieg ich total Lust, sowas auch mittags zu trinken. Ich hab Durst – trinke ich mal Eiswasser und Minze! Was fehlt da noch? Holundersiurp natürlich! Auch für die Farbe.
Das ist halt schon interessant am Lesen, dass man so verschieden lebt und da einen Einblick kriegt.
Kumpel von mir hat mit dem Rauchen aufgehört und hat dann aber Shisha mit Kirschtabak oder Apfeltabak geraucht – oder irgendwelche Leute die Kirschbananensaft trinken.

und er fühlte sich an Texas erinnert, an staubige Horizonte, weiße Veranden mit Schaukelstühlen und Krügen voller schwarzgebranntem Whisky, an die endlosen Reihen der Baumwollfelder.
Das ist doch nicht Texas. Das ist Georgia oder Alabama.

Ein hastiger Blick aufs Namensschild, bevor er sich gegen die Tür warf und nichts passierte. Beim zweiten Versuch krachte seine Schulter und er schrie und taumelte zurück. Mit den Fäusten schlug er gegen die Tür und beachtete die Gesichter nicht, die übers Treppengeländer spähten. Schwer und endgültig legte sich eine Hand auf seine Schulter; hinter ihm stand der Hüne.
Diese ganze Passage vom Moment, als er merkt, dass sie sich erhängen möchte, bis zum Moment, wenn er dann ohnmächtig wird: Das hat da einen seltsamen Reiz in der Diskrepanz, was du schilderst und wie du es schilderst.
In einer Abwärtsbewegung drückt er die Knöpfe. Und dann hast du ja diesen komisch-lustigen Moment, dass er die falsche Tür eintritt und dann bei der nächsten vorher kurz guckt, aber es ist alles immer so straight erzählt, so seriös. Wenn's dir mal gelingt, dabei noch souveräner zu wirken – das wäre toll. Aber es wirkt oft so ein bisschen unsicher auf mich, ich kann es nicht genau fest machen. Dass da 5mal Hüne steht, dass der da überhaupt so gebraucht wird als Figur – es ist das Gute an der Art, wie du erzählst, ist es, dass es keine Ironie gibt, keine Möglichkeit, das irgendwie abzudämpfen. Es geht dann immer um Existenz, hab ich das Gefühl. Ich finde in deinen Geschichten, jetzt die, die ich auf dem Schirm hab, da ist das, was den Figuren passiert, in dem Moment immer absolut. Da gibt es nichts anderes, es gibt kein Gestern und kein Morgen, sondern die leben dann in diesem Moment.
Das ist was sehr gutes, das solltest du dir unbedingt bewahren. Aber irgendwie bringt das auch Probleme mit sich. Vielleicht könntest du, bevor du mit der „Action“ anfängst, dir noch mehr Zeit nehmen, ein Band zwischen deinen Lesern und deinen Figuren zu knüpfen. Mir fällt das schwer bei deinen Geschichten.
Wenn der sich hier in der Geschichte – lollek hatte das mal „Frau vom Lauber – sich daran aufgeilen würde, dass er „intim“ mit dieser Frau ist, das würde mir irgendwo einleuchten, das würde die Figur menschlicher machen, aber er tut das ja offensichtlich nicht, sondern – weiß ich nicht. Ich weiß immer zu wenig, ich brauch mehr Verbindung zu diesen Figuren. Die haben was alienmäßiges.
Dieses Thema, das manche so interessiert, „Entfremdung“ oder wie man es nennen will – ich bin da kein Fan von. Ach alle fühlen was, nur ich nicht – schwierig.

Anschließend blieb sie der Kirche treu und fuhr Jahr für Jahr mit der Jugendgruppe ins Ausland, nach Kroatien und Korsika, wurde schließlich selbst zur Aufsichtsperson.
Das ist echt gut. Sowas deprimiert mich. Da steckt irgendwie viel drin. Korsika und Kroatien. „Wurde schließlich selbst zur Aufsichtsperson“, „Kirche, treu, Jahr für Jahr“.
Das ist wirklich gut. Das ist so traurig. So dieses „Ich mach was, von dem ich denke, dass es was Besonderes ist; ich lebe mein Leben in vollen Zügen, ich fahr nach Kroatien“.
Ich hab Highlights in meinem Leben.
Das ist auch, wie wenig da ist von einem Menschen. Was man da so erzählen kann, in einer anonymen Masse. Dann arbeitet man irgendwelche biographischen Fakten ab.Völlig absurd. Wenn wenigstens einer wäre, der das Mädchen kennt und sagt: Das hier war ihr Lieblingslied, das war ihr liebstes Gedicht, das hier ist das, was ihr Wesen meiner Ansicht nach wiedergibt.
Wie in den Todesanzeigen, die uniform sind und das einzige, was einen Hauch Individualität verleiht ist dann mal ein Gedichtfetzen von Rilke-

Das mit dem Opa vorher: Entweder richtig oder gar nicht, bitte. Nicht so alibi. Oder ganz kurz und pointiert. Aber das ist so ein Absatz, der so versickert/vertrödelt.

Die Sargträger kamen, sechs fesche Kerle in Schwarz, die abends sicher auf Frauenjagd gingen – Thore fand die Vorstellung befremdlich.
Das ist eine sehr schöne Idee, dass sie normalerweise Frauen jagen und hier ist eine Erlegte.
Das ist tatsächlich hier mit der Beerdigung einer Fremden – das ist ein sehr reizvolles Thema, dass er sie anders kannte als die anderen.
„Viele Freunde“ - ich denk das sagen sie immer. Wird ja keiner sagen: Ja, der Arsch, hat halt keine Freunde gehabt.

Vielleicht schau ich einen Film von Kusturica. Arizona Dream zum Beispiel.
Mann, mann, mann. Werther-Phase oder wie? :) Hollundersirup mit Minze trinken und sich zu Avantgarde-Filmen ersäufen.

Die Kellnerin servierte die Arrabiata und vielleicht war das der Grund, weshalb Frau Zimmerman nicht aufstand und ging. Gedankenverloren hing ihr Blick im Raum, während Thore mit Unbehagen aß – die Nudeln waren gut, aber zu scharf und er trank nach jedem zweiten Bissen einen Schluck Wasser.
Gut, aber zu scharf! Der regt mich auf.
Das ist doch das Problem dieser Figur: ach nee, lieber ein bisschen lau. Ich möchte nicht zu viel empfinden. Dämmen Sie es ein bisschen. Ich schau mir gerne an, wie sie sich eine Suppe macht und einsam fernsehen guckt, und wenn sie auf den Stuhl steigt, mit der Schlinge um den Hals, ist das auch okay für mich, aber springen … so radikal, ich weiß nicht, wie mir das gefallen würde. Wäre mir ein bisschen zu unordentlich, glaub ich, zu grell.

„Ich denke nicht … Ich meine, letztlich war es Claudias Entscheidung. Sie können für niemanden die Verantwortung übernehmen.“
Sie lächelte schmal und Thore hatte das Gefühl, dummes Zeug zu reden und verstummte mit brennenden Wangen.
„Danke. Das ist sehr wichtig für mich.“
Danke, das ist sehr wichtig für mich. Die Wahrheit ist: Wir waren nur Halbschwestern. Bitte, ich hab das Gefühl, ich sollte mehr empfinden als ich empfinde, aber ein bisschen schlägt es mir auch auf den Magen, die Hähnchenbrust ist mir ein bisschen zu üppig grade. Könnte ich jetzt alibimäßig mit ihnen über meine tote Schwester reden und sie geben mir dann die Absolution, vielen Dank.
Das sind so Figuren: Ich glaube ja, dass es die gibt. Aber müsste es dann nicht Geschichten über Leute geben, die versuchen, solche Figuren zu ändern oder zu retten. In deinen Geschichten komme ich mir jedesmal so lethargisch beim Lesen vor, so ohnmächtig, du hast Geschichten wie Horrorfilme, in denen die Frau mit dicken Titten in den Keller geht, um die Sicherung zu kontrollieren, während ein Axtmörder im Haus ist. Da will man auch schreien: Nein! Nimm deine dicken Titten und renn weg!
Und hier bei deinen Figuren, da will man die auch anschreien. Wie bei Nicholson in About Schmitt, wenn er dem schwarzen Kind seinen Kummer gesteht.

Dann schüttelte Frau Zimmerman den Kopf, als wäre ihr aufgefallen, was sie gerade tat – einem Fremden ihr Herz ausschütten.
Da musste ich schon schmunzeln Wenn das „ihr Herz ausschütten ist“ - oh je, oh je.

In Boxershorts saß Thore auf dem Sofa, Sonnenlicht wärmte ihm die Füße, und trank ungesüßten Kaffee.
Grammatikalisch steht da, dass das Sonnenlicht ungesüßten Kaffee trinkt.


„Wie haben Sie es geschafft? Ich meine, wie haben Sie den Tod Ihrer Frau überstanden?“
„Ich habe mit dem Rudern angefangen. Ein schönen Sonntag noch.“
Unter einem grausam blauen Himmel ging der Mann die Straße entlang, ein Überlebender, nicht weise durch sein Alter, aber stolz und ungebeugt, und Thore wartete, bis er an einer Kreuzung abbog und verschwand.
Das ist ein großartiges Ende, aber bitte „ein Überlebender, nicht weise durch sein Alter, aber stolz und ungebeugt“ unbedingt raus.
Sonst ist das ein Ende, das sagt letztlich: Egal, wer wir sind und was wir gemacht haben, man bekommt vom „Leben“ dieselben Aufgaben zum knacken. Also es wird jeder mit dem Verlust eines Menschen umgehen müssen, egal in welchem Alter er grade ist, ob er grad emotional gefestigt ist, ob es ihm passt oder nicht. Und hier ist „Ich hab mit dem Rudern“ angefangen, großartig. Was funktioniert, was sich richtig fühlt, ist auch richtig. Es gibt nur das subjektive, nichts absolutes.
Das ist wirklich ein tolles Ende, weil es diesen Text und diese Figur, die so furchtbar im eigenen Saft schmort, „verrückt“, in eine andere Perspektive.

Ich denke ja, wenn das erzählt wird, der Tod dieser Frau Cluadia, ich denke, wenn ich das erleben würde, wäre ich ein Arsch. Ich hätte da die Idee: statt dass die sich umbringt, hätte die doch auch mit mir zusammen sein können! Hätte sie mir schön mal Champignons gemacht, dann hätten wir bisschen fern geguckt und dann hätten wir bisschen rumgemacht und dann wär die halt nach Korsika gefahren und jo – wär ja besser gewesen als sich umzubringen. Ich hätte die bestimmt zum Lachen gebracht!
Also wenn ein Mann eine so einsame Frau beobachtet – kann das wirklich asexuell sein? Guckt er die an aus einem wissenschaftlichen Interesse? Dann steht da: Sie ist nicht heiß! Ja, mein Gott, wenn nur heiße Menschen Sex hätten, bei denen die Jeans den Arsch betont – da wär ja völlig Ofen aus.
Die Figuren in deinen Geschichten sind immer so verschieden zu dem, was ich denke. Dann hast du hier auch wieder diese Dennis-Figur, der keusche Rebell und Philosoph, der so rüberkommt wie der coolste Typ der Schule, der sich aber nichts draus macht und super-nett ist und für die Außenseiter offen und so. Und total deep. Das ist jetzt in der 3. Geschichte so eine Figur, die mir auffällt, so ein fast Heiliger. Der aber auch irgendwie gar keine Bedürfnisse hat, sondern so einen inneren Frieden gefunden und vielleicht liegt das an deiner Art der Darstellung, dass du Figuren immer so zenmäßig hinstellen kannst.
Wer mich wirklich aufregt ist diese Schwester da mit dem Hähnchenscheiß. Naja. Das sind auf jeden Fall die 2 guten Szene in der Geschichte: Die Beerdigung und das Essen mit der Schwester, das ist schon ne Aussage für dein Schreiben vielleicht, dass ich die Geschichte am besten finde, wenn der Protagonist nur hören kann. Wenn er nur angesprochen wird.
Ich denke du hast auf jeden Fall ein gutes Auge für Szenen und Themen. Dieses lapidare im Umgang mit existentiellen Krisen, das berufsmäßige muss deinen Protagonisten verrückt machen und gleichzeitig muss es auch irgendwo ein Trost für ihn sein.
Das ist halt das, was in der Geschichte als Thema immer wiederkommt. Was ist denn mit ihm? - Ja, der hat eine Bekannte verloren – Ach, schöner Scheiß. Kopf hoch.
So reagiert man als Außenstehender. Der Priester reagiert darauf auch nach Schema F. Da werden Fakten zusammengeholt und gut ist. Wie ein Taxifahrer Taxi fährt, hält ein Priester ein Requiem. Der Bestattungsunternehmer macht genau das gleiche, da kann nicht jeder Tod was besonderes sein.
Und Dennis – der reagiert ja überhaupt nicht auf irgendwas, der ist ja so losgelöst, dass er das dann als Gedankenexperiment durchgeht mit mildem Interesse. Und die Schwester – das ist ja total tot.

