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Nach Hause

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17.08.2012
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Nach Hause

„Nicht mehr genügend Guthaben vorhanden. Bitte nachladen“
Wütend stampfe ich auf den Boden. „Nein, das darf nicht wahr sein!“, sage ich verärgert.
„Komm nicht zu spät nach Hause!“ Die Worte meiner Mutter wiederholen sich in meinem Kopf. Meine Uhr zeigt schon 2:27 Uhr und da sich ein „netter Mitmensch“ mein Fahrrad „ausgeliehen“ hat, werde ich wohl zu Fuss nach Hause gehen müssen.
Der schnellste Weg führt direkt durch einen Wald.
Am Waldrand bleibe ich kurz stehen.
Die dunkle Baumreihe vor mir wirkt beängstigend.
„Ach komm! Sei jetzt kein Feigling!“, sage ich zu mir selbst und laufe in den Wald hinein. Ein dicht bewachsener Wanderweg liegt vor mir. Ich entferne mich immer weiter vom hellen Waldrand, zuerst mit sehr vorsichtigen Schritten, dann immer entschlossener. Je weiter ich gehe, desto dichter wird es. Nur noch vereinzelte Mondstrahlen finden den Weg durch die Baumkronen auf den Waldboden. Meine Sinne sind geschärft und meine Augen gewöhnen sich langsam, aber sicher an die Dunkelheit. Es riecht nach feuchtem Moos. Die Blätter rauschen im Wind und von weitem nehme ich das beruhigende Plätschern eines Brunnens war.
Immer wieder blicke ich mich hastig um, um mich zu versichern, dass ich nicht verfolgt werde. Ich habe das Gefühl, von allen Seiten beobachtet zu werden.

Nach einiger Zeit komme ich endlich an eine Lichtung. Diese ist wie eine Befreiung von der Enge, der Dunkelheit und von dem Ungewissen. Doch der Weg führt wieder tiefer in den Wald.
Auf einmal streifen mir dürre Finger über die Brust. Erschrocken springe ich zur Seite. Mein Puls schiesst schlagartig in die Höhe. Mit der Beleuchtung meines Handydisplays versuche ich, etwas zu erkennen. Zu meiner Erleichterung sehe ich nur einen dünnen Ast, der über den Weg hängt. Beruhigt stecke ich das Handy wieder ein.
Langsam fühle ich mich wieder wohler. Ich habe mich an das ständige Rascheln im Gebüsch gewöhnt und lasse mich nicht mehr davon beirren. Es beginnt leicht zu regnen, doch ich befinde mich zum Glück im Schutz der Bäume.
Plötzlich höre ich einen unbeschreiblich fürchterlichen Laut, gefolgt von einem dumpfen, hastigen Getrampel, das die Äste auf dem Waldboden zum Bersten bringt. Ich bin wie gelähmt und bleibe angewurzelt stehen. Ich spüre meinen ganzen Körper. Vom Herz bis in die Beine durchfliesst mich ein Strom von Energie. Es fühlt sich an, als ob sich alles in mir zusammenziehen würde. Erst jetzt spüre ich meinen hohen Puls. Das Herz rast. Immer und immer wiederholt sich der Laut. Ein ekelerregendes Bellen, wie ich es noch nie gehört habe. Es wird immer lauter. Ich renne los. So schnell wie nur möglich. Ich keuche vor Anstrengung, doch mein Körper rennt von alleine weiter. Plötzlich stolpere ich. Mit meinen Händen kann ich den Aufprall im letzten Moment noch bremsen. Da springt direkt vor mir ein Reh über den Weg. Es bleibt am Rand stehen, bellt mich noch ein letztes Mal an und verschwindet dann ins dunkle Nichts.
Es ist wieder still und ich höre nur noch, wie die Regentropfen auf die Blätter prasseln.

 

Hi Lion

Genau das habe ich auch einmal erleben dürfen.
Zwar war es damals taghell, in einem kleinen Tal in Schottland, habe ich zum ersten Mal einen Rehbock gehört. Echt gruselig.

