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Mr. Dunham

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18.08.2015
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Mr. Dunham

Das Wasserglas war leer und sein Hals dennoch trocken als er seine Rede beendete. Er schluckte und ließ seinen Blick durch den Saal schweifen. Er wusste, dass dieser Abend ein Erfolg war. Er sah es in den Gesichtern der Männer und Frauen die ihm mit zivilisierter Zurückhaltung applaudierten, er sah es in dem zustimmenden Nicken einiger und dem Strahlen auf dem Gesicht seiner Frau. Sie saß in der ersten Reihe und hatte sich erhoben, um zu ihm auf die kleine Bühne zu kommen. Er hob die Hand und nickte dankend der Menge zu, ging seiner Frau entgegen. Ein flüchtiger Kuss, eine Umarmung. Sie lösten sich damit er wichtigen Männern die Hand schütteln konnte.

Es war ein bedeutender Schritt für ihn, als Politiker. Es würde noch Jahre dauern, bis er eine wirklich machtvolle Position erlangen konnte, aber heute Abend hatte er einen Grundstein für seine Karriere gelegt. Er lächelte und nickte, drückte Hände und arbeitete sich langsam durch den Saal. Er war müde, ein dumpfer Schmerz pochte gegen seine Schläfen und er hatte Mühe, den Menschen zuzuhören und zusammenhängende Antworten zu geben. Sein Kopf war leer und überfüllt zugleich. Er wollte nach Hause.
Seine Frau war immer besser in solchen Dingen als er. Er zog sie in eine ruhigere Ecke.
"Nicole, Schatz, könntest du für eine Weile hier bleiben und Fragen beantworten... Du weißt schon." Er machte eine umfassende Geste und seine Frau legte ihm liebevoll eine Hand auf die Wange.
"Geht es dir immer noch nicht besser?" Er schüttelte den Kopf und seufzte. "Geh nach Hause, ich bleibe. Ruh dich aus. Du warst großartig heute Abend." Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen und er lächelte. Sie war wunderschön, auch jetzt, mit Ringen unter den Augen und den ersten feinen Linien im Gesicht.

Er verabschiedete sich von einigen Gästen und entschuldigte sein frühes Gehen. Der Saal war stickig und warm, die Abendluft draußen war kühl und trocken und wehte angenehm über seine erhitzte Haut. Für einen Moment blieb er stehen, schloss die Augen und atmete tief durch, dann ging er auf eines der wartenden Taxis zu. Er nannte dem Fahrer seine Adresse und lehnte sich in den Lederpolstern des Wagens zurück, lockerte seine Krawatte. Er war dem Fahrer dankbar, dass er keinen Smalltalk führen musste und schloss die Augen, massierte seine Schläfen mit den Fingerspitzen.
Die Straßen waren recht frei und es dauerte keine halbe Stunde bis das Taxi an seiner Einfahrt zum Stehen kam. Er drückte dem Fahrer sein Geld in die Hand und stieg aus, kramte im Gehen seine Hausschlüssel aus der Tasche seines Jacketts.

Puppy, der Golden Retriever kam schwanzwedelnd aus dem Wohnzimmer getrottet um ihn zu begrüßen. Er streichelte über den weichen Kopf des Hundes und klopfte ihm die Seite, dann ging er ins Wohnzimmer, Puppy glücklich an seiner Seite. Kathy hob den Kopf begrüßte ihn lächelnd. "Wie war der Abend, Mr. Dunham?"
"Sehr gut, wir sind sehr zufrieden. Waren die Kinder brav?"
Das Mädchen nickte, "Das sind sie doch immer." Sie begann, ihre Bücher einzupacken. Im Flur gab Dunham ihr das verdiente Geld und verabschiedete sie freundlich.

Er ging in die Küche und spülte mit einem Glas Wasser eine Kopfschmerztablette herunter, dann machte er das Licht im Wohnzimmer aus und ging nach oben. Vorsichtig öffnete er nacheinander die Kinderzimmertüren und späte hinein. Das Licht, das durch den Türspalt fiel, beleuchtete die schlafenden Gesichter der Kinder. Leise schloss er die Türen wieder und ging in das Schlafzimmer das Nicole und er teilten. Er hängte das Jackett über einen der dekorativen Stühle und die Krawatte an einen der Haken an der Innenseite der Kleiderschranktür.

