Mitglied
- Beitritt
- 30.07.2016
- Beiträge
- 33
Morgenrunde
Auf einer Wiese steht Schlachtvieh in der Sonne. Apfelbäume bieten Schattenplätze, die Weide ist großzügig bemessen und idyllisch zwischen Feldwegen eingebettet.
Die Rinder blinzeln gelassen die Fliegen aus ihren Augen, ihr Fell in einem schmutzigen creme-Ton.
"Schön hier", denke ich. Meine Hunde wälzen sich im feuchten Gras. Der frühe Morgen hat den Tau in den Wiesen hinterlassen wie Schlaf in den Augen.
Die Luft ist noch kühl, doch die warmen Ausdünstungen von massigen Leibern und Mist wehen von der Weide hinüber.
Am äußeren Rand der Gruppe steht ein gewaltiger Bulle. Durch die zartrosa Nüstern ist ein Edelstahlring gezogen, auf seiner Stirn kräuselt das Fell sich zu Locken. Neben ihm liegt eine Kuh im Schatten eines Apfelbaumes.
Sorgfältig und bedächtig leckt der Bulle ihr über den Kopf, den Nacken, die Flanke. Ein Geräusch wie von Schmirgelpapier. Die Kuh blinzelt und schnaubt dazu.
Das Grün der Wiese geht fließend über in die Brauntöne der aufgewühlten Erde, in den gedeckten Cremeton der Herde, ins blasse Blau des Himmels.
Die Identifikationsnummern in den Ohren der Kühe sind grellgelb ins Fleisch getackert. Die Zahlenfolge darauf schwarz und nüchtern.
Das Gelb sticht ins Auge. Unpassend, unästhetisch, künstlich.
Die Hunde liegen im Gras und hecheln, ich erschlage eine Bremse auf meinem nackten Arm.
Das Surren der Fliegenschwärme fällt mir plötzlich auf, die Plumpheit der Herde vor meinen Augen. Zu schwer, zu unbeweglich.
Müde wirken die Schritte der Zuchtrinder, vom eigenen Körpergewicht gedrosselt.
Der Bremsenstich schmerzt und juckt.
Ich beginne zu schwitzen, die Fliegen bemerken es. Hinter mir winselt meine alte Hündin leise, sie langweilt sich.
Der Bulle putzt beständig mit rauer Zunge die liegende Kuh, das Schaben klingt scharf in meinen Ohren, unangenehm.
Ich beschließe, weiterzugehen.
Auch ich langweile mich wohl inzwischen, denke ich.
Ich wende mich ab von dem lächerlichen Stacheldraht der Tonnen an Gewicht zähmt, das gar nicht gezähmt werden muss. Das daliegt und wiederkäut und blinzelt, sanftmütig, viel zu schwerfällig und ohne Bewusstsein über gelbes, hartes Plastik im Ohr.
Die Hunde laufen voraus, der warme Geruch von Fleisch und Mist verflüchtigt sich. Ein Windstoß bläst mir kühlere Luft ins Gesicht. Ich atme tief durch.