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Mutterliebe
Dampfend bahnte sich die Luft aus den Nüstern meines Pferdes den Weg durch die bitter kalte Luft.
Donnernd knallte der Huf durch die Stille auf den Asphalt.
Die Welt sah verändert aus.
Still und beängstigend ruhig lag die Stadt vor mir.
Ruhig glitt der Schatten meines schwarzen Friesen durch die zerbombten Straßen.
Der Wind spielte mit der schwarzen Mähne.
Wo konnte sie nur sein.
Suchend blickte ich mich um.
Sie war bei Ihrem Vater zu Besuch, ich hatte meine Zweifel gehabt aber sie dennoch, nach ausgiebigen gebettel ihrerseits, fahren lassen.
Nachdem ich gehört hatte wie schwer die Stadt getroffen worden war, hatte ich mich umgehend und voller Sorge auf mein Pferd geschwungen und war hier her geritten, um mein Kind zu suchen und nach Hause zu holen.
Ich sah nur Schutt, zerfallene Häuser, riesige Löcher im Boden, von den Bomben aufgerissen.
Zersplittertes Glas, aus den einst schönen Fenstern, lag zerstreut zwischen brennenden Autos und Steinblöcken.
Alles kam mir so fremd vor, und doch kannte ich jede Ecke und wusste aus der Erinnerung wie es einmal ausgesehen hatte.
Schwungvoll sprang ich aus dem Sattel um mich zu Fuß durch dieses Gewimmel aus Stein und Schutt zu kämpfen.
Ich rief ihren Namen immer und immer wieder.
Angestrengt lauschte ich in die Stille damit ich auch das kleinste wispern, das kleinste wimmern vernehmen konnte.
Ich sah die leeren Häuser, die zerfallen Dächer ragten wie spitze Eisberge in den Himmel.
Wo war sein Haus nochmal, wo hatte es gestanden, wie hatte es ausgesehen.
Der Ruß brannte in meiner Kehle, doch ich ging weiter.
Immer wieder musste ich brennenden Autofracks ausweichen, die wie Spielzeugautos durch die Luft geworfen worden waren.
Endlich hatte ich das ehemalige Haus meines Exmannes erreicht.
Zumindest das was davon übrig war.
Angst machte sich in meinem Herzen breit, hoffentlich kam ich nicht zu spät.
Hoffentlich fand ich sie noch.
Lebend.
Wieder rief ich ihren Namen und diesmal erhielt ich eine Antwort.
Leise, weinend und voller Angst hörte ich es.
„ Mama, ich bin hier, Mama Hilfe“!
Vorsichtig bahnte ich mir meinen Weg zu der Stimme meiner Tochter.
Wo war sie?
Das Dach des Hauses war eingestürzt, also normal kam man nicht mehr in das Haus hinein.
In der ersten Etage hätte niemand überlegen können.
Aber der Keller, ich wusste irgendwo war ein Kellerfenster, vorne zur Straße raus.
Wieder rief ich ihren Namen um die Richtung nicht zu verlieren.
„ Marie, wo bist du mein Schatz, antworte mir, hab keine Angst, ich bin hier.“
Nach ein paar Minuten, die mir wie endlose Stunden vorgekommen waren, sah ich endlich das kleine, eingedrückte und nicht mehr wirklich stabile Kellerfenster.
Angst und Verzweiflung flammten in mir auf, wie sollte ich sie da nur rausbekommen.
Zaghaft aber mit fester Stimme rief ich ihren Namen und schnell vernahm ich diesmal die Stimme die ich so liebte.
Ich rief ihr zu das sie zu dem Fenster kommen müsse, damit ich ihr raushelfen könnte.
Sie hatte solche Angst und immer wieder musste ich ihr gut zu reden.
Tapfer kletterte sie über die Trümmer die im Keller lagen.
Endlos lange kam es mir vor als ich endlich ihre kleine Hand im Fenster sah.
„Geh ein Stück zurück, rief ich ihr zu“.
Vorsichtig beseitigte ich das Glas aus dem Rahmen, immer darauf bedacht sie nicht zu verletzen.
Endlich war das Fenster so frei von dem Glas das ich sie wieder näher holen konnte.
„ Pass auf wo du hintrittst, wegen den Scherben.“
Da endlich wieder ihre kleine von Staub und schrammen bedeckte Hand.
Beherzt griff ich zu und hielt ihr meine andere Hand hin, munterte sie auf diese zu ergreifen.
Oben polterte es, kleine Steine rieselten von der Decke und es knirschte verdächtig.
„Mama hilf mir die Decke kommt runter, Mama…schreiend und voller Panik drang ihre Stimme zu mir.
Ich zwang mich zur Ruhe und versuchte sie mit all meiner Kraft aus diesem Fenster zu ziehen bevor das Haus dem Druck des eingestürzten Daches endgültig nachgab.
Nun sah ich auch ihren Kopf und Ihre blauen Augen sahen mich aus dem vom tränenüberströmten, von Dreck, Ruß und Schrammen verschmierten Gesicht an.
Ihre Haare hangen wirr, waren nass und standen vor Schmutz.
Mein Gott was musste sie für Ängste ausgestanden haben.
Ich hatte sie schon halb raus, als der erste Stein durch die Kellerdecke krachte.
Wieder schrie sie auf.
Verzweifelt hoffte ich, sie draußen zu haben bevor hier alles in sich zusammen fiel.
Nur noch die Beine, sprach ich mir zu, nur noch die Beine.
Endlich, nach einem letzen kräftigen Ruck, hielt ich meinen Engel weinend in den Armen.
Schnell sah ich zu das ich aus der Gefahrenzone rauskam.
Ich war keine drei Meter gekommen, da stürze die erste Etage in sich zusammen.
Eine riesen Staubwolke hüllte uns ein.
Instinktiv verbarg ich ihr Gesicht unter meiner Jacke.
Nachdem wir keuchend und nach Luft ringend, bei Shadow meinem treuen Rappen angekommen waren, untersuchte ich sie gründlich nach Verletzungen, aber Gott sei Dank hatte sie nichts, außer ein paar Prellungen und Abschürfungen erlitten.
Nun fragte ich zum ersten Mal zaghaft nach ihren Vater.
Sie schilderte mir dass er oben war, als der Alarm losging,
er schrie ihr zu sie solle sich im Keller verstecken.
Sie war runter gerannt und da krachte es auch schon.
Ich glaubte nicht dass er es geschafft hatte und ich wusste dass sie meine Gedanken erriet.
Schweigend hob ich sie in den Sattel, und schwang mich hinter sie.
Immer noch zitternd lehnte sie sich an mich und meine Arme umschlossen ihren kleinen Körper.
Ich lenkte Shadow zurück, weg aus dieser Stadt und nach Hause.