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Mr. Bloomsburg oder Die fortschrittliche Spießergesellschaft am Ende des 20.Jhdts

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08.07.2003
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Mr. Bloomsburg oder Die fortschrittliche Spießergesellschaft am Ende des 20.Jhdts

Er eilt auf die gegenüberliegende Straßenseite, um das Taxi noch zu erwischen. Zu spät zu kommen liegt nicht in seiner Natur.
Er betastet seine Aktentasche. Gut. Seine Notizzettel waren darin, sowie sein Lunchpaket, liebevoll von seiner Frau Maisie zubereitet.
Mr. Bloomsburg hebt die Hand, und das Taxi fährt zu.
Zum Atlantic Union-Gebäude, sagt er zum Fahrer, nicht unhöflich, aber dennoch bestimmt.
Es ist sechs Uhr, und über Washington DC strahlt immer noch die Sonne. Ein wunderschöner Sommertag, wie geschaffen dafür, altes aus der Welt zu schaffen und neues zu kreiren.
Die Menschheit muss umdenken, das hatte er schon oft zu seiner Frau gesagt.
Ja, es war schlimm, wie veraltet einige Menschen zu dieser Zeit, im Jahre 1998, an diesem wunderbaren Junitag noch dachten, wie sie fremdenverachtend und konsumsüchtig die Avenues hinabschlenderten.
Da müsse man was tun, hatte Mr. Bloomsburg gesagt und die werten Kollegen zu einer Sitzung ins Atlantic Union eingeladen.
Das Taxi hält, und er steigt aus, drückt dem Fahrer das Geld in die Hand, zwölf Dollar zwanzig, und natürlich gibt er dreizehn Dollar her und sagt Behalten sie den Rest.
Ganz selbstverständlich für einen rechtschaffenen Bürger wie ihn. Er bedankt sich und schreitet auf das majestätische Gebäude zu. Im Vortragssaal warten bereits die Kollegen, deren Frauen und auch einige hochangesehene Bürger der Stadt, die alle seinen Vortrag hören wollen.
Wie selbstverständlich geht er von einer Person zur anderen, schüttelt Hände und betreibt Smalltalk. Eine Pflicht, die er in Ehren hält.
Und da kommt auch schon Mrs. Landale, die Frau des Arztes, und erkundigt sich nach dem heutigen Programm.
Mr. Bloomsburg gibt ihr bereitwillig Auskunft, schließlich ist sein Projekt etwas sehr Gutes. Etwas Fortschrittliches, das hier so nötig gebraucht wird in dieser mit Vorurteilen gesegneten, fehlgeleiteten Gesellschaft.
Ein Vortrag gegeb Fremdenhass, antwortet er und rückt seine Krawatte zurecht. Und er beginnt zu erzählen, von der Ungerechtigkeit gegenüber Ausländern, besonders gegenüber Schwarzen, über die Einwirkung der Medien, wo "Andere" immer die Bösewichter, Vergewaltiger und Mörder darstellen, sowohl in Serien als auch in den Groschenromanen, die es unten im Supermarkt für zwei Dollar zu kaufen gibt. Da muss etwas getan werden, so kann das ja nicht weitergehen, dass wir den Schwarzen wie unsere primitiven Vorfahren alles wegnehmen und sie versklaven. Auch den von ihren Eltern fehlgeleiteten Kindern muss das ausgetrieben werden, jawohl. Nur so können wir eine fortschrittliche, multikulturelle Gesellschaft schaffen.
Und Mrs. Landale hört zu, genau wie die späteren Zuhörer von Bewunderung für den gebildeten, modernen Mann mittleren Alters mit dem netten Haus in der Vorstadt, der netten Frau und der netten Tochter geblendet.
Und um neun Uhr, nach seinem Vortrag, eilt Mr. Bloomsburg heim zu seiner Frau, um ihr von dem gelungenen Abend zu erzählen. Alle haben geklatscht und seine Verbesserungsvorschläge gut aufgenommen.
Die Gesellschaft ist auf dem Wege zur Besserung, ja, das würde er Maisie sagen.
Da ist auch schon sein hübsches Haus mit dem Vorgarten und Maisies herrlichen Blumen. Wie sehr er das doch alles liebt!
Er eilt, ja läuft beinahe die Einfahrt hoch. Im trüben Licht der Straßenlaterne bewegt sich etwas, und er kneift die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
Erst als er näher kommt, entdeckt er den jungen Mann mit der dunklen Haut, und er denkt fröhlich, sein Herz überquillend vor Nächstenliebe und Toleranz, wie er an diesem vorbei in sein Haus gehen und den jungen Mann freundlich grüßen wird. Nicht so wie einige andere Personen, die hochmütig die Nase rümpfen würden, denn er ist fortschrittlich.
Er kommt näher, und sein fortschrittliches Lächeln gefriert ihm auf den fortschrittlichen Lippen. Er möchte etwas sagen, doch zuerst muss er Luft in seine fortschrittlichen Lungen saugen.
Denn der junge Mann ist nicht alleine. Mit einem Arm umfasst er ein hübsches, weißes Mädchen, und dieses lächelt ihn verliebt an. Ds Mädchen hat lange blonde Haare und strahlend blaue Augen.
Es ist Rose. Seine Rose. Seine einzige Tochter.
Er denkt nicht mehr nach. Rose!, brüllt er, und das Mädchen erschrickt. Der junge Mann lässt seinen Arm sinken und sieht den Mann auf sich zukommen, der wie von Sinnen Raus hier brüllt, und Rose versucht etwas zu sagen, doch der Vater hat sie bereits ins Haus gezerrt.
Was ihr eigentlich einfalle, brüllt er sie drinnen an, wo die Nchbarn ihn nicht hören können, vor meinem Haus mit irgendeinem schwarzen Kerl herumzumachen. Meine Tochter! Mein Fleisch und Blut! O mein einzig Kind!
Und das Mädchen sagt verschüchtert, Das...das ist Tony, er ist..mein Freund.
Und Mr. Bloomsburg brüllt, ob Tony oder anderswie, der Typ kommt mir nicht mehr unter die Augen. Was denkst du eigentlich? Was weißt du über ihn? Er kann ein Krimineller oder sonstwas sein.
Und er geht ins Wohnzimmer und knallt, ganz fortschrittlich, die Tür zu.

