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Muttersöhnchen

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09.09.2004
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Muttersöhnchen

Muttersöhnchen

Der Abend war noch jung, aber Martin Brandel war schon auf dem Nachhauseweg. Er hatte in seiner Stammkneipe noch ein paar zur Brust genommen; dann war ihm das Geld ausgegangen. Kredit hatte er dort schon seit Wochen nicht mehr, obwohl er viele Jahre lang ein beliebter Stammgast gewesen war. Das hatte sich Schlag auf Schlag geändert, genau wie manches andere in seinem Leben; und so blieb ihm nichts weiter übrig als einfach nach Hause zu gehen, wo seine leere, verwahrloste Wohnung auf ihn wartete. Seine Frau war vor zwei Monaten mit Sack und Pack ausgezogen und hatte mittlerweile die Scheidung eingereicht.
„Du musst dich jetzt endlich entscheiden zwischen deiner Mutter und mir.“, hatte sie von ihm verlangt. - Aber war es denn unnatürlich, wenn ein Mann sich um seine alte, kranke Mutter sorgte? War es denn nicht ein nobler, menschlicher Zug von ihm, dass er täglich mehrere Stunden bei ihr im Pflegeheim zubrachte? Und sollte ihn denn seine Frau dafür nicht noch mehr lieben und achten?
Martin Brandel war ein gefühlvoller Mann, gefangen in einer gefühllosen, kalten und dunklen Zeit. Wehmütig dachte er an seine hellen, warmen Jugendjahre in den frühen 70ern zurück, als die Mädchen noch sensible Typen wie ihn zu schätzen gewusst hatten. Heute war alles anders: Karriere, Kreditkarten, Geld und harter Sex, das war es, was Frauen heute wollten. Da war nichts mehr mit Zärtlichkeit, Gefühl und Verantwortung. Und Martin Brandel fühlte sich nun mal für seine alte Mutter verantwortlich. Besonders seit sie im Pflegeheim untergebracht war. Schließlich musste er sich davon überzeugen (und nötigenfalls dafür sorgen), dass sie von den Schwestern und Pflegern dort richtig behandelt wurde. Deshalb hatte er im letzten halben Jahr etliche Zeit nach Feierabend (allabendlich) dort verbracht und war meistens spät nachts nach Hause gekommen, wenn seine Frau bereits geschlafen hatte.
„So geht das aber nicht weiter.“, hatte sie irgendwann zu stänkern angefangen.
„Also hör mal: meine Mutter lebt vielleicht nicht mehr lange. Sie ist die Frau, die mich geboren hat, die mich aufgezogen, ernährt und innig geliebt hat. Und bald wird sie nicht mehr da sein!“
„Vielleicht bin ich auch schon bald nicht mehr da!“, hatte sie kaltschnäuzig und boshaft geantwortet.
Gut, er hatte sie in der letzten Zeit etwas vernachlässigt. Aber konnte sie denn nicht sehen, dass dies eine Frage der Prioritäten war? Kein Mensch auf der Welt hatte ihn je so geliebt wie seine Mutter. Und als seine Frau eine endgültige Entscheidung von ihm gefordert hatte, hatte er nicht lange darüber nachdenken müssen.
Seine Ehe war nun also futsch. Und nur wenige Wochen später war auch sein einträglicher Job als Fahrrad-Monteur flöten gegangen. Sein Chef hatte ihn schon bald vor eine ähnliche Wahl gestellt, nachdem Brandel aufgrund langer Abende im Pflegeheim und anschließender Alkohol-Exzesse meistens zu spät oder erst gar nicht zur Arbeit erschienen war. Falls er überhaupt noch aufgetaucht war, dann ungewaschen, unrasiert, mit dreckigen Klamotten und einer Schnapsfahne, die zum Himmel stank.
„Herr Brandel, Sie sind ein erwachsener Mann von 51 Jahren.“, hatte sein Chef zu ihm gesagt. „Sie müssen sich endlich von Ihrer Mutter lösen. Sie hat 20 Jahre lang für Sie gesorgt, und jetzt sollten Sie auf eigenen Füßen stehen. Eltern werden irgendwann mal alt und sterben. Das ist nun mal der Lauf der Welt. Und eines Tages muss fast jeder Mensch diese traurige Erfahrung machen – und lernen, damit zu leben. – Reißen Sie sich endlich wieder am Riemen, und ich vergesse Ihre Durchhänger der letzten Zeit.“
Martin Brandel konnte das so nicht akzeptieren, was wiederum sein Chef bald nicht mehr akzeptierte und ihn kurzerhand rauswarf.
Ja, er hatte Opfer gebracht, – genau wie sein Mütterchen sich in frühen Jahren für ihn aufgeopfert hatte. So schloss sich also der Kreis des Lebens. Tränen schossen ihm in die Augen bei diesem tief schürfenden Gedanken.
Traumverloren blickte er auf seine goldene Armbanduhr (ein Geschenk seiner Mutter aus Jugendjahren – mit Gravur), und es war erst gegen Zehn. Er war noch kein bisschen müde, wenn auch deutlich angesäuselt. (Wäre es denn sonst möglich, dass der Mond und die Sterne am Himmel wackelten?) Schmerzlich empfand er die Sinnlosigkeit und Leere dieses Abends, und der Einfall kam ihm so natürlich und folgerichtig, wie auf dunkle Nacht jedes Mal ein neuer Sonnenaufgang folgt: Er würde noch einen Abstecher zum Pflegeheim machen, seinem Mamale eine Gute Nacht wünschen und somit den Abend veredeln.
Das Pflegeheim lag in einer ziemlich verrufenen Stadtgegend, früher eine Arbeitersiedlung, heute, infolge fortlaufender Rezession, eine Hochburg für Arbeitslose, Jugendbanden und Obdachlose; ergo war es nicht ganz unbedenklich, dort um diese Uhrzeit alleine zu Fuß unterwegs zu sein. Doch das hatte Martin Brandel noch nie abgehalten:
„Stock und Stein brechen zwar mein Bein. / Doch nie lass ich mein Mamale, mein Sabbele allein.“ – So reimte er stumpfsinnig vor sich hin, als er vor die Pforte des Heims trat. Natürlich war der Eingang längst verschlossen. Er drückte auf den Knopf mit dem Hinweisschild: Nachtdienst.
„Ja, bitte?“, meldete sich eine junge männliche Stimme über die Sprechanlage.
„Ja, hier ist Martin Brandel. Ich möchte bitte Frau Martina Brandel besuchen, das ist meine Mutter ...“
„Besuchszeit ist vorbei.“, antwortete die Stimme.
„Ach bitte, bitte. Ich bleib nicht lange. Ich will doch nur meinem Sabbele einen Gutenachtkuss geben. Ich weiß doch, dass sie sonst nicht gut einschlafen kann.“
„Tut uns Leid. Nach Einundzwanzig Uhr lassen wir keinen mehr rein. Ist ne neue Vorschrift. Kommen Sie morgen wieder.“
Brandel hörte jetzt im Hintergrund das hämische Lachen einer zweiten männlichen Stimme: „So ein Trottel“, hörte er sie sagen. Dann ein Knacken aus der Sprechanlage.
„Hallo? Hallo?“ Brandel klingelte noch mal.
„Wenn Sie jetzt nicht weggehen, rufen wir die Polizei!“, meldete sich erneut die erste Stimme. Dann wieder das Knacken.
So ne Gemeinheit, dachte Brandel. Wie oft hab ich den Jungs vom Nachtdienst schon ein Päckchen Kaffee, Zigaretten oder ne Rote Wurst aus der Frittenbude spendiert? Und jetzt so was! Und die nennen sich dann noch ‚barmherzige Helfer‘.
„He Alter, haste mal nen Euro?!“ Diese neue Stimme war laut und schrill. Sie kreischte dicht hinter Brandels Schulter direkt in sein Ohr. Er war augenblicklich wie paralysiert, sodass sein Herzschlag für mehrere Sekunden aussetzte. Dann wandte er sich erschrocken um.
Da standen drei Typen, vielleicht um die 18, 19, mit Lederjacken, bunten Haaren und verflickten Jeans.
„Sorry Jungs, bin selber abgebrannt.“, brachte er schwer atmend hervor.
Die drei Kerle blickten sich gegenseitig an. In scheinbarer Verwunderung.
„Du, ich glaub der Alte will uns verscheißern.“, sagte einer. Dann wandten sie sich, als bestünden sie nur aus einem einzigen Körper, abrupt wieder Brandel zu.
„ASCHE HER! ABER ZACK, ZACK!“
„Leute, ich würd ja gern, aber ich hab echt nix ...“
Schneller als Brandel sehen konnte, landete eine Faust in seiner Magengrube, und mit solcher Wucht, dass ihm sofort die Luft wegblieb. Er krümmte sich, versuchte sich wieder aufzurichten und erlitt als Nächstes einen gewaltigen Schwinger mitten ins Gesichtszentrum, dass das Blut nur so aus der Nase spratzte. Er merkte, wie er den Boden unter den Füßen verlor, machte eine Rückenlandung, die ihm die Luft nun von hinten aus den Lungen presste. Dann, schon halb im Niemandsland, spürte er schmerzlichst wie unzählige Stiefel sein Gesicht, Hinterkopf und Unterleib bearbeiteten. Zuletzt – ihm wurde endlich schwarz vor Augen – fühlte er noch wie unsichtbare Hände seine leeren Taschen durchsuchten. Jemand zog ihm die goldene Uhr vom Handgelenk. Dann war nur noch Dunkelheit ...