Nur noch mit Unterwäsche bekleidet zog er einen Bademantel über und ging in sein Arbeitszimmer. Nicole und er hatten beide jeweils ein Zimmer, das nur für sie war, in das sie flüchten konnten wenn sie eine Pause voneinander, der Familie oder der Welt brauchten.
Obwohl außer der Kinder und ihm niemand anderes im Haus war, schloss er die Tür hinter sich ab. Er hatte Zeit, es würden noch mindestens zwei Stunden vergehen bevor Nicole nach Hause kam.
Dunham öffnete eine Tür unten im Regal und nahm die Ordner von dem oberen Brett heraus, legte sie auf einem Stapel neben sich auf den Boden. Er nahm den Beutel, der hinter den Ordnern versteckt lag, heraus und stand auf. Er setzte sich an seinen Schreibtisch und holte einen Spiegel aus einer Schublade, stellte ihn vor sich auf. Eins nach dem anderen holte er die Gegenstände aus dem Beutel und legte sie ordentlich nebeneinander, in der Reihenfolge in der er sie benutzen würde.

Grundierung und der dazugehörige Pinsel ganz rechts, daneben Rouge und ein abschließendes Puder, Lidschatten und Pinsel, Wimperzange und -tusche, Lippenstift.
Bedächtig nahm er die Flasche der Grundierung in die Hand, drückte einen Teil des Produkts auf seinen Handrücken. Die Creme glitt weich über seine Haut, kühl am Anfang, doch nach dem Trocknen kaum zu spüren. Pinselstrich für Pinselstrich wurde Mr. Dunham ruhiger und entspannter.
Der Stress der vergangenen Tage fiel von ihm ab und das Makeup versteckte die dunklen Ringe unter seinen Augen. Er dachte nicht mehr über seine Kampagne nach, über die Verbindungen die er knüpfen, die Reden die er halten musste.

Er nahm sich Zeit, legte die Utensilien wieder ordentlich in die Reihe wenn er mit ihnen fertig war. Das einzige, bei dem er sich konzentrieren musste, war der Lippenstift. Er wurde besser darin ihn aufzutragen, aber seine Hände zitterten immer ein wenig wenn er versuchte die Feinheiten nach zu bessern. Schließlich legte er den Lippenstift ab und drückte die Lippen aufeinander um die Farbe zu verteilen, betrachtete sich zufrieden im Spiegel.
Das Gesicht, das ihm entgegenblickte war so anders als sonst, anders als die Fotos in der Zeitung, anders als die Bilder auf den Kampagne Flyern. Anders als er sonst war, aber trotzdem so sehr er selbst. Vielleicht sogar mehr als die Fotos, er wusste es nicht. Er hatte bereits vor Jahren aufgegeben, sich sein Verhalten erklären zu wollen, er konnte es nicht. Er liebte seine Frau und seine Kinder, er war glücklich mit seinem Leben und seinem Körper.
Und trotzdem schloss er sich regelmäßig in seinem Arbeitszimmer ein und tat, was er tat.

Er betrachtete sich noch eine Weile in dem kleinen Spiegel, drehte sein Gesicht und betrachtete sich von verschiedenen Winkeln. Dann schob er den Chefsessel zurück und stand auf, ließ den Bademantel zu Boden fallen. Er klappte eines seiner Bücher auf und holte einen kleinen Schlüssel zwischen den Seiten hervor, der eine Schublade des großen Regals öffnete. Sicherheitshalber hatte er einige Akten hinein gelegt. Er nahm die Hefter heraus und legte sie auf den Boden, dann griff er in die Schublade und zog die Kleidungsstücke heraus. Sorgfältig legte er sie über die Lehne des Schreibtischstuhls und zog sich aus, nahm einen Slip aus Spitze in die Hand.
Er strich mit dem Daumen über den weichen Stoff und zog ihn an, gefolgt von einer schwarzen Nylonstrumpfhose, die er vorsichtig hochzog um sie nicht zu zerreißen. Er stieg in das rote Kleid und schloss den Reißverschluss, holte ein Paar schwarze Pumps aus dem Regal und zog sie an. Es gab keinen großen Spiegel in dem Zimmer, und er traute sich nicht es so zu verlassen um den im Schlafzimmer zu benutzen.
Er drehte den Standspiegel herum und ging rückwärts bis er die Tür im Rücken spürte. Er konnte sich nicht ganz im Spiegel sehen, aber es war besser als nichts. Er betrachtete sich, so gut es ging und schritt in dem Zimmer umher. Er genoss das Gefühl, das die Schuhe ihm gaben, er fühlte sich größer, schlanker und sicherer. Machtvoll.