Ja, was ist mit dem Protagonisten? Es gibt von Kasimir eine Geschichte hier. Ein junger Student, ein Eremit, der sich mit einem Nachbarn verbunden fühlt, weil der auch ein Eremit ist, und dann stirbt der andere, und der Student geht rüber, fühlt sich ein bisschen verantwortlich, führt dessen Hund aus und der Hund zerfleischt ihn. Kasimir ist ziemlich schräg, oder?
Also das wäre vielleicht, obwohl es mir schwer fällt, die asexuelle Interpretation dieser Beziehung zu dem Mädchen. Dass er sich mit ihr identifiziert und sie als so eine Art Geist der zukünftigen Weihnacht wahrnimmt. Ihr Tod ist sein Tod, Ihre Einsamkeit ist sein. Ich weiß nicht, ob es dir darum ging. Vielleicht geht es einfach darum, dass man Mechanismen braucht, um mit Schicksalsschlägen zurecht zu kommen. Und dass die ziemlich gleich sind.
Ich nehm an die Geschichte ist eine Reaktion auf die Virgin Diaries?
Ja, also ich möchte noch mal als Idee wiederholen: Du hast in dieser Art zu schreiben, einige Sachen, die das Lesen wirklich zu einem Erlebnis machen, das man sonst nicht so leicht kriegt. Es wäre schön, wenn du dir das erhältst und es noch mit ein paar positiven Sachen verkoppeln könntest.


Gruß
Quinn

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kew,

Hats du Garden State gesehen? Da gibt es diese Figur, JD von Scrubs, der war sein ganzes Leben mit Medikamenten ruhig gestellt, weil er als Kind mal einen Wutanfall hatte und was ganz Schlimmes passiert ist, und dann stellt er sie ab, und kann zum ersten Mal wieder was empfinden. Aber es braucht ein bisschen. Und dann verliebt er sich in Natalie Portman, und er stellt sich endlich seinem Vater, und zum Schluss steht er oben auf einer Müllhalde und guckt in eine weite Müllschlucht und der Song von Simon and Garfunkel kommt: The only living boy in New York.

Und der Text geht so:

Half of the time we're gone but we don't know where,
And we don't know where.

Here I am..........

Half of the time we're gone but we don't know where,
And we don't know where.

Tom, get your plane right on time.
I know you've been eager to fly now.
Hey let your honesty shine, shine, shine now
Da-n-da-da-n-da-da-n-da-da
Like it shines on me


Und er guckt in die Schlucht und hat sein Mädchen und reißt die Arme hoch und schreit!!!!!!! und das ist der kitschigste Moment im ganzen Film, aber der kommt halt zum Schluss und man ist schon drin im Film und der Song passt und der Regisseur hat dich.
So was fehlt dir irgendwie. Du brauchst eine Art Epiphanie, Mann. Deine Geschichte ist so: JD stellt die Medikamente nie ab. Schluss.
Vielleicht kommt irgendwann der Punkt und dann bist du reif für.
Oder du machst das wie Camus in Der Fremde und sagst: Das ist Existentialismus, das ist Philopshie. Der Fremde ist auch ein bisschen so. Da sind die ersten Sätze des Romans: Heute ist meine Mutter gestorben. Oder vielleicht gestern. Ich weiß es nicht genau.
Ist ein knackiger Beginn, das bringt diese Figur auf den Punkt, deine Figur hat auch was Camusmäßiges. So was Distanziertes. Thore ist ein bisschen assexueller. Der leidet schon irgendwie auch. Dem Fremden ist das wirklich alles egal, könnte man meinen.

Also mir ist dieses Denken in Richtung Entfremdung auch nicht völlig fremd. Irgendwie muss man auch verdauen, wenn man älter wird, dass alles, was einem während der Kindheit verzapft wurde, letzten Endes Bullshit war und man sterben muss und so weiter und so fort. Der Tod spielt hier ja eine große Rolle.
Das ist auch was sehr Jugendliches. Man kann auch besser denken dann, und man denkt zum ersten Mal über so was nach. Das ist ein logischer Prozess, finde ich. Ich meine, dass sich da gewisse Dinge auch immer wieder wiederholen.
Aber irgendwann fragt man sich vielleicht auch, ob diese Gefühle und Empfindungen wirklich so "einzigartig" sind. Ob die nicht vielleicht jeder empfindet und denkt. Und wenn ja, was ist das Besondere daran? Warum aufschreiben? Da ist vielleicht auch ein bisschen Jugendnarzissismus dann, glaub ich.

Kein Scheiß, als ich 17, 18, 19 war hab ich einen Roman geschrieben, fast 400 Seiten, mit einem Entfremdeten, desillusionierten Ich-Erzähler, das alles auf Englisch noch. So jemand der sagt, das macht alles keinen "Sinn" und ist eh alles egal, und was solls, ist doch alles für den Arsch und laber laber laber laber laber laber und guck hier: voll verlogen, und jetzt ist jemand gestorben, das gibts auch einen Selbtsmord in der Klasse, da erhängt sich eine, die ihn zu diesem Erkenntnis führt, und da war auch so der wisssentschaftlicher Blick, so die Fähigkeit etwas völlig distanziert und entkoppelt zu betrachten, so als wäre man selbst nicht da, völlig unbeteiligt - und die Zeit verfließt … verwaschen, nostalgisch ...


Die Zeit gerann, während er in den Halbschlaf glitt. Auf seiner Zunge zerlief ein Stück Schokolade, der bittere Geschmack füllte seinen Mund und die Bilder des Tages zogen vorüber, Schnappschüsse aus der Uni, der Fußgängerzone, dem Supermarkt, alle verwaschen und nostalgisch, wie Amateuraufnahmen aus den Sechzigern. Er bemerkte kaum, dass Claudia an den Computer wechselte, nur das Licht w

Deine Figur hat auch was völlig Passives und Augeliefertes, das hatte meine auch. Deine hat sie aber bis zum Schluss. Bei mir wars dann irgendwann so: der Erzähler trifft auf ein lebenlustiges Mädchen mit Dreadlocks, in das er sich verliebt - und dann hat er plötzlich auch noch einen kriminellen Draufgänger als Kumpel, der raucht und super fußballspielen kann und ein Frauenheld ist (psychologisch gesehen wahrscheinlich die Parallele zu deinem Dennis), der ihm auch hilft nachdem die Tussi sich erhängt hat und auf ihn einredet, genau wie bei dir, und dann finden sie einen Koffer voller Geld und klauen ein Auto und machen alle zusammen einen Roadtrip zum Strand und unterwegs passieren lustige Dinge und sie werden aber von Gangstern verfolgt und am Ende muss er Mut beweisen, und dann ist aber das Mädchen mit den Dreadlocks die Mutigste von allen und rettet sie. Kein Scheiß jetzt. War schlecht geschrieben, aber genau so.

Und bei dir ... da warte ich die ganze Zeit auf Akt 2, dass da was anspringt oder so. Ist egal, ob das eine Kurzgeschichte ist oder nicht, die Figur tritt auf der Stelle. Irgendwann muss da noch was kommen. Ein Hoffnungschimmer. Eine Inspiration. Eine Andeutung. Eine Idee. Irgendwas, das jeden normalen Menschen nicht zu Tode langweilen würde.
Der alte Mann fing zum Rudern an und das Leben ging weiter. Das ist eine extrem banale Erkenntnis, und trotzdem eine wichtige, die man wohl immer wieder macht, ja. Aber das ist auch nichts, dass Thore aus seinem Zustand rausholt, sondern ich finde, im Gegenteil, es bestätigt eher sein Weltbild. Alles ist vergänglich, also bleibe ich passiv und ausgeliefert und fatalistisch und versinke in diesem Gefühl. Ich kann daran nichts ändern. So eine masochistische Bequemlichkeit. Oder ich fang halt das Rudern an, bisschen kalt das Wasser zwar, aber jo … man gewöhnt sich dran … und jetzt schlaf ich ein und sterbe … schönes Leben dir …

Schließlich bestellte er Penne Arrabiata und ein Glas Wasser.
„Hätten Sie die Nudeln gerne mit oder ohne Knoblauch?“
„Äh, ohne.“
Die Kellnerin zog ab.

Ich frage mich, warum du das reinschreibst? Ob dir nicht bewusst ist, wie das wirkt? Das ist so schräg, weil es doch irgendwie ernst gemeint ist. Ich bin mir fast sicher, dass kein ernst gemeintes Bistro ihre Kunden fragt, wenn sie Pasta bestellen, ob mit oder ohne Knoblauch? Und dann: Aähh Nein. Und Wasser bitte. Leider sind die Nudeln zu scharf. Aber geht schon, ja.
Kein Knoblauch, zu scharf, ich trink Wasser.
Was willst du damit zeigen? Das ist weder existentialistisch, noch desillusiiniert, noch entfremdet, noch französisch avant-garde, sondern einfach nur nervig und schwul. Mindestens eine Apfelschorle muss doch drin sein.
Wobei man den Homos damit wirklich Unrecht tut, die bestellen sicher was Besseres. Als Mann kann man das einfach nicht bringen, finde ich. Frauen können das eher, aber auch da denke ich sofort: Entweder frigide oder Esstörung oder beides.
Ist das was Depressives? Was Masochistisches? Was Kulturelles?
Erklär mir das bitte. Ich hab so ne Phase nie gehabt, das kann ich einfach nicht nachempfinden.

Also insgesamt … ja. War schon interessant. Mir ist nicht immer schnell genug klar, wer wann jetzt spricht. Ich würde da ein bisschen mehr draufachten, ob das immer so klar ist, und vielleicht mal: "sagte Thore" reinbauen. Das schadet nicht. Ich würde auch Garden State angucken, falls du das nicht gesehen hast, aber das hast du bestimmt gesehen. Jetzt hab ich extrem viel gelabert und nicht so viel Positives gesagt, aber die Szene mit der Halbschweser, die diese Absolution will, ich find auch, die ist die Beste. Es macht nichts mit deiner Hauptfigur, die bleibt erst recht so wie sie ist danach, aber es ist eine interessante Szene auf jeden Fall, du kannst gut Dinge beobachten und schreiben, also weiterschreiben.

MfG,

JuJu

 
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Hallo Kew,

deine Geschichte hat mir gut gefallen, das Thema, das Herantasten aus der Ferne, der minimalistische Schluss mit einem Hoffnungsfunken.
Dass sie so unverbunden lebten und doch eine - nicht offensichtliche - Verbindung hatten (von der sie gar nichts wusste).

Allerdings finde ich deine starken Bilder etwas dicht gestreut, das hätte aus meiner Sicht für drei Geschichten gereicht und dann könnte ich die einzelnen auch besser annehmen, genießen.

Thore steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen und Dennis gab Feuer. Heiß und kratzig füllte der Rauch seine Lungen und während er die Zigarette ungeschickt zwischen Daumen und Zeigefinger hielt, fühlte er sich cool, wie der Cowboy auf dem Pferd - überall Staub und rotbraune Erde und die Kühe preschten voran.
Finde ich schön, nur dreieinhalb Sätze später kommt der dicht beschriebene Glascontainer, dann bald das Nächste ... Wie gesagt, für mich etwas viel, die einzelnen Stimmungsbilder verlieren so an Wirkung.
Ein paar kleine Exkurse hätte ich weggelassen, die Lebensbeschreibung des Großvaters beispielsweise, und dafür lieber etwas mehr zum Background der Hauptpersonen vertieft.

Aber insgesamt: Eine sehr schöne Geschichte, die ich gerne gelesen habe.

