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Moorgeister

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21.01.2017
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Moorgeister

Remigius betrat das schäbige Wirtshaus, das sich am Rande des Dorfangers in die Schatten des Mondlichts duckte, und ließ seinen Blick durch den niedrigen Schankraum schweifen. Obwohl es bereits auf Mitternacht zuging, war der langgestreckte Raum, der von einem Dutzend Fackeln an den Wänden in ein gelbliches, unstetes Licht getaucht wurde, zum Bersten gefüllt mit lärmenden, betrunkenen Dörflern und nicht minder lauten und betrunkenen Fremden auf der Durchreise. Auf dem Weg zum Tresen, der sich im hinteren Teil über die gesamte Breite des Wirtshauses erstreckte, schob sich Remigius durch die erhitzte Menge, vorbei an Tischen, auf denen abgegriffene Karten ihren Spielern lang ersehntes Glück vorgaukelten, und an betrunkenen Männern in Reisekleidung, die, mit offenherzigen Dirnen auf dem Schoß, einem weitaus kurzweiligeren Glück entgegenstrebten. Remigius entdeckte eine Lücke am Tresen und steuerte eilig darauf zu. Zwischen einem schwarzgekleideten Fremden zu seiner Linken und einem Dörfler mit reichlich Schlagseite zu seiner Rechten lehnte er sich über grob zusammengezimmerte Eichenbretter nach vorne, auf der Suche nach dem Wirt, der am anderen Ende des Tresens mit einer Gruppe Dörfler sprach.

„Hey, Wirt! Ein Krug Met, wenn’s recht ist!“, rief Remigius und schwenkte einen Arm in der Hoffnung, ihn über den Lärm hinweg auf sich aufmerksam machen zu können. Tatsächlich wandte der Wirt den Kopf und schrie dann quer durch den Schankraum:

„Trudi, der lange Dünne im schwarzen Umhang will einen Krug Met!“

Dann vertiefte er sich wieder in sein Gespräch. Remigius reckte sich und entdeckte eine kleine, rundliche Frau mit Schürze, die sich resolut ihren Weg durch die lärmende Menge bahnte. Sie schlüpfte hinter den Tresen, füllte einen Krug und stellte ihn, nach einem kurzen, suchenden Blick, vor Remigius ab.

„Na, Großer? Was verschlägt Dich in dieses schäbige Loch am Ende der Welt?“

Sie wischte den metgetränkten Tresen mit einem fleckigen Lappen und lächelte ihn an. Remigius setzte den Krug an die Lippen und nahm einen kräftigen Schluck. Nachdenklich betrachtete er die Wirtin.

„Gute Frage. Ich bin ... auf der Suche nach etwas und irgendwie ... zufällig hier gelandet.“

„Auf der Suche, hm? Und was suchst Du, Großer?“ Sie zwinkerte ihm vertraulich zu.

Remigius lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. Mit verschlossener Miene taxierte er sie. Die Wirtin hob beschwichtigend die Hände und eine leichte Unsicherheit stahl sich in ihr Lächeln.

„Schon gut. Keine Fragen, ich verstehe schon. Wenn Du noch etwas willst, Großer, dann ruf mich einfach. Mein Name ist Trudi.“

Remigius nickte knapp und entspannte sich erst, als sie davongewuselt war. Erleichtert trank er den halben Krug auf einen Zug aus. Der schwarz gekleidete Mann neben ihm schien das kurze Gespräch trotz des Lärms mit angehört zu haben, denn er lehnte sich nun verschwörerisch zu ihm herüber und raunte:

„Diese Dörfler sind doch alle gleich. Neugierig bis aufs Blut.“

Remigius musterte den Fremden und machte dann eine vage Handbewegung, die man als Zustimmung deuten konnte.

„Ich bin Baldur.“ Der Fremde streckte seine Rechte über den klebrigen Tresen und Remigius ergriff sie zögernd.

„Thomas“, sagte er und zog seine Hand hastig wieder zurück. Der Fremde war nicht groß, aber kräftig, und obwohl er betont lässig am Tresen lehnte, strahlte seine Haltung Wachsamkeit aus. Unter einem speckigen Schlapphut blitzten eisblaue Augen. Baldur wandte sich ab und winkte dem Wirt. Über die Schulter fragte er: „Für Dich auch noch ein Krug Met, Thomas?“

Remigius schwieg und als sich Baldur zu ihm umdrehte und ihn fragend ansah, schüttelte er den Kopf. „Ich habe gerade noch genug Geld, um einen Schlafplatz in der Scheune bezahlen zu können.“