... „Du Fritz, siehst du die besoffene Sau da rumliegen?“ ... Langsam, ganz langsam kam Brandel wieder zu sich und erkannte die Lichter eines Streifenwagens. Als er den Kopf etwas anhob, konnte er zwei uniformierte Beamte sehen, die sich zu seinem Fußende vor ihm aufbauten, beide die Hände in die Hüften gestemmt, beide riesengroß, stiernackig, blond und schnurrbärtig.
„Jau Karl, schon wieder son Scheiß-Penner, stinkt zehn Meilen gegen den Wind. Sollen wir ihn liegen lassen? Unsere Schicht is gleich rum.“
„Weiß nich, Fritz. Der Kerl scheint ganz schön auf die Schnauze gefallen zu sein. Guck dir doch nur mal seine Fresse an.“
„Hilfe“, flüsterte Brandel völlig kraftlos.
„Guck mal, Fritz. Er kommt zu sich.“
„Bitte helfen Sie mir“, gurgelte Brandel, der den Mund voller Blut hatte. Er richtete sich in halbe Sitzposition auf und spuckte aus.
„Jetzt guck dir bloß diese Drecksau an!“
„Bitte helfen Sie mir doch!“, stöhnte Brandel jetzt in voller Lautstärke. „Ich muss doch sofort zu meinem Sabbele, ... meine goldene Uhr, ... mein Job, ... meine Frau auch noch, ... ohhh mein Sabbele, ... jetzt bloß nicht auch noch mein Sabbele, ... ohhh helfen Sie mir!“
„Da hilft alles nix, Fritz. Isn klarer Fall für die Ausnüchterungszelle – und fürn Gerichtsarzt. Scheint auchn Kandidat für die Jacke ohne Ärmel zu sein.“
„Also gut. Laden wir den noch aufs Revier. Dann is Schluss für heut. Nimm du die Füße, ich schnapp ihn an den Schultern.“
Wenig später saß Brandel – notdürftig verarztet – auf seiner Pritsche in der Ausnüchterungszelle. Er hielt sich mit beiden Händen den Kopf, in dem es brummte, als hätte jemand ein ganzes Hornissennest hineingepflanzt. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen, musste sich immer wieder von Neuem fragen, wo er war und warum er eben hier war. Sein komplettes Kurz- und Langzeitgedächtnis war verschwommen wie bei Sendestörung eines Fernsehkanals. Gelegentlich empfing er für wenige Sekunden ein klares Bild, das gleich wieder unter Streifen und Schlieren verschwand. Einen hellen Augenaufschlag lang wurde ihm klar, dass er vermutlich unter einer schweren Gehirnerschütterung auf der Grundlage einer mittleren Alkoholvergiftung litt, und dass zwei Wochen Bettruhe mit einem großen Aspirinvorrat eigentlich alles war, was er gerade brauchte. Aber ein einziges Augenblinzeln später konnte er wieder nur noch an sein Sabbele denken und daran, dass er jetzt sofort und unbedingt zu ihr musste.

