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Nächtliche Gewohnheit
Die Nacht war kühl, viel kühler als ich es erwartet hatte. Nun ja, dachte ich mir es wird den Kampf nur umso interessanter machen. Einige Wolkenfetzen zogen ihre Bahn vor dem strahlenden Vollmond, und erweckten den Eindruck als würden gierige Klauen das sanfte Licht des Mondes rauben wollen.
Meine Stiefel drangen tief in den durch tagelangen Regen aufgeweichten Boden ein, und erzeugten ein schmatzendes Geräusch. Jetzt im Winter war der Waldboden mit altem feuchtem Laub bedeckt, es roch nach Moder und Schimmel, dazu kam ein seltsam süßlicher Duft der beinahe angenehm war. Ein leises Winseln ertönte aus dem Unterholz. Nur ein Fuchs entschied ich, und setzte meinen Weg fort.
Meine Sinne waren auf das äußerste angespannt, ich wusste die kleinste Nachlässigkeit würde meine sichere Niederlage bedeuten.
Von Minute zu Minute zogen dichtere Nebelschwaden durch den Wald, es ging schnell, zu schnell für meinen Geschmack.
Aber für einen Rückzug war es zu spät, und den wollte ich auch gar nicht, zu lange schon ging dieses Spiel zwischen uns. Ja! Ein Spiel zwischen Mensch und Bestie, seit so vielen Jahren.
Ein lautes Kreischen zerriss die unschuldige Stille der Nacht, und trieb mir den Angstschweiß auf die Stirn. Gehetzt blickte ich mich um konnte aber nichts erkennen, da der Nebel immer dichter und undurchdringlicher wurde. Ich zwang mich zur Ruhe. „Nur nicht die Kontrolle verlieren“, flüsterte ich mir selbst zu. Aber der Klang meiner Stimme war alles andere als beruhigend.
Nur mühsam schaffte ich es meinen Körper wieder in Bewegung zu versetzen. Fast blind musste ich mir meinen Weg ertasten, immer weiter ging es bergauf und die Sicht verschlechterte sich abermals. Mehrmals verloren meine Stiefel den Halt im weichen Boden und ich rutschte einige Meter abwärts.
Wieder hörte ich dieses grausige Kreischen, diesmal jedoch viel grässlicher! Näherte ich mich der Bestie oder war es umgekehrt?
Mein Atem klang wie das Pfeifen eines Dampfkessels, mein langes dunkles Haar hing mir schweißnass im Gesicht. Alle Vorsicht und Besonnenheit über Bord werfend trieb ich meinen Körper zu einem noch schnelleren Lauf an. Ein siedend heißer Schmerz durchflutete meinen rechten Fuß, der Länge nach schlug ich auf den Boden auf. Blut quoll aus meinem Mund, ich hatte vor Schmerz die Zähne in das weiche Fleisch meiner Lippen gegraben.
Ich zog meinen Fuß näher an mich heran und verdrehte die Augen vor Schmerz. Eine alte rostige Bärenfalle umschloss meinen Fuß mit ihren spitzen Eisenzähnen.
Die Panik drohte meinen Verstand in die Tiefen der Bewusstlosigkeit zu reißen. Finstere Schatten tanzten in der nebligen Nacht. Ein dumpfes Summen dröhnte in meinen Ohren und verursachte eine bittere Übelkeit in meinem Magen.
Ein saurer Schwall Kohlsuppe ergoss sich aus meinem Mund. Mein Bein fühlte sich kalt und unnatürlich an, fast so als gehörte es nicht mehr zu mir. Wieder ein Kreischen, noch näher war es heran gekommen. Aber eine alles verzehrende Teilnahmslosigkeit hatte von mir Besitz ergriffen. Ich wusste, ich sollte kämpfen, ich war es mir und meinem Vater schuldig, er sollte nicht umsonst gestorben sein. Ich versuchte mich an einem Stamm hochzuziehen, rutschte aber sofort wieder ab und landete mit dem Gesicht in dem Erbrochenen.
Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft um meinen Kopf aus der Schweinerei zu heben.
Ein heißeres Lachen drang aus meiner Kehle, wie von Sinnen lachte ich lauter und lauter, achtete nicht auf die Schmerzen, stattdessen wandelte sich mein Lachen in ein zorniges nicht mehr menschliches Brüllen, dass Brüllen wurde zum Schreien und der Schrei schließlich zum irren Kreischen das die Stille der Nacht zerriss.