Baldurs Mund verzog sich zu einem breiten Grinsen, als er Remigius brüderlich den Arm um die Schultern legte. „Ah, wenn’s weiter nichts ist ... Der geht auf mich. Wir Reisenden müssen doch zusammenhalten.“

Vier Stunden und sieben Krüge Met später streckte sich Baldur auf seinem Stuhl. Nachdem sich der Schankraum zu vorgerückter Stunde zusehends geleert hatte, konnten die beiden ihre Konversation an einem der nun verwaisten Tische fortführen, was angesichts ihrer zunehmenden Schwierigkeiten, in der Vertikalen zu bleiben, von Vorteil war. Remigius dämmerte mit dem Kopf auf der schmierigen Tischplatte vor sich hin. Baldur betrachtete ihn mit einem spöttischen Lächeln. Es war ein Leichtes gewesen, ihn unter den Tisch zu trinken, aber dieser hagere Bursche war zäher, als er erwartet hatte. Bislang hatte Baldur ihm nicht entlocken können, wonach dieser suchte, und je länger Remigius dichthielt, desto sicherer wurde sich Baldur, dass der dürre Kerl, der gerade selig lächelnd auf den schmutzigen Tisch sabberte, hinter etwas Wertvollem her war. Er warf einen Blick in die Runde. Durch die wenigen Fenster drang das erste graue Licht der Morgendämmerung. Am anderen Ende des Schankraums waren der Wirt und zwei Dörfler über ihrem Kartenspiel zusammengesunken und die Wirtin wischte die Tische mit einem Lappen ab, dessen Farbe von der des Met-imprägnierten Holzes nicht mehr zu unterscheiden war. Zeit, aufzubrechen. Baldur trug die Krüge zum Tresen und stellte sie vor der Wirtin ab, die nun unter Klirren und Klappern mit Spülen beschäftigt war. Aus müden Augen warf sie ihm einen dankbaren Blick zu.

„Na? Was herausgefunden?“

„Nein, der Kerl ist verschlossen wie eine Jungfrau in der Hochzeitsnacht. Da werde ich schwerere Geschütze auffahren müssen. Wenn er aufwacht, sag ihm, Baldur erwartet ihn bei den Ställen und dass ich bereits Reisearrangements für mich und meinen neuen Bruder getroffen habe.“

„Baldur, hm? Nett.“ Die Wirtin schmunzelte.

„Ach komm, sieht der für Dich aus wie ein Thomas?“ Baldur grinste schief, dann schnippte er fünf glänzende Taler auf die Theke. „Für den Met. Und für Deine Mühen.“ Er zwinkerte ihr zu und verließ dann unmerklich schwankend das Wirtshaus.

Als Remigius erwachte, schickte die Sonne bereits ihr von grauen Schleierwolken getrübtes Licht in den Schankraum. Vorsichtig hob er seinen dröhnenden Schädel vom Tisch und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. Selbst das Bewegen der Augen in ihren Höhlen tat weh. Die schweren Lider halb geöffnet, sah er sich langsam um. Die Wirtin kehrte gerade Scherben und andere undefinierbare Überbleibsel der letzten Nacht durch die weit offen stehende Türe hinaus. Als sie bemerkte, dass Remigius wach war, rief sie:

„Na, Großer? Wohl geruht?“

Remigius brachte nur ein leises Stöhnen heraus und hielt sich dann mit beiden Händen den schmerzenden Kopf.

„Ich soll Dir was von Baldur bestellen: Er hat für euch beide Reisevorbereitungen getroffen und wartet bei den Ställen auf Dich.“

Remigius hob verwirrt den Kopf. „Reisevorbereitungen?“, echote er verständnislos.

Die Wirtin trat zu ihm an den Tisch und stützte sich auf ihren Besen. Sie schüttelte amüsiert den Kopf. „Junge, Junge, Du bist ja völlig hinüber. Überleg Dir gut, ob Du nochmal mit Baldur trinkst.“

„Er hat mich abgefüllt“, murmelte Remigius, „dieser Schuft!“ Plötzlich fuhr er erschrocken zusammen, zog hastig seinen rechten Stiefel aus und öffnete ein verborgenes Fach im Absatz. Darin war ein kleiner lederner Beutel versteckt, den er nun herauszog. Als er sich vergewissert hatte, dass der Inhalt vollständig war, sank er erleichtert gegen die Stuhllehne. Die Wirtin hatte ihm mit gerunzelter Stirn zugesehen und streckte nun fordernd die Hand aus.

