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Nächtliches Rennen
Nächtliches Rennen
„Hallo, Rot!“, flüstert es leise auf dem Tisch in Nellis Zimmer.
„Wer ruft mich da zu so später Stunde?“, klingt es von der anderen Seite her.
„Ich bin es, der Grünrock. Schläfst du schon, Rotschopf?“
„Nein, ich bin noch ganz durcheinander vom Spielen“, gibt dieser zurück. „Dass Nelli mit ihren Freundinnen das Rennen mit uns nicht fertig spielen durfte, lässt mir keine Ruhe, denn ich hätte garantiert gewonnen“.
„Bist du dir da so sicher?“, fragt der grüne Stein zurück.
„Natürlich, was denkst du denn. Ich gewinne immer beim Rennen, das ist doch klar! Wollen wir wetten?“
„Top, die Wette gilt!“, entgegnet Grün kämpferisch.
„Also los. Spielen wir eben alleine. Würfel und Spielkarte liegen noch auf dem Tischchen.“
Beide Spielsteine rappeln sich auf und hüpfen an den Start. Vor ihnen liegen endlose 64 Felder, die es gilt mit Bravour zu meistern.
„Wer beginnt?“, fragt der rote Stein.
„Immer derjenige, der fragt, würde Nellis Mutter sagen“, gibt Grünrock zur Antwort.
„Auf die Plätze fertig, los!“, ruft Rotschopf und beginnt zu würfeln.
„Eine Zwei. So ein Mist. Wie soll ich da gewinnen?“, knurrt er gleich darauf.
„Da ist meine gewürfelte Sechs schon besser!“
Doch die Freude des grünen Steins wird sofort gedämpft. „Oh, nein. Nun muss ich auch noch ein Mal mit Würfeln aussetzen.“
Rot klatscht leise in die Hände und zieht mit einer Sechs an seinem Gegner vorbei.
Eine Zeitlang spielen die Beiden ruhig und gelassen. Mal ist Grün im Vorteil, mal steht Rot an der Spitze.
Kurz vor dem Zieleinlauf gerät Rotschopf auf ein sehr unangenehmes Hindernis. Er muss fünf Felder zurücklaufen und schimpft leise vor sich hin.
Aber als er mit einer gewürfelten Fünf erneut auf dieses verflixte Feld ziehen muss, ist er außer sich vor Wut und brüllt seinen Gegner an: “Du hast den Würfel geschubst, deshalb ist er auf die Fünf gerollt.“ „Das ist nicht wahr!“, verteidigt sich Grünrock lautstark.
Rot stampft wütend mit den Füßen auf. „Natürlich ist das wahr. Sonst hätte ich ja gewinnen können.“
Plötzlich hält Grün seinem Gegenspieler den Mund zu und beide Steine stehen starr auf dem Spielbrett.
Durch den ganzen Lärm, den die Beiden veranstaltet haben, ist Nelli aufgewacht. Sie wälzt sich unruhig in ihrem Bettchen hin und her.
Dann klettert sie schlaftrunken aus dem Bett und tappt durch das vom Mondschein erhellt Zimmer. Dabei stößt sie mit dem Fuß an das Tischchen und mit einem Schwupp… fällt der Würfel auf den Boden. Ohne zunächst darauf zu achten geht Nelli aus der Tür und verschwindet auf dem Flur.
„Das hast du nun von deiner Brüllerei“, zischt Grün seinen roten Bruder an. „Jetzt ist Nelli wach geworden, und unser Würfel ist auch weg.“
Vorsichtig schaut er über die Tischkante und sieht den Würfel vor Nellis Bett liegen. Doch sofort versteift sich Grünrock wieder, denn die Tür zum Kinderzimmer öffnet sich und das Mädchen kommt zurück.
Langsam geht es zu seinem Bett. Dabei fällt sein Blick auf den am Teppich liegenden Würfel. „Was macht der denn hier vor meinem Bett?“, murmelt Nelli und hebt ihn auf.