Irgendwann – Brandel wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war – drehte sich geräuschvoll ein Schlüssel im Schloss seiner Zellentür. Die Zellentür wurde von außen geöffnet, und herein trat ein kleiner, glatzköpfiger Mann mit weißem Kittel und schwarzem Köfferchen; in seiner Begleitung befand sich ein uniformierter Beamter. Brandel registrierte es halb.
„Guten Abend, beziehungsweise Guten Morgen.“, sagte der Mann im weißen Kittel. „Mein Name ist Doktor Bengele. Ich bin Psychiater. Ich bin nur hier, damit wir uns ein bisschen unterhalten. Möglicherweise sind auch ein paar kleinere Untersuchungen angezeigt.“
„Engele, Bengele ...“, brabbelte Brandel.
Doktor Bengele stülpte sich zwei Gummihandschuhe über.
„Engele, Bengele ... ich muss zu meinem Sabbele!“
„Was bitte genau ist ein Sabbele?“
Brandel flehte: „Doktor Mengele, bitte lassen sie mich doch zu meinem Sabbele, ...“
„Ich muss doch sehr bitten!“, sagte Doktor Bengele.
„ ... bevor es zu spät ist! Bevor alles zu spät ist, und meine Welt zerbricht!“
„Klarer Fall von paranoid schizophrenem Schub.“, konstatierte Doktor Bengele und winkte dem Beamten, dass er näher trete.
„Der Patient wird ins Landeskrankenhaus überwiesen. Telefonieren Sie schon mal mit der Rettungsleitstelle und fordern Sie einen Transport an. Fixierungsmittel sind möglicherweise erforderlich, aber ich werde den Patienten präventiv schon mal ruhigstellen.“
Brandel registrierte nunmehr erheblich weniger als die Hälfte aller Ereignisse. Zu allem Übel kam jetzt noch die Müdigkeit hinzu. Ihm war schlagartig, als träumte er all dies nur, als träumte er, wie der lächerliche kleine Glatzkopf im weißen Kittel sein albernes Köfferchen öffnete und die Spritze aufzog. Den Stich spürte er kaum. Und dann war wieder nur noch die Dunkelheit ...

„Also so was ist mir ja überhaupt noch nie untergekommen!“, stöhnte die Schwester am Empfang.
„Gibts ein Problem?“, fragte ihre Kollegin am Schreibtisch.
„Ja, ein großes.“
Die Schwester am Schreibtisch blickte auf. „Kann ich was helfen?“
„Komm doch mal her, Yvonne.“
Schwester Yvonne erhob sich vom Schreibtisch und bewegte sich schwerfällig zu ihrer Kollegin am Tresen hinter dem Glasfenster. Auf dem Gang lagen zwei Männer auf fahrbaren Tragen einander gegenüber.
„Also, wo klemmts, Uschi?“
Schwester Uschi klopfte sich selbst mit der Faust gegen die Stirn. Dann sagte sie: „Also, ich hab hier zwei Patienten zur Weiterleitung an die richtigen Abteilungen. Der eine geht in die Psychiatrische, erst mal für ein paar Tage zur Beobachtung. Verdacht auf psychotischer Schub. Der andere kommt in die Chirurgische zur OP, gleich in der nächsten Stunde. Beide Patienten sind völlig eingetrübt und nicht ansprechbar. Der eine ist ruhiggestellt. Der andere hatte schon seine Prae-OP-Injektion.“
Schwester Yvonne hob ihre buschigen Augenbrauen. „Und wo ist jetzt das Problem?“, fragte sie ungeduldig.
„Jetzt schau dir doch bloß mal die Personalausweise der beiden an! Die beiden Kerle sind völlig gleich. Derselbe Name: Martin Brandel. Dasselbe Geburtsdatum. Und die beiden sehen völlig gleich aus. Und jetzt schau mal genau hin: Sie haben auch die gleiche Unterschrift. Und das hier ist ganz komisch: Diese Passfotos, das sind absolut identische Aufnahmen! Wie ist so was möglich?“
„Müssen eineiige Zwillinge sein.“
„Und beide heißen Martin mit Vornamen? Nee!“
„Ich seh gerade, dass sie immerhin verschiedene Wohnsitze haben.“, sagte Schwester Yvonne, die irritierten Blicks die beiden Pässe inspizierte.
„Das ist es ja gerade! Die Adressen sind nicht auf unseren Anmeldeformularen vermerkt! Also, wen schick ich jetzt bloß wohin?“
Schwester Yvonne stemmte ihre großen Patschhände in die breiten Hüften. „Das wäre doch gelacht!“, sagte sie im Brustton der Entschlossenheit. „Jetzt schauen wir uns die beiden erst mal richtig an. Vielleicht sehn sie ja doch nicht völlig gleich aus.“
„Und was bringt uns das?“
„Lass mich nur machen.“
Die beiden Schwestern verließen ihre Dienstkabine und traten hinaus auf den Gang. Dort betrachteten sie eingehend die beiden Männer auf den beiden Tragen.
„Hmm, hmm“, machte Schwester Yvonne.
„Ist dir was aufgefallen?“, fragte Schwester Uschi.
Schwester Yvonne deutete auf einen der beiden Männer: „Der hier sieht viel ungepflegter und verkommener aus. Vor allem sind seine Haare viel länger. Haben schon lange keinen Friseur mehr gesehen. Überhaupt sieht er viel weibischer als der andere aus.“
„Und was sagt uns das?“
„Der Weibische soll bestimmt zur OP.“
„Wieso denn das?“
„Ja, weißt du denn nicht, was für eine OP das ist, die für die nächste Stunde angesetzt ist? Die ganze Klinik weiß das! Diese OP ist eine Weltpremiere!“
„Ach ja, stimmt.“
„Dann sind jetzt alle Unklarheiten beseitigt?“
„Jawohl.“
„Dann mach jetzt die beiden Patienten fertig für den Weitertransport!“, sagte Schwester Yvonne in gebieterischem Tonfall.
Schwester Uschi tat wie ihr geheißen.