„Kein Geld, wie? Dein neuer Freund hat für Deinen Met bezahlt, aber Du schuldest mir noch etwas für das große Vergnügen, hier genächtigt zu haben!“

Remigius sah sie verzweifelt an. „Bitte, das Geld ist für meine kranke Frau. Ich kann es nicht ausgeben!“

„Ja, ja, und ich brauche jeden Taler für meine Großmutter. Erzähl mir keine Märchen! Gib mir, was Du mir schuldest, sonst wird es hier ganz schnell ungemütlich für Dich!“

Das Gesicht der fröhlichen Wirtin war nun eisern und ihr kalter Blick duldete keinen Widerspruch. Unglücklich drückte Remigius ihr einen Taler in die Hand, dann verstaute er den Beutel sorgfältig im Absatz seines Stiefels. Die Wirtin hatte das Geldstück in eine Tasche ihrer Schürze fallen lassen und warf nun einen etwas milderen Blick auf das Häufchen Elend vor ihr auf dem Stuhl.

„Nichts für ungut, Großer. Wir müssen alle leben“, und nach einer kurzen Pause setzte sie hinzu: „Nimm Dich vor Baldur in Acht. Er wird Dir nicht gleich im Schlaf die Kehle durchschneiden, aber er ist ein Gauner, durch und durch. Und Dein Versteck wird nicht lange vor ihm sicher sein.“ Mit einem Nicken entfernte sie sich und Remigius sah ihr bestürzt nach.

Als er draußen vor dem Wirtshaus im trüben Licht des Vormittags stand, blickte er unschlüssig um sich. Er war hier gestrandet, mitten im Nichts. Seine todkranke Frau wartete zuhause darauf, dass er mit dem Eoh-Amulett zu ihr zurückkehrte, dessen magische Heilkräfte ihre letzte Hoffnung waren. Doch er befand sich nun seit zwei Monden vergeblich auf der Suche nach der Hexe, die es laut Legende besaß, und nun würde das Geld, das er für seinen Erwerb im Stiefelabsatz versteckt hatte, gerade so für die Heimreise reichen. Hoffnungslos ließ er die Schultern hängen und begann leise zu schluchzen.

„Heda, Thomas!“

Baldur war soeben aus den Stallungen gegenüber des Wirtshauses getreten und verdrehte nun die Augen, als Remigius auf seinen Ruf nicht reagierte. Sein Pfiff gellte über den Dorfanger und ließ Remigius zusammenfahren. Er sah auf und erkannte durch den Tränenschleier Baldur, der ihm bedeutete, herüberzukommen. Mit dem Ärmelaufschlag wischte er sich die Tränen von den Wangen. Was hatte er jetzt noch zu verlieren? Mit leeren Händen nach Hause zurückzukehren, kam nicht in Frage. Vielleicht war es an der Zeit, sich mit einem Gauner zusammenzutun. Entschlossen zog er die Nase hoch und stapfte dann auf Baldur zu, der sich nun umdrehte und in den Ställen verschwand. Remigius fand ihn im Hinterhof, wo er, zwei kleine, drahtige Pferde am Zügel, einem älteren Herrn in vornehmer Kleidung die Hand gab. Der ältere Mann warf einen flüchtigen Blick auf Remigius und verschwand dann wortlos eine hölzerne Treppe hinauf, in einem Raum über den Stallungen. Baldur hielt Remigius ein Paar Zügel hin, doch dieser sah ihm nur fest in die Augen.

„Warum tust Du das?“
„Warum tue ich was?“, fragte Baldur mit einem unschuldigen Lächeln.

„Verkauf mich nicht für dumm! Du bezahlst meine Zeche, beschaffst zwei Pferde für unsere Reise, von der Du nicht einmal weißt, wo sie hingeht. Was versprichst Du Dir davon? Ich bin nahezu mittellos und es wird auch niemand ein Lösegeld für mich bezahlen.“

Baldur entgegnete empört: „Also nach Allem, was ich für Dich getan habe, unterstellst Du mir unlautere Absichten? Mir, mit dem Du letzte Nacht Bruderschaft getrunken hast?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ihn Remigius schweigend an. Baldur starrte einen Moment lang zurück, dann verzog sich sein Gesicht zu einem listigen Grinsen.

„Na schön. Du hast mir zwar nicht gesagt, was Du suchst, aber es muss wertvoll sein, sonst würdest Du nicht so ein Geheimnis daraus machen. Ich finde Dinge. Ist ‘n Talent. Deshalb schlage ich Dir ein Geschäft vor: Du sagst mir, was Du suchst, ich helfe Dir, es zu finden, und dann teilen wir, halbe-halbe.“

Remigius verschränkte die Arme. „Das geht nicht, nein. Ich brauche es im Ganzen, sonst war alles umsonst.“

Das Grinsen wich aus Baldurs Gesicht und für einen Moment blitzte Ärger in seinen Augen auf. Dann schürzte er abschätzig die Lippen, während sich eine ungekannte Härte in seinen Zügen einnistete.