Ich mag immer noch die Art wie du schreibst. Kurzer Anlauf, weshalb du in den Wald gehst und dann eine Begebenheit die jeder kennen könnte. Man findet sich darin wieder.

Super
Fion

 

und zum 4ten! Hallo Fion! :)

Es ist schön zu wissen, dass dir meine Geschichten gefallen. Gibt einem ein gutes Gefühl!
Danke und liebe Grüsse :)

 

Hallo lion,

„Nicht mehr genügend Guthaben vorhanden. Bitte nachladen“
Im Zusammenhang mit Guthaben spricht man, soweit ich weiß, eher von auf-, denn nachladen.

Wütend stampfe ich auf den Boden. „Nein, das darf nicht wahr sein!“, sage ich verärgert.
Das klingt für mich nicht realistisch. Auf den Boden stampfen assoziere ich eher mit kleinen Kindern. Und bei der gesprochene Teil klingt für mich zu steif. Also entweder das "Nein" raus. Oder das ganze durch ein kurzes Schimpfwort ersetzten. So klingt das sehr trocken.

Dann die Sache mit dem Reh. Normalerweise läuft man doch von der Gefahrenquelle, dem Rufen, weg. Und nicht darauf zu. Es kommt mir folglich nicht ganz schlüssig vor, dass Reh und Flüchtling sich über den Weg laufen.

Zum gesamt Text. Du versuchst Spannung aufzubauen mit dem Wald, der Nacht, der Einsamkeit, dem Ruf und diese dann über eine Pointe abzubauen - es war nur ein Reh.
Die Sache ist nur, die Wendung ist jetzt nicht sonderlich toll. Da wird jetzt nicht ein wirklich neuer Blickwinkel eröffnet. Bzw. diese Art Pointe gibt es einfach zu häufig - Eewas wird aufgebauscht, und entpuppt sich als harmlos. Da braucht man schon eine wirklich gute/interessante Idee, um diesem Schema etwas abzugewinnen.
Und bei dir wird die Pointe in gebraucht, um ein Klischee zu vermeiden - wäre da nämlich eine echte Bedrohung, wäre das ganze einer dieser Teenie-Horror-Teile. Bei denen jemand oder eine Gruppe in den Wald geht und abgeschlachtet wird. Das ist eine Sache, die dank der Effektmöglichkeiten, im Film noch funktioniert, aber als Prosa muss das schon sehr gut gemacht sein, um zu klappen. Du weichst also einem Problem aus und läufst ins nächste.
Generell ist es so, dass viele Pointen-Geschichten darunter leiden, dass sie nur die Pointe haben. Ich meine, ich lerne da keine Figur kennen, es gibt keine Entwicklung, kein spannendes Thema.
Dein Text ist eine Szene, völlig aus dem Zusammenhang, die aber nicht stark genug ist, um sich selbst zu tragen.

Ich hoffe, du kannst was damit anfangen.

Gruß,
Kew

 

Hi Lion,

deine Geschichte hat mir gut gefallen.Sie ist kurz, realistisch und spannend. Hab echt damit gerechnet, das ein übler Kerl mit ner Axt auf taucht :D . Um so größer war bei mir die Erleichterung am Ende :) .
Ich finde das Geschichten weder ein tragisches Ende, noch Brutalität brauchen um spannend zu sein.

Gruß
Tempin

 

Hallo Kew
Vielen Dank für deinen Beitrag! :)

Normalerweise läuft man doch von der Gefahrenquelle, dem Rufen, weg. Und nicht darauf zu. Es kommt mir folglich nicht ganz schlüssig vor, dass Reh und Flüchtling sich über den Weg laufen.

Ja.. da könnte ich einbauen, dass er sich umdreht und das Reh hinter ihm über den Weg springt.


und an Tempin: Danke!

 

Hallo lion

Ich hoffe ich trete dir nicht zu nahe, aber der Text wirkt ziemlich naiv, regelrecht kindlich auf mich, sowohl inhaltlich als auch vom Stil her. Ich nehme daher mal an, du bist entweder noch ziemlich jung oder schreibst noch nicht lange, vermutlich beides.

