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Na also, geht doch!

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03.01.2018
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Na also, geht doch!

Vincent ist ein schmächtiger Junge, vielleicht sechs Jahre alt, mit raspelkurzem blondem Haar und dem gleichen versoffenen Blick, den auch seine Mutter im Gesicht trägt: kleine, eng stehende Augen, zu einem Drittel durch das obere Lid verdeckt, unsteter Blick nach oben. Vincent ist kein hübsches Kind. Doch er hat es geschafft, im Fast-Food-Restaurant im Bahnhof eine Portion Pommes mit Ketchup zu essen, ohne sich dabei das Gesicht zu verschmieren oder gar die Kleidung zu verkleckern. Das ist groß für so einen kleinen Mann und zeugt entweder von einem natürlichen Talent, kleckerfrei zu speisen, oder von ausdauerndem Training in der Vergangenheit, was das Essen beim Schachtelwirt betrifft.

Vincents Mutter, blass, strohblonder Zopf, Anfang 30, versoffene Augen, sitzt mit ihm am viel zu kleinen Plastiktisch, der zwei Essenstabletts, eine große Handtasche, das Halstuch der Mutter, sowie die aufgetürmte Winterausrüstung des Jungen - Schal, Handschuhe, Mütze - trägt. Angesichts der kleinen Essfläche ist die kleckerfreie Leistung Vincents um so höher zu bewerten. Dennoch ist seine Mutter nicht zufrieden mit Vincent. Er hat seinen Cheeseburger nicht aufgegessen und sein Becher mit Cola ist auch noch mehr als halbvoll. "Vincent", schimpft sie, "es is imma das gleiche mit dir!" Vincent schaut schuldbewusst versoffen von unten nach oben, nimmt den Restburger und schiebt ihn sich langsam komplett in den Mund.

Mit seinen vollgestopften Backen erinnert er nun an eine Kröte, wobei seine drittelgeschlossenen Augen starr auf die Mutter gerichtet bleiben, während er kaut. Sie schaut ihn entzückt an. Fingert das Handy aus der Handtasche, tippt und wischt über das Display und hält das Handy mit aktivierter Kamera und spitzen Fingern leicht schräg etwa 40 Zentimeter vor ihre kaum vorhandene Brust. Ihr versoffener Zweidrittelblick, die Handykamera und Vincents aufgeblähtes Krötengesicht bilden eine Achse. "Vincent - kannst du nicht einmal normal gucken!", mosert sie. Der Junge verzieht keine Miene und stoppt sein Kauen. "Na also. Geht doch", freut sich die Mutter und tippt mehrmals auf den Auslöser.

Vincent mit den vollen Backen nimmt das Kauen wieder auf. Schluckt, kaut. Schluckt. Kaut. Schluckt. Schluckt erneut. Lässt dabei die versoffenen Augen nicht von der Mutter. Greift nach dem Becher Cola und saugt so lange an dessen Strohhalm, bis man die nackten Eiswürfel klackern hört. Sein Blick bleibt weiter auf sie gerichtet. Er setzt den leeren Becher ab, steht auf und geht langsam zu der Abfalltonne, die sich wenige Meter weiter links vom Tisch befindet. Dann holt er tief Luft, beugt sich nach vorne und, während seine Mutter versonnen lächelnd die Handy-Bilder betrachtet, die sie gerade von ihrer Kröte geknipst hat, erbricht sich Vincent in einem röhrenden, braun-bröckeligen Schwall neben den Müllkübel des Schnellrestaurants.

 
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Hallo Meyberg!

Keine Ahnung, was ich von dieser Geschichte halten soll. Eine handy-orientierte Rabenmutter, die ihr relativ teilnahmsloses Kind dazu zwingt, sich so lange zu mästen, bis es sich übergibt. Und als textliche Quintessenz kann ich mitnehmen, dass Sohn und Mutter

versoffene Augen
haben.
Ansonsten sieht der Junge aus wie eine Kröte und die Mutter hat offenbar nur gering entwickelte Brüste.