„Ich will´s mal so sagen, Thomas, Du schuldest mir was, denn ich habe Deine Zeche bezahlt. Da Du nicht in der Lage bist, mir zu geben, was Du mir schuldest, gibt es jetzt noch genau zwei Möglichkeiten: Entweder ich breche Dir sämtliche Knochen, was zwar dazu führen würde, dass ich mich besser fühle, aber mitnichten unser finanzielles Problem löst; oder wir suchen und finden Deinen geheimnisvollen Wertgegenstand, der in Deinem Interesse so viel abwerfen sollte, dass ich zusätzlich zur Deckung meiner Aufwendungen ein hübsches Sümmchen dabei verdiene. Denn wenn ich meine Zeit und Ressourcen umsonst investiere, wird es für Dich verdammt unangenehm.“

Baldur registrierte Remigius´ entsetzten Blick und lächelte zufrieden. Er hielt in jeder Hand ein Paar Zügel und legte nun fragend den Kopf schief. „Rot oder Weiß?“

Remigius starrte ihn noch immer mit weit aufgerissenen Augen und offenstehendem Mund an. Baldur zuckte mit den Schultern, warf ihm die Zügel des Schimmels zu und schwang sich auf die fuchsfarbene Stute. Remigius schloss schicksalsergeben für einen Moment die Augen. Dann erklomm er unbeholfen das lichtgraue Pferd, das von weitem deutlich kleiner gewirkt hatte. Sein Reittier wartete geduldig, bis er es sich im Sattel leidlich bequem gemacht hatte. Baldur beobachtete ihn mit einem amüsierten Grinsen. „Nun denn. Wohin?“

Remigius seufzte und ließ den Kopf hängen. „Wenn ich das wüsste, wäre ich wohl nicht hier.“

Baldur schien weiter fragen zu wollen, doch eine Bewegung hinter seinem unfreiwilligen Begleiter erregte seine Aufmerksamkeit. An einem der Fenster über den Ställen war das bleiche Gesicht des Pferdehändlers zu sehen, bevor es sich hastig zurückzog.
„Erstmal raus aus dem Dorf, denke ich. Sobald wir vor neugierigen Ohren sicher sind, erzählst Du mir, was wir suchen.“ Mit diesen Worten wendete Baldur sein Pferd und ritt mit eingezogenem Kopf durch ein Seitentor auf eine schmale Gasse hinaus. Der Schimmel trottete hinterher, während sich Remigius den schmerzenden Kopf hielt.

Das winzige Dorf bestand aus einer Handvoll ärmlicher Häuschen, die sich um den Dorfanger scharten. Die breite Straße, die das Wirtshaus mit Kundschaft versorgte, war zu dieser Jahreszeit schlammig und vergleichsweise wenig frequentiert. Baldur und Remigius ließen das Dorf rasch hinter sich und bogen bei der ersten Gelegenheit von der Hauptstraße ab, um ihren Weg auf kleineren, verschwiegenen Feldwegen fortzusetzen. Am Rande eines Pappelhains machte Baldur schließlich Halt. Außer ein paar zwitschernden Vögeln und einem leisen Rascheln in den Kronen der Zitterpappeln durch gelegentliche Windböen war nichts zu hören. Abseits der breiten Hauptstraßen, die weit entfernte Städte miteinander verbanden, traf man in dieser spärlich besiedelten Gegend selten auf eine menschliche Seele.

„Also, mein Freund, was ist es, das Du so verzweifelt suchst? Und wage es nicht, mich hinters Licht zu führen!"

Remigius hatte längst für sich entschieden, dass seine Chancen, das Amulett zu finden, mit diesem Gauner an seiner Seite nur steigen konnten. Wie er den verschlagenen Spitzbuben später loswerden sollte, konnte er sich dann überlegen, wenn es so weit war. Daher zögerte er nicht, Baldur alles zu erzählen, was er über den Verbleib des magischen Amuletts wusste und als er geendet hatte, sann Baldur eine Weile schweigend vor sich hin. Dann gab er sich einen Ruck und wendete sein Pferd. Remigius beeilte sich, an seine Seite zu gelangen.

