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Musik ist Freiheit
Die graue Stadt wirkte trotz der Sonne nicht freundlicher. Überall drängten sich Menschen von eiligen Geschäften in überfüllte Läden. Zwischen den Hochhäusern schien vorsichtig die Sonne hindurch, als wüsste sie nicht so recht ob ihre Anwesenheit geschätzt wurde.
Die Autos lärmten und fuhren rücksichtslos aneinander vorbei. Hupen, Motoren ächzten und heulten auf.
Ein Kind brüllte und wurde von der genervten Mutter weiter gezogen. Ein Obdachloser saß am Straßenrand und biss in ein trockenes Brot. Neben ihm stand ein Geschäftsmann und winkte nach einem Taxi.
Zwei Italiener stritten sich vor einem Imbiss und eine alte Dame rief ihren Hund zu sich.
Zwischen all dem Trubel, all dem Lärm stand ein Mann. Es schien als würde ihm all das gar nichts ausmachen. Er strich sanft über die Saiten seiner Geige. Kaum einer schien ihn zu hören. Doch er stand weiter an der belebten Straße, als gäbe es nur ihn - und sein Instrument.
Die Klänge glitten zwischen den finsteren Häusern hindurch, überquerten Autobahnen und befahrene Brücken. Sie flogen an Fenstern vorbei und zogen mit dem Wind hinaus aus der Stadt. Zwischen Wald, Feld und Dorf hielt der Wind kurz inne. Die Klänge schnupperten an einer Blüte, wälzten sich im Gras und sausten an den Bäumen hoch. Sie kreisten über einen Hof und beobachteten die Tiere. Die Sonne wärmte ihre unsichtbaren Flügel, und im rauschenden Bach wurden sie wieder abgekühlt. Sie hätten noch ewig bleiben können, doch der Wind drehte und drängte die Töne wieder zurück in die Stadt. Widerwillig ließen sie sich tragen vorbei an den Massen und eiligen Menschen und landeten schließlich wieder in der befahrenen Straße, zwischen den kalten grauen Häusern.
Der Musiker beendete sein Lied und schlug die Augen auf.
Ich starrte ihn weiterhin an. Er sah zu mir und lächelte. „Bist du mit der Musik in die Freiheit geflogen?“