Meine Uhr zeigt schon 2:27 Uhr und da sich ein „netter Mitmensch“ mein Fahrrad „ausgeliehen“ hat, werde ich wohl zu Fuss nach Hause gehen müssen.

Diese Gänsefüsschen haben in dem Text eigentlich nichts zu suchen. Das klingt eher so, als würde der Prot. es am nächsten Tag in der Schule erzählen. Was macht er überhaupt so spät in der Nacht noch draussen, wo sind die Freunde? Das wären wünschenswerte Informationen für eine Einleitung, auch kannst du dem Prot. so ein individuelles Gesicht geben. Das ist wichtig in einer Geschichte, damit man sich als Leser in die Figur hineinversetzen kann. Ich sehe da nichts Individuelles an deinem Erzähler, er bleibt blass, austauschbar, so wird man nicht richtig in die Geschichte gezogen.

Die dunkle Baumreihe vor mir wirkt beängstigend.

Auch das ist eher etwas, vor dem sich Kinder fürchten: Der dunkle Wald. Das ist ein ganz ausgetretenes Thema.

Ich entferne mich immer weiter vom hellen Waldrand,

Warum ist der hell?

Je weiter ich gehe, desto dichter wird es.

Worauf bezieht sich "es"?

Nach einiger Zeit komme ich endlich an eine Lichtung. Diese ist wie eine Befreiung von der Enge, der Dunkelheit und von dem Ungewissen. Doch der Weg führt wieder tiefer in den Wald.
Auf einmal streifen mir dürre Finger über die Brust.

Du lässt dem Leser überhaupt keine Zeit, wirfst ihm mit einem Riesentempo diverse Brocken hin. Lichtung - zum Glück, Wald überstanden - nein doch nicht, Wald geht weiter - Finger auf der Brust. Das ist so ein Stakkatostil, versuche doch, das etwas ausführlicher, stimmungsvoller rüberzubringen.

Plötzlich höre ich einen unbeschreiblich fürchterlichen Laut, gefolgt von einem dumpfen, hastigen Getrampel, das die Äste auf dem Waldboden zum Bersten bringt. Ich bin wie gelähmt und bleibe angewurzelt stehen. Ich spüre meinen ganzen Körper. Vom Herz bis in die Beine durchfliesst mich ein Strom von Energie. Es fühlt sich an, als ob sich alles in mir zusammenziehen würde. Erst jetzt spüre ich meinen hohen Puls. Das Herz rast. Immer und immer wiederholt sich der Laut. Ein ekelerregendes Bellen, wie ich es noch nie gehört habe.

Ja genau so, hier wird es besser.

Schade dann dass das Ende so abrupt kommt. Irgendwie weiss ich nicht so recht, was du uns eigentlich erzählen wolltest :).

Der Schluss ist dir besser gelungen als der Beginn. In Zukunft solltest du versuchen, nicht nur ein Erlebnis zu erzählen (es klingt sonst allzu sehr nach einem Schulaufsatz), sondern eine richtige Geschichte. Tauch in deine Figur ein, schreib was über sie. Hier bspw: Wie kommt es zu dieser Situation? Gibt es vielleicht einen Grund, warum sie sich vor dem Wald fürchtet? Kursieren Gruselgeschichten, ist dort mal etwas passiert? Was passiert nach der Begegnung mit dem Reh? Solche Dinge machen eine Geschichte lebendig und heben sie dann vom reinen Erlebten ab.

Fühl dich bitte nicht persönlich angegriffen durch die Kritik, ist überhaupt nicht so gemeint. Wenn dir das Schreiben Spass macht, bleibe dabei, ist alles eine Frage der Übung. Lies viele Texte und kommentier auch den einen oder anderen.

Positiv finde ich auf jeden Fall, dass der Text sehr sauber überarbeitet ist, das ist keine Selbstverständlichkeit (sollte aber eine sein).

Weiterhin viel Erfolg,
Schwups

 

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