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Morgens in Köln
Er hatte am Vorabend vergessen den Wecker zu stellen, und wurde wach, als es schon viel zu spät war.
Er war aufgesprungen, hatte sich in Windeseile fertig gemacht und war aus dem Haus gestürmt.
Als er um die Ecke bog, fuhr die Strassenbahn gerade ein. Mit einem Sprint erreichte er die Bahn in dem Augenblick, als sich gerade die Türen schlossen. Er schob sie wieder auf und war drin.
Wenigstens das hat geklappt, dachte er, während sich sein Brustkorb von der kurzfristigen Anstrengung hob und senkte. Weil es nur wenige Stationen waren, blieb er gleich dort stehen, wo er eingestiegen war.
Und dann sah er sie.
Sie saß ihm gegenüber auf einem Platz am Gang und lächelte ihm zu.
Seine schlechte Laune war wie weggeblasen, er lächelte zurück.
Dann, nachdem sie sich länger, als das es Zufall hätte sein können, in die Augen schauten, senkte sie wieder ihren Blick, um sich der Lektüre ihres E-Book-Readers zu widmen.
Das bot ihm Gelegenheit, sie genauer zu betrachten.
Sie hatte dunkelbraunes, leicht gelocktes, schulterlanges Haar und einen dunklen Teint. Vielleicht kam sie aus Südamerika, wer weiß!
Sie trug ein enganliegendes T-Shirt, das ihre Figur perfekt zur Geltung brachte.
Ihre sinnlichen Lippen wurden von ihrem Lippenstift perfekt betont, ohne aufdringlich zu wirken. Sie hatte Stil und wusste genau, wie sie sich in Szene setzen musste.
Sie spürte wohl seine Blicke, denn sie hob langsam den Kopf. Er riss sich los und blickte zum Fenster hinaus.
Wie peinlich, schoss es ihm durch den Kopf!
Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie ihn betrachtete, und wieder zeigte sie ihr bezauberndes Lächeln. Als er sich zu ihr wandte, hatte sie sich aber wieder in ihre Lektüre vertieft.
Er schloss die Augen.
Warum ging er nicht einfach zu ihr. Er könnte sie zu einer Tasse Kaffee einladen, ganz einfach! Sie könnten miteinander reden und er würde sich in ihren Augen verlieren.
Er stellte sich vor, sie zu berühren, erst wie zufällig. Ihr Flirt wäre heiß, es würde knistern und prickeln und alles gleichzeitig und immer mehr.
Irgendwann wäre es nicht mehr auszuhalten, Geld auf den Tisch und das Café verlassen.
Sie nähme ihn mit und dann würden sie sich, sobald die Wohnungstür zufiel, ihre Sachen herunterreißen.
Er stellte sich vor, ihren Körper mit Küssen zu bedecken, ihre Feuchtigkeit zu spüren und zu schmecken. Sie würde ihn umschließen mit ihrer Sinnlichkeit, ihrer Wärme, ihrem Körper.
Sie wären Eins, ihre Ekstase wäre unbeschreiblich und sie würde flehen nie, nie wieder damit aufzuhören.
Er genoss ihren betörenden Duft, spürte ihren Mund, so real.
War das real? Sein Herz raste. Er öffnete die Augen. Ihr Platz war leer.
Etwas enttäuscht entschloss er sich, morgen wieder die gleiche Bahn zu nehmen - egal wie spät es war. Er wollte sie wiedersehen und dann wollte er mutiger sein.
Mit diesem Gedanken stieg er gut gelaunt an der nächsten Station aus.
Mit einem Lächeln auf den Lippen ging er die wenigen Meter bis zu dem Bürohaus seiner Firma. Die Menschen, die ihm entgegen kamen, erwiderte sein Lächeln, manche grüßten sogar.
Als er den Haupteingang betrat, rief er einen Guten-Morgen-Gruß zu den Damen am Empfang herüber. Svenja, eine der Empfangsdamen, sah auf, ein wenig länger als normal, und winkte ihn dann mit dem Finger zu sich.
Als er vor ihrem Schreibtisch stand, beugte sie sich zu ihm und zog ihn an seiner Jacke noch näher heran und flüsterte.
„Dein Tag fing ja anscheinend gar nicht schlecht an, aber bevor du in dein Büro gehst, mach noch einen Stopp auf der Toilette und wisch den Lippenstift ab!“