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Mordsehrlich
„Ich muss dir etwas beichten.“
Seine Worte trafen sie unvorbereitet. Sie hatte nicht mit ihm gerechnet. Nicht zu dieser unchristlichen Zeit. Durch das Türklopfen aus dem Schlaf gerissen war sie plötzlich hellwach und trat zur Seite, um ihm Einlass zu gewähren.
Er war triefend nass. Als er mit durchweichten Wildlederschuhen ihre Wohnung betrat, hinterließ er Pfützen auf ihrem Parkett und brachte einen eisigen Windzug mit hinein, der sie frösteln ließ.
„Was ist denn los?“, fragte sie stirnrunzelnd und beobachtete, wie er sich an die Tischkante lehnte.
Er blickte zu ihr auf, hohlwangig und müde, und nichts an ihm erinnerte sie an den lebenslustigen Mann, der mit ihr die Nächte durchtanzt hatte, ihr hin und wieder ohne Anlass einen Strauß Rosen schickte oder spontan vorbei gekommen war, um sie zu einem Wochenende nach Paris mit zu nehmen, wo sie außer der Decke des Hotelzimmers nicht viel zu sehen bekommen hatte.
„Ich bin ein Mörder.“
Seine Worte trafen sie wie ein Stich ins Herz und sie trat einen Schritt zurück.
„Was…?“, hauchte sie und ihre Kehle schnürte sich zusammen.
„Es stimmt“, sagte er tonlos, „ich bin ein Mörder.“
Für wenige Sekunden herrschte Totenstille.
„Du hast jemanden umgebracht?“, fragte sie atemlos. „Wen? Wieso?“ Ihr war, als lägen plötzlich tonnenschwere Lasten auf ihren Schultern.
„Sie war noch so jung. So wunderschön…“
„Eine Frau? Wer ist sie?“ Sie sah ihn an und seine Emotionslosigkeit ließ ihre starren Glieder zittern.
„Ich habe sie geliebt…“
Während die Pfütze unter seinen Füßen sich stetig ausbreitete, mischte sich unter ihre ursprüngliche Bestürzung etwas Anderes. „Geliebt…“, wiederholte sie hart und ihre Hand krallte sich in den Stoff ihres Oberteils. „Wer war sie?“
„Für sie war es nicht mehr als eine Affäre, ein paar Monate Spaß… doch für mich war sie die Welt.“
Seine Lippen pressten sich zu einem schmalen Strich zusammen und wenn sein Blick nicht leer gewesen wäre, hätte sie einen Ausdruck von Schmerz auf seinen Zügen erkannt.
Ihre Augen flackerten hin zum Telefon und einen Moment lang erwog sie es, hinüber zu rennen und die Polizei anzurufen, aber sie bewegte sich nicht einen Zentimeter. Sie leckte sich fahrig über ihre eiskalten Lippen.
„Wieso bist du hier? Wieso erzählst du mir das?“
Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Doch kein Funken Freude lag darin.
„Sie hat mit mir gespielt, weißt du? Ich habe sie geliebt, aber für sie war ich nichts. Sie hat mich betrogen, ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Sie sind essen gegangen. Er hat ihre Hand gehalten.“
Ihr Herz begann zu rasen, während sie zusah, wie er etwas unter seinem Hemd hervorzog.
„Wenn ich sie nicht haben kann, dann soll sie keiner haben.“
Sie starrte direkt in den Lauf einer Pistole, die er auf sie gerichtet hatte und sie wusste, dass es das letzte sein würde, was sie sah.