„Weißt Du, wo wir es finden werden?“

„Ich habe zumindest eine Idee, wo wir mit der Suche anfangen können“, entgegnete Baldur. „Ich habe mein ganzes Leben in dieser Gegend verbracht, mal hier, mal dort, und überall erzählt man sich Geschichten, die einen gemeinsamen Kern haben: Vor langer Zeit lebte eine Nymphe im Moor in den Bergen. Immer, wenn der Mond zur Gänze verschwand, brachten ihr die Menschen Opfergaben dar, damit sie ihnen wohl gesonnen sei und den Mond wieder zum Leuchten brächte. Eines Tages kam eine Hexe in eins der Dörfer. Schnell versammelten sich die Menschen der Umgebung auf dem Dorfanger und die Hexe versprach ihnen, sie von der Nymphe zu befreien, die immer wieder den Mond verdunkelte. Sie hielt ein magisches Amulett in die Höhe und bot ihnen an, damit die Nymphe von ihrem Moor in den Bergen zu vertreiben, gegen Bares, versteht sich. Als die Hexe dann am Rande des Moores anfing, Zaubersprüche zu murmeln und das Amulett zu schwenken, da tauchte die Nymphe erbost aus den Nebeln auf und zog die Hexe mitsamt dem Amulett in die Tiefe.“ Baldur machte eine Pause und kratzte sich am Hinterkopf. „Die Nymphe heißt in jedem Dorf anders, genauso wie die Hexe, und das Moor befindet sich mal hier und mal da. Aber es gibt immer wieder Leute, die danach suchen, denn angeblich ist die Hexe mitsamt ihrer Bezahlung im Moor versunken. Ob jemals irgendjemand die Barschaft gefunden hat, weiß ich nicht. Man hört nur, dass die Leute in die Berge aufbrechen, und dann hört man meist nichts mehr von ihnen.“

Eine Weile ritten sie schweigend nebeneinander her. Irgendwann begann es, leicht zu nieseln. Schwere Wolken hingen tief am Himmel und in der Ferne, in der Richtung, aus der sie kamen, sah man hin und wieder Wetterleuchten. Das Gelände stieg unmerklich an, die Felder und Wiesen blieben zurück und düsterer Wald schloss sich hinter den beiden Reitern. Unermüdlich arbeiteten sich die schmalen Pferde bergan. Die Regentropfen wurden allmählich größer und bald saßen die beiden Männer mit eingezogenen Köpfen im Sattel, während der Regen auf sie niederprasselte. Sie waren völlig durchgeweicht, als Baldur durch den dichten Regenvorhang eine dunkle Öffnung in einer Felsformation entdeckte. Eilig steuerte er darauf zu, sprang aus dem Sattel und zog seine Fuchsstute tiefer in die Höhle. Remigius war ebenfalls abgestiegen und bekam nun einen Schwall Wasser ab, als sich sein Schimmel wie ein Hund die Nässe aus dem Fell schüttelte. Er zog Hut und Mantel aus und knetete beides in den Händen, um das Wasser aus dem Stoff zu pressen. Baldur hatte es sich bereits auf einem kleinen Felsbrocken in der Nähe des Höhleneingangs bequem gemacht und stopfte nun in aller Seelenruhe eine Pfeife. Remigius trat zu ihm und starrte missmutig nach draußen, wo eine graue Wand aus Regen alles jenseits des nächstgelegenen Baums verschluckte. Hin und wieder konnte man bereits leises Donnergrollen hören. Das Unwetter holte sie ein.

„Wir werden hier übernachten. Es hat keinen Sinn, weiterzureiten“, brummte Baldur. Kleine Wölkchen verließen seinen Mund.

„Wie hast Du`s geschafft, dass dein Tabak trocken geblieben ist?“, fragte Remigius und kippte dabei einen Schwall Wasser aus seinem linken Stiefel. Baldur sah unverwandt nach draußen und lächelte in sich hinein.

„Geheimnisse, mein Freund, sind was Feines und würzen das Leben, auch wenn`s nur kleine sind. Du solltest Dir angewöhnen, Deine nicht so schnell zu verraten.“

Remigius warf ihm einen wütenden Blick zu. „Soweit ich mich erinnere, hast Du mich dazu gezwungen!“

„Du hättest einfach nur den Met ablehnen brauchen, mein Freund.“

„Ich bin nicht Dein Freund!“

Baldur betrachtete ihn amüsiert, wie er mit hochrotem Kopf und geballten Fäusten über ihm aufragte. Er erhob sich und sah Remigius fest in die Augen. „Ohne mich würdest Du das Amulett niemals finden. Dieses Arrangement ist zu unser beider Vorteil. Aber wenn Du aussteigen und nach Hause zurückkriechen willst, bitte, geh! Nachdem Du mir zurückgezahlt hast, was Du mir schuldest. Und damit das klar ist: Das Pferd ist genauso wenig ein Geschenk wie der Met, den Du literweise in Dich hinein gekippt hast.“