Als erstes nach der Sendestörung und der darauffolgenden (langen) Dunkelheit konnte er wieder einen Ton empfangen. Martin Brandel (unser Martin Brandel) hörte Stimmen. Zwei Männerstimmen, die sich unterhielten. Er verstand klar, deutlich und zusammenhängend, was sie sagten, obwohl das, was sie sagten, keinerlei Sinn für ihn ergab:
„Gratulation, Herr Kollege. Eine Meisterleistung.“
„Gleichfalls, Herr Kollege, gleichfalls.“
„Einmalig in der Geschichte der Medizin.“
„Meine Rede. Meine Rede.“
„Geradezu umwälzend, diese omnipotente, allumfassende Kooperation zwischen Neurologie, Chirurgie und Schönheits-Chirurgie.“
„Jawohl, und das Ganze in einer Zeit von nur vier Stunden und siebenundzwanzig Minuten.“
Moment mal, dachte Brandel. Was hat der da gerade eben gesagt?
„Ohne Herrn Brandels freiwilligen Einsatz wären wir in zwanzig Jahren noch nicht so weit gewesen!“
„Der Patient ist wohlauf. Vitalwerte vorbildlich. Wird wahrscheinlich demnächst aufwachen. Sehen Sie sich das an: kein einziges Hämatom, keine Schwellungen! Der Patient ist makellos. Oder sollte ich besser sagen: die Patientin?“
Irgendwo in Brandels Bewusstsein begann jetzt eine einsame Alarmglocke zu läuten. Die Alarmglocke übernahm zugleich die Funktion eines Weckers. Und im Nu war Brandel sozusagen glockenwach.
„Was haben Sie da gerade eben gesagt?“
„Herr Brandel, Sie sind wach! Das ist ja wunderbar!“
Einer der beiden Ärzte trat auf Brandel zu, trat ans Kopfende seines Bettes. Der Arzt war groß, schlank, etwa Mitte 50. Er hatte graue Schläfen, eine hohe Stirn, klare blaue Augen und eine weiche Mundpartie. Der Mann sah sehr vertrauenerweckend aus. Brandel fragte diesmal zuversichtlicher:
„Was haben Sie da gerade eben gesagt?“
„Herr Brandel, ich habe eine erfreuliche Nachricht für Sie: Sie können sofort aufstehen, ins Badezimmer gehen und sich im Spiegel betrachten. Jetzt ernten Sie die Früchte dafür, dass Sie sich freiwillig für unsere neuartige Operationstechnik zur Verfügung gestellt haben, die, nun ja, ich will mal so sagen: in Fachkreisen noch nicht ganz etabliert ist ...“
„Wovon, zum Teufel, reden Sie da überhaupt?!“, brüllte Brandel, der Anstalten machte sich an den Bettrand zu schwingen. Die Angst hatte begonnen als kleiner Weißer Zwerg in seiner Bauchhöhle und wuchs nun allmählich zur hellen Supernova. „Helfen Sie mir auf die Füße!“, verlangte er von dem sympathischen Arzt. „Ich will sofort ins Badezimmer!“
„Aber selbstverständlich! Kommen Sie, ich begleite Sie.“
Martin Brandel stand vor dem großen Spiegel im Bad und konnte nichts Ungewöhnliches erkennen.
„Moment.“, sagte der Arzt. „Ich nehme Ihnen das Flügelhemdchen ab.“
Martin Brandel stand vor dem großen Spiegel im Bad.
Und seine Augen wurden immer größer.
„Mein Ärzteteam und ich haben ihnen sowohl eine echte Vagina als auch eine echte Gebärmutter transplantiert. Sie werden keinerlei Narben erkennen.“, erläuterte der hinter ihm stehende Arzt. „Die notwendigen Hormone wird ihr Körper also selbst produzieren. Keinerlei künftigen Probleme wegen Bartwuchs oder Brustschwund. Gleichzeitig haben mein Kollege, der Schönheits-Chirurg und seine Assistentin Ihnen einen wundervollen Busen modelliert. Die Implantate sind – wie Sie es gewünscht haben – im XXL-Format ...“
Martin Brandel hatte nicht mal genügend Zeit, um „Ouh, Scheiße!“ zu sagen. Das Deja Vu- Gefühl war viel zu intensiv und umfassend und überlagerte jede andere mögliche Regung: Er sah genauso aus wie seine Mutter in jüngeren Jahren!
Sabbele“, sagte Brandel.
„Äh, ... wie bitte?“
„Mein Sabbele“, sagte Brandel. „Ich habs geschafft! Mein Sabbele und ich werden nie mehr getrennt sein. Wir sind für immer vereint! Denn jetzt bin ich mein Sabbele und ich werde es für immer bleiben!“
„Ähh ja, ... ich verstehe.“, sagte der Arzt. „ ... was immer Sie glücklich macht ... Ihre privaten Motive für diese Operation bleiben natürlich ganz und gar Ihre Angelegenheit ... dennoch wollte ich Sie fragen, ob es bei unserem verabredeten Abendessen bleibt und ob wir weiterhin ... “

Martin(a) Brandel blieb noch lange Zeit vor dem großen Spiegel im Bad stehen. Er (sie) war endlich erwachsen geworden.


Juli 03

 
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Hallo Splatty!

Auf den ersten Blick, kurz und knapp:

Deine Geschichte hat zwei Probleme, die dazu führen, dass sie nicht richtig funktioniert:

1)Zu viel Erzählteil: Das war passiert, dann war das passiert, und dann war...
Ich hoffe, Du wirst diesen Kritikpunkt nie auf eine meiner Geschichten anwenden- die wären da zum Teil auch prädestiniert dafür. Sind aber zum Teil auch bewusst handlungsfrei ausgelegt. Deine Geschichte würde aber mMn ein Plus an Spannung enorm gut tun, daher mein Vorschlag:
ändere die Passagen, in denen Du von seiner Frau, der Kneipe, usw. berichtest, in Handlungspassgen ab.
Lass die Story meinetwegen direkt beim Ehestreit beginnen, dann meinetwegen ein Zeitsprung, Arbeit,die Kneipe, der Wirt, der ihn unfreundlich rausschmeißt- gerade Du solltest doch mit solchen Szenen kein Problem haben...

Damit könntest Du auch den schrittweisen emotionalen Verfall der Hauptfigur besser herausarbeiten.

2)Die Pointe ist extrem unglaubwürdig, bzw. an den Haaren herbeigezogen - Verwechslung im Krankenhaus, Recht und schön, aber so? Nee Du, das kann ich mir einfach nicht vorstellen...
Überhaupt:

"Der hier sieht viel ungepflegter und verkommener aus. [...] Überhaupt sieht er viel weibischer als der andere aus."

Häh? Also, wenn ich unrasiert und ungepflegt aussehe, kann ich bei mir mit Sicherheit nichts weibliches feststellen...

Hier solltest Du Dir unbedingt noch was anderes ausdenken, die Stelle gefällt mir gar nicht, gerade weil es eben der zentrale Wendepunkt ist...


Was mir dagegen gut gefallen hat, ist beispielsweise die Stelle mit dem Psychiater:

„Engele, Bengele ...“, brabbelte Brandel.
Doktor Bengele stülpte sich zwei Gummihandschuhe über.
„Engele, Bengele ... ich muss zu meinem Sabbele!“
„Was bitte genau ist ein Sabbele?“

(Aber sag mal, Dr. Mengele, hätte den dieses Wortspiel wirklich sein müssen?)

Derartiges wäre eben schön, wenn Du es auch an den Anfang setzten würdest- Dialoge sind wirklich Deine Stärke.

Naja, erstmal also kurz und knapp - sicher keine grottenschlechte Geschichte, aber Du kannst das besser. Also: mach was draus!