Viele Grüße,

Eva

Kleine Sachen:

Aber mehr viel mehr wusste er nicht.
"Aber viel mehr wusste er nicht."
r, als man die Enkeln glauben machen wollte.
"..., als man den Enkeln glauben machen wollte."

 

Hallo Wilhelm Berliner,
danke dir für Lesen und Kommentar.

Ich gehe davon aus, dass Thore sich in derselben Situation wie Claudia befindet: einsam. Er braucht ein Fernrohr, um menschliche Beziehung herzustellen. Ein schönes Bild für Fernenliebe. Man liebt das Ferne, weil man damit weniger Schwierigkeiten hat als mit dem Nahen.
Ja, dieses Fernrohr nimmt ihn schon sehr raus – ist was total Passives dieses Beobachten. Und ungefährlich, vermeintlich eben, weil was soll schon passieren … Freut mich, dass das Bild für dich funktioniert. Und ja, Thore ist sicher nicht der Draufgänger mit vielen Freuden. So einsam, wie er hier gesehen wird, war er zwar eigentlich nicht angelegt, aber ich seh schon, fast alles, was ich über ihn schreibe, weißt in die Richtung. Bleibt also dabei: Thore ist einsam.

Notgeil beziehe ich nicht nur auf Sex, sondern auf menschliches Zusammensein.
Deswegen die helle Aufregung, mit der er sie retten will. Deswegen die Fragen, wie man sich beim Aufhängen fühlt. Er sieht in ihrer Handlung die Vorwegnahme seines Selbstmords.
Stimmt, das ist irgendwo schon verzweifelt, dieses Beobachten. Wobei bei der Rettung: Ich denke einfach, dass Thore nicht der Typ ist, den das kalt lässt. Der würde auch helfen, wenn er sie weniger als „Seelenverwandte“ sehen würde.

Der weise, alte Mann im Friedhof weiß Rat: Das Leben aktiv anpacken. So ist das Thema Deiner Geschichte: Leben/Sterben oder Überleben (Thema bei Hesse).
Wichtiges Thema, richtiger Ansatz bei der Einsamkeit, das Fernrohr ist ein einleuchtendes Symbol für Menschenferne und Einsamkeit. Inhaltlich alles gut gelungen.
Cool, dass es so rüberkommt. Bin da immer noch unsicher, wie deutlich mein Anliegen rüberkommt, ob ich zu viele Hinweise gebe, oder zu wenig. Schick also, dass es für die funktioniert. Danke dafür.

Sprachlich liest es sich gut und flott. Mir fielen nur Sätze auf, die ich zu überladen fand.
Ja, da werd ich wohl noch ne Weile dran arbeiten müssen, an der Richtigen Dosierung. Immerhin glaube ich langsam verstanden zu haben, was mein Vorbild bezüglich dieser Bilder meinte über unreflektierten Surrealismus. Vielleicht hilft mir das ja in Zukunft.

Was ist die Funktion dieses Abschnitts in Bezug auf die Geschichte/Handlung? Andeutung der menschlichen Finsternis von Thore? Wozu die Andeutung von Inzest? Warum die Schweißflecken? Angst? Ich glaube, dass an einigen Stellen die Beschreibung zu überladen ist und vom Kern der Geschichte wegführt. Was schade ist, denn eigentlich ist die Geschichte knallhart. Die Umwege mildern die Situation von Thore.
Jo, die Ratten fliegen wohl raus. Die Schweißflecken bleiben aber erstmal. Für haben die nichts mit Angst zu tun. Es ist einfach warm/heiß, deswegen auch der Krug mit dem Trinken. Das mit dem Ablenken kauf ich .

Ein wichtiges Thema, gut erzählt.
Danke.

Hallo Ane,
auch dir danke ich für Lesen und Kommentieren.

von Dir ist dieser wirklich gute Beitrag, der umfassend erklärt, woran bisher noch jede Selbstmordgeschichte, die ich hier gelesen habe, gescheitert ist. Die von Dir aufgelisteten Fehler vermeidest Du alle.
Wenigstens das. Wäre sonst auch sehr peinlich gewesen. :)

Für mich sind die zentralen Punkte dieser Geschichte leer.
Wird überhaupt verständlich, was ich meine?
Ich denke schon. :)
Eigentlich wollte ich das ja vermeiden, wieder so unmotivierte, leere Figuren zu schaffen, denen man eine drüberbraten will oder die man schlicht weg nicht nachvollziehen kann. Hat wohl nicht geklappt.
Du hast auf jeden Fall recht mit dem flüchtigen Interesse als Gegensatz zu dem Beobachten. Eigentlich heuchelt sich Thore selbst was vor (und ich mir bis jetzt wohl auch). Ich werd versuchen da einzuhacken. Der Anfang wird auf jeden Fall neu gemacht. Dann wird das Interesse an Claudia auch weniger beliebig gestaltet, ist zumindest der Vorsatz.
Ich glaube, aber jetzt etwas mehr verstanden zu haben, woran es happert. Danke für die ausführliche Aufdröselung.
"Ich habe eigentlich keinen guten Grund dafür, mich das alles zu fragen. Ich gehe dieses (mit dem Verstand nicht zu lösende) Problem mit dem Verstand an und verstehe einfach nicht, warum ich es nicht lösen, nicht wirklich berühren kann."
Gut, das stimmt. Aber würd es schwer anders ranzugehen. Weil er hat ja recht und hängt sich halt an diesem Widerspruch auf. Das gehört so schon zur Figur und zu meinen Absichten. Dass es nicht gerade für mehr „Füllung“ sorgt, geb ich gerne zu.:)

(Schaufensterpuppen sind leblos, aber die Klamotten, die sie anhaben wirken deswegen nicht automatisch "langweilig") Langweilige Personen sind schwer zu beschreiben. Schwerer ist es nur noch, anderen glaubhaft zu verklickern, dass jemand eine absolut langweilige (schwer zu beschreibende) Person voller Interesse beobachtet, ohne irgendwelche Gründe dafür zu nennen )
Warum, zum Teufel, muss sie überhaupt langweilig sein? Lass das weg und die Geschichte nimmt schon mal etwas Fahrt auf.
Ja, ich hab mal Oblomov gelesen, der ist ja auch eine furchtbar langweilige Person. Eigentlich hätte mich das warnen sollen.
Der Grund für die Langeweile: Ich wollte das mit dem Spannen eigentlich raushalten, also das Sexuelle. Ist wohl ein Fehler gewesen. Werd das in der nächsten Fassung mal mit reinnehmen und schauen, ob das dann besser funktioniert. Da wäre Thore dann auch motivierter. Es gäbe bei ihm mehr zum Anfassen, mehr Konkretes.

Hm, Unfalltod? Also für mich ist da schon ein Unterschied. Weil Suizid ist für mich viel geeigneter für diese Unverständnis von Thore, diese Zweifel und Fragen. Bei Unfall läge halt auch die Verantwortung ganz anders. Dann gäbe es nicht die Frage nach dem Warum. Bzw. diese liefe halt auf Schicksal oder Pech hinaus. Vorerst bleibe ich mal bei Suizid.

Soviel fürs erste.
Später/die Tage geht’s weiter.

Dank und Gruß,
Kew

 

So, und weiter geht’s.

Hi Novak.

Ich habe deine Geschichte und auch die beiden bisherigen Kommentare sehr sehr interessiert gelesen. Ich merk daran, wie unterschiedlich wir Leser doch sind, wie unterschiedlich wir wahrnehmen und wie sehr wir dabei doch voneinander profitieren können.
Wäre ja auch schlimm sonst, dann müssten mir ja Twilight und CO gefallen.

Ich lese deine Geschichte von Thore so: Ein einsamer junger Mensch beobachtet als Ersatz für das wirkliche Leben andere Menschen. Weil er selbst sehr einsam ist, sich zumindest so fühlt, denn eigentlich hat er ja einen Dennis, der sich um ihn kümmert, beobachtet er nicht interessante, spannende Leute, eine hübsche Frau oder von mir aus feiernde Omas, nein, er beobachtet einen anderen Menschen, der noch einsamer ist als er selbst. Als wollte er, ohne dass ihm das bewusst ist, sehen, was sie tut, wie sie mit ihrem Leben umgeht. Dass sie sich selbst töten will, das hat er natürlich nicht erwartet, vielleicht hat er sich von der Beobachtung der einsamen Claudia etwas Poitives erhofft. Dass endlich was bei ihr passiert - in positiver Richtung natürlich. Als sie sich selbst tötet, ist das für ihn ein Schlag, er versucht, sie zu retten, ihr Selbstmord lässt einen Damm in ihm brechen. Jetzt versteht er, was ihn bei der Beobachtung getrieben hat. Und er spielt selbst mit der Vorstellung des Selbstmordes. Interessanterweise fragt er sich nicht, warum sie sich getötet hat, er fragt sich nur, wie sie den Mut finden konnte.
Die Interpretation gefällt mir. Kann da eigentlich die einzelnen Punkte alle abnicken. Ja, stimmt schon der fragt sich nie nach dem Grund. Lustig eigentlich, weil ich mir da keine Gedanken drüber gemacht habe. Aber böse gesagt, die Gründe sind ja letztlich austauschbar. Letztlicht geht es ja darum, dass es etwas gibt, dass einen über den eigenen Überlebenswillen hinaustreibt. Was das letztlich ist, ist für jeden anders und wohl auch nicht nachzuvollziehen. Aber eigentlich passt es auch zu der restlichen Lesart von Thore, dass er sich da keine Gedanken drüber macht. Wenn es ihm selbst um den Suizid als Möglichkeit für ihn geht, dann kennt er seine Gründe ja bzw. muss die nicht Suchen – für ihn wird dann die Umsetzung interessanter, dieser letzte Schritt halt. Die Begründung ist ja quasi sein Leben.

Das Thema ist hart und sehr bewegend. Ich denke, dass schon viele viel Menschen mit der Idee des Selbstmordes gespielt haben, weil sie sich einsam oder verzweifelt fühlen. Es ist ja oft nur ein Hilfsgedanke, man stellt sich vor, endlich wäre alles aus, weil man will, dass der Schmerz endlich endet. Und sehr sehr viele Menschen haben sich schon mit der Frage beschäftigt, wie sie weiterleben sollen. Von daher, das Thema ist nicht nur hart, sondern es ist ein wichtiges Thema, in dem man sich auf die eine oder andere Art wiederfinden kann. Und ich finde auch, dass du das rüberbringst, ich merke als Leserin, was du zeigen willst. Und für mich ist es ein einfaches, aber großartiges Ende, das deine Geschichte hat.
Das gehört halt zu den Themen, die einem im Alltag nicht so oft begegnen, mir jedenfalls nicht. Und die ich halt trotzdem für wichtig halte. Wie du sagst, viele haben zumindest mal den Gedanken – mal mehr, mal weniger ernst. Und letztlich muss das auch nicht immer so negativ sein. Vielen fallen dann, denke ich, auch Gründe ein, was sich an ihrem Leben lohnt – bei den tatsächlichen Suizidenten halt leider nicht mehr, die haben meistens eine verengte Sichtweise – ist zumindest die verbreitete Sichtweise der Wissenschaft. Es lädt halt zum Nachdenken ein das Thema.
Freut mich, dass das Ende für dich klappt. Da hab ich mir ein wenig Sorgen gemacht, ob das mit dem Rest zusammenpasst. So hat sich zumindest die Sorge zerstreut – wie häufig eigentlich. Die Probleme, die ich sehe, sind meistens nicht groß, und die wichtigen übersehe ich.

