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Nächtliche Angst
Am Wochenende gehe ich immer gern mit ein paar Freunden weg. So auch heute und der Abend war wie meistens wunderschön. Da wir uns schon lange nicht mehr treffen konnten, war er sogar noch schöner als sonst. Meine Freunde brachten mich noch bis zur Straßenbahn, weil Nachts auf dem Markt oft viele besoffene Leute rumstehen.
Zum Glück haben sie mich dieses mal wieder begleitet, einer der besoffenen die an der Haltestelle mit uns gewartet haben, hat uns plötzlich lallend angepöbelt mit den Worten „Wo seid ihr denn ausgebrochen. Widerliche Schlampen und Schwuchteln“. Doch Ralf hat ihn dann angeschnauzt „Was ist eigentlich dein Problem, du Vollidiot. Sauf dir lieber weiter dein erbärmliches Leben schön.“. Der Mann wurde kleinlaut, brabbelte noch ein bisschen unverständlich vor sich hin und ging weg. Kein Wunder Ralf ist ein Berg von einem Mann, mit ihm würden sich wohl nur die wenigsten anlegen. Dann kam endlich die Straßenbahn und ich verabschiedete mich von meinen Freunden, mit herzlichen Umarmungen.
Mit mir zusammen stieg an der Haltestelle nur noch eine Person mit ein und die Bahn, war auch ziemlich leer. Wie Straßenbahnen um diese Zeit, eigentlich immer sind. Ich setzte mich in den hinteren Abteil alleine auf einen vierer Platz. Es waren eh noch viele weitere frei und da hab ich wenigstens ein bisschen Beinfreiheit. Kurz vor der ersten Haltestelle, kam dann plötzlich der Mann, der mit mir zusammen eingestiegen ist, zu mir und setzte sich neben mich.
Das war mir zwar viel zu nah, aber ich wollte keinen Stress, bin etwas nach links zum Fenster gerutscht und habe aus diesem hinausgeschaut. Dennoch habe ich mich gefragt »Wieso musste er sich zu mir setzen? Hier sind doch noch hunderte Plätze komplett frei. Dort sitzt niemand. Ich hoffe er steigt bald aus.«. Doch dann wurde ich rüde aus meinen Gedanken gerissen, als ich plötzlich merkte wie er seine Hand auf mein rechtes Knie legte.
Schockiert sah ich ihn an und sah er schaute mich auch an. Er lächelte schäbig und sagte „Ich habe das vorhin an der Haltestelle mitbekommen, soll ich dich nach Hause begleiten. Dann beschütze ich dich vor solchen Leuten.“. Beschämt und verängstigt stand ich auf, sagte „Nein, danke.“ und ging weg. Er stand jedoch auch auf, lief mit hinterher und sagte „Komm schon, ich bin doch ein netter Kerl.“. Ich ging weiter durch die Straßenbahn und schaute mich verängstigt um wer, von den paar Leuten die mit in der Bahn saßen, mir helfen könnte. Er packte meine linke Hand und zog mich zu sich und ich sagte ihm „Bitte lassen sich mich in Ruhe.“.
Plötzlich hielt die Bahn, wenn der Mann mich nicht an der Hand gehalten hätte wäre ich wohl hingefallen. Doch dann ging vor uns die Tür auf und ein bulliger Mann steigt zusammen mit einer zierlichen Frau in die Bahn. Schlagartig lies der Mann mich endlich los, ging weg und sagte „Von so einer hässlichen Schlampe wie, dir will ich eh nichts!“. Mir kamen aus Freude das er mich endlich los gelassen hat die Tränen und ich setzte mich direkt hinter die beiden Eingestiegenen.
Fünf Haltestellen später stiegen die beiden zwar wieder aus, aber der Mann kam nicht wieder zurück zu mir. Ich wartete nur geduldig bis ich endlich an meiner Haltestelle war, von dort aus waren es nur noch achthundert Meter bis nach Hause.
Eine Haltestelle vor meiner, stand ich bereits auf und stellte mich in die Tür, in der Bahn waren nur noch zwei andere. Was nicht verwunderlich war, da meine Haltestelle die letzte vor der Endhaltestelle war. Als die Straßenbahn endlich an meiner Haltestelle anhielt, stieg ich erleichtert aus und atmete erst einmal tief durch. Doch ich hörte bereits laute Musik und sah, in dem Park, durch den ich gehen musste, standen viele Jugendliche mit halbvollen Bierflaschen in der Hand.
Ich ging mit schnellen Schritten an ihnen vorbei und versuche jeden Blickkontakt zu meiden. Einer der betrunken pfiff mir nur kurz hinterher, aber niemand sprach mich an oder folgte mir. Natürlich merkte ich das sie über mich tuschelten, aber ich lies mich nicht beirren und ging durch den Park. Es war so kalt und schlecht beleuchtet, ich fühlte mich so extrem unsicher in diesen Moment, aber ich wusste ich musste nur noch über einen Parkplatz und eine Straße dann war ich endlich zu Hause.