Also falls das hier eine Provokation sein soll, kann ich nicht erkennen, worauf diese abzielt. Wenn du einen schlechten Erziehungsstil anprangern möchtest, begehst du den Fehler, das "Opfer" jener Erziehung ebenfalls relativ abwertend und beinahe schon unsympathisch zu charakterisieren.

Nun ja - andere mögen das anders sehen, ich fand/finde diese Geschichte jedoch ziemlich degoutant.

Grüße vom EISENMANN

 

Haj Meyberg,

ähnlich wie der Eisenmann weiß ich nicht so ganz, was ich nach dem Lesen deiner Geschichte mit ins Bett nehmen soll. Einen Cheeseburger vielleicht, aber dann dämmert es mir, denn du hast mir ja irgendwie auf eine sarkastische Art und Weise indirekt klar gemacht, dass dieses Zeug nicht gut für mich ist. Gut, hast mir mit deinen Zeilen also doch was mitgegeben. Weniger literarisch wertvoll, aber in einigen wenigen Zeilen doch relativ unterhaltsam. JA, unterhaltsam. Das liegt vermutlich daran, dass ich Tag für Tag in der deutschen Bahn sitze und mit diesem BurgerKing Volk zu tun habe, woraus folgt, dass es mir nicht schwer fiel, mir deine beiden Pappenheimer bildlich vorzustellen.

Hab ich gern gelesen, auch wenn's nicht gerade meine hochqualitativsten Minuten hier in diesem Forum waren.

Gruß,

Dave

 

Hallo Meyberg,

Das ist groß für so einen kleinen Mann und schließt entweder auf ein Naturtalent, kleckerfrei zu speisen,
Ich würde hier lieber "natürliches Talent" sagen, weil ein Naturtalent für mich eine Person ist, die über ein Talent verfügt - nicht das Talent selbst. Außerdem: Ich kenne nur die Wendung, "auf etwas schließen lassen".

Mir hat die Miniatur, auch wenn die Handlung so minimalistisch ist, dass die Grenze zur Geschichte gerade so erreicht wird, gefallen. Ich konnte mir trotz - oder gerade wegen - der schlichten Sprache die beiden und das Restaurant gut vorstellen. Die Atmosphäre hat etwas ganz unpathetisch Hoffnungsloses. Das wird durch einen ironischen Unterton aufgelockert.

In dem Zusammenhang bin ich auch anderer Meinung als der Eisenmann, der schrieb:

Wenn du einen schlechten Erziehungsstil anprangern möchtest, begehst du den Fehler, das "Opfer" jener Erziehung ebenfalls relativ abwertend und beinahe schon unsympathisch zu charakterisieren.
Denn das ist ja gerade der Punkt: Wenn schlechte Erziehung lauter sympathische Menschen hervorbringen würde, wäre sie ja nicht so schlecht.

Also, ich finde, du beweist hier Beobachtungsgabe und das Vermögen, zwischen den Zeilen mehr durchschimmern zu lassen. Jetzt würde ich mir wünschen, dass du erzählerisch damit mehr anstellst.

Schöne Grüße
Meridian

 
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Bar jeder Ahnung, was mich hier erwartet, bin ich erst mal beeindruckt. Vielen Dank für das Feedback! Ihr habt mehr Interpretationen entdeckt, als ich beim Schreiben je hatte.

Tatsächlich habe ich lediglich versucht, eine wahre Begebenheit zu genau wie möglich zu beschreiben - um ihr dann ein zugegeben erfundenes Ende aufzusetzen. Die Fiktion beschränkt sich auf den letzten Halbsatz des zweiten Absatzes und fast den kompletten letzten Abschnitt.

Von daher keine Provokation oder Erziehungkritik, lieber Eisenmann, sondern tatsächlich nur der Versuch einer exakten Szenenbeschreibung. Dave A: Danke für die Aufmunterung! Und von Meridian habe ich gelernt, dass man das Miniatur nennt - Danke! Deine Korrekturen sind super, weil sie erstens richtig sind und mich daher zweitens ärgern - ich wollte doch eine perfekte Beschreibung abgeliefert haben ;) Dein Lob hat mich sehr gefreut.

Schöne Grüße zurück - Meyberg

 

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