Dennoch habe ich mich an einigen Stellen gefragt, wieso das Ganze vor mir abläuft, wie wenn ich hin und her schwimmenden Fischen in einem Aquarium zuschaue. Und jetzt kommt Ane ins Spiel. Sie hat sich gefragt, warum Thore keine spannenden Menschen beobachtet, sondern so eine langweilige Maus wie Claudia. Und da legt sie den Finger auf einen entscheidenden Punkt.
Ich glaube zu verstehen, was du sagen willst, wenn er gerade Claudia beobachtet (sie ist wie ein Ersatz für ihn). Aber durch Anes andere Sicht wird mir auch klar, was hier fehlt: Thores Not, warum er zu dem Lebensbehelf Fernrohr greift, muss spürbarer werden.
Jo, das seh ich ein. Ich werd den Anfang neu schreiben. Vielleicht klappt es dann besser mit der Motivation.
Im Moment behilfst du dir mit so Bildern wie den Ratten vorm Fenster (die sind echt zu krass und dann vögeln sie auch noch im Familienverband, die würd ich echt kicken), den sich duckenden Möbeln in Claudias Wohnung oder den Schatten im Hof. Es ist ja wahrscheinlich auch prinzipiell richtig, die Melancholie eines Menschen nicht mit ausufernden Gefühlsbeschreibungen zu "töten". Aber hier kommt es mir so wenig vor, dass mir dann bestimmte Beschreibungen (ähnlich wie Wilhelm) zu überladen vorkommen. Die Beschreibung der Atmosphäre ist gut , an den einzelnen Bildern kann ich auch gar nichts aussetzen, sie sind aber noch zusammenhanglos zu dem inneren Zustand deines Protagonisten. Und daher wirken einige Beschreibungen überladen und zu schnell und motivlos auftauchend
Eine Sache noch: Du beschreibst ja gerne viele Details, deine Texte sind oft voller kleiner, wunderbarer Beobachtungen. Aber manchmal führen diese Beobachtungen auch zu weit ab, führen den Leser in die Irre. Also diese sinnlichen Details würde ich ein bisschen stärker an die Kandare nehmen. Sie prüfen, ob sie für den Gehalt meiner Geschichte taugen oder ob sie quer schießen.
Als Beispiel zwei Stellen, wo ich das ganz stark so empfunden habe:
Wenigstens leide ich nicht am umgekehrten Problem. So hab ich die Hoffnung irgendwann mal ausreichend zu kürzen. Werd da die Tage auf jedenfall noch mal ausmisten. Mir auch überlegen, welche Bilde da zu sehr ablenken. Wobei ich es eigentlich auch ganz cool finde, wenn da einige etwas aus der Geschichte rausführen. Aber hier hab ichs sicher mal wieder übertrieben.
Auch die Beispiele, die du nennst, seh ich voll ein. Gerade die Ratten werden ja mehrfach erwähnt. Die fliegen sicher raus.

Später finde ich die Geschichte saustark geschrieben, zum Teil sogar richtig spannend. Ich hatte gehofft, er schafft es, Claudia zu retten. Auch der Hüne, wie du den beschreibst, das fand ich alles toll.
Hey, danke. Das freut mich. Gerade mit dem Hünen, weil der schon so was skurriles hat, bzw so gedacht war. Weil in Filmen oder so passiert das echt selten, dass sich die Leute einfach mal vertun bei ihrem vielen Rumgerenne.

Ich finde deine Art zu schreiben klasse und zum Neid kriegen, aber das weißt du ja, das habe ich dir ja auch schon in vorherigen Geschichten gesagt.
:)

Vielen Dank dir, für Lesen und Kommentieren.

Hallo Fliege.

mich hat Deine Geschichte vor allem an eine andere hier erinnert, an Frau Thal, weiß nicht, ob Du sie kennst. Die hat mich damals ziemlich begeistert, weil sie den Fokus auf das Umfeld legt. Das war ein spannender Ansatz für eine Selbstmordgeschichte, aus "fremder" Sicht, ähnlich wie Du ihn gewählt hast. Nur geht die Autorin einen Schritt weiter und lässt das Umfeld zu Mitschuldigen werden und stellt damit eine Verbindung her. Das ist bei Dir anders. Du hast die Beobachtung aus der Distanz gewählt, durch das Fernrohr und dadurch haben Thore und Claudia eigentlich auch keine Verbindung, die Nähe schafft. Ich weiß, das war so beabsichtigt, aber ich weiß nicht, ob das clever ist. Wenn Protagonist und Antagonist in keiner Verbindung stehen und nebeneinander heragieren, dann ist schwierig, den Leser da irgendwo hineinzuziehen. Er bleibt, wie Thore auch, Beobachter aus der Ferne.
Hey, ich werd die Geschichte mal lesen. Danke für den Hinweis. Und was du da im Vergleich sagst, legt den Finger ziemlich gut auf den Punkt, an dem ja viele Geschichten von mir kranken und was dann halt als Leere/Distanz drüber kommt. Es gibt halt wenig Konfrontationen. Das liegt zum Teil sicher auch daran, dass ich immer super originell sein will. Und das dann halt schief geht. Aber ich hab diesmal das Gefühl, mal wieder etwas mehr verstanden zu haben.

Schön dagegen finde ich die Einsamkeit, die Dein Text vermittelt. Bei Claudia und auch bei Thore, obwohl der ja zumindestens einen Dennis hat. Also Einsamkeit als Motiv, ist sicher ein gesellschaftlicher Punkt, in den man als Autor mal den Finger stecken kann.
Danke. Dass hab ich ja viel so drin, Einsamkeit etc. Eines Tages wird es auch nen Partylöwen von mir geben. Jemanden mit tollem sozialen Umfeld.

Den ersten Absatz fand ich sehr lang, auch wenn ich irgendwann begriff, okay, sehr ruhige Geschichte, nimmt sich Zeit, erzählt aus, lass Dich drauf ein. Aber für den Leser muss es eben auch losgehen und das tut es im ersten Absatz nicht. Da habe ich darauf gewartet, dass es nun doch endlich losgeht. Und ehrlich, die drei Infos, die da drin stecken, könnte man auch im zweiten Absatz unterbringen und da geht es dann ja los.
Jo, ich werd jetzt auch mit dem Beobachten anfangen und Dennis nur als kurzes Intermezzo einführen, um da nohc ein bisschen was einzustreuen an Information.

Woher kennt er eigentlich ihren Namen? Also den Vornamen? Das schafft etwas Vertrautes zwischen ihnen, was es eigentlich nicht gibt.
Den Namen hat er von der Frau Samjok.

Noch so ein Ding. Also, da klingelt wer spät abends das ganze Haus wach, rennt nach oben, begegnet den Hünen und ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass in der Wohnung oben Gefahr in Verzug ist, hat der Hüne ein Brecheisen parat und hilft ihm bereitwillig die Tür gewaltsam zu öffnen. Ohne zu wissen warum. Na, vielen Dank Nachbar . Und all die anderen Mieter sollten doch auch dazu kommen, der Mensch ist ja neugierig und das ist ja was aufregendes in in ihrem langweiligen Leben, das treibt sie schon aus ihren Wohnungen, denk ich.
Ja, in der Realität würde das sicher anders ablaufen. Aber mir gefällt dieser Typ und sein Brecheisen. Die Nachbarn stehen eigentlich am Geländer und schauen zu. Werd cih nochmal anzuschauen, auch im Zusammenhang mit den Flummis.

Das mochte ich gern. Hier erzählst Du sehr natürlich. Es geht Dir hier um Inhalt, nicht um Form. Und dieser Gegensatz - der bewegt mich dann auch mal und ich stelle mir die Frage, ja, was ist passiert bei Claudia. Das wäre tatsächlich eine spannende Frage, der Du aber nicht nachgehen kannst, weil Dir das wissende Personal dazu nicht hast. Du hast Thore, der sie seit zwei Wochen durch ein Fernglas beobachtet und die Schwester, die keine Bindung mehr hat. Du hast ahnungslose Enden ... Du kannst mir Claudias Geschichte nicht erzählen, weil sie niemand kennt, und auch Thores erzählst Du nicht, weil er eigentlich mehr durch das geschehen führt, um hier zur wirklich interessanten Figur zu werden. Und ein Entwicklung bei ihm, sehe ich nicht. Das ist so mein Hauptkritikpunkt. Und das er am Ende trauert, kauf ich nicht. Er hat etwas verloren, was ihm eine Beschäftigung gab, auf die er jetzt verzichten muss. Er wird was finden, Facebook oder so, da bin ich mir sicher. Und er wird über Facebook genauso einsam sein, wie mit Claudia hinter dem Fenster.
Hm, ja, Thore ist halt einer meiner Passiven, weiß nichts und ändert eigentlich auch nichts. Das ist wirklich was, das ich mal anders machen möchte. Irgendwen aktives, mit Entwicklung und so.
Ja, zu Claudia erfährt man nicht viel. Aber das ist auch gewollt. Diese Distanz. Dass man dem nicht beikommt. Aber ich verstehe auch, dass das natürlich reizvoll ist, da mehr zu zeigen.
Wegen Thore: Manchmal hab ich wahrscheinlich zu viel vom Film drinne, also in der Art, wie ich Geschichten erzähle. Ich mach da Szenen und irgendwas passiert, aber ich versuche, relativ wenig zu erklären, zu erzählen – ob mir das jetzt gelingt, oder nicht, jedenfalls führt das wohl zu diesen Gliederpuppenfiguren – also das man da so wenig über Vergangenheit etc. erfährt. Ist sicher auch ein Punkt, an dem ich noch feilen werde.
Und das ist wirklich das tolle an den Kommentaren zu der Geschichte, ich hab das Gefühl, die Dinge, die schon angesprochen wurden, bei früheren Sachen, jetzt besser zu verstehen. Quasi in der Wiederholung.

Also, der Text hat schon Punkte, interessante Ansätze, aber mir bleibt das alles zu sehr an der Oberfläche, was natürlich der "Beobachtung" geschuldet ist. Lesen lässt sie sich gut, auch die Ruhe, das Langsame mochte ich, zumindestens ab da, wo es losging.
Das freut mich natürlich.

Vielen Dank auch dir für Lesen und Kommentar.

Gruß,
Kew

 

Hallo Quinn.
Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Man unterschätzt das als Autor immer wieder, denke ich, aber ein neuer Text muss immer neu etabliert werden. Es muss am Anfang die Zugbrücke unten sein, dass man den Leser erstmal in die Burg lässt. Und das ist jedesmal neu.
Danke, dass du mir da den Anfang noch mal so aufgedröselt hast. Das mit dem Unklaren kauf ich absolut. Ich versuch das bei der nächsten Version besser zu machen – klarere Führung von Figuren und Umgebung, nicht diese Sprünge drin. Ist wohl nicht ratsam, den Einstieg so kompliziert zu machen. Das erinnert mit immer an den Verkaufserfolg von Unendlicher Spaß. Der fängt ja auch recht harmlos an. Mit einem Ganz einfachen Satz. Das ganze krasse Zeug kommt erstspäter. Und ich kann mir fast nicht vorstellen, dass alle, die das gekauft haben, wussten, was sie da kaufen. Ist quasi ein perfektes Beispiel, für einen gelungen Einstieg. Lockt mehr Leute an, als der Rest halten kann. Aber wenn die das bemerkt haben, war das Buch ja schon verkauft.
Sprich Memo an mich: Netter zum Leser sein am Anfang und vor allem klarer.
Macht mich fertig. Holundersirup, Eiswasser und Minze.Wahnsinn. Krieg ich total Lust, sowas auch mittags zu trinken. Ich hab Durst – trinke ich mal Eiswasser und Minze! Was fehlt da noch? Holundersiurp natürlich! Auch für die Farbe.
Lustig, dass das so gut ankommt. War eigentlich nur ganz nebenbei was. Vermutlich bin ich einfach zu gewollt bei vielem und mach die Guten Sachen so nebenher, ohne es wirklich zu bemerken. Hat Fliege ja auch schon angemerkt, wenn es mir mehr um den Inhalt geht und weniger um die Form.
Das ist doch nicht Texas. Das ist Georgia oder Alabama.
Erwischt, da hab ich so wenig Ahnung von. Aber vermutlich fliegt das eh noch raus, als überflüssiges Bild.
Diese ganze Passage vom Moment, als er merkt, dass sie sich erhängen möchte, bis zum Moment, wenn er dann ohnmächtig wird: Das hat da einen seltsamen Reiz in der Diskrepanz, was du schilderst und wie du es schilderst.
Ja, das war so beabsichtigt. Wenn ich versuche was absurdes einzubauen, und das versuch ich ja zu gegeben häufiger, dann möchte ich das eigentlich nicht abschwächen, indem ich das klarer als Ironie oder dergleichen rausstelle. Vielleicht hat das ein bisschen auch was von Performance Kunst, wenn ganz Nebensächliche Dinge durch den Ernst, mit dem sie vor der Kamera oder vor Publikum ausgeführt werden, plötzlich Bedeutung bekommen.