Auf dem Parkplatz stand nur noch ein Auto, in dem aber zum Glück niemand mehr saß. Ich war so glücklich, dass der Parkplatz so groß und gut beleuchtet war. Doch dann merkte ich, dass jemand hinter mir lief. Ich versuchte mir nichts anmerken zu lassen und ging etwas schneller. Ich traute mich nicht zurück zu gucken, aber ich sah seinen Schatten nach jeder Laterne näher kommen.
Mein Gang wurde immer schneller und ich hatte schreckliche Angst. Als ich an der deaktivierten Ampel ankam, ging ich sogar über die Straße ohne zu gucken ob ein Auto kam. In diesem Moment hatte ich mehr angst vor der Person hinter mir, als vor Autos. Endlich konnte ich mein Haus schon sehen, ich griff in meine Tasche und holte meinen Schlüssel raus. Ich nahm ihn so in die Hand, dass die einzelnen Schlüssel zwischen meinen Fingern durchguckten und ballte meine Hand zu einer Faust zusammen.
So unauffällig wie ich nur konnte, drehte ich mich um und er war hinter mit. Ich erkannte ihn direkt es war der Mann aus der Straßenbahn, er verfolgte mich. Noch hatte ich etwas Abstand, aber mein Hauseingang war noch etwa hundert Meter weit weg. Mein Atem stockte und ich hatte schreckliche Angst. Ich lief immer schneller und schneller, er kam jedoch immer näher. Hektisch suchte ich bereits den richtigen Schlüssel raus, um so schnell ich konnte die Tür aufschließen zu können.
Ich erklomm die Treppe zum Hauseingang so schnell es nur ging, schloss die Tür auf und ging hindurch. Durch den Mechanismus mit dem die Tür leise zufallen sollte, konnte ich sie nicht zudrücken. Allerdings hörte ich seine Schritte immer näher kommen und rannte die Treppen hinauf. Als ich im zweiten Stock ankam, bemerkte ich dass die Tür bisher nicht zugeklappt ist, das hätte ich gehört. Stattdessen hörte ich Schritte die die Treppen hinaufliefen. Mit Todesangst stieg ich die letzten Treppen hinauf, zitternd versuchte ich meine Tür aufzuschließen. Doch es klappte nur bedingt, nach einer gefühlten Ewigkeit bekam ich den Schlüssel endlich ins Schloss. Ich drehte ihn und es machte ein klack Geräusch, doch die Tür öffnete sich nicht. Die Tür war zweimal abgeschlossen, ich hasste mich dafür sie mehrmals abgeschlossen zu haben. Die Schritte wurden immer lauter, doch bevor er auf meiner Etage war bekam ich die Tür auf. Ich ging rein, schlug sie zu und sackte erleichtert zu Boden.
Ich hatte es geschafft ich war in Sicherheit, dann hörte ich wie der Mann an meiner Haustür vorbei ging und weiter nach oben stieg. Langsam atmete ich ein und aus, ich versuchte so leise zu sein wie ich nur konnte. Nach etwa zehn Minuten stand ich auf und sah im Treppenhaus war immer noch das Licht an. Ängstlich, aber neugierig schaute ich durch den Türspion und sah ihn vor meiner Tür stehen. Es war so als würde er mich genau ansehen durch die kleine Linse in der Tür. Meine Angst kam wieder, doch er drehte sich um und sah sich die Tür meines Nachbars an. Scheinbar hat er nicht bemerkt, in welche Tür ich gegangen war.
Ich war noch nie so glücklich nicht das Licht angemacht zu haben, als ich rein kam. Die nächsten Stunden verbrachte ich im dunklen Flur meiner Wohnung. Doch dann kam es, das erlösende Geräusch der zuklappenden Haustür. Einige Minuten später ging im Hausflur auch das Licht aus. Ich rannte zum Wohnzimmerfenster um raus zu schauen und sah wie der Mann der mich verfolgt hatte zurück Richtung Park ging. Ich war so erleichtert, doch schlafen konnte ich trotzdem nicht. Die restliche Nacht verbrachte ich mit den Nerven am Ende, weinend auf meiner Couch.
Als langsam die Sonne aufging wurde ich immer müder und müder. Langsam döste ich ein und dann plötzlich rüttelte mich das läuten meiner Klingel wach. Die gesamte Angst der vergangen Nacht schoss zurück in meinen Kopf. Schleichend näherte ich mich meiner Wohnungstür. Es klingelte noch einmal, ich schaute durch den Türspion und sah es war nur meine Nachbarin. Verheult und zerzaust öffnete ich die Tür, ich war sichtlich mit den Nerven am Ende. Doch sie meckerte nur „Können Sie nachts bitte ihre Tür nicht so zuschlagen? Andere Menschen versuchen hier in diesem Haus zu schlafen!“. Völlig zerstört von der letzten Nacht antwortete ich bloß leise „Entschuldigung.“, schloss die Tür und warf mich in mein Bett.