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Moses

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13.10.2003
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Moses

Moses

Der Mann, der, in früheren Morgen Stunden, unter einer blauen Plastikfolie wach wurde, hieß Moses. Über der Plastikfolie, mit der er seinen Krempel zugedeckt hatte, lag feiner Reif und er spürte die Kälte der Nacht auf seiner rauen Haut.

Weil er Moses hieß, meinten viele er sei ein Jude. Moses sprach viel und beim Sprechen setzte er gerne seine Hände ein und aus dem Grund glaubten einige, er sei ein Italiener. Wegen seiner türkisfarbenen Augen und seiner hellen Haut vermutete man ein slawisches Land als Herkunftsland, doch weder Jude war er, noch Italiener, noch kam er aus irgendeinem slawischen Land.

Sein linkes Bein war kürzer als sein rechtes und sein Kinn trug eine tiefe Narbe. Wenn man ihn fragte woher er kommt, sagte er, er sei ein Weltbürger und würde sich selbst vertreten und nicht das Land in dem er geboren wurde. Nein, nicht weil er sich wegen seiner Herkunft schämte, sondern weil Moses nicht auf seine Nationalität reduziert werden wollte, beantwortete er ungern diese Frage, wenn sie gleich am Anfang eines Gesprächs gestellt wurde.

Ein Asylbewerber zu sein, war nun mal nicht einfach. Seit Jahrhunderten wurde die Dritte Welt ausgebeutet, aufgehetzt und obwohl man für die Leute, die nach Westen wollten, Verständnis aufbringen sollte, fiel das Vielen schwer. Jeder sollte da leben können wo er will, doch ist die Menschheit noch nicht ganz soweit.

Es war ein nebliger Morgen. Der Lärm der vorbei fahrenden Autos wurde unerträglich. Bestimmt würde er von dem Zeug viel verkaufen, was er Monate lang zusammen gesucht hatte. Immer wieder suchte er in den Wertstoffhöffen und den Müllanlagen nach etwas Brauchbarem und wenn er ein kaputtes Bügeleisen, ein uraltes Staubsauger Model oder einen verkalkten Wasserkocher gefunden hatte, war er überglücklich. Alte Kleider nahm er auch mit (in die dritte Weltländer geschickt, machen sie die dortige Textilindustrie kaputt) und verkaufte sie auf dem Flohmarkt.

Für seine Fundsachen gab es immer wieder Käufer. Es gab Leute, die ihre Wohnungen komplett mit auf dem Flohmarkt gekauften Sachen einrichteten. Moses schickte das Geld, das er auf dem Flohmarkt verdiente zu seiner Familie. Seine Familie bestand aus seinen zwei Töchtern und seiner alten Mutter und sie lebten als Flüchtlinge im Iran. Seine Frau verlor er im Krieg in Afghanistan. Sieben Jahre lang musste auch er in den Bergen des Landes kämpfen ohne je verstanden zu haben, warum.

In diesem Jahrhundert noch Kriege zu führen, war eine Schande. Offensichtlich liegt es in der Natur des Menschen, sich selbst zu vernichten. Viel schlimmer ist es, dass das Bewusstsein der Menschen in seinem Land von einem blinden Glauben getrübt wird. Er selbst war nicht gläubig.

Der Morgen wurde heller. Die Tapeziertische wurden eins nach dem anderen aufgestellt. Die Standgebühren wurden gesammelt und schon kamen die Ersten zum Flohmarkt.

Die Nacht hätte er nicht unter der Plastikfolie verbringen sollen. Sein Bein schmerzte jämmerlich und er hustete seit ein paar Wochen Blut.

Am Nachmittag, nach dem er sein gesamtes Zeug verkauft hatte (ungefähr Zweihundert DM nahm er ein), setzte er sich auf die Plastikfolie und aß sein Wurstbrot. Der Himmel verdunkelte sich, obwohl es vier Uhr nachmittags war und da war wieder dieser Schmerz, der vibrierend aus seinem Knie emporsteigt, seine Hüften wie eine eiserne Hand umschlingt und sein Herz beben läst.

Gegen den Schmerz in seinem Bein nahm er Opium, aber gegen seine seelischen Schmerzen war er machtlos. Er war Grundschullehrer, seine Frau auch, die er über alles geliebt hatte und nach dem er sie auf dem Weg nach Iran verloren hat, war ihm das ganze Leben verhasst. Trotzdem verlor er seinen Mut nicht, und schaffte es nach Deutschland zu kommen. Sein größter Wunsch war es, seine Töchter zu sich zu holen, doch das war nicht einfach.

Auf dem Weg nach Hause wurde sein Husten schlimmer. Der Wind blies ihm kalt ins Gesicht. Er fühlte sich kraftlos und vom Leben verlassen. An einer Bushaltestelle lehnte er sich an das Glashäuschen und hustete. Kurz später kam der Bus, mit dem er zu seiner Wohnung fahren wollte. Hinkend stieg er ein und setzte sich auf den hintersten Sitz.

In dem Bus war es angenehm warm. Moses sah sich das Herz, das mit einem dicken roten Filzstift auf den Rücken des vorderen Sitzes gezeichnet war, an. Ein Pfeil durchbohrte das kleine Herz und es blutete. Darunter stand eine Telefonnummer und ein Mädchenname.

Seine Augenlieder wurden schwer. Nach ein paar Minuten schlief er ein. Von einer grünen Wiese träumte er, auf der seine Frau mit einem Blumenkranz auf ihrem Kopf, zu ihm glücklich winkte. Die Wiese war voller Mohnblumen. Er winkte zufrieden zurück.

Ein Lächeln war auf seinem Gesicht zu sehen, als die Leute, die neben ihm saßen, bemerkten dass er tot war.

 

Hallo Hanna,

Deine Geschichte fängt ganz gut an, aber dann wird sie meiner Meinung nach schwächer und zum Schluß ist sie in meinen Augen sogar recht platt: Klar, daß Moses am Ende stirbt. Klar, daß sein Traum, die Kinder nach Deutschland zu holen, wie eine Seifenblase zerplatzt. Besser hätte ich einen offenen Schluß gefunden.
Auch ist mir unklar, wie er von dem wenigen Geld an Opium kommt. Hat er irgendwelche Beziehungen oder wie verschafft er sich das? Von seinem spärlichen Einkommen wird er es wohl kaum können - nehme ich mal an...

Fazit: Die Idee Deiner Geschichte ist nicht schlecht. Sicher; nicht neu, aber doch immer wieder aufs Neue interessant. Ich finde, Du hättest ein wenig mehr aus der Story rausholen können. Sie ist es wert! :)

Grüßle,
stephy

 

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