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Mord auf Irrwegen

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09.05.2012
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Mord auf Irrwegen

Mord auf Irrwegen

Martin Wallizer erwachte zwischen leeren Flaschen. Seine an den Knien zerrissene Hose war nicht nur von schalem Bier getränkt. Er stöhnte, griff sich an die Stirn und kam auf alle Viere. Das 15 qm große Wohnzimmer glich einer Müllhalde. Zum Dreck der vergangenen Wochen hatten sich weitere Flaschen, Verpackungen und Kotzpfützen gesellt. Auf dem Weg zum Badezimmer trat er in eine, rutschte wegen des glatten Linoleums fast darauf aus.
Auf dem verschmierten Glas des Spiegels thronte ein weißer Spuckfleck. Die Saufkumpane hatten sich heimisch gefühlt. Im Dreimonatsbart hingen Krümel und Getrocknetes. Martin hatte keine Zahnbürste. Er hatte nur noch 5 brauchbare Zähne und die waren nicht im Sichtbereich. Er schlurfte in die Küche, holte einen Milchkarton aus dem Kühlschrank und rümpfte die Nase, nachdem er an der runden Öffnung geschnuppert hatte. Im Schrank waren keine sauberen Gläser mehr, die in der Spüle schimmelten. Martin kämmte sich die verbliebenen Haare über die Halbglatze und die Krümel aus dem Bart, dann schwankte er aus der Wohnung.
Es war Hochsommer. Die Hitze dünstete Martins Körperflüssigkeiten angewiderten Passanten entgegen. Er machte sich nichts aus den Blicken, er war sie gewöhnt. Am Pariser Platz traf er auf die Bekannten Oppelmann, Krüger und Mertens. „Ja, seht mal, der Martin! Was treibt dich denn vor die Tür? Hab gehört, ihr habt gestern gefeiert. Siehst nach ´ner langen Nacht aus“, rief ihm Mertens schon von Weitem entgegen. Irgendwoher hatten die Gestalten einen Sixer , der Grund für die widerlich gute Laune.
Martin seinerseits hatte keinen Cent mehr in der Tasche und noch drei Wochen vor sich. Er setzte sich auf die steinernen Treppen zum Springbrunnen. Oppelmann pisste ins stinkende Wasser. Weitere Flecken zeichneten sich in den Schritt seiner steingewaschenen Jeans.
„Habt ihr ein Bier über?“, fragte Martin. Krüger lachte. Seine Fahne schwängerte die schwüle Luft.
„Für Dich, Kollegenschwein?“ Er nuckelte demonstrativ am grünen Flaschenhals. „Seh ich aus wie die Wohlfahrt?“
Martin beschloss, dass hier nichts zu holen war. Er spazierte direkt zum U-Park. Gestern Herrentag, viele Grillmeister, ne Menge Leergut auf dem Rasen. Martin suchte die leichten PET Flaschen, das Glas lohnte sich nicht.
Es war heiß und stickig. Er setzte sich zum Verschnaufen auf eine Bank, dann fiel ihm die Frau wieder auf.
Mitte dreißig, kurze schwarze Bobfrisur, schlanke, blassweiße Beine unter einem grauen Rock, tief dekolletierte Bluse, ein Telefon in den Händen.
Martin Wallizer hatte schon lange keine Frau mehr gehabt und das Lächeln, das sie ihm jedes Mal zuwarf, irritierte ihn. Vielleicht war sie eine von denen, die sich jeden Tag eine gute Tat vorschrieben.
Einem abgewichsten Trinker zuzulächeln, er wusste nicht, ob das als gute Tat durchging.
Als die Frau diesmal sogar auf ihn zu schritt, wurden die gelben Schweißflecke unter den Armen Martins größer.
„Hallo!“, sagte sie. Martin drehte sich um, vielleicht meinte sie jemand anderen. Aber das Lächeln galt ihm, strahlend weiße Zähne, haselnussbraune Augen, gezupfte Wimpern.
Was wollte sie?
Martin fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart.
„Ich habe sie hier schon öfter gesehen!“
Martin nickte.
„Darf ich mich setzen?“
Martins Erstaunen ergriff sein Gesicht, trotzdem rutschte er auf der Bank zur Seite.
Die Frau roch nach süßlichem Parfum. Sie hatte glänzende Fingernägel, ließ das Handy in einer filigranen Lederhandtasche verschwinden.
„Ihnen geht’s wohl nicht allzu gut“, stellte sie fest.
Martin lachte ein verbittertes Lachen.
„Ich möchte Ihnen helfen! Meine Name ist Maria Furtschwager.“
Martin grunzte. Also doch eine Mutter Theresa, aber eine von der scharfen Sorte.