Achja, hätt ich fast vergessen: Die Punkte!! :D

Schoene Gruesse,
Innozenz Charousek


Übrigens:

Ich habe keinen familiären bildungsbürgerlichen Hintergrund und sehe mich auch jetzt als Arbeiter. Mein Berufsalltag lässt mich die Realität von ihrer harten, krassen und völlig unromantischen Seite erleben. Natürlich kann das auch sehr inspirierend sein, aber was Schöngeistiges kommt dabei nicht raus.
Ich bin selbst Arbeiter, bin stolz drauf, und werde immer Teil der Arbeiterklasse bleiben, auch wenn ich inzwischen, dank 2. Bildungsweg, Student geworden bin.
Das Attribut "Arbeiter", setzt aber nicht voraus, dass ich mich nur schimpfend und fluchend verständigen könnte, verfickte Scheiße nochmal.
Aber gerade, weil mir die Fäkalsprache alles andere als fremd ist, lege ich keinen Wert darauf, auch in meiner Freizeit damit zu tun zu haben. daher kann ich auch mit Bukowski nichts anfangen.

Und: Nur weil wir Arbeiter sind, sind wir noch lange nicht unkultiviert. Wer anderes behauptet, lebt in schwachsinnigen Klischeevorstellungen.

 
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Hi Charousek,

warst ja mal wieder richtig gründlich, und ich weiß das zu schätzen, aber dadurch hab ich jetzt wieder ne ganze Menge zu beantworten.

Erstens zur Unglaubwürdigkeit der Pointe: Mag für nen Außenstehenden unglaubwürdig sein, aber, wie ich bereits erwähnt hab, bin ich selber Pflegefachkraft; und was ich in meinem Beruf schon an Inkompetenz und Dummheit erlebt habe, geht auf keine Kuhhaut. Ich könnte Dir (wahre) Geschichten erzählen, da würden sich Dir die Fußnägel hochrollen. (Von wegen unglaubwürdig. Ha!) Jeder Insider würde sich wahrscheinlich über diesen Part der Story totlachen. (Zugegeben, dass ich dabei auch reichlich rumgealbert habe, bin etwas ins Absurde abgetriftet, um klarzumachen, dass das Ganze nicht allzu ernst genommen werden sollte.) Und das ist vielleicht echt ne Schwäche von mir: Wenn mein eigener Beruf in ne Story mitreinspielt, setze ich mgl.weise unbewusst Insiderwissen voraus, das ich vom normalen Leser nicht erwarten darf.

Entsprechend auch das Gelaber von Sr. Yvonne: Sie sagt nicht, dass einer der beiden Patienten weiblicher sondern WEIBISCHER aussieht, will heißen: verweichlichter und schlapper. Ein frauenfeindlicher Spruch von einer vermännlichten Frau ... ;) ... Du weißt schon ... die Punkte.

Was mich wundert, ist die Tatsache, dass Du den eigentlichen logischen Knick in der Story gar nicht bemerkt hast: Martin Brandel wacht nach seiner OP auf, und er ist völlig makellos, ohne Schwellungen und Hämatome. Dabei ist er erst einige Std. vorher brutal zusammengeschlagen worden. Ich hab diesen Fehler auch erst nach Beendigung der Story gecheckt, hatte aber keine gute Idee, wie ich das eliminieren kann, ohne die ganze Story zu zerstören, bzw. nochmal von Vorne schreiben zu müssen. Und ich hasse reine Fleißarbeiten, mache es dann lieber beim nächsten Mal besser.

Der Grundgedanke zur Story: Wir alle kennen Muttersöhnchen aus unserer Kindheit (insofern wir selber keine waren). Muttersöhnchen habens nicht leicht, werden von anderen Kindern verspottet, ausgenutzt, manipuliert und manchmal auch verprügelt. Meine Idee war es, dieses Szenario in ein fortgeschrittenes Erwachsenenalter zu transportieren. Mit der Pointe wollte ich klarmachen, dass es dem Prot nie wirklich um seine Mutter sondern nur um sich selber und seine Unselbständigkeit ging.

So, und nun zum Klassenbewusstsein. In meinem Beruf wird auch nicht die ganze Zeit herumgeflucht und -gelästert, - wohl eher in meinem Pivatleben. Ich wollte auch nicht zum Ausdruck bringen, dass wir Proletarier alle verblödet und unkultiviert sind, ganz im Gegenteil.
Du hast mal in nem viel früheren Beitrag erwähnt, dass Du Bukowski u. ä. nicht magst, obwohl diese Autoren Leute zum Lesen bringen, die sonst nie ein Buch anrühren: (Das warst doch Du? Falls nicht, muss ich mich entschuldigen, dann tappe ich schon wieder ins Fettnäppfchen.) - Hast Du Dir mal überlegt, warum das so ist? Ich schätze, es liegt daran, dass Autoren wie Buk oder Welsh über Dinge schreiben, die die Leute aus ihrem eigenen Alltag, ihrem eigenen Erleben und ihrem Selbstverständnis wiedererkennen, weil die Stories von Buk (z.B.) tatsächlich was über das reale Leben aussagen, weil es sich da eben nicht um sprachliche Spitzfindigkeiten sondern um ECHTE Probleme dreht.
In dem Sinne wollte ich mich eigentlich auch verstanden gewusst haben. ich begeb mich beim Schreiben nicht in einen innerlichen Elfenbeinturm, sondern will auch Dampf ablassen, sonst macht doch die ganze Sache keinen Spaß! Mir gehts jedenfalls primär um den Spaß an der Schreiberei; der Wunsch nach Resonanz kommt an 2. Stelle. Mein Ehrgeiz geht dabei dahin, möglichst authentisch zu sein. Also handeln meine Stories in einer Umgebung und einem Milieu, das mir vertraut ist - und werden getragen von Figuren, die mir vetraut oder zumindest vorstellbar sind. Der Gedanke ist doch uralt, kennen wir doch schon von Gotthold Ephraim Lessing, der erstmalig bürgerliche Personen (statt Adliger) als Hauptfiguren in seinen Dramen verwendet hat. Na ja, ums kurz zu machen: Ich könnte wohl schon was Schöngeistiges schreiben, hätte aber keinen Spaß dabei, mir was völlig Abstraktes aus der Nase zu ziehen. Wenn ich in ne Fantasie-Welt abtauchen will, guck ich mir lieber Star-Trek oder nen Batman-Streifen an.

Jedenfalls, hab Dank für Deine - wieder mal - ziemlich detaillierte Kritik. ich hoff, ich hab alles, das Du angesprochen hast, einigermaßen beantwortet.

Ach ja, halt, da war noch die Sache mit dem Anfang, wo relativ viel nach-erzählt wird. Gefällt mir auch nicht so 100%ig. Wollte aber nicht allzu viel Zeit mit der ganzen Vorgeschichte aufwänden. Wenn ich den Text (im Blocksatz) auf meinem PC ausdrucke, kommt der Anfang viel aufgelockerter rüber, und nach ner 3/4 Seite (von 6 Seiten) gehts auch gleich zur Sache. Viele Kurzgeschichten-Autoren, die verlegt werden, machen am Anfang ihrer Stories noch viel mehr Brimborium. Vielleicht ein Grund, waum die Kg. (leider) ein aussterbendes Genre ist?

