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Mutter und Tochter
„Hannah, komm jetzt! Du hast schon lange genug gespielt.“
„Nur noch ein bisschen, Mama! Bitte!“
„Fang nicht an mit mir zu verhandeln! Sei froh, dass ich überhaupt mit dir zum Spielplatz gegangen bin!“ Hannahs Mutter nahm ihre Tochter an der Hand und zog sie vom Spielplatz weg, Richtung Auto.
„Wieso können wir nicht länger bleiben?“
„Weil ich noch so viel zu erledigen habe. Ich bin kein Kind mehr, das den ganzen Tag nur spielen kann.“
Sie waren beim Auto angelangt. Hannah setzte sich hinten in ihren Kindersitz und versuchte sich anzuschnallen, doch der Gurt wollte einfach nicht zu gehen.
„Kannst du denn gar nichts alleine?“, seufzte ihre Mutter und beugte sich ins Auto um ihre Tochter anzuschnallen.
Plötzlich erstarrte Hannah. „Mama…“ Doch diese schlug schon die Tür zu und setzte sich vorne auf den Fahrersitz.
„Mama, da…“ – „Warte, jetzt kommt gerade kein Auto. Ich muss schnell fahren.“ Sie ließ den Motor an und fuhr los.
„Aber Mama, du darfst noch nicht fahren. Du musst schnell wieder zurück!“
„Nein, Hannah, wir waren gerade beim Spielplatz. Ich fahre jetzt nicht zurück.“
„Das meine ich ja gar nicht. Dort beim Parkplatz war so ein Geist…“
„Es gibt keine Geister, Hannah. Erzähl mir keine Lügengeschichten!“
„Hör mir doch einmal zu! Da war so ein Außerirdischer…“
„Es gibt keine Außerirdischen.“
„Dann war es ein Kobold, der…“
„Es gibt keine Kobolde.“
„Okay, dann war es der Teufel…“
„Es gibt auch keinen Teufel.“
„Vielleicht war es Gott…“
„Es gibt keinen…hör endlich auf mich damit zu nerven! Ich muss mich konzentrieren.“
Beleidigt hörte Hannah auf zu reden. Wenn ihre Mutter es nicht hören wollte, dann würde sie auch nichts sagen.
Eine Weile war es still, dann fing Hannahs Mutter an ihre Termine leise durchzugehen. „Zuerst muss ich einkaufen gehen, dann brauche ich dringend ein paar Kopfschmerztabletten bei diesem ganzen Stress und danach schau ich noch zur Arbeit, ob eh alles nach Plan läuft. Warum hat eigentlich Herbert noch nicht bei mir angerufen?“
„Wer ist Herbert?“, mischte sich Hannah ein.
Ihre Mutter war zwar etwas erschreckt, dass sie jemand gehört hatte, antwortete dann aber: „Herbert ist ein Arbeitskollege von mir, der mich eigentlich schon längst auf meinem Handy anrufen hätte sollen, um mir zu sagen wie das Projekt läuft, an dem wir gerade arbeiten, aber auf ihn ist anscheinend nicht Verlass.“
„Wo ist denn dein Handy?“
„Natürlich in meiner Hand…meine Handtasche! Sie ist weg!“
„Ja, dieser komische Mann hat sie genommen.“
„Welcher komische Mann?“
„Na der vom Parkplatz, dieser Außerirdische.“
„Der hat meine Tasche genommen? Wieso hast du das denn nicht früher gesagt?“
Hannahs Mutter drehte sofort um und fuhr wieder zurück.
„Mama, ich muss dir noch was sagen, der…“
„Nicht jetzt, Hannah! Ich muss schauen, ob der Dieb vielleicht irgendeine Spur hinterlassen hat.“
Sie sprang aus dem Auto und untersuchte den Boden und die Büsche in der Nähe. Dabei murmelte sie etwas davon, wie teuer die Tasche gewesen war und was da alles für wichtige Dinge drinnen waren. Hannah wollte auch gerade aussteigen, als ihre Mutter zurück kam.
„Bleib drinnen, Hannah! Wir fahren jetzt ganz schnell zur Polizei. Vielleicht finden sie den Dieb - und meine Tasche gleich dazu.“
„Aber Mama, da…“ Doch sie fuhren schon wieder los.
Na gut, dachte Hannah, sage ich ihr halt nicht, dass ihre Tasche dort noch gelegen ist.