 

Hi capella,

herzlich willkommen auf kurzgeschichten.de. :)

Deine Geschichte ist sauber geschrieben und liest sich recht flüssig. Ich hatte Lust weiterzulesen... das geht mir häufig auch anders..

Allerdings war sie mir als satire zu brav - satirisch war eigentlich nur der schluss. Dafür überzeichnest du Mr. Bloomsburg und seine Umgebung noch nicht stark genug - finde ich.

Die Idee war mir einen Tick zu einfach. Irgendwie typisch, dass zwar jeder irgendwie gearteten Fortschritt will - nur nicht bei sich zuhause. Das erinnert ja auch an die spardiskussionen des staates zur zeit. Besser hätte ich es gefunden, wenn Bloomsberg nicht so typisch wäre - wenn Mr.B. sich in einer Diskussion heftig dafür ausgesprochen hätte schwarze Waisen aufzunehmen und dabei andere rassisten geschimpft hätte - wäre es schon etwas extremer gewesen..irgendwie jemand von dem wir nun überhaupt nicht erwarten, dass er einen schwarzen freund seiner tochter nicht akzeptiert..:rolleyes: er ist eigentlich der typische spießer, dem man so eine reaktion und doppelmoral auch zutraut..

aber sorry - ich wollte nicht deine geschichte neu schreiben, aber vielleicht ist ja ne anregung dabei..

freue mich weiteres von dir zu lesen..

viele grüße, streicher

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi! Erstmal danke ich allen für die Kritik. Kann sein dass ich ein paar Tippfehler gemacht habe, ich schreibe immer sehr schnell und manchmal unkonzentriert....
@ PM: Ich wohne in Österreich und nicht in Deutschland. Mag sein, dass du recht hast, aber mir ist das mit der Doppelmoral bis jetzt immer nur in den USA aufgefallen, vor allem, nachdem ich schon mal dort war. Sicher trifft das nicht auf alle Gebiete in den USA zu, vielleicht bin ich auch ein bisschen zu stark von "Bowling for Columbine" beeinflusst worden ;)

 

Eigentlich sollte meine Geschichte gar keine direkte Kritik an den USA sein, sondern einfach an diese Art von Menschen, die recht fortschrittlich tun und sich dann, wenn es sie persönlich trifft, doch zu gut dafür sind. Dass die Gesichte in den USA spielt, liegt eher daran, dass ich fast alle meine Geschichten, Aufsätze etc. in einem anderen Land spielen lasse. Nicht aus böser Absicht, ich bin weiß Gott keine Patriotin und rege mich auch oft genug über unser eigenes Land auf, vielleicht einfach, weil ich andere Länder interessanter finde und sie daher lieber als "Kulisse" nehme.

 

So ihr Süßen,

den Rest klärt ihr bitte per PM, ok?

Vielen Dank.

 

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