Gruß: Splat

 

Mahlzeit!

Sorry, aber das war irgendwie nix...

Zunächst ein stilistischer Hinweis: Der Klammerstil (also dieser hier) ist in erzählerischen Texten eigentlich immer furchtbar und sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Das wirkt immer, als würde dem Autor das wichtigste immer erst kurz vor zu spät einfallen und dann noch eben schnell reingequetscht... :dozey:

Ansonsten:
Die erste Hälfte lässt sich noch halbwegs gut an, wenngleich man an vielen Stellen stilistisch sicher noch etwas polieren könnte. Thematisch wirkt der Text etwas unsicher - das Muttersöhnchen-Motiv allein trägt in meinen Augen die Geschichte nicht bzw. wird in einer sehr langatmigen Tell-don't-show-Passage runtergeleiert - das liest sich doch reichlich zäh. Und der satirische Ansatz hängt demzufolge ziemlich durch. So schön und konsequent dargestellt wie in Loriots "Ödipussi" habe ich die Muttersöhnchen-Problematik bislang noch selten irgendwo sonst gesehen - davon ist Deine Darstellung leider ein paar Lichtjahre entfernt.

Wirklich haarsträubend wird es allerdings erst, als Brandel im Krankenhaus ankommt. Da liegt dann ganz plötzlich so rein zufällig ein spuckgenauer Doppelgänger rum, der... sorry, aber das hat nix mit Satire zu tun - das ist Deus Ex Machina der schlimmsten Sorte, schlicht und einfach an den Haaren herbeigezogen. Ich war an dieser Stelle kurz davor, die Story einfach zur Seite zu legen, weil ich mir dachte: Hat er jetzt nicht wirklich geschrieben, oder? :rolleyes:

Soll heißen: Aufbau und Erzählweise sind doch ziemlich durch den Wind. Spätestens ab der Doppelgänger-Szene geht die Logik komplett flöten. Und da Du das Absurde erwähntest: Auch das Absurde hat normalerweise eine Logik - sie besteht innerhalb einer Geschichte aus sorgfältigem Setup und Payoff - am Ende passt trotzdem irgendwie alles zusammen. Das ist bei dieser Geschichte leider überhaupt nicht der Fall, im Gegenteil: Sie zerbröselt einem quasi unter den Händen, während man sie liest.

Mein Fazit: Stilistisch und thematisch sehr wackeliger Text, der von den groben Schwächen im Aufbau endgültig zu Fall gebracht wird.

Gruß,
Horni

 
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Hi Horni,

da Deine Kritik dermaßen vernichtend ist, kann ich dem nicht viel entgegenhalten.

Nur soviel, dass diese Story ein absoluter Quicky war, den ich während eines ereignislosen Nachtdienstes von Hand verfasst und morgens - nach Dienstende - auf meinem PC eingetippt hatte. Als mein 2. Posting hier habe ich diesen Text gewählt, nachdem ich mit "Die Einladung" offenbar die halbe Web-site vor den Kopf gestoßen hatte. Tatsächlich ist "Muttersöhnchen" einer meiner "harmlosesten" Texte.

Ich kann Dir nicht ganz beipflichten bezüglich Deines vernichtenden Urteils über den Sprach- und Schreibstil. (Klammern habe ich in diesem Text, glaub ich, nur 3-4 x benutzt, um beiläufig etwas hinzuzufügen. Überhaupt liebe ich Klammmern als Stilmittel der Ironie.) Ich finde auch, dass sich der Text ganz flüssig liest und seine Bildhaftigkeit gut nachvollziehbar ist. (Ich weiß schon: Eigenlob stinkt.)

Natürlich ist er streckenweise extrem albern. Auf kindlich naiv sadistische Art. Da hat mich wohl ein Teufelchen geritten. Jedenfalls hab ich beim Schreiben viel in mich hinein gekichert. Wenn über die Story sonst niemand lachen kann, war sie ein Quicky, der in die Boxer-Shorts ging. Kann passieren.

Ich bedank mich jedenfalls für Dein Interesse.

Gruß: Splat

 

Nun ja - "vernichten" war ja nicht gerade mein Ziel... ;)

Gerade im Bezug auf den Stil ist er eigentlich höchstens noch etwas überarbeitungsbedürftig (z.B. die Stelle mit den Polizisten, die finde ich absolut schrecklich!) - aber das ist ein Problem, das praktisch alle "Schnellschüsse" auszeichnet - weswegen ich persönlich grundsätzlich davon abrate, ebensolche ohne wenigstens eine gründliche Überarbeitung zu veröffentlichen!

Das mit den Klammern ist mir halt aufgefallen (es sind doch noch ein paar mehr als 2!), weil es mich irgendwann regelrecht gestört hat - in Erzähltexten sollte man sie tunlichst überhaupt nicht benutzen bzw. findet sich bei gründlichem Feilen am Text (sic!) fast immer eine schönere Alternative ohne Klammern.

Lediglich der Aufbau ist wie gesagt doch ziemlich daneben - die Geschichte trägt sich nicht selbst und driftet ab Mitte schwer ins Absurde. Leider ohne dass dies eine rechte Funktion hätte, da sich das Absurde nicht auf das Thema bezieht sondern einfach nur ein "Abschalten" der Logik darstellt.

Und wie gesagt: Ich will eigentlich nur selten vernichten! :D Ich hoffe allerdings, dass meine unverblümte Meinung zum Text im einen oder anderen Fall dem Autor irgendwie weiterhilft.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi nochmal, Horni!

Nachdem ich Deinen 1. Beitrag vorgestern Abend - kurz vor Antritt meines Nachtdienstes - gelesen hatte, konnte ich mal wieder nicht widerstehen, sofort und auf die Schnelle zu antworten, obwohl ich es mittlerweile eigentlich besser weiß.

Morgens nach Dienstende, und wieder am PC zugange, ging mir auf, dass meine Antwort wohl doch zu lapidar ausgefallen war. Schließlich hattest Du Dir die Mühe gemacht, den Text zu lesen. Hab daraufhin meine Antwort noch mal überarbeitet, leider zu spät, obwohl nur ne Nacht (harter Arbeit) dazwischen lag. Jedenfalls fällt zumindest der Schluss wesentlich versöhnlicher aus. falls Du den Nerv dazu hast, kannst Du ja nochmal zurückklicken.

Bin eben manchmal etwas impulsiv. Möglich, dass diese Impulsivität (außer für Fettnäpfchen) auch für gelegentlich ncht genau überlegte Wendungen in meinen Stories sorgt. Ich verdank ihr aber auch meine besten Einfälle.