Sie erzählte ihm von ihrem Job, der sie ausbrannte. Von ihrem Pech mit Männern, die nur ihren Körper wollten, von unerfüllten Wünschen, einer Mutter, die ins Pflegeheim zu ziehen gedachte, zwei nichtsnutzigen Brüdern, die in der mütterlichen Gunst trotzdem höher standen, einer Kindheit zwischen Eliteschulen und der ewigen Suche nach Liebe.
Martin nickte, er hatte Bierdurst. Die Frau spendierte ihm einen Kaffee.
„Wie ist das Leben so ganz ohne Verpflichtungen?“, fragte sie, während beide nebeneinander herliefen. Der Kaffee befriedigte Martin nicht. Das Zeug war heiß und bitter; und Martins Spiegel auf null.
Er hielt Ausschau nach weiteren Flaschen. Die Alditüte, die er aus dem Metallkorb gezogen hatte, war schon fast voll. Das brachte ihm ein Toastbrot und ein paar Flaschen Sternburger. Die Frau begleitete ihn ungefragt. Sie lud ihn zu einem Döner ein. Als sie in das gefüllte Brot biss und eine Zwiebel aus ihrem Mundwinkel hing, konnte Martin das Bild nicht einordnen.
„Was wollen sie von mir? Ich bin nicht rehabilitierbar! Das haben schon andere versucht“, blaffte er. Sie leckte sich lasziv den Zwiebelfaden aus dem Mundwinkel. Martin spürte eine Körperanwandlung, die ihn schon lange nicht mehr ergriffen hatte. Zuhause hatte er einen alten Videorekorder. Er wollte die Theresa jetzt loswerden und vorm Fernseher sein Sterni genießen.
„Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient!“, sagte sie.
Martin lachte. Der Döner war zu viel für seinen gebeutelten Magen. Er wickelte ihn wieder ein, steckte ihn in die Seite der Alditüte. „Glauben sie mir, ich habe schon mehr als eine gehabt.“
„Lassen Sie mich Ihnen helfen!“
Ob er wollte oder nicht, die Frau kam mit ihm nach Hause.