Remigius sah ihn hasserfüllt an, doch er schwieg und die Zornesröte wich langsam aus seinem Gesicht. Sie machte bald einer mutlosen Resignation Platz und niedergeschlagen senkte er den Blick. Baldur klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Kein Grund, sich zu grämen, mein Freund. Wir werden Dein Amulett finden und wenn wir es verkauft haben, sind wir beide ein gutes Stück reicher und jeder geht seiner Wege.“

Baldur wandte sich ab und ging in den hinteren Teil der Höhle davon. Kleine Rauchwölkchen stiegen in regelmäßigen Abständen über ihm auf. Remigius sah ihm einen Moment nach und setzte sich dann auf den kleinen Felsbrocken. So oft er ihn auch „mein Freund“ nennen mochte, dieser Strauchdieb würde ihm das Amulett nicht freiwillig überlassen, soviel war sicher. Unwillkürlich tastete er nach dem Dolch, der unter seinem Gewand verborgen war.

Er saß noch eine Weile sinnend auf dem Stein, als ein ohrenbetäubender Donnerschlag ihn plötzlich zusammenfahren ließ. Das Gewitter schien seine Kraft gesammelt zu haben und entlud sich nun direkt über ihnen. Blitze erhellten das düstere Grau vor der Höhle und Donnerschläge krachten, dass man meinen konnte, die Höhle stürze ein. Windböen trieben den Regen weit unter den überhängenden Fels und Remigius floh von seinem bequemen Sitzplatz. Die Pferde waren nervös und drängten sich dicht aneinander. Baldur kniete am Boden und versuchte, einen kümmerlichen Haufen trockener Äste zum Brennen zu bringen, doch der Wind blies die kleinen Flammen immer wieder aus. Als Remigius zu ihm trat, sah er kurz auf und stieß dann einen Fluch aus. Remigius schüttelte den Kopf.

„Das wird doch nichts. Geh schlafen, ich übernehme die erste Wache.“

Baldur brummte etwas Unverständliches und erhob sich dann, um sein Pferd abzusatteln. Hinter einem Felsvorsprung, der den Wind ein wenig abhielt, streckte er sich auf dem blanken Felsboden aus, den Kopf auf den Sattel gebettet. Remigius suchte sich einen Platz, von dem aus er den Höhleneingang im Blick hatte. Es waren noch keine fünf Minuten vergangen, da hallte Baldurs markerschütterndes Schnarchen durch die Höhle.

Remigius blinzelte träge, dann fuhr er auf. Er musste eingeschlafen sein, doch etwas hatte ihn geweckt, ein Geräusch, das als vage Erinnerung in seinem Kopf nachhallte. Er lauschte angestrengt. Der Regen prasselte nicht mehr erbarmungslos auf die Erde nieder, vielmehr plätscherte und tropfte er nun friedlich vom Himmel. Hin und wieder donnerte es, doch es war nur noch ein leises Grollen, das sich langsam entfernte. Der Wind hatte nachgelassen und die Pferde dösten vor sich hin. Die Welt beruhigte sich wieder. Plötzlich hoben die Pferde alarmiert die Köpfe. Remigius hatte es ebenfalls gehört: Ein einzelnes Heulen, das kurz darauf beantwortet wurde. Wölfe. Fluchend sprang er auf, um Baldur zu wecken, doch dieser war bereits auf den Beinen. Wieder ertönte ein Heulen, diesmal deutlich näher. Baldur stand in der Mitte der Höhle und kramte hektisch in seinen Taschen.

„Was zum Teufel tust Du da?“

„Wir müssen ein Feuer machen! Trag die Zweige vor den Eingang!“

Remigius raffte die trockenen Äste zusammen und rannte nach vorne, wo er plötzlich zurückprallte. Die Dunkelheit vor der Höhle bewegte sich. Er warf die Zweige auf den Boden und ergriff die Flucht.

„Sie sind hier! Sie sind direkt vor der Höhle!“

Wie zur Bestätigung ertönte ein vielstimmiges Heulen, das von den Felswänden widerhallte. Baldur hatte seine Zündutensilien gefunden und eilte Richtung Höhleneingang.