Während Martin Brandel vor dem Pflegeheim zusammengeschlagen wird - also kurz vor der Stelle mit den Polizisten - , hatte ich damals einfach beschlossen, dass für den wehrlosen Prot die Welt jetzt zu einem Alptraum ausarten muss, ohne Zweck und ohne nähere Erklärung und sogar gewollt, ohne besonders große Rücksicht auf die Logik. Nämlich nur aus purem Spaß an der Gemeinheit. Am Ende verpasse ich dem Muttersöhnchen noch eine völlig unwahrscheinliche, unfreiwillige Geschlechtsumwandlung, und es findet ganz unverhofft zu seiner wahren Bestimmung. Das an den Haaren herbeigezogene und Haarsträubende, was meinem Prot widerfährt, hab ich eigentlich als den wahren Witz an der Story empfunden (siehe mein letzter - verbesserter - Beitrag).

Entweder Du hast nen viel spitzfindigeren Humor als ich, soll heißen: Mein Humor ist Dir zu kindisch oder zu tump oder beides. Oder Du bist von Anfang an zu sachlich an den Text rangegangen und konntest Dich dadurch nicht richtig drauf einlassen. Mit Sicherheit hast Du an keiner einzigen Stelle gelacht. Woran das auch immer gelegen haben mag ...

Also nix für ungut.

Gruß: Splat

PS: Was bedeutet (sic!)?

 

Old Splatterhand schrieb:
Mit Sicherheit hast Du an keiner einzigen Stelle gelacht. Woran das auch immer gelegen haben mag ...
Naja, sagen wir mal so: Mir war je nachdem klar, wo ein Lacher geplant war. ;) Aber so ist das eigentlich fast immer: Entweder, eine Story "zündet" beim Leser - oder halt eben nicht.. man steckt nich drin, wie es so schön heißt. Allerdings kann man als Autor ein bißchen steuern, indem man am Text rumschraubt, bis Rhythmus, Timing, Tonfall etc. überall so perfekt wie möglich sitzen. Deshalb eben die Überarbeitung, durch die sich viele quälen...
PS: Was bedeutet (sic!)?
lat. für "so" - in dieser Form benutzt in der Art von "siehste!".

Gruß,
Horni aka Nörgelhorn

 

Hallo Old Splatterhand,

bei mir hat deine Geschichte auch nicht gezündet, auch aus ähnlichen Gründen, wie Horni sie schon nannte. Aber ab gesehen von der zu absurden Wendung ist für mich das Hauptproblem, dass die Mutter in deiner Geschichte nicht geschildert wird. Wie ist sie, wie ist das Verhältnis zu ihrem Sohn? Eine Geschichte von einem Muttersöhnchen, ohne dass die Mutter ins Spiel kommt, das erscheint mir unvollständig. Selbst, wenn die Handlung ab dem Krankenhaus nicht so abdriften würde, wäre es schwer, den Prot als Muttersöhnchen nachzuvollziehen.
Und so eine dominante Alte wäre auch für den einen oder anderen Gag gut ...
:)
Klammern als ironisches Stilmittel mag ich auch, allerding fällt mir auf, dass sie mir fast immer nur in eigenen Geschichten gefallen, selten in denen anderer. Wahrscheinlich ist es schwer, sie richtig einzusetzen. Durchaus möglich, dass meine Klammern anderen auch nicht gefallen :dozey:


@ Horni

Nur am Rande: Ich dachte immer, "(sic!)" hätte nur die Bedeutung, bei zitierten Texten, die Fehler enthalten, klar zu stellen, dass der Fehler nicht vom Zitierenden, sondern vom Zitierten stammt. Hat es mehrere Bedeutungen? Habe kein Latinum ... :crying:

Viele Grüße
Pischa

 

zu "sic": Komisch - ich kenne und verwende es eigentlich nur so wie von mir oben erwähnt, aber Deine Erkärung klingt auch nich schlecht - man lernt nie aus, stelle ich gerade fest! :D

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Pischa,

hmm, ich hätte gedacht, das wäre eigentlich klargeworden, sowohl im Text selbst als auch in meinen Beiträgen - ,dass nämlich gerade die Abwesenheit der Mutter der zentrale Kernpunkt der Story ist. Die Mutter ist alt, todkrank, hinfällig, pflegebedürftig und kann dadurch ihrer Mutterrolle nicht mehr nachkommen. Im Text wird noch nicht mal angedeutet, die Mutter wäre in irgendeiner Form dominant gewesen. Tatsächlich stelle ich sie mir eher als über alle Maßen liebevoll und dadurch unabsichtlich überfürsorglich vor, wodurch der Prot schon in frühen Jahren - ebenfalls unabsichtlich - verweichlicht wurde. Dass dem Prot diese Fürsorge nun abgeht, stellt sein zentrales Problem dar. Die Mutter will wahrscheinlich nur in Ruhe sterben. Sie ist mit sich im Reinen. Sie hat ihren Job gemacht.

Am Ende taucht die Mutter dann doch noch auf, nämlich in Gestalt des Prot selbst, wodurch zusätzlich klar wird, dass es weder in der Story noch dem tatsächlich selbstsüchtigen Prot je um die Mutter ging.

Was Du mir als Alternative vorschlägst, ist eine völlig andere Geschichte zu schreiben. :crying:

Überhaupt entsteht bei mir allmählich der Eindruck, dass fast jeder schon beim Lesen des Titels dieser Story automatisch ein Ödipussi - Plagiat erwartet. Wie ödi! (Man verzeihe mir dieses Wortspiel.) Brandel hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit der Figur, die Loriot in seinem Film verkörpert. Er ist ein verwöhnter, weinerlicher Althippi, der den guten alten Zeiten (ohne Verantwortung) nachhängt. Ergo: Keine schrullig dominante Mutter wie bei Loriot.

Wenns nicht gezündet hat, ist es halt - wie schon gesagt - in die Boxer-Shorts gegangen. Aber an so nem Projekt murkse ich dann nicht mehr rum, starte lieber ein neues. :D Sic!

(Falls sich niemand mehr findet, der anderer Meinung ist, und falls doch, dann trotzdem und sowieso.)

Danke trotzdem für Deinen Rat,

Gruß: Splat

PS: Das waren jetzt Klammer & Kursiv als ironische Stilmittel.