„Wissen Sie, entweder wollen die Männer mein Geld, oder meinen Körper!“, sagte sie, als sie über eine der Bierflaschen trat. Martin nahm ein Sternburger aus der Tüte, stellte den Rest in die Küchenecke.
„Haben Sie gar keine Angst, dass ich Ihnen etwas antun könnte?“, fragte er zwischen zwei Schlücken. „Sie sind eine sehr attraktive Frau! Normalerweise haben Frauen wie Sie Angst vor Leuten wie mir!“
Sie zuckte verspielt die Schultern. „Hier muss aufgeräumt werden!“, sagte sie.
Sie ging in die Küche, tat das Bier in den Kühlschrank und das Toastbrot auf den wackligen Holztisch, dann begann sie, die leeren Flaschen einzusammeln.
„Warum tun Sie das? Was wollen Sie eigentlich von mir?“, fragte Martin vom Bier schon gleichgültiger. Er sank auf den Zweisitzer, trank, machte keine Anstalten, ihr zur Hand zu gehen.
„Jeder Mensch verdient ein Leben in Selbstbestimmung. Jeder braucht eine Perspektive!“
Martin kratzte sich am Sack. Die Frau klirrte mit den Flaschen. „Machen wir es uns gemütlich!“, sagte sie, „dann können wir besser reden!“ Ihre Stimme barg ein Geheimnis, das Martin ganz wuschig machte. Er pulte ein Stück Dönerfleisch aus seinen Zahnruinen.
Die Frau machte weiter einen auf Haushaltshilfe. „Vielleicht sollten sie sich rasieren und ein wenig frisch machen“, schlug sie plötzlich vor. Ihrem Heiligenschein ging der Strom aus. Martin konnte seinen schlüpfrigen Wunschtraum in ihrer Miene lesen.
Er fragte nicht weiter. Das hier war etwas, über das man nicht nachdachte. Eilig ging er ins Bad. Pflegeutensilien waren vorhanden. Bei Martin hielten sie ewig. Hätte er sie trinken können, wäre dem wohl nicht so gewesen. Er entkleidete sich und glitt in die Wanne, von seinem Körper rann dunkles Wasser. Im Wohnzimmer hörte er die Frau mit den Flaschen poltern.
Seine Barthaare sammelten sich im Abfluss. Im Spiegel blickte ihm ein ganz passabler Mensch entgegen, nur die rote Säufernase ließ sich nicht abrasieren. Hinter der Badtür war es ruhig geworden.
Mit einem Handtuch um die Hüfte ging Martin hinaus. Die Frau stand am geöffneten Fenster und beugte sich über das Geländer. „Alles in Ordnung?“, fragte Martin.
„Mir ist da ein kleines Malheur unterlaufen“, sagte sie. Martin stellte sich hinter ihren dekorativen Hintern und blickte nach unten. „Ach, keine Sorge, das Ding war eh schon so was von tot“, meinte er unbeeindruckt.
„Ich gehe schnell runter und beseitige das!“, erwiderte sie, schwebte in den Flur. Martin rubbelte sich zwischen den Beinen trocken. Er beobachtete das zarte Wesen durchs geöffnete Fenster beim Hantieren auf der Bank. Sie fegte mit den Händen die trockene Erde und die Tonscherben herunter.
Mit den Überbleibseln der Topfpflanze kam sie wieder. „Sie brauchen nur einen neuen Kübel!“, sagte sie.
„Ich hab´s nich so mit Blumen. Die hat mir vor Ewigkeiten eine Nachbarin geschenkt. Die meinte, Pflanzen sorgen für gutes Raumklima. Mittlerweile kommt die Alte sich wegen jedem Scheiß beschweren“, brummte Martin.
Er kramte eine Shorts aus der Schublade und ein frisches T-Shirt, tatsächlich hatte er noch eins.
Die Frau riskierte einen Blick auf sein eindrucksvolles, in Freiheit hängendes Gemächt. Martin griente anzüglich. „Also, was wollen Sie!“, stellte er wieder die nicht befriedigend beantwortete Frage.
