Musik
Wippende Körper bewegten sich im Licht der Stroboskope und der bunten Scheinwerfer. Es roch nach Schweiß und Alkohol.
Martina befand sich inmitten dieser Masse aus tanzenden Leibern. Sanft bewegte sie ihre Hüften zu den Takten von „Narcotic“, ließ die hauchend, rauchige Stimme des Sängers und die Melodie auf sich wirken. Ihr enges Top klebte an ihrem Körper und ließ die darunter liegenden Brüste erahnen. Sie hatte die Augen halb geschlossen, gab sich ganz der Musik hin. Sie bemerkte nicht den Schweiß an ihrem Körper und auch nicht die Haarsträhnen in ihrem Gesicht. Sie hatte die Welt rund um sich ausgeblendet und bemerkte nichts von ihrer Umgebung, von den Leuten, die sie umgaben, von den anderen springenden Leibern, von den sprühenden Pheromonen der anderen Jugendlichen um sie herum.
Tom saß an der Bar und nippte an seinem Whiskey und beobachtete die Menge. Die Party war laut und zu voll. Überall die gleichen einförmigen Gestalten. Herausgeputzt und um Aufmerksamkeit haschend, gezwungen fröhlich. Immer auf die Meinung anderer bedacht. Irgendwie war das nicht sein Abend. Er sollte austrinken und nach Hause gehen. Er wollte gerade das Glas abstellen, als ihm ein Mädchen auf der Tanzfläche ins Auge stach. Sie sah gut aus. Nicht herausragend, aber hübsch. Umringt von den anderen Tänzern ging sie fast unter und doch stach sie mit ihrer Ausstrahlung aus dem Gedränge heraus. Völlig losgelöst von der Menge tanzte sie für sich alleine, und schien fast so losgelöst wie „Major Tom“; die Arme angewinkelt und die Augen halb geschlossen in eine andere Welt treibend. Immer wieder beschienen Scheinwerfer ihren schweißgetränkten Körper. Unwillkürlich musste Tom den Atem anhalten. Das Mädchen faszinierte ihn. So völlig versunken in der Musik und in dem Moment ertrinkend. Es geschah selten, dass ihn ein weibliches Wesen dermaßen faszinierte. Er konnte den Blick nicht von ihr lassen und hatte zugleich Angst, dass sie die Augen öffnen und ihn sehen könnte. Rasch befeuchtete er seine trockene Kehle mit einem weiteren Schluck Whiskey. Er studierte ihren wippenden Körper, jede Schweißerle, die an ihrem Körper herab rann, jede Haarsträhne, die ihr ins Gesicht hing. Er beobachtete fasziniert, wie sie mit der Spitze ihrer Zunge ihre Lippen befeuchtete und ihm wurde heiß unter seinem Shirt.
Die letzten Töne des Lieds verklangen und der DJ legte den nächsten Song auf. Martina öffnete wieder die Augen und kehrte langsam wieder in das Hier und Jetzt zurück. Sanft wippte sie zu den Klängen von Nirvanas „Lake of Fire“. Ziellos glitt ihr Blick über die Menschenmenge in der sie sich befand. An der Bar, fast verdeckt von anderen Tanzenden saß ein Junge mit einem Glas in der Hand. Sein Blick schweifte ebenso wie ihrer ziellos umher, schien jedoch nie den ihren zu treffen. Er gefiel ihr. Er erschien vollkommen losgelöst von seiner Umgebung, so als wäre er der einzige Gast in diesem Schuppen. Und obwohl dieses Verhalten von ihm absolute Kontrolle über seine Umgebung ausstrahlte wirkte er in ihren Augen irgendwie verunsichert. Eine sich so widersprechende Kombination fand sie irgendwie anziehend.
Um sich eine Pause zu gönnen wanderte Martina in Richtung Bar für ein Glas Wein. Wie zufällig streifte sie dabei den Arm des Typen, doch er ignorierte sie. Als wäre sie nur irgendjemand, der gerade an ihm vorbeigegangen wäre. Zu schade, wie sie fand. Nicht, dass sie gerade auf der Suche nach jemandem gewesen wäre, aber dennoch.
Tom versuchte so unbeeindruckt wie möglich zu bleiben, als sie ihn zufällig streifte um an die Bar zu gelangen. Sie bestellte eine Weinschorle und warf dem Kellner beim bezahlen ein Lächeln zu, welches so ehrlich war, wie ihr tanzen. Sie strich ihr Haar hinter die Ohren zurück und schien die ruhigen Töne, die der DJ gerade angeschlagen hatte, zu genießen. Bald schon nahm sie nichts mehr wahr als die unverkennbare Melodie von „Hotel California“. Mit dem Glas in der Hand kehrte sie gemächlich und wie in Trance auf die Tanzfläche zurück. Ihre Umgebung, inklusive ihn, schien sie schon nicht mehr wahr zu nehmen. Er seufzte und trank sein Glas aus. Der Abend war gelaufen. Die Erinnerung an eine flüchtige, zufällige Berührung und ein magischer Moment blieben zurück.
Martina blickte noch einmal zurück an die Bar. Der Platz, an dem sie zuvor den Typen gesehen hatte war leer. Schade. Hatte wohl nicht sein sollen. Sie zuckte traurig mit den Achseln. Lächelte dann jedoch wieder als sie das aktuelle Lied erkannte und schloss wieder die Augen. Sie tanzte alleine. Sie stellte sich vor, wie der Unbekannte die Arme um sie legte und gemeinsam mit ihr zu der Musik von „Every you, every me“ den Rest der Welt vergaß.