„Kümmere Dich um die Pferde, sonst laufen sie uns noch davon!“, rief er über die Schulter. Keinen Moment zu früh, denn schon sprengte die kleine Fuchsstute los, floh in Richtung des einzigen Ausgangs, den die Höhle besaß: Direkt auf die Wölfe zu, die nun bereits als einzelne Umrisse zu erkennen waren. Remigius warf sich nach vorne, bekam einen Zügel zu fassen und wurde ein paar Meter mitgeschleift, bevor er die Stute zum Halten brachte. Sein Schimmel war der Füchsin gefolgt, und stand nun augenrollend hinter ihr. Remigius packte auch ihn am Zügel und zog die beiden panisch hin und her springenden Pferde zurück nach hinten, so weit weg wie möglich vom Höhleneingang, wo Baldur unter lautem Fluchen endlich ein kleines Feuer in Gang gebracht hatte. Die Wölfe waren nun deutlich zu sehen, wie sie lauernd am Rande des Feuerscheins hin und her liefen. Ein tiefes Knurren erfüllte die Höhle. Remigius hatte Mühe, die beiden tobenden Pferde zu bändigen. Baldur klaubte weitere Äste aus einer Ecke, in der sich ein sorgsam gestapelter Vorrat befand, und warf sie links und rechts des Feuers auf den Boden, sodass der breite Höhleneingang bald einer lodernden Feuerwand glich. Die Wölfe schlichen noch eine Weile knurrend und geifernd in sicherem Abstand zu den Flammen vor der Höhle umher, dann zogen sie sich zurück. Remigius sank erleichtert gegen die Felswand, während Baldur das Feuer in Gang hielt und gelegentlich trockene Zweige nachlegte. Langsam beruhigten sich die Pferde und Remigius entspannte seine Hände, die sich um die Zügel gekrampft hatten. Baldur stand vor dem prasselnden Feuer und blickte nachdenklich über die Flammen hinweg in die Dunkelheit. Dieser gezielte Angriff war ungewöhnlich. Gelegentlich kamen einzelne Wölfe aus den Wäldern und rissen ein paar Schafe, doch die größeren Rudel blieben tief in den Bergen, wo es reichlich Wild gab. Um Menschen machten sie in der Regel einen großen Bogen. Gelegentlich hörte man von Wolfsangriffen auf Menschen, die allein und meist zu Fuß unterwegs waren, doch es handelte sich immer um einzelne Tiere, die nach einem langen Winter völlig ausgehungert jegliche Vorsicht fahren ließen. Baldur zog seine Pfeife aus der Manteltasche, fischte ein brennendes Ästchen aus dem Feuer und entzündete die Mischung aus Huflattichblättern und Beifuß. Sie würden wachsamer sein müssen. Wer konnte wissen, was dieser Wald noch für Überraschungen bereithielt?

Der Morgen kam mit kühler, sauberer Luft und zarten Sonnenstrahlen, die durch die Baumkronen stachen und den Nebel zum Leuchten brachten, der vom nassen Waldboden aufstieg. Es war ruhig und friedlich, als hätten die Geschehnisse der letzten Nacht niemals stattgefunden. Das Feuer im Höhleneingang war zu mehreren kleinen Häufchen Asche zusammengesunken, von denen hier und da noch dünne Rauchfahnen aufstiegen. Die beiden Männer brachen zeitig auf. Remigius war guter Dinge und summte vor sich hin, während sein Schimmel durch den aufgeweichten Waldboden pflügte.

„Was für ein wunderbarer Morgen, so friedlich. Kaum zu glauben, dass wir gestern um ein Haar draufgegangen wären!“

„Hm“, brummte Baldur leise. „Zu friedlich für meinen Geschmack.“

„Wie meinst Du das?“

Baldur schwieg, drehte sich im Sattel um und blickte hinter sich, dann konzentrierte er sich wieder darauf, das Unterholz zu beiden Seiten des Weges im Auge zu behalten. Remigius sah sich ebenfalls um, konnte jedoch nichts Ungewöhnliches entdecken. Der Weg hinter ihnen war leer und es war still, nicht einmal ein Rauschen in den Baumkronen war zu hören. Er trieb seinen Schimmel vorwärts und drängte sich neben die Fuchsstute.

„Sag doch! Was meinst Du damit?“

Baldur presste die Lippen aufeinander, dann tippte er an sein rechtes Ohr. „Hörst Du das nicht?“

Remigius lauschte angestrengt. „Ich höre gar nichts.“

Baldur nickte knapp. „Eben. Kein Gezwitscher.“

Beklommenes Schweigen senkte sich über die beiden Reiter. Die Pferde schienen ihre Anspannung zu spüren, denn sie beschleunigten ihren Schritt, die Köpfe hoch erhoben und die Ohren in ständiger Bewegung. Doch die Stille hielt an und nichts passierte. Der Wald schien wie ausgestorben. Kein Blatt, kein Ästchen bewegte sich.