„Ich möchte ein Leben in Selbstbestimmung, ohne Zwänge und Lasten“, sagte sie. Martin rollte die Augen. Die war nicht ganz richtig, das war ihm schon seit dem Döner klar gewesen. Aber ihre Brüste wippten, als sie auf die Couch zu schritt und die welke Blume auf dem Tisch ablegte.
„Alle wollen mich ausbeuten! Immer nur meine Leistung oder mein Geld, verstehen sie! Meine eigene Familie will nur an mein Geld!“
„Aha“, sagte Martin. Er wollte jedenfalls kein Geld von ihr.
„Und die Männer wollen nur meinen Körper!“, sagte sie.
Martin schluckte. Er warf einen Blick in den Schoß und hielt ein Zwiegespräch mit seinem besten Freund, dass er sich noch gedulden sollte. Mit Irren musste man vorsichtig sein, dessen war sich Martin trotz seiner männlichen Überlegenheit bewusst. Er wollte den Glücksfall nicht gefährden.
„Und was glauben Sie, was ich von Ihnen will?“, tastete er sich vor.
„Es ist egal, was sie von mir wollen! Wichtig ist nur, was ich von Ihnen will! Ich beobachte sie schon eine ganze Weile. Wissen Sie, Menschen sind störrisch, sie pochen auf ihr Recht. Sie gehen immer zur selben Zeit an dieselben Orte.“
Von dem wirren Zeug bekam Martin Kopfschmerzen. Vielleicht sollte er die Frau doch hinauswerfen! Aber die dünnen Arme und das zarte Gesichtchen wiegten ihn in Sicherheit. Die Nippel, die sich unter dem Stoff abzeichneten, ließen seine Zweifel verpuffen.
Die Frau ging zum Fenster lehnte sich wieder hinaus, drehte sich dann zu ihm um und sagte: „Das Leben geht manchmal seltsame Wege.“ Ihre Augen wirkten verklärt. Martin hoffte, das hätte denselben Auswuchs, wie er seinem Körper entsprang.
Sie zog die Träger ihrer Bluse herunter, entblößte ihre geschmeidigen Schultern. Martins Gemächt machte sich jetzt unlenkbar bemerkbar.
„Möchten sie ein Leben in Selbstbestimmung?“, fragte sie.
Martin konnte nicht mehr logisch denken.
„Kommen Sie her! Sie dürfen jetzt zumindest über meinen Körper bestimmen“, hauchte sie.
Martin stolperte über eine verbliebene Bierflasche. Er griff gierig um ihre Hüfte.
„Sie sind nicht ganz richtig!“, stellte er unter schweren Atemzügen fest. Sie wisch seinem Mundgeruch aus. Er klebte die Lippen an ihren Hals, lutschte das Parfüm von der Haut.
Sie ließ es geschehen. Sie ließ ihn auch die Bluse aufknöpfen, ihre linke Brust mit ungelenken Griffen abwiegen und kneten. Martin Wallizer wähnte sich im Himmel.
„Moment“, flüsterte sie und drehte ihn behutsam so, dass er mit dem Rücken zum Fenster stand. Martin spürte das Geländer in den Kniekehlen und nichts als seine Gier. Er schob ihren Rock hoch, presste seinen Leib an ihre Hüfte. Die Hitze, das Bier und seine Erregung machten ihn fahrig.
Sie griff seine Handgelenke und führte sie an die Seiten seines Körpers. „Ssht“, machte sie, legte den Zeigefinger an den Mund, ging in die Knie. Martin keuchte in süchtiger Vorfreude.
Ihre Brust streifte über seinen Bauch. Sie legte die Hand über den Nabel und gab ihm einen kräftigen Schubs. Martin Wallizer strauchelte. Er wollte nach ihr greifen, nach dem Fensterrahmen greifen, aus dem er nun nach unten stürzte, doch seine Körperkoordination ließ zu wünschen übrig. Er segelte wie ein plumper Sack Kartoffeln nach unten, direkt auf die Bank zu, auf der kurz zuvor die Topfpflanze zerschellt war.
Maria Furtschwager lächelte debil und knöpfte ihre Bluse zu. Sie blickte in ihrer Deckung aus dem Fenster. Kurz darauf hörte man schon die Sirenen.