Seine Fantasie wurde zerbrochen als er ein Auto vor dem Haus halten hörte. Er warf einen Blick auf die Wanduhr und erschrak; es waren bereits eineinhalb Stunden vergangen, und Nicole schien schon da zu sein. Hastig zog er sich aus und legte die Kleidung zurück in die Schublade, warf die Akten darüber und schloss ab. Er sammelte seine Schminkutensilien ein und räumte die Ordner wieder ins Regal, zog den Bademantel über und hechtete ins Badezimmer, schloss hinter sich ab.
Er hörte, wie die Haustür ins Schloss fiel und Nicoles Absätze auf den Fliesen klickten. Sie kramte unten herum, legte vermutlich Mantel und Tasche ab und kam dann die Treppen herauf. Dunham spürte sein Herz in seinem Hals schlagen, als ihm der Gedanke kam Nicole endlich den heimlichen Teil seines Lebens sehen zu lassen. Er biss sich auf die Lippe und legte die Hand an den Schlüssel der Badezimmertür.

Er erschrak als er hörte wie nah seine Frau war. Seine Gedanken rasten, als er ihre möglichen Reaktionen im Kopf überschlug, versuchte abzuwägen, ob diese Wahrheit ihrer Beziehung schaden würde. Seine Finger klammerten sich um den Schlüssel, drehten ihn langsam, nicht ganz weit genug um die Tür aufzuschließen. Dann ließ er los und trat einen Schritt von der Tür zurück, hängte den Bademantel an den Haken an der Tür ging schnell in die Duschkabine.
Das Wasser prasselte warm auf seine Schultern, ließ das Makeup verlaufen. Er streckte sein Gesicht dem Wasserstrahl entgegen und rieb sich mit den Händen über die Augen. Nicole klopfte an die Tür und er stellte das Wasser ab. "Alles in Ordnung? Bist du bald fertig?"
"Ja! Ja, ich bin gleich soweit." Er stellte das Wasser wieder an und drückte sich Duschgel in die Hand. Sein Geheimnis lief mit dem Schaum seinen Körper herunter in den Abfluss.

 

Hola A Wilde,

wie ich höre K ist man hier gar nicht so fehl am Platz.
Wirklich nicht, ganz und gar nicht!
Lass Dich willkommen heißen in der ehrenwerten Firma. Wegen Deines Textes hätten wir vor Dir den roten Teppich ausbreiten müssen! Sprachlich und inhaltlich ganz große Klasse!
Mr. Dunham – ein Brite wie aus dem Bilderbuch! Auch im Klischee – ich mag diese schon tausendmal durchgedrehten Leute immer wieder. Ich hoffe nicht, dass ich auch so eine Neigung habe, doch wären die Briten nicht halbverrückt, dann wären sie zu perfekt.
Also – ohne Umschweife: Mir hat Dein Text außerordentlich gut gefallen. Natürlich hab ich im Hinterkopf Dein Alter - das kann nur dazu führen, dass ich sagen muss: Doppelrespekt.
Das ist eine großartige Leistung!
Schluss.

PS: Ich hoffe, Du bleibst dem Forum bis ans Ende der Welt erhalten!
José

PSPS: Fast hätte ich’s vergessen! Ein paar Kommas waren einfach nicht da:

... sein Hals dennoch trocken K als er seine Rede beendete.
... Männer und Frauen K die ihm mit ...
Sie lösten sich K damit er ...
... getrottet K um ihn zu begrüßen.
... hob den Kopf K begrüßte ihn ...
... in das Schlafzimmer K das Nicole und er teilten.
... bekleidet K zog er einen ...
... zwei Stunden vergehen K bevor Nicole ...
... in der Reihenfolge K in der er sie benutzen würde.
... über die Verbindungen K die er knüpfen ...
... in die Reihe K wenn er mit ihnen ...
... zitterten immer ein wenig K wenn er versuchte K die Feinheiten ...
... die Lippen aufeinander K um die Farbe zu verteilen, ...
... das ihm entgegenblickte K war so anders ...
... er vorsichtig hochzog K um sie nicht zu zerreißen.
Er erschrak K als er hörte K wie nah seine Frau war.
... nicht ganz weit genug K um die Tür aufzuschließen.
... er traute sich nicht K es so zu verlassen K um den im Schlafzimmer zu benutzen.
'Um den’ ist etwas unrund (pardon), vielleicht ‚jenen’?
... ging rückwärts K bis er die Tür im Rücken spürte.
... wurde zerbrochen K als er ein Auto ...
... als ihm der Gedanke kam K Nicole endlich den heimlichen Teil ...