In einer Abwärtsbewegung drückt er die Knöpfe. Und dann hast du ja diesen komisch-lustigen Moment, dass er die falsche Tür eintritt und dann bei der nächsten vorher kurz guckt, aber es ist alles immer so straight erzählt, so seriös. Wenn's dir mal gelingt, dabei noch souveräner zu wirken – das wäre toll. Aber es wirkt oft so ein bisschen unsicher auf mich, ich kann es nicht genau fest machen. Dass da 5mal Hüne steht, dass der da überhaupt so gebraucht wird als Figur – es ist das Gute an der Art, wie du erzählst, ist es, dass es keine Ironie gibt, keine Möglichkeit, das irgendwie abzudämpfen. Es geht dann immer um Existenz, hab ich das Gefühl. Ich finde in deinen Geschichten, jetzt die, die ich auf dem Schirm hab, da ist das, was den Figuren passiert, in dem Moment immer absolut. Da gibt es nichts anderes, es gibt kein Gestern und kein Morgen, sondern die leben dann in diesem Moment.
Das mit dem souveräner kommt hoffentlich mit der Zeit. Wenn ich das noch öfter mache, hab ich vielleicht mal ein besseres Gefühl, was da zu viel ist, was da noch rein musst, um es sicherer zu machen und für den Leser besser zu schlucken. Danke auch für die Einsicht in meine Figuren. Bin da selbst nie drauf gekommen. Aber es stimmt. Ich hab zwar häufiger auch so Denker drin, aber das Denken hilft denen eigentlich nie in dem Sinne, dass es eine Situation für sie relativiert und erträglicher macht, sondern es wird eigentlich dadurch erst richtig schlimm für sie.
Das ist hier bei Thore so. Oder bei Kevin ein Vielleicht doch lieber Alex.
Und klar, ich versuch das Beizubehalten, auch wenn das jetzt viel schwieriger wird, weil ich es bewusst auf dem Schirm habe.
Das ist was sehr gutes, das solltest du dir unbedingt bewahren. Aber irgendwie bringt das auch Probleme mit sich. Vielleicht könntest du, bevor du mit der „Action“ anfängst, dir noch mehr Zeit nehmen, ein Band zwischen deinen Lesern und deinen Figuren zu knüpfen. Mir fällt das schwer bei deinen Geschichten.
Wenn der sich hier in der Geschichte – lollek hatte das mal „Frau vom Lauber – sich daran aufgeilen würde, dass er „intim“ mit dieser Frau ist, das würde mir irgendwo einleuchten, das würde die Figur menschlicher machen, aber er tut das ja offensichtlich nicht, sondern – weiß ich nicht. Ich weiß immer zu wenig, ich brauch mehr Verbindung zu diesen Figuren. Die haben was alienmäßiges.
Jo, das Sexuelle kommt für den nächsten Versuch auf jeden Fall mit rein. Vielleicht ist es dann weniger fremd. Weil mich das jetzt auch beschäftigt, also Figuren einführen und so, hab ich mal ein paar Anfänge von Updikes die Tränen meines Vaters gelesen. Der hat da am Anfang eigentlich immer so einen Satz, der die Figur irgendwie festlegt. XY ist diese, ist das. Ist gerade dort mit folgender Tätigkeit/Intention. Der hat was, dass sie Figur gleich erdet. Ist ne Sache, die ich auch mal versuchen werde.
Das ist echt gut. Sowas deprimiert mich. Da steckt irgendwie viel drin. Korsika und Kroatien. „Wurde schließlich selbst zur Aufsichtsperson“, „Kirche, treu, Jahr für Jahr“.
Das ist wirklich gut. Das ist so traurig. So dieses „Ich mach was, von dem ich denke, dass es was Besonderes ist; ich lebe mein Leben in vollen Zügen, ich fahr nach Kroatien“.
Ich hab Highlights in meinem Leben.
Da wird wieder so eine von mir Stiefmütterlich behandelte Stelle zum Star. Sollte wohl mehr am Kill your Darlings arbeiten.

Das ist auch, wie wenig da ist von einem Menschen. Was man da so erzählen kann, in einer anonymen Masse. Dann arbeitet man irgendwelche biographischen Fakten ab. Völlig absurd. Wenn wenigstens einer wäre, der das Mädchen kennt und sagt: Das hier war ihr Lieblingslied, das war ihr liebstes Gedicht, das hier ist das, was ihr Wesen meiner Ansicht nach wiedergibt.
Wie in den Todesanzeigen, die uniform sind und das einzige, was einen Hauch Individualität verleiht ist dann mal ein Gedichtfetzen von Rilke-
Ich fand das bei den Beerdigungen auf denen ich war immer sehr seltsam. Weil der Pfarrer gibt sich da ja schon mühe und spricht mit den Hinterbliebenen über den Toten. Aber trotzdem spricht da im Allgemeinen jemand, über einen für ihn völlig fremden. Bei mir kommt halt noch dazu das Claudia auch für Thore fremd ist und er nichts hat, wo er das gehörte einordnen kann, außer in die Bilder von ihr im Wohnzimmer.
Gut, aber zu scharf! Der regt mich auf.
Das ist doch das Problem dieser Figur: ach nee, lieber ein bisschen lau. Ich möchte nicht zu viel empfinden. Dämmen Sie es ein bisschen. Ich schau mir gerne an, wie sie sich eine Suppe macht und einsam fernsehen guckt, und wenn sie auf den Stuhl steigt, mit der Schlinge um den Hals, ist das auch okay für mich, aber springen … so radikal, ich weiß nicht, wie mir das gefallen würde. Wäre mir ein bisschen zu unordentlich, glaub ich, zu grell.
Gut, das kommt raus.
Das sind so Figuren: Ich glaube ja, dass es die gibt. Aber müsste es dann nicht Geschichten über Leute geben, die versuchen, solche Figuren zu ändern oder zu retten. In deinen Geschichten komme ich mir jedesmal so lethargisch beim Lesen vor, so ohnmächtig, du hast Geschichten wie Horrorfilme, in denen die Frau mit dicken Titten in den Keller geht, um die Sicherung zu kontrollieren, während ein Axtmörder im Haus ist. Da will man auch schreien: Nein! Nimm deine dicken Titten und renn weg!
Das ist ein cooler Vergleich. Tatsächlich hab ich so ähnlich Sachen schon erlebt. Zwar nicht so krass: Aber da spricht mich ein Frau an, ob ich ihr Handy reparieren kann – ich sitz vorm nem Café auf der Straße – und hält mir die abgesprungene Rückseite hin. Und dann erzählt sie mir die Probleme, die sie mit ihrem Sohn hat und dass der immer noch keine Ausbildung fertig hat und so. Irgendwie muss das hilfreich sein, dieses Aussprechen, bei völlig Fremden, weil die ja nicht beteiligt sind und man die nie wieder sieht. Das macht sicher auch einen Teil von Psychotherapien aus. Dieses endlich mal reden können, ohne ein Urteil fürchten zu müssen, weil der Gesprächspartner nicht Teil des eigenen Lebens ist.
Sonst ist das ein Ende, das sagt letztlich: Egal, wer wir sind und was wir gemacht haben, man bekommt vom „Leben“ dieselben Aufgaben zum knacken. Also es wird jeder mit dem Verlust eines Menschen umgehen müssen, egal in welchem Alter er grade ist, ob er grad emotional gefestigt ist, ob es ihm passt oder nicht. Und hier ist „Ich hab mit dem Rudern“ angefangen, großartig. Was funktioniert, was sich richtig fühlt, ist auch richtig. Es gibt nur das subjektive, nichts absolutes.
Das ist wirklich ein tolles Ende, weil es diesen Text und diese Figur, die so furchtbar im eigenen Saft schmort, „verrückt“, in eine andere Perspektive.
Freut mich, dass es dir gefällt. Vor allem weil ich mir da echt Gedanken drum gemacht habe, ob ich da zu wenig erkläre und so. Ich bin echt blind für meine Probleme.

Die Figuren in deinen Geschichten sind immer so verschieden zu dem, was ich denke. Dann hast du hier auch wieder diese Dennis-Figur, der keusche Rebell und Philosoph, der so rüberkommt wie der coolste Typ der Schule, der sich aber nichts draus macht und super-nett ist und für die Außenseiter offen und so. Und total deep. Das ist jetzt in der 3. Geschichte so eine Figur, die mir auffällt, so ein fast Heiliger. Der aber auch irgendwie gar keine Bedürfnisse hat, sondern so einen inneren Frieden gefunden und vielleicht liegt das an deiner Art der Darstellung, dass du Figuren immer so zenmäßig hinstellen kannst.
Hm, ich vermute, dass liegt daran, dass ich die zu sehr als Funktionsträger für die Hauptfigur missbrauche. Thore braucht halt einen Gesprächspartner und ich wollte auch nicht, dass er als völlig vereinsamt darsteht. Ich vermute mal, dass wäre auch gar nicht das Problem oder die Sache, aber weil meine Hauptfiguren halt nicht gerade die Träger der Geschichte sind, fällt das halt noch stärker auf. Wird mir mal für die nächste Geschichte mehr Gedanken machen über die Nebenfiguren und ihre Bedürfnisse/Motive.
Wer mich wirklich aufregt ist diese Schwester da mit dem Hähnchenscheiß. Naja. Das sind auf jeden Fall die 2 guten Szene in der Geschichte: Die Beerdigung und das Essen mit der Schwester, das ist schon ne Aussage für dein Schreiben vielleicht, dass ich die Geschichte am besten finde, wenn der Protagonist nur hören kann. Wenn er nur angesprochen wird.
Das ist das mit den Passiven-Figuren. Die werden ja vor allem durch ihr Umfeld bestimmt und da passt es dann halt rein, dass es am interessantesten wird, wenn das Umfeld die volle Kontrolle hat.
Ich denke du hast auf jeden Fall ein gutes Auge für Szenen und Themen. Dieses lapidare im Umgang mit existentiellen Krisen, das berufsmäßige muss deinen Protagonisten verrückt machen und gleichzeitig muss es auch irgendwo ein Trost für ihn sein.
Hey, danke. Wegen solcher Sachen mach ich weiter.
Also das wäre vielleicht, obwohl es mir schwer fällt, die asexuelle Interpretation dieser Beziehung zu dem Mädchen. Dass er sich mit ihr identifiziert und sie als so eine Art Geist der zukünftigen Weihnacht wahrnimmt. Ihr Tod ist sein Tod, Ihre Einsamkeit ist sein. Ich weiß nicht, ob es dir darum ging. Vielleicht geht es einfach darum, dass man Mechanismen braucht, um mit Schicksalsschlägen zurecht zu kommen. Und dass die ziemlich gleich sind.
Ich behandle meine Figuren wohl wirklich zu häufig als Gedankenspiel. Hast du ja auch schon zu Dennis geschrieben. Am Anfang hatte ich das Gefühl, dass sexuelle würde ein wenig aus der Geschichte raus führen, wäre quasi im Weg. Und letztlich hab ich damit eine der wichtigen Möglichkeiten gekillt, die Figur zu verstehen.

Du hast in dieser Art zu schreiben, einige Sachen, die das Lesen wirklich zu einem Erlebnis machen, das man sonst nicht so leicht kriegt. Es wäre schön, wenn du dir das erhältst und es noch mit ein paar positiven Sachen verkoppeln könntest.
:)


Hallo JuJu,
dank dir fürs Lesen und Kommentieren.

So was fehlt dir irgendwie. Du brauchst eine Art Epiphanie, Mann. Deine Geschichte ist so: JD stellt die Medikamente nie ab. Schluss.
Den Film, hab ich nicht gesehen. Hab da auch immer etwas bedenken, wenn ich Serienschauspieler dann in Filmen sehe, weil ich immer die Serienfigur vor Augen habe. Aber wenn sich die Gelegenheit ergibt, werd ich den Film mal ausprobieren. Allein, um damit ich noch besser verstehe, was du meinst.
Was du sagt, passt auch ganz gut mit dem zusammen, was Quinn mir zu meiner vorherigen Geschichte geschrieben hat, diese Theorie vom Element, das Widerstand leistet, das sich sperrt. Ich dachte, ich hätte so ein Ereignis drin mit dem Selbstmord, das Thore eben zwingt etwas anders zu sehen. Tjo, aber wie es aussieht, hab ich da auf halbem Weg aufgehört – hab zwar das Ereignis, aber letztlich ändert das ja gar nichts, sondern stößt ihn noch tiefer in die gleiche Weltsicht. Vielleicht sollte ich mal Figuren versuchen, die nicht depressiv sind und es dann werden. Vielleicht liegt mir das ja.