Eine Woche später saß sie hinter dem Schreibtisch ihres Büros, vor sich die ausladenden Trauersträuße ihrer speicheleckenden Untergebenen. Die Zeitung mit dem Bericht über den seltsamen Unfall hatte sie aufgehoben. Zwei Kriminalbeamte hatten ihr die makabere Nachricht ohne Verdächtigungen überbracht. Die Ermittlungen waren abgeschlossen. Der Selbstmord eines stadtbekannten Säufers erregte nicht viel Aufmerksamkeit, dass Klara Furtschwager unter dessen Körper begraben wurde, schien ein unglücklicher Zufall.
Lächelnd zerriss Maria die Rechnung der noblen Seniorenpension, in die ihre Mutter nun nicht mehr einchecken konnte.

 
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Hallo,

da bist du ja wieder, Diana von den mörderischen Zwergen. :lol:

Unter die Zwergerlgeschichte hattest du zuletzt das hier geschrieben:

Gern würde ich mich revanchieren, aber ich traue mich noch nicht so recht ran...
Entweder ist in den Kommentaren schon alles gesagt worden, oder ich fürchte, mich lächerlich zu machen!

Du kannst dich ruhig trauen. Wiederholungen in den Kommentaren sind manchmal gar nicht schlecht, weil es den Autor an bestimmten Punkten bestätigt oder einen Punkt unterstreicht. Blamieren kann man sich sowieso nicht. Wie auch. Es gibt so vele Geschmäcker auf der Welt! Vielleicht misst du dich an einem zu hohen Anspruch und denkst, du müsstest Alternativvorschläge oder irgendwelche Interpretationsleistungen bringen. Ne, ist alles nicht der Fall. Einfach deine Meinung sagen, eine kleine Rückmeldung, warum es dir so geht, und fertig.


Nun zu deiner Geschichte:

Schön perfide. was Aufbau, Idee und Ende betrifft. Damit hätte ich nun nicht gerechnet. Ich hab mich die ganze Zeit gewundert, was die elegante Frau bei dem armen versoffenen Typen will. Ich wollte schon kräftig mit dir schimpfen, was du da Unlogisches schreibst:xxlmad: Ne, ist nur Spaß, aber ich war schon ziemlich verblüfft. Eine biestige Lady!
Hoffentlich fällt ihr was Gutes ein, wenn einer sie mit Wallizer gesehen hat! Gute Investition, der spendierte Kaffee.

An Ideen, einer geeignete Struktur usw. mangelt es dir echt nicht.
Arbeiten aber würde ich am Stil. Du hast da einige wirklich coole Stellen drin, skurrile Gegenüberstellungen, die Spaß machen. Aber an anderen Stellen benutzt du Wendungen, die einfach eine Stilblüte sind. Da schreibst du komisch, willst es vielleicht auch, aber du schießt über das Ziel hinaus und dann wird es eben unfreiwillig eigenartig. Und man kann dann deine Erzählstimme nicht mehr ernst nehmen. Achte außerdem auf redundante Stellen. Adjektive oder sonstige Wiederholungen, die dieselbe Bedeutung noch einmal wiederholen. Das bremst den Lesefluss und man wird aus der Geschichte geschmissen.
Und nicht zuletzt gehts manchmal mit der Erzählperspektive durcheinander. Meistens hast du einen personalen Erzähler aus der Sicht von Martin. Dann kannst du aber auch nur das beschreiben und erzählen, was er sieht, bzw was er aus den Beobachtungen interpretieren kann. Manchmal rutschst du unerwartet in die Rolle von einem Erzähler, der auch in die Köpfe der anderen blicken kann. Mit solchen Wechseln muss man vorsichtig sein, es ist schwierig und ich hab selbst noch meinen Ärger damit, aber sich das bewusst machen, das ist ja schon mal nicht falsch.

Lies dir die Beispiele mal durch, vielleicht verstehst du, was ich meine. Einiges davon mag vielleicht noch mein persönlicher Geschmack sein, aber anderes ist sicherlich Handwerkszeug.
Ich bespreche die Textstellen mal gerade so, wie sie kommen. Egal, ob es Rechtschreibung oder Stil ist.

Seine an den Knien zerrissene Hose war nicht nur von schalem Bier getränkt.
Wie soll das Bier sonst sein als schal, wenn es in der Hose sifft? Außerdem erfordert das nicht nur grammatikalisch ein sondern auch.

Das 15 qm große Wohnzimmer glich einer Müllhalde.
Die Zahl, das ist zu genau. Man merkt aus deiner Beschreibung ohnehin schon, dass die Wohnung ärmlich und verwahrlost ist. Ich finde den Satz ohne das Fette viel stärker.