 

Hi, old Splatterhand,

natürlich hast Du Recht, deine Geschichte muss kein Ödipussi-Aufguss sein.
Ich find's auch gut, dass es keiner werden sollte. Meine Bemerkung mit der dominanten Mutter war auch eher als Beispiel gemeint - hätte ich vielleicht klarer raustellen sollen.
Jedenfalls, wie immer auch die Mutter beschaffen ist, aus irgendeinem Grund muss dein Prot ein Muttersöhnchen geworden sein. Dass er es wurde, dürfte wohl am ehesten an der Mutter liegen. Natürlich könnte auch ein brutaler Vater - als Beispiel - der Grund sein, aber die Mutter ist am naheliegendsten und am einfachsten darzustellen.
Mein Problem ist nun, dass die Beziehung zwischen dem Prot und dieser Mutter fehlt und damit die Möglichkeit, dem Prot nachfühlen zu können. Die Psychologie muss stimmen. Wenn sie fehlt, wäre es genauso, als würdest du einen Mord beschreiben, ohne das Motiv des Mörders zu nennen. Dein Prot bleibt eine zweidimensionale Pappfigur ohne Hintergrund, denn man weiß nicht, warum er so geworden ist. Was ihm zustößt, berührt mich darum kaum, und das ist schade, weil so viele Ideen und oft lebendige und gute Schilderungen in deiner Geschichte wirkungslos verpuffen - jedenfalls, was mich betrifft. Heißt natürlich nicht, dass es allen so gehen muss.
Darum kam für mich wohl auch die Abwesenheit der Mutter als Kernpunkt bei mir nicht so an, wie du es gewollt hast.
Ich weiß nicht, ob die Geschichte so viel anders sein muss, nur, weil das Verhältnis Sohn-Mutter klarer herauskommt. Schon eher, weil ich sie ab dem Krankenhaus ändern würde ... :shy:
(sic!) Hugh! Grunz! Ich habe gesprochen! :D


Hallo Horni!

Geht mir genauso, kannte auch nur meine Version!
So sind wir beide schlauer. :D


Viele Grüße
Pischa

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Splatty,
nach längerer Abwesenheit steige ich hier auch mal wieder ein.

1)

Was mich wundert, ist die Tatsache, dass Du den eigentlichen logischen Knick in der Story gar nicht bemerkt hast: Martin Brandel wacht nach seiner OP auf, und er ist völlig makellos, ohne Schwellungen und Hämatome.
Ja, warum ist mir das nicht aufgefallen? Darum:
Ich bin einfach davon ausgegangen, dass sich der Doktor bei seiner "Makellosigkeit" nur auf die Folgen der OP bezieht. Wenn ich z.B. drei Arme habe, und mir der Blinddarm rausgenommen wird, wird man danach trotzdem sagen: "Sie sind wieder perfekt". Trotz der drei Arme.
Selbiges habe ich eben einfach mal für Martin Brandel angenommen: Die Folgen der Prügelei sind schon noch irgendwie da, aber sie interessieren eben grade keinen.


2) Na ja, das meiste ist ja inzwischen durchdiskutiert, der Begriff "Deus ex machina" ist gefallen, und dieser beschreibt eigentlich recht treffend das große Logikproblem Deiner Geschichte.
Ich kann mir übrigens durchaus vorstellen, das solche Verwechslungen in KKHn
vorkommen, allerdings war eben der Doppelgänger schon arg abgefahren.
Da doch lieber was mir betrunkenen Pflegekräften oder so...äh...nix für ungut :D

3) Ja, eines noch: Bengele-Mengele. Irgendwie finde ich das nicht wirklich lustig, bestenfalls arg makaber.


Erstmal schoene Gruesse,
Charousek


Eines noch:
Die Bukowski und Fäkalsprachediskussion sollten wir eigentlich nicht hier im Thread austragen, grade bei dieser Geschichte ist das arg offtopic.
Beim "Ufo" wars noch passend.
Ich schreib Dir ne PM, sobald ich dazu komme (sorry, Stress). Derweil kannst Du Dir ja die Diskussion zu Allesandras Deus ex Phallus anschauen, ist ein ähnliches Thema, bzw. dasselbe.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Charousek,

hab "Deus ex Phallus" und die Beiträge dazu gelesen. Aber hierzu an anderer Stelle mehr. Warte jetzt erstmal auf Deine PM. Leider ist mein Monitor gerade am Verrecken, und ich komm die Woche nicht mehr dazu, einen neuen zu kaufen. (Nachtdienst). Kann also ne Weile dauern, bis ich antworten kann. Gerade gehts noch.

Der logische Knick mit der Makellosigkeit war derjenige, der mich selbst im Nachhinein am meisten gewurmt hat, zumal auch die bd. Krankenschwestern diesen Unterschied zwischen den bd. Brandels nicht entdecken konnten. Die haarsträubende Unmöglichkeit der bd. Doppelgänger (gleiches Aussehen, gleicher Name, gleiches Passfoto, gleiche Unterschrift) war - wie bereits gesagt - völlig beabsichtigt. Ist halt nicht so angekommen. Sei's drum.

Wie ebenfalls bereits erwähnt, murkse ich an Texten dann aber nicht mehr rum, wenn mir nicht gerade eine geniale Idee kommt, wie ich das ändern könnte. (Hmm, na ja, vielleicht wärs sogar ne lustige Idee, bde. Brandels in der Aufnahme mit exakt den gleichen Blessuren auszustatten. Das würde wenigstens eine , nämlich die unbeabsichtigte, logische Lücke stopfen und gleichzeitig die beabsichtigte vergrößern.) Nach meiner persönlichen Erfahrung neige ich dann nur dazu, die Sache zu verschlimmbessern, wenn ich mich ganz uninspiriert damit abquäle.

Soll aber nicht heißen, dass ich durch solche Fehler (oder durch fremde Hinweise darauf) für die Zukunft nix lerne.

In diesem Sinne: Auf ein fleißiges, künftiges Weiterdiskutieren!

Tschau: Splat

PS: Mit der Fäkaldiskussion hast Du auf diesem Thread wieder angefangen, teilweise sogar fett gedruckt, deshalb hab ich so ausführlich geantwortet.


Hallo nochmal, Pischa!

Im Grunde hast Du ja Recht, hab mich mit meinem ltzt. Beitrag an Deine Adresse im Grunde selbst widerlegt. Er beweist nämlich, dass ich eigentlich beim Schreiben der Story ne recht klare Vorstellung von der Mutter hatte (du erinnerst Dich vielleicht an meine Aussage zum Thema Schrulligkeit und Dominanz, und wie ich mir die Mutter tatsächlich denke). Jedoch findet diese Vorstellung im eigentlichen Text gar keinen Einzug ...

Hätt ich wohl ein bisschen miteinbringen sollen ...

Gruß: Splat

 

Hallo!

Mit der Fäkaldiskussion hast Du auf diesem Thread wieder angefangen...

Jupp, weiß ich. Der letzte Beitrag sollte auch sicher keine Kritik an Dir sein. Manchmal muss ich mich halt selber bremsen ......

Schoene Gruesse,
Charousek

 

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