Vielleicht kommt irgendwann der Punkt und dann bist du reif für.
Hoffe ich doch. Und ihr seit ja auch fleißig am Helfen.

Oder du machst das wie Camus in Der Fremde und sagst: Das ist Existentialismus, das ist Philopshie. Der Fremde ist auch ein bisschen so. Da sind die ersten Sätze des Romans: Heute ist meine Mutter gestorben. Oder vielleicht gestern. Ich weiß es nicht genau.
Ja, den hab ich gelesen. Und wahrscheinlich bin ich da die verweichtlichte Form von. Weil der Fremde ist ja sehr hart, sehr klar. Ich steh quasi in der Mitte zwischen „Normal“ und total existentialistisch. Ich glaub, ich versteh, was du meinst.

Aber irgendwann fragt man sich vielleicht auch, ob diese Gefühle und Empfindungen wirklich so "einzigartig" sind. Ob die nicht vielleicht jeder empfindet und denkt. Und wenn ja, was ist das Besondere daran? Warum aufschreiben? Da ist vielleicht auch ein bisschen Jugendnarzissismus dann, glaub ich.
Nabokov hat mal geschrieben, dass man sich am Anfang immer vom persönlichen freischreiben muss. Wenigstens bekomm ich immer besser zu fassen, was das bei mir wohl ist. Und ich wird ja auch älter.

Kein Scheiß, als ich 17, 18, 19 war hab ich einen Roman geschrieben, fast 400 Seiten, mit einem Entfremdeten, desillusionierten Ich-Erzähler, das alles auf Englisch noch. So jemand der sagt, das macht alles keinen "Sinn" und ist eh alles egal, und was solls, ist doch alles für den Arsch und laber laber laber laber laber laber und guck hier: voll verlogen, und jetzt ist jemand gestorben, das gibts auch einen Selbtsmord in der Klasse, da erhängt sich eine, die ihn zu diesem Erkenntnis führt, und da war auch so der wisssentschaftlicher Blick, so die Fähigkeit etwas völlig distanziert und entkoppelt zu betrachten, so als wäre man selbst nicht da, völlig unbeteiligt - und die Zeit verfließt … verwaschen, nostalgisch ...
Das trifft ja meine Art ganz gut. Verdammt, dahin ist es mit der Einzigartigkeit.

Und bei dir ... da warte ich die ganze Zeit auf Akt 2, dass da was anspringt oder so. Ist egal, ob das eine Kurzgeschichte ist oder nicht, die Figur tritt auf der Stelle. Irgendwann muss da noch was kommen. Ein Hoffnungschimmer. Eine Inspiration. Eine Andeutung. Eine Idee. Irgendwas, das jeden normalen Menschen nicht zu Tode langweilen würde.
Jo, seh ich ein. Ich brauch wohl noch das Gefühl, wie ich da einen Twist einbaue in eine Geschichte, die sonst nur gerade ausläuft. Ich hoffe, das kommt mit der Zeit.

Der alte Mann fing zum Rudern an und das Leben ging weiter. Das ist eine extrem banale Erkenntnis, und trotzdem eine wichtige, die man wohl immer wieder macht, ja. Aber das ist auch nichts, dass Thore aus seinem Zustand rausholt, sondern ich finde, im Gegenteil, es bestätigt eher sein Weltbild. Alles ist vergänglich, also bleibe ich passiv und ausgeliefert und fatalistisch und versinke in diesem Gefühl. Ich kann daran nichts ändern. So eine masochistische Bequemlichkeit. Oder ich fang halt das Rudern an, bisschen kalt das Wasser zwar, aber jo … man gewöhnt sich dran … und jetzt schlaf ich ein und sterbe … schönes Leben dir …
Eigentlich war das ja positiver gedacht, ist aber wohl nicht so angekommen. Der alte Mann nutzt halt wirklich die Freiräume, die der Tod seiner Frau geschaffen hat. Ich hatte das eigentlich so gedacht, dass er das Leben annimmt, also mit Lebensfreude und Aktivität. Aber anscheinend kommt das so nicht rüber.
Ich bin mir fast sicher, dass kein ernst gemeintes Bistro ihre Kunden fragt, wenn sie Pasta bestellen, ob mit oder ohne Knoblauch?
Also mir ist das wirklich passiert. War Mittags in einem Bistro, wohin vor allem Geschäftsleute kamen. Da ist das schon sinnvoll im Hinblick auf Kundentreffen und ähnliches.
Aber das mit dem zu Scharf und dem Wasser seh ich ein. Das nehm ich raus. Muss es ja nicht noch schlimmer machen, als es schon ist.

Ich würde da ein bisschen mehr draufachten, ob das immer so klar ist, und vielleicht mal: "sagte Thore" reinbauen. Das schadet nicht.
Werd ich beachten.

Jetzt hab ich extrem viel gelabert und nicht so viel Positives gesagt, aber die Szene mit der Halbschweser, die diese Absolution will, ich find auch, die ist die Beste.
Gibt mir viel zu lernen. Das ist doch gut.

aber es ist eine interessante Szene auf jeden Fall, du kannst gut Dinge beobachten und schreiben, also weiterschreiben.
Danke.

Hallo Eva Luise Groh.

Auch dir dank fürs kommentieren und Lesen.

deine Geschichte hat mir gut gefallen, das Thema, das Herantasten aus der Ferne, der minimalistische Schluss mit einem Hoffnungsfunken.
Dass sie so unverbunden lebten und doch eine - nicht offensichtliche - Verbindung hatten (von der sie gar nichts wusste).
Hey danke, das freut mich.

Finde ich schön, nur dreieinhalb Sätze später kommt der dicht beschriebene Glascontainer, dann bald das Nächste ... Wie gesagt, für mich etwas viel, die einzelnen Stimmungsbilder verlieren so an Wirkung.
Ein paar kleine Exkurse hätte ich weggelassen, die Lebensbeschreibung des Großvaters beispielsweise, und dafür lieber etwas mehr zum Background der Hauptpersonen vertieft.
Ja, das haben jetzt eigentlich alle angemerkt. Ich werd da nochmal durchgehen und ausmisten. Damit die Einzelnen Dinge besser zur Geltung kommen und weniger von der Geschichte ablenken.

So. Am Wochenende kommt dann hoffentlich die überarbeitete Fassung. Muss mich noch ein bisschen rann halten.

Dank nochmal an alle.

Gruß,
Kew

 

So, neuer Anfang. Und hab auch bei den Bildern ausgemistet. Hoffe es ist jetzt stimmiger. Wobei ich mir ehrlich gesagt nicht sicher bin, ob ich nicht etwas den Zugang zu der Geschichte verloren habe. Kann sein, dass der jetztige Anfang es nicht wirklich besser macht.

Dank nochmal an alle, die mir hier geholfen haben.

 

„Ich rauche einen Joint. Ich trinke Absinth. Auf dem Tisch neben mir steht diese Beistelllampe. Die, die du so hässlich findest. Ich hab das Kabel durchgeschnitten und halt das Ende in der Hand.“
Allohol und Gras geben zwar keine Antworten auf Probleme, machen aber wenigstens Fragen vergessen und – so darf ich vermuten – das Sterben einfacher, und da wären wir in guter künstlerischer und literarischer Gesellschaft,

lieber Kew.

So gut wie nix wissen wir über Claudia - was es auch nicht braucht -, dass wir uns auch zu keinem Motiv äußern können, und doch zeigt ein Voyeur aus der Nachbarschaft, der die junge Frau aus gänzlich anderen, äußerst privaten Motiven beobachtet, was eigentlich menschlich sein sollte, indem er von seinem heimlichen Tun ablässt, die Erregung als seinem eigentliche Ziel voyeuristischen Aktes unterdrückt, um ein Leben zu retten, wenn auch vergeblich (vllt. nur die eine egoistische gegen eine andere altruisdtische Regung tauscht). Jeder Ohnemich(el) hätte seine eigene Lust ausgelebt und vielleicht noch im Anblick der baumelnden Frau bisher verborgene Nekrophilie aus sicherer Entfernung ausleben können. Nicht aber Thore, der sich keiner Schwarz-Weiß-Malerei beugt und – dessen Name nicht das erste Mal in einer Geschichte auftaucht, wenn ich mich recht erinnere.

Das Weitere mag der geneigte Leser selbst erlesen, aber es ist noch einiges der Kleinkrämerseele aufgefallen:

Fehlerhafte Schreibweisen wie hier

Auf dem Plattenspieler lief Billy Hollyday.
Billie Holyday (1915 – 1959) – sofern wir die gleiche Person meinen

Die Bilder des Tages zogen vorrüber, …
vorüber

…, als müsste er spachtelweise Teer aus seinen Bronchen kratzen
Bronchien

Das Anredepronomen macht sich manchmal ganz klein

„Sie wundern sich sicher, warum ich ie nach dem Grund gefragt habe
und hier wirds Anredepronomen geradezu unterschlagen:
„Falls ihnen doch noch etwas einfällt, oder sie etwas hören, melden Sie sich bitte bei mir. Hier ist meine Telefonnummer.“

ferner
Knäu[e]l // Make-p // zerfri[e]melte

Hier ein schöner Übergang zur

Zeichensetzung

Ist echt scheiße Sowas.“
So was (umgangssprachkiche Verkürzung des so etwas) immer auseinander und – abhängig vom fehlenden Satzzeichen Komma oder Punkt klein, also entweder
Ist echt scheiße[.] So[…]was“
oder
Ist echt scheiße[,] [so was].“

Hast du schon mal überlegt[,] dich umzubringen?“, fragte Thore.

Wie schafft man es[,] den Stuhl umzuwerfen?

… - die Nudeln waren gut, aber zu scharf[,] und er trank …

Thore versuchte[,] sich das Bild vorzustellen

Einmal schnappt die Fälle-Falle zu

Dennis trat neben ihm.
… trat neben ihn.

Hier fehlt überhaupt etwas im Appendix

Dann schüttelte Frau Zimmerman den Kopf, als wäre ihr aufgefallen, was sie gerade.

Und hier eine abschließende Frage
… das Gesöff schmeckte widerlicher …
Als was?
Widerlicher als vorher wird’s wohl nicht sein. Und:
Ist widerlich nicht widerlich genug?

Gruß

Friedel

 

Hey Friedrichard,
danke fürs Lesen und Kommentieren.

Allohol und Gras geben zwar keine Antworten auf Probleme, machen aber wenigstens Fragen vergessen und – so darf ich vermuten – das Sterben einfacher, und da wären wir in guter künstlerischer und literarischer Gesellschaft,
Jo, man schießt sich halt weg und senkt damit auch Hemmschwellen, sei's bezüglich Gewalt gegen andere oder eben gegen sich selbst.

So gut wie nix wissen wir über Claudia - was es auch nicht braucht -, dass wir uns auch zu keinem Motiv äußern können, und doch zeigt ein Voyeur aus der Nachbarschaft, der die junge Frau aus gänzlich anderen, äußerst privaten Motiven beobachtet, was eigentlich menschlich sein sollte, indem er von seinem heimlichen Tun ablässt, die Erregung als seinem eigentliche Ziel voyeuristischen Aktes unterdrückt, um ein Leben zu retten, wenn auch vergeblich (vllt. nur die eine egoistische gegen eine andere altruisdtische Regung tauscht). Jeder Ohnemich(el) hätte seine eigene Lust ausgelebt und vielleicht noch im Anblick der baumelnden Frau bisher verborgene Nekrophilie aus sicherer Entfernung ausleben können. Nicht aber Thore, der sich keiner Schwarz-Weiß-Malerei beugt und – dessen Name nicht das erste Mal in einer Geschichte auftaucht, wenn ich mich recht erinnere.
Jo, Thore ist halt kein Arsch, dem sowas egal ist (oder es toll findet) - für mich ist er eher unsicher. Und als er dann sieht, was abläuft, will er halt helfen. Ohne groß nachdenken, weil es halt das Richtige für ihn ist, das einzige, womit er leben kann.
Und ja, den Namen gab's wohl schonmal. Ich bin einfach nicht sonderlich gut im Namen finden.

Danke auch für die Kleinkramsachen, ich übernehm's.