... schritt in dem Zimmer umher.
Warum nicht einfach ’im Zimmer’?
Die Straßen waren recht frei ...
‚Recht frei’ versteht jeder, trotzdem finde ich diese Formulierung nicht besonders geglückt.
Wimperzange
Wimpernzange
... nach zu bessern.
nachzubessern
Kampagne Flyern
Vielleicht ein Verbindungsstrich, denn es ist ja ein Begriff.
... hatten beide jeweils ein Zimmer, das nur für sie war, in das sie flüchten konnten K wenn sie eine Pause voneinander, von der Familie oder der Welt brauchten.
Hier würde ich das ‚von’ noch einmal einsetzen, weil das erste ‚von’ ja bereits in ein Wort eingebunden ist.
Dunham spürte sein Herz in seinem Hals schlagen, als ...

Seine Fantasie wurde zerbrochen K als er ein Auto vor dem Haus halten hörte.
Eine ‚zerbrochene Fantasie’ ist, glaube ich, noch nicht das Gelbe vom Ei. Da gibt’s bessere Lösungen.

... bis das Taxi an seiner Einfahrt zum Stehen kam.
An ‚seiner Einfahrt’ klingt unvollständig.

Damit kein Frust aufkommt, muss noch einmal kräftig gelobt werden, der guten Beobachtungen und Formulierungen wegen:

Sie war wunderschön, auch jetzt, mit Ringen unter den Augen und den ersten feinen Linien im Gesicht.
Das in aller Ruhe gesagt, ist sehr anrührend.
Er strich mit dem Daumen über den weichen Stoff ...
Ich glaube auch, der Daumen ist der sinnlichste unserer Finger;) (Wenn er ein Finger wäre)

Er hatte bereits vor Jahren aufgegeben, sich sein Verhalten erklären zu wollen, er konnte es nicht.
Die hohe Schule der Psychologie.
Er konnte sich nicht ganz im Spiegel sehen, aber es war besser als nichts.
Total gelungen!!
Er genoss das Gefühl, das die Schuhe ihm gaben, er fühlte sich größer, schlanker und sicherer. Machtvoll.
Grandios.

A Wilde, jetzt bin ich selbst erschrocken, wie lang mein Komm ausgefallen ist, aber Dein Text ist einfach zu gut, als dass man den mal so eben über den Löffel balbiert. Und die paar Kommas kriegst Du mit links in den Griff.

 
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Hallo Feuerwanze,

danke! Freut mich, dass der gewünschte Effekt bei dir eingetreten ist ;)

LG A Wilde

Hallo josefilipe,

erst einmal danke für das liebe Lob! Ich bin mir natürlich darüber im Klaren, dass mir noch einiges an Erfahrung fehlt, aber es freut mich, dass dir der Text gefällt :)

In meinen bisherigen Beiträgen sind überlange Sätze und Kommasetzung einige Male zur Sprache gekommen, da sich dieses Mal bisher niemand über die Satzlänge beschwert hat gehe ich davon aus, dass sie in Ordnung ist. Jetzt bleibt noch die Kommasetzung, die bei mir einfach nicht so richtig will wie ich... Übungssache, hoffe ich ;)

LG, A Wilde

 

Hey maria.meerhaba, mit war nicht bewusst, dass es hier eine Etikette gibt was Kommentare angeht... Ich habe deinen Kommentar natürlich gelesen und zur Kenntnis genommen, aber weil ich nicht sofort wusste, wie ich antworten soll, habe ich ihn mir als letztes aufgehoben und muss dann vergessen haben zu antworten, tut mir leid.

 

Ich werde es in Zukunft im Hinterkopf behalten, wie gesagt, war nicht mit Absicht. Kein Grund, aggressiv zu sein.

 

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