Zum Dreck der vergangenen Wochen hatten sich weitere Flaschen, Verpackungen und Kotzpfützen gesellt.
Gesellt will mir hier nicht so recht passen. Es klingt zu menschlich, aber eine passende Personifikation ist es auch nicht. Leider fällt mir hier auch nichts Gescheites ein.

Auf dem verschmierten Glas des Spiegels thronte ein weißer Spuckfleck.
Thronte unterstellt, dass etwas wie auf einem Sitz, also auf einer horizontalen Fläche ist, ein Spiegel aber ist vertikal. Besser wäre klebte.

Im Dreimonatsbart hingen Krümel und Getrocknetes.
Getrocknetes weg, Krümel sind sowieso schon trocken. Außerdem fehlt mir hier der dazugehörige Mann, ich würd ihn erst mal in den Spegel gucken lassen, bevor er die Spuckflecken sieht.

Er hatte nur noch 5 brauchbare Zähne und die waren nicht im Sichtbereich.
Willst du dich über deine Figur lustig machen? Ich frag einfach mal, weil du ihn hier ironisierst. Es ist vielleicht Geschmackssache. Aber ich gebe dir mal zu bedenken, dass der Typ hinterher sowieso umgenietet wird, warum sich also als Erzähler über ihn lustig machen? Das wirkt fast so, als würdest du dich gegen ihn stellen.

Im Schrank waren keine sauberen Gläser mehr, die in der Spüle schimmelten.
Gläser können nicht schimmeln, nur der Inhalt. Aber vielleicht bin ich hier zu streng. Frag einfah noch mal jemand anderen.

Die Hitze dünstete Martins Körperflüssigkeiten angewiderten Passanten entgegen.
Über den Satz bin ich gestolpert, der wirkt zu kunstvoll formuliert. Im Satz vorher hast du geschrieben, dass Hochsommer ist. Da erwartet man als Leser ohnehin, dass Hitze herrscht. Kann also weg. Und wieso Körperflüssigkeiten? Das ist so distanziert. Warum nicht Schweiß oder Urin?

Am Pariser Platz traf er auf die Bekannten Oppelmann, Krüger und Mertens.
Vielleicht sollte man die Namen hier weglassen? Sie spielen ja später keine Rolle mehr. Durch den Namen kriegen sie zu viel Gewicht.Allerdings müsstest du es dann irgendwie hinkriegen, dass sie miteinander reden können, denn das Gespräch ist ja gut.

Irgendwoher hatten die Gestalten einen Sixer , der Grund für die widerlich gute Laune.
Das ist hier so ein Beispiel für den Wechsel der Erzählperspektive. Aus Martins Sicht ist die Laune doch gar nicht widerlich. Im Gegenteil, er will was abhaben. Das widerlich ist aus der Sicht eines allgemeinen Beobachters, der das Verhalten der Personen abqualifiziert.

Es war heiß und stickig.
Das hast du schon mehrfach gesagt, dass es heiß oder Hochsommer oder schwül ist.

Einem abgewichsten Trinker zuzulächeln, er wusste nicht, ob das als gute Tat durchging.
:cool:

Als die Frau diesmal sogar auf ihn zu schritt, wurden die gelben Schweißflecke unter den Armen Martins größer.
zuschritt / gelben weg, ist überflüssig. / unter Martins Armen

Martin drehte sich um, vielleicht meinte sie jemand anderen. Aber das Lächeln galt ihm, strahlend weiße Zähne, haselnussbraune Augen, gezupfte Wimpern.
Was wollte sie?
Martin fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart.
Schön.

„Ich möchte Ihnen helfen! Meine Name ist Maria Furtschwager.“
Martin grunzte. Also doch eine Mutter Theresa, aber eine von der scharfen Sorte.
:)

einer Kindheit zwischen Eliteschulen und der ewigen Suche nach Liebe.
Martin nickte, er hatte Bierdurst. Die Frau spendierte ihm einen Kaffee.
Hihi. Beides gut, seine Reaktion und der spendierte Kaffee. Cool!