Gruß,
Kew

 

Als wäre alles gesagt, schwieg der Mann, und Thore fragte sich, wie es war, alt zu sein und zu erleben, dass die Bekannten, die Freunde, die Familie starben, dass bei jedem Begräbnis die Trauergemeinde kleiner wurde,

lieber Kew –

sagt schon verdammt viel aus, aber nicht so sehr übers alt sein, als übers altern selbst, wenn die Einschläge in den Todesanzeigen (stellv., weil vergleichbares Zitat)

… las im Vorübergehen die Inschriften der Grabsteine, verwitterte Zeugnisse vergangener Zeit.
immer näher rücken, der Freundes-/Bekanntenkreis ungewollt dahinschmilzt –
und keiner kann dagegen rudern (mag er’s auch noch so sehr behaupten), was uns im Ende alle gleichmacht.

Schon die Symbolik zu Anfang (wie im weiteren Verlauf der Geschichte - auch die Farbsymbolik, selbst wenn ich jetzt nicht drauf eingeh) läuft darauf hinaus:

dabei fiel ihr Haar ewig den Rücken hinab, schwarze Strähnen auf buntem Stoff, Thore kaute auf seiner Oberlippe –
Thore – nervös,
Thore griff sich in die Boxershort, pulsierende Hitze zwischen seinen Fingern,
aus anderen Gründen als der bedeutungsvollere erste Teil – einmal anders gelesen – fürchten lässt:
… fiel ihr Haar ewig … hinab, schwarze Strähnen auf buntem Stoff, …

„Ewig“ ist historisch von der Ehe (= Gesetz, Recht) abgeleitet, denn im ahd. waren Ewigkeit und Ehe identisch als ewa (betontes e) und fürs mhd. bleibt’s als betontes, wahrscheinlich langgezogenes e allein erhalten (was im ehe[dem] immer noch durchscheint) – wobei das ältere Wort auch erhalten blieb, aber mit dem abgeschliffenen, unbetonten Vokal am Ende als ewe
und die Zeit gerann,
gerinnt, denn diese verdammt lange Weile von Zeit wird symbolisiert in der/dem L-/lebensmüden
ie arbeitete gewissenhaft und ließ sich Zeit,
und wer keine Zeit hat, der ist tot! (Hat sich selbst schon auf'm Gipfel der heutigen Zeit herumgesprochen: dem Zeitmanagement).

Aber das ist gar nicht so sehr Anlass und Ergebnis meines zweiten Besuchs, denn mir ist erst jetzt ein Schnitzer aufgefallen zum Geschlecht Dennis’, der der Korrektur bedarf:

Anfangs heißt es

Dennis war am Nachmittag zu Besuch gewesen. Sie hatte über Claudia gesprochen –
da stimmt was nicht, wenn es weiter unten heißt
Dennis trat neben ihn. „Du siehst echt scheiße aus.“ Er legte Thore eine Hand auf die Schulter, …
Gemerkt? Wenn nicht, noch mal das Gemeinte
Dennis war … zu Besuch ... Sie hatte über Claudia gesprochen – /
Dennis … .“ Er legte Thore eine Hand auf die Schulter, …

Der erste Satz wäre in Einklang mit dem späteren im Plural anzubringen, oder das Pronomen bedürfte einer Geschlechtsumwandlung …

Noch’n paar Schnitzer, ohne Kommentare

Thore lehnte sich an die Wand, zu schwach[,] um aufzustehen.

Thore versuchte[,] sich das Bild vorzustellen –

Thore zerfri[e]melte seine Serviette

Make-p

Knäu[e]l

Um auf die Einleitung und zur Rehabilitation des Witwers beizutragen: Vielleicht rudert der Wittwer ja in Gesellschaft, angefangen im Zweier hinauf über Vierer und Achter mit Steuermann (also eigentlich ein Neuner) bis hin zum Drachenboot, ob chinesisch zubereitet oder normannisch kühl; auch die Treue über den Tod der Frau hinaus wie auch die wenigen Worte des alten Herrn zu Thore (da hastus, der nordische Name bringt die Wikinger hier herein) kennzeichnen ihn als gesellig und er wird beim Leichenschmaus schon wieder gelacht haben, denn nirgendwo geht’s fröhlicher zu als ebendort.

Gern gelesen vom

Friedel

 

Ach verdammt, ich dachte, ich schaff einen Komm zum zweimonatigen Geburtstag deiner Geschichte, den hab ich verpasst ...

In der Küche stieg Dampf auf. Claudia kochte Nudeln, briet Zwiebeln und Knoblauch, schmolz einen Käse in der Pfanne. Sie trug ein Sommerkleid, aber ihre Arme waren winterblass – zierliche Arme mit einer Uhr am Handgelenk und Pigmentflecken auf der Schulter.
Das ist interessant, das kommt mir alles so Kew-typisch vor. Das Essen ist drin (das gefällt mir jedesmal gut, meist bekomm ich auch gleich Hunger, wenn du sowas beschreibst). Und dann gleich dieser Stil, der irgendwie besonders ist, der mich aber auch auf Distanz hält. "Winterblass" - das ist ein kluges Adjektiv für Haut. Aber es ist auch extravagant. Und der Satzbau da im letzten Satz ist auch außergewöhnlich, das ist eine neue Variante diese Nachstellungen, die mich jedesmal stutzen lassen.

Ich hab mir die erste Version der Geschichte nirgendwo abgespeichert. So aus dem Gedächtnis glaube ich, dass du die von anderen Kommentatoren bemängelte Bilderflut gut eingedämmt hast mit der neuen Version. Aber was ich zum Beispiel beim alten Anfang echt gut fand, das war der Anfangssatz, in dem es über das Fernrohr hieß, dass das sonst nur von Scharfschützen benutzt wird. Da hatte der erste Satz so einen Hallo-gleich-passiert-was-Effekt. Jetzt ist der Anfang immer noch gut, aber leiser.

Wie Fremdkörper eilten seine Füße die Stufen hinab und ständig die Gefahr zu stolpern und als Haufen gesplitterter Knochen auf dem Treppenabsatz zu enden.
Soll der Satz so? :hmm: In einem Prosatext geht das wohl schon ... irgendwie. Aber das hab ich gelesen und dachte, das ist doch Grammatiksalat.

Er stürmte weiter, immer rum im Karree, rum im Karree, und auf jedem Absatz zwei düsterbraune Türen und verängstigte Gesichter, die spähten wie Gnome. Mit hämmernden Herzen erreichte er ihre Tür, Würgen in Hals und Magen.
Das ist ein ganz interessanter Effekt. Die Szene hat doch gerade richtig Tempo, Thore rennt, Claudia stirbt vielleicht, Panik, und der Satz hier unterstützt das auch erst, immer rum im Karree, rum im Karree - und dann wird so brutal entschleunigt, ich bin da komplett aus dem Text gekippt. Durch die düsterbraunen Türen und die spähenden Gnome. Also düsterbraun. Adjektive verlangsamen einen Text ja sowieso, aber düsterbraun ist eine richtige Bremse. Keine Ahnung wieso, vielleicht weil es eine Silbe zu viel hat um unauffällig zu sein, vielleicht weil düsterbraun so ins Poetische geht. Die Gesichter, die wie Gnome spähen, sind auf alle Fälle ein zu poetisches Bild, um das Tempo des Textes zu halten. Da war man erst auf hundertachtzig und bekommt jetzt so ein Stillleben serviert. Ganz eigenartige Sache das. Es wirkt irgendwie verfremdend.

„Weg da.“
„Nein … ich … Claudia …“ Der Hüne knallte ihm eine, dass sein Nacken knackte. Thore schlug der Länge nach hin, schmierte mit dem Gesicht über kalten Stein. Völlig weggetreten sah er noch, wie der Hüne die Tür mit einem Brecheisen aufhebelte und in der Wohnung verschwand.
Okay, ich komm nicht drauf, was ist in dem Hünen vorgegangen, dass der so gehandelt hat? Also Thore niederzuschlagen und dann die Tür aufzubrechen? Wenn er gedacht hat, dass Thore irgendein Mistkerl war, der Claudia belästigt, dann würde dass das Niederschlagen erklären. Aber dann hätte er einfach bei ihr geklingelt. Oder der Hüne ahnt, dass mit Claudia irgendwas ist, das erklärt das Brecheisen, aber das erklärt kein Stück, wozu er Thore zu Boden schlagen wollte.

Kroatien und Korsika, wurde schließlich selbst zur Aufsichtsperson.
Der Pfarrer erzählte von ihren Freunden, es mussten viele gewesen sein, und Thore dachte an die Claudia, die einsam kochte und einsam im Wohnzimmer saß, das Gesicht flackernd beleuchtet. Wann war der Bruch gekommen? Beim Studium? Später, während der Arbeit? Vielleicht war es eine unglückliche Liebe gewesen, vielleicht eine Fehlgeburt, von der niemand wusste oder niemand sprach. Vielleicht war auch nichts passiert und nur die Jahre fraßen langsam die alten Freundschaften, bis nichts mehr blieb außer Arbeit und Fernsehen. Letztlich bekam Thore kein Bild zusammen. Er hörte Dinge über eine Fremde.
Die Sargträger kamen, sechs fesche Kerle in Schwarz, die abends sicher auf Frauenjagd gingen – Thore fand die Vorstellung befremdlich.
Das ist echt super.

Porno-Blue-Rays
Hab ich neulich erfahren und war selbst ganz erstaunt, das schreibt man gar nicht so. Also Porno schon. Aber die Blu-ray ist gar nicht "blue".

Er blickte zum Himmel hinauf, wo nur der Widerschein der Stadt zu sehen war, keine Sterne, kein Mond, und das Blinken eines Flugzeugs im Landeanflug.
Okay, wo ich gerade bei Kleinigkeiten bin: das haut so nicht hin. Keine Sterne, kein Mond, UND das Blinken eines Flugzeugs. Das geht nicht. Vielleicht keine Sterne, kein Mond, nur das Blinken eines Flugzeugs.

„Ich denke nicht … Ich meine, letztlich war es Claudias Entscheidung. Sie können für niemanden die Verantwortung übernehmen.“
Sie lächelte schmal und Thore hatte das Gefühl, dummes Zeug zu reden und verstummte mit brennenden Wangen.
„Danke. Das ist sehr wichtig für mich.“
Die Schwester ist eine wirklich gruselige Figur. Dass die sich von irgendeinem Nachbarn ihrer toten Schwester bestätigen lassen muss, dass sie keine Schuld trifft. Sowas machen eigentlich viel zu viele Leute. Absolution einholen von jemandem, der mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hat, um sich dann besser zu fühlen.

„Kann ich Sie noch etwas fragen?“
„Natürlich.“
„Wie haben Sie es geschafft? Ich meine, wie haben Sie den Tod Ihrer Frau überstanden?“
„Ich habe mit dem Rudern angefangen. Ein schönen Sonntag noch.“
Unter einem grausam blauen Himmel ging der Mann die Straße entlang und Thore wartete, bis er an einer Kreuzung abbog und verschwand.
Ja, das ist gut gelöst in der Geschichte, dass sie nicht versucht, Antworten zu geben auf eine Frage, die man nicht beantworten kann. Rudern, Sport, was man halt so macht, um sich abzulenken und nicht durchzudrehen. Ganz lapidar. Nichts Erschöpfendes. Das ist aber auch das Problem des Themas, das du dir da ausgesucht hast, du kannst da nicht zu einer Aussage kommen, da werden nur die Ratlosigkeit und Fassungslosigkeit weitergereicht, mit denen man vor dem Thema Selbstmord und Tod steht.
Ein bisschen unbefriedigend bleibt der Text zwangsläufig, obwohl du wirklich alle Klippen umschifft hast, an denen die 08/15-Selbstmordtexte hier im Forum immer scheitern.

Der Text gefällt mir wirklich gut, die Überarbeitung hat ihm auch gut getan. Allerdings musste ich mit Schrecken feststellen, dass das Eiswasser mit Minze und Holundersirup verschwunden ist. Pah! Das nehm ich dir übel. Nur deinetwegen hab ich jetzt zwei Blumenpötte mit Minze auf der Fensterbank (Holundersirup war nirgendwo aufzutreiben, aber immerhin Eiswürfel kann ich machen). Und jetzt ist es weg! Pah!

 

So, endlich geht's hier weiter. Sorry wegen der Verspätung.