ALT:
und schließt ihre Finger darum. Dann klettert sie müde in ihr Bett zurück, dreht sich zur Wand und schläft sofort ein, den Holzwürfel fest in ihrer Hand.
„So, das war es dann für heute. Denn ohne Würfel kein Spiel und ohne Spiel kein Gewinner“, klingt es vom Tischchen her.
NEU:
Irritiert schaut sie auf das Spieltischchen.
„Schau nicht so erstaunt“, spricht sie der rote Stein an. „Wir haben versucht alleine ein Wettrennen zu veranstalten. Und dabei ist der Würfel hinunter gefallen.“
„Ihr könnt sprechen? Das ist ja toll!“ Begeistert klatscht Nelli in die Hände.
„Aber das mit dem Reden klappt nur, wenn der Vollmond in das Zimmer scheint. So wie heute“, klärt sie der grüne Stein auf. „Was hältst du davon, wenn wir gemeinsam das Spiel beenden?“
„Eine klasse Idee“, stimmt Nelli freudig zu und kauert sich auf den Teppich neben dem Spieltisch nieder. „Für welchen von euch darf ich würfeln?“, fragt sie gleich darauf.
„Würfeln kannst du für jeden von uns. Der Würfel ist auf die Dauer sowieso etwas zu schwer“, antwortet Grünrock.
„Also gut, dann setzt sich jeder auf das Feld, wo er gesessen hat, als der Würfel vom Tisch fiel“, befiehlt das Mädchen den Beiden.
„Muss das sein?“, mault Rotschopf. „Ich musste auf das verflixte Feld 34, du weißt schon, das, wo man fünf Felder zurücklaufen muss.“
„Tut mir leid, mein Lieber“, sagt Nelli streng. „Aber wir wollen doch nicht mogeln.“
Die zwei Steine gehen auf ihre Positionen und das Spiel beginnt.
Recht flott nähern sie sich dem Ziel, als Nelli schreit: „He, Roter, du hast geschummelt. Auf dem Würfel sind drei Punkte zu sehen. Du bist aber fünf Felder weitergerückt!“
„Das stimmt nicht!“, protestiert Rotschopf lauthals.
„Doch ich habe es auch gesehen“, gibt der grüne Stein Nelli Recht.
Plötzlich verstummt das Mädchen. Auf dem Flur sind Schritte zu hören. Leise öffnet sich die Tür und Nellis Mutter schaut herein.
„Was machst du denn auf dem Fußboden, mein Kind. Solltest du nicht schlafen um diese Zeit?“
„Och, ich musste mal aufs Klo. Und als ich zurückkam, da…“ Nelli zögert und schaut zu den Spielsteinen hinüber. Grünrock legt seinen Finger auf seine Lippen und deutet ihr damit an, nichts zu verraten.
„Und da hast du gedacht, du könntest das Rennen noch fertig spielen“, vollendet die Mutter den Satz. „Alleine zu spielen ist aber doch langweilig. Was hältst du davon, wenn wir beide das Spiel vollenden und du dann schlafen gehst?“
Nelli ist begeistert von diesem Vorschlag und gemeinsam spielen Mutter und Tochter das Spiel zu Ende.
„So, jetzt aber ab ins Bett! Das ist ein Befehl!“, und Nelli schlüpft unter die Decke.
Als sie alleine im Zimmer liegt, schaut sie zu den beiden Spielsteinen hinüber. „Ihr habt ja gar nichts mehr gesagt, während Mutti im Zimmer war. Und auch du, Rotschopf, hast dich noch nicht mal über deinen Sieg gefreut.“
Aber auch jetzt erhält Nelli keine Antwort. Stumm und unbeweglich liegen der rote und der grüne Stein auf dem Tisch. Etwas traurig dreht sich das Mädchen zum Fenster. Erst jetzt merkt sie, dass der Mond von einer dicken schwarzen Wolke bedeckt ist. „Ach ja, ihr könnt ja nur reden, wenn der Vollmond ins Zimmer scheint“, murmelt sie leise, bevor sie im Land der Träume aufgenommen wird.