„Was wollen sie von mir? Ich bin nicht rehabilitierbar! Das haben schon andere versucht“, blaffte er.
Auch schön

Martin spürte eine Körperanwandlung, die ihn schon lange nicht mehr ergriffen hatte.
Körperanwandlung, mmhhhh ne, das ist wieder so distanziert.

„Jeder Mensch hat eine zweite Chance verdient!“, sagte sie.
Martin lachte. Der Döner war zu viel für seinen gebeutelten Magen. Er wickelte ihn wieder ein, steckte ihn in die Seite der Alditüte. „Glauben sie mir, ich habe schon mehr als eine gehabt.“
„Lassen Sie mich Ihnen helfen!“
Ob er wollte oder nicht, die Frau kam mit ihm nach Hause.
Auch gut.

„Jeder Mensch verdient ein Leben in Selbstbestimmung. Jeder braucht eine Perspektive!“
Martin kratzte sich am Sack.
Meine Lieblingsstelle. Hier bist du lustig und ironisch, aber es geht nicht auf Kosten deines Protagonisten. Sondern es spielt so schön mit den verschiedenen Erwartungen und den Klischees.

Er pulte ein Stück Dönerfleisch aus seinen Zahnruinen.
Dass er schlechte Zähne hat, das musst du hier nicht schon wieder erzählen, das weiß man nun. Es reicht, wenn er sich den Dönes aus den Zähnen pult. Das ist eklig genug.

Die Frau machte weiter einen auf Haushaltshilfe. „Vielleicht sollten sie sich rasieren und ein wenig frisch machen“, schlug sie plötzlich vor. Ihrem Heiligenschein ging der Strom aus. Martin konnte seinen schlüpfrigen Wunschtraum in ihrer Miene lesen.
Den letzten Satz ändern, ist ein Stolpersatz. Wär besser ihn umzuformulieren.


Er beobachtete das zarte Wesen durchs geöffnete Fenster beim Hantieren auf der Bank. Sie fegte mit den Händen die trockene Erde und die Tonscherben herunter.
Das ist so distanziert, sie kommt ihm vielleicht so vor, weil er immer notgeiler wird, aber sie ist doch gar kein zartes Wesen. Das würde ich mehr aus seiner Sicht schreiben.

Die Frau riskierte einen Blick auf sein eindrucksvolles, in Freiheit hängendes Gemächt.
Och ne, das würde ich auch nicht so schreiben. Der Schwanz ist doch sonst nicht im Gefängnis. Und Gemächt? Naja, ist ja vielleiht auch Geschmackssache.

Aber ihre Brüste wippten, als sie auf die Couch zu schritt und die welke Blume auf dem Tisch ablegte.
zuschritt

„Alle wollen mich ausbeuten! Immer nur meine Leistung oder mein Geld, verstehen sie! Meine eigene Familie will nur an mein Geld!“
„Aha“, sagte Martin. Er wollte jedenfalls kein Geld von ihr.
„Und die Männer wollen nur meinen Körper!“, sagte sie.
Martin schluckte.
:D

Aber die dünnen Arme und das zarte Gesichtchen wiegten ihn in Sicherheit.
Das ist glaube ich wieder nicht aus seiner Sicht geschrieben. Vor allem verschnekst du dir noch Spannung, denn du verrätst was vorweg.

Ihre Augen wirkten verklärt. Martin hoffte, das hätte denselben Auswuchs, wie er seinem Körper entsprang.
Das ist uverständlich. Irgendwas fehlt. Oder es ist verquer formuliert. Ich nehme an, du willst darauf raus, dass Martin hofft, ihr Blick ist verklärt, weil sie sich auf den Sex mit ihm freut. Auf die Ausbuchtung in seiner Hose scharf ist.

Sie zog die Träger ihrer Bluse herunter, entblößte ihre geschmeidigen Schultern.
geschmeidig weg

Martins Gemächt machte sich jetzt unlenkbar bemerkbar.
Hihi! Ist da ein Lenkrad dran? Ist einfach ein bisschen unfreiwillig komisch formuliert.