@Friederichard

sagt schon verdammt viel aus, aber nicht so sehr übers alt sein, als übers altern selbst, wenn die Einschläge in den Todesanzeigen (stellv., weil vergleichbares Zitat)

immer näher rücken, der Freundes-/Bekanntenkreis ungewollt dahinschmilzt –
und keiner kann dagegen rudern (mag er’s auch noch so sehr behaupten), was uns im Ende alle gleichmacht.
Das betrifft ihn halt alles noch nicht selbst. Ist aber die hauptsächliche Kontaktstelle für ihn mit den Tod. Er bekommt halt mit, wie die Großelterngeneration langsam wegstirbt. Und auch, wenn ihn das jetzt nicht direkt betrifft, macht er sich halt Gedanken.
Claudias Tod ist quasi ein Schritt in Richtung mehr persönliche Relevanz. Der geht ihn näher an, als die "Alten." Aber Beiden Ereignissen ist gemein, dass sie ihn auf ein Thema stoßen, mit dem er sich eigentlich nicht beschäftigen will.

Um auf die Einleitung und zur Rehabilitation des Witwers beizutragen: Vielleicht rudert der Wittwer ja in Gesellschaft, angefangen im Zweier hinauf über Vierer und Achter mit Steuermann (also eigentlich ein Neuner) bis hin zum Drachenboot, ob chinesisch zubereitet oder normannisch kühl; auch die Treue über den Tod der Frau hinaus wie auch die wenigen Worte des alten Herrn zu Thore (da hastus, der nordische Name bringt die Wikinger hier herein) kennzeichnen ihn als gesellig und er wird beim Leichenschmaus schon wieder gelacht haben, denn nirgendwo geht’s fröhlicher zu als ebendort.
Jo, sicher. Spricht nichts dagegen, dass er das in Gesellschaft macht. Es geht halt hauptsächlich darum irgendwas zu machen, was genau ist dann nicht so wichtig.

Die Fehler werd ich noch einbinden. Danke fürs Hinweisen.

@Möchtegern

Das ist interessant, das kommt mir alles so Kew-typisch vor. Das Essen ist drin (das gefällt mir jedesmal gut, meist bekomm ich auch gleich Hunger, wenn du sowas beschreibst). Und dann gleich dieser Stil, der irgendwie besonders ist, der mich aber auch auf Distanz hält. "Winterblass" - das ist ein kluges Adjektiv für Haut. Aber es ist auch extravagant. Und der Satzbau da im letzten Satz ist auch außergewöhnlich, das ist eine neue Variante diese Nachstellungen, die mich jedesmal stutzen lassen.
Das mit dem Hungrig werden ist ne gute Sache - sollte mir vielleicht ne Kooperation mit nem Küchenchef überlegen und im Anhang stehen dann die Rezepte. :P
Die Distanz: Also, die stört mich ja nicht so, dafür freue ich mich zu sehr über das besonders. Vielleicht bin ich in der Hinsicht auch zu eitel und streiche mich zu gerne selbst heraus (oder versuche es zumindest.)

Ich hab mir die erste Version der Geschichte nirgendwo abgespeichert. So aus dem Gedächtnis glaube ich, dass du die von anderen Kommentatoren bemängelte Bilderflut gut eingedämmt hast mit der neuen Version. Aber was ich zum Beispiel beim alten Anfang echt gut fand, das war der Anfangssatz, in dem es über das Fernrohr hieß, dass das sonst nur von Scharfschützen benutzt wird. Da hatte der erste Satz so einen Hallo-gleich-passiert-was-Effekt. Jetzt ist der Anfang immer noch gut, aber leiser.
Das freut mich. Dann hat das drüberschauen nochmal was gebracht. Der Anfangssatz ist halt rausgeflogen, weil ich versuchen wollte, den Einstieg etwas zu raffen und nicht ganz so viel Zeilen zu schinden, bevor sie stirbt. Solange der Anfang noch funktioniert, kann ich mit dem leiser gut leben.

Soll der Satz so? In einem Prosatext geht das wohl schon ... irgendwie. Aber das hab ich gelesen und dachte, das ist doch Grammatiksalat.
Ehrlich gesagt, ja, der soll so sein, der Satz. Vielleicht fällt mir da aber noch eine Variante ein, die weniger aufstößt.

Das ist ein ganz interessanter Effekt. Die Szene hat doch gerade richtig Tempo, Thore rennt, Claudia stirbt vielleicht, Panik, und der Satz hier unterstützt das auch erst, immer rum im Karree, rum im Karree - und dann wird so brutal entschleunigt, ich bin da komplett aus dem Text gekippt. Durch die düsterbraunen Türen und die spähenden Gnome. Also düsterbraun. Adjektive verlangsamen einen Text ja sowieso, aber düsterbraun ist eine richtige Bremse. Keine Ahnung wieso, vielleicht weil es eine Silbe zu viel hat um unauffällig zu sein, vielleicht weil düsterbraun so ins Poetische geht. Die Gesichter, die wie Gnome spähen, sind auf alle Fälle ein zu poetisches Bild, um das Tempo des Textes zu halten. Da war man erst auf hundertachtzig und bekommt jetzt so ein Stillleben serviert. Ganz eigenartige Sache das. Es wirkt irgendwie verfremdend.
Hm, okay. Da hab ich jetzt nicht drauf geachtet. Find ich ja schon witzig, so ein Bruch. Aber wenn es rauswirft: Werd ich nochmal drüber nachdenken.

Okay, ich komm nicht drauf, was ist in dem Hünen vorgegangen, dass der so gehandelt hat? Also Thore niederzuschlagen und dann die Tür aufzubrechen? Wenn er gedacht hat, dass Thore irgendein Mistkerl war, der Claudia belästigt, dann würde dass das Niederschlagen erklären. Aber dann hätte er einfach bei ihr geklingelt. Oder der Hüne ahnt, dass mit Claudia irgendwas ist, das erklärt das Brecheisen, aber das erklärt kein Stück, wozu er Thore zu Boden schlagen wollte.
Also, was ich mir gedacht habe: Er will helfen und Thore ist total hysterisch und statt ihn zu beruhigen oder nur aus dem Weg zu schieben, knallt er ihm eine, dann stört er nicht mehr.

Die Schwester ist eine wirklich gruselige Figur. Dass die sich von irgendeinem Nachbarn ihrer toten Schwester bestätigen lassen muss, dass sie keine Schuld trifft. Sowas machen eigentlich viel zu viele Leute. Absolution einholen von jemandem, der mit der ganzen Sache überhaupt nichts zu tun hat, um sich dann besser zu fühlen.
Teilweise werd ich da ja tatsächlich auf der Straße von jemanden angesprochen, der dann seine Lebensgeschichte los werden will. Das ist irgendwie sehr seltsam, da als Projektionsfläche zu sitzen.
Schön, dass es so rüberkommt.

Ja, das ist gut gelöst in der Geschichte, dass sie nicht versucht, Antworten zu geben auf eine Frage, die man nicht beantworten kann. Rudern, Sport, was man halt so macht, um sich abzulenken und nicht durchzudrehen. Ganz lapidar. Nichts Erschöpfendes. Das ist aber auch das Problem des Themas, das du dir da ausgesucht hast, du kannst da nicht zu einer Aussage kommen, da werden nur die Ratlosigkeit und Fassungslosigkeit weitergereicht, mit denen man vor dem Thema Selbstmord und Tod steht.
Ein bisschen unbefriedigend bleibt der Text zwangsläufig, obwohl du wirklich alle Klippen umschifft hast, an denen die 08/15-Selbstmordtexte hier im Forum immer scheitern.
Ja, geb ich zu. Es gibt jetzt keine Erkenntnis am Ende. Und auch kein großer Twist oder eine neue Sichtweise. Dass ich zumindest, die Sache nicht falsch gemacht habe, die mir selbst aufgefallen sind, freut mich. Macht jedenfalls Hoffnungen, dass mir die ganzen Hinweise hier tatsächlich was bringt, wenn ich sie verstanden habe.

Der Text gefällt mir wirklich gut, die Überarbeitung hat ihm auch gut getan. Allerdings musste ich mit Schrecken feststellen, dass das Eiswasser mit Minze und Holundersirup verschwunden ist. Pah! Das nehm ich dir übel. Nur deinetwegen hab ich jetzt zwei Blumenpötte mit Minze auf der Fensterbank (Holundersirup war nirgendwo aufzutreiben, aber immerhin Eiswürfel kann ich machen). Und jetzt ist es weg! Pah!
Freut mich. Teilweise hab ich Schwierigkeiten Texte nochmal zu überarbeiten, die ich hier eingestellt habe, weil die für mich dann häufig schon abgeschlossen sind. Um so schöner, wenn das Überarbeiten dann tatsächlich was bringt.
Ja, der Sirup ist gestorben. Aber schonmal ne gute Sache, dass von diesem Text keine seltsamen Dinge hängen bleiben, wie Ohrensex, sondern was zu Trinken.

Danke dir fürs Lesen und Kommentieren.

Gruß,
Kew

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kew,

bevor du deine neue Geschichte fertigstellst, möchte ich etwas zu dieser sagen, die ich erst heute zuende gelesen habe. Sie hat mir sehr gut gefallen! Die Einsamkeit, das Eindringen in Claudias Privatsphäre als morbide Freizeitgestaltung, das Entsetzen als sie sich plötzlich umbringt und die langen langen Szenen, in denen Thore mit Hilfe von Dennis und im Dialog mit Claudias Halbschwester und schließlich am Ende mit dem Witwer seine Trauer und seine Schuldgefühle zu verarbeiten beginnt. Dämlicher Ausdruck eigentlich, für etwas von dem wir nicht wissen, wie es geht und wann es zuende ist. Möglicherweise haben studierte Psychologen hier einen besseren Überblick als die Mehrheit unserer Zeitgenossen.

Stärken der Geschichte sind die Relevanz des Themas und wie du in aller Ruhe und mit vielen Einzelheiten die Szenen darstellst.

Sehr schön:

... sechs fesche Kerle in Schwarz, die abends sicher auf Frauenjagd gingen. - Thore fand die Vorstellung befremdlich.

"... wie haben Sie den Tod Ihrer Frau überstanden?"
"Ich habe mit dem Rudern angefangen. Einen schönen Sonntag noch."

Auch die Idee, das Mitdenken der Möglichkeit, in Panik und Desorientierung die falsche Wohnungstür einzuschlagen.

Einen Fehler habe ich gesehen:

Billie Holyday
Holiday

Die lustvolle Beobachtung durch das Fernrohr hat mich an dieses Video erinnert:
[ame]http://www.youtube.com/watch?v=E6Niqxw_Yz0[/ame]
Falls das Anschauen von Deutschland aus nicht geht: Über http://www.proxfree.com/youtube-proxy.php geht es.

Fazit: Diese Geschichte ist sehr gut!

Ich werde bei Gelegenheit auf sie zurückkommen und mich an den vielen hübschen Einzelheiten erfreuen.

Freundliche Grüße,

Berg

 

Hi Berg,

danke fürs Lesen und Kommentieren.

Sie hat mir sehr gut gefallen!
Das freut mich natürlich.

Dämlicher Ausdruck eigentlich, für etwas von dem wir nicht wissen, wie es geht und wann es zuende ist. Möglicherweise haben studierte Psychologen hier einen besseren Überblick als die Mehrheit unserer Zeitgenossen.
Ich weiß nur, dass nach dem neuen Klassifizierunskatalog der USA Motivationslosigkeit und Rückzug nach einem Trauerfall nach zwei Wochen schon als Depression diagnostiziert werden könne, was irgendwie schon verdammt kurz ist.

Stärken der Geschichte sind die Relevanz des Themas und wie du in aller Ruhe und mit vielen Einzelheiten die Szenen darstellst.
Gerade das mit den vielen Einzelheiten freut mich. Da stecke ich immer viel Mühe rein - gerne auch mal zu viel, aber ich hab hier ja schon, dank der Hilfe, kräftig gejätet.

Fazit: Diese Geschichte ist sehr gut!

Ich werde bei Gelegenheit auf sie zurückkommen und mich an den vielen hübschen Einzelheiten erfreuen.

Danke dafür und für den Motivationsschub.

Bei dem Video gibt's leider trotz Proxy Probleme. Kann aber gut an dem Laptop hier liegen und seinen Einstellungen.
Gruß,
Kew

 

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