Sie wisch seinem Mundgeruch aus. Er klebte die Lippen an ihren Hals, lutschte das Parfüm von der Haut.
wich (von weichen) Der Rest ist aus meiner Siht wieder unfreiwillig komisch, weil es zu übertrieben ist.

Er wollte nach ihr greifen, nach dem Fensterrahmen greifen, aus dem er nun nach unten stürzte, doch seine Körperkoordination ließ zu wünschen übrig.
Das ist auch zu distanziert ausgedrückt. Da fällt dir bestimmt was Besseres ein.

Maria Furtschwager lächelte debil und knöpfte ihre Bluse zu.
Debil würde ich austauschen. Sie hat gerade einen Mann umgebracht, ihre Mutter beseitigt und spart sich zukünftig die Kosten für die Seniorenresidenz. Vermutlich noch ein hohes Erbe. Sie hat gerade alles, was sie wollte, hingekriegt mit ihrem perfiden Plan. Da lächelt man doch nicht schwachsinnig.

Eine Woche später saß sie hinter dem Schreibtisch ihres Büros, vor sich die ausladenden Trauersträuße ihrer speicheleckenden Untergebenen.
Das speichelleckend ist glaube ich wieder aus der Sicht eines auktorialen Erzählers.

Ich hoffe, du kannst aus meinen Hinweisen was für dih entnehmen. Nimms auch nicht tragich, wenn ich manchmal so ein bisschen streng/oder ruppig wirke, von wegen "musst du" "solltest du" usw. Da gehts einfach nur um die Textstellen, aber es ist nie persönlich gemeint.

Ich wünsch dir gutes Überarbeiten und viele weitere Kommentare, die vielleicht noch besser als ich zur Erzählperspektive was schreiben können.
Und ich freu mich auf deinen ersten Kommentar! Hihi!
Liebe Grüße
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo diana frank,

und ein herzliches Willkommen von mir!

Ich bin mit diesem Text in Dein Schaffen eingestiegen und ich habe den gern gelesen. Da sind zuweilen wirklich schöne Stellen drin.

Was ich jetzt nicht gemacht habe, ist Textarbeit. Da hat Novak schon ordentlich vorgelegt und ich würde viel wiederholen. Ich schließe mich in vielem an, auch was das Kommentieren betrifft.

Die Stelle, wo sie sich ihm "anbietet", boah, die fand ich wirklich schaurig. Das wollte ich einfach nicht wahr haben.

Ich suche noch drei Stellen raus, die ich sehr mochte und hoffe Dich damit motivieren zu können, an der ein oder anderen Stelle noch einmal nachzuarbeiten. Ach so, den Anfang, dieses ganze Assileben - das ist so Klischeehaft, da würde ich auf die Hälfte der Textmenge streichen. Was soll das mit den Kumpels z.B. Die Geschichte braucht das nicht. Kotze, schimmelndes Geschirr, leere Flaschen, ach nö - ich brauch die lange Liste von schon 100x Gehörtem nicht, um mir den Typen vorzustellen. Ein paar weniger Details würden das selbe bewirken.

Martins Erstaunen ergriff sein Gesicht, trotzdem rutschte er auf der Bank zur Seite.

Hier ist ein Beispiel zu Deinem Perspektivproblem. Der Erzähler wandelt mit Martin. Und Martin kann sich nicht selbst ins Gesicht gucken ;).

Martin grunzte. Also doch eine Mutter Theresa, aber eine von der scharfen Sorte.

:)

Zuhause hatte er einen alten Videorekorder. Er wollte die Theresa jetzt loswerden und vorm Fernseher sein Sterni genießen.

Das ist auch schön.

Die Frau machte weiter einen auf Haushaltshilfe. „Vielleicht sollten sie sich rasieren und ein wenig frisch machen“, schlug sie plötzlich vor. Ihrem Heiligenschein ging der Strom aus.

Hehe.

Mit ein paar Abstrichen gern gelesen.

Viel Freude Dir hier im Forum
Fliege

 

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