Nach einer Weile brach Baldur das Schweigen. „Wenn Du eine Nymphe wärst, würdest Du ein Moor mit oder ohne See in der Nähe wählen?“

Remigius überlegte kurz. „Mit See. Der Mond spiegelt sich auf dem Wasser, so kann sie ihn berühren und sein Leuchten verdecken.“

Baldur nickte langsam. „Ja, das denke ich auch. Es gibt meines Wissens sieben größere Moore in diesen Bergen, davon liegen zwei unmittelbar an einem See.“

„Und Du weißt, wie wir dorthin kommen?“

„So ungefähr. Ich bin einmal hier in den Bergen gewesen und wir kamen an einem der beiden Moore mit See vorbei. Die Richtung habe ich noch ungefähr im Kopf. In zwei bis drei Tagen sollten wir dort sein. Von dem anderen Moor hat mir mal ein Landstreicher erzählt. Der hatte nicht mehr alle Kerzen auf dem Leuchter, aber er hat recht präzise beschrieben, wo es sich befindet.“

Plötzlich ertönte ein lautes Krachen. Die beiden Männer zügelten ihre Pferde und blickten nach rechts, in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Es war wieder still, doch die Pferde tänzelten nervös. Dann ertönte es wieder, es klang wie berstendes Holz und Baumstämme, die auf Felsen krachten. Etwas Großes und Schweres bahnte sich seinen Weg durch den Wald, und es hielt direkt auf sie zu. Die Pferde entschieden sich einhellig für die Flucht und spurteten los. Im wilden Galopp querfeldein klammerten sich ihre Reiter an die Zügel, duckten sich tief über die wehenden Mähnen und beteten mit geschlossenen Augen, der Gaul möge nicht gegen ein größeres Hindernis prallen. Was auch immer sich durch das Unterholz walzte, es nahm die Verfolgung auf. Zweige peitschten den Reitern über Gesicht und Körper, zerrissen Ärmel und Hosenbeine und hinterließen blutige Schrammen. Die Pferde jagten unter hohen Buchen dahin, sprangen über Felsen und umgestürzte Bäume, brachen durch dichtes Unterholz. Das Krachen hinter ihnen hielt eine Zeitlang mit, dann fiel es zurück, wurde immer leiser, bis es irgendwann verstummte. Auch die Pferde wurden allmählich langsamer, bis sie schließlich schwer atmend, zitternd und dampfend vor Schweiß mitten im Wald stehen blieben. Baldur richtete sich langsam auf und ließ sich vorsichtig aus dem Sattel gleiten. Suchend sah er sich um. Remigius hing immer noch mit zusammengekniffenen Augen über dem Hals seines Schimmels.

„Verdammter Mist!“ Verzweifelt fuhr sich Baldur mit einer Hand durch die Haare. Seinen Schlapphut hatte er bei der wilden Hatz verloren.

Remigius öffnete vorsichtig ein Auge, dann schlug er auch das andere auf und rutschte, an den Hals seines Pferdes geklammert, aus dem Sattel. „Wo sind wir?“

„Ich habe keine Ahnung.“ Baldur drehte sich einmal um sich selbst, dann setzte er sich zu Füßen einer mächtigen Fichte und lehnte sich erschöpft gegen den rauen Stamm. „Ich erkenne nichts wieder. Wenn die Pferde einigermaßen geradeaus gelaufen wären, hätten wir zumindest die ungefähre Richtung, aber so ...“

„Wir können hier nicht bleiben! Was, wenn dieses ... Etwas unsere Fährte wieder aufnimmt?“

„Ich weiß, ich weiß. Lass mich nur einen Moment nachdenken.“ Baldur rieb sich die Augen und stützte den Kopf in die Hände. Eine lange Schramme zog sich quer über seine Stirn. Remigius trat nervös von einem Fuß auf den anderen.

„Hör auf, herumzuzappeln, Du machst mich verrückt“, herrschte Baldur ihn an. Er stand auf, machte ein paar Schritte in die eine Richtung, dann ein paar in die andere. Schließlich straffte er sich, drehte sich um und kam entschlossenen Schrittes zurück. „Aufwärts. Immer aufwärts.“

Remigius sah ihn fragend an.

„Wir waren auf dem Weg den Berg hinauf und ich glaube, dass wir uns immer noch an seiner Flanke befinden. Das heißt, wenn wir immer bergauf reiten, müssten wir irgendwann wieder auf unseren Weg treffen.“

Sie erklommen ächzend ihre Rosse und zogen los, querfeldein den Berg hinauf. Der Wald wurde immer enger, und obwohl es erst früher Nachmittag sein konnte, schien es mit jedem Schritt dunkler zu werden. Die hohen Fichten neigten sich einander zu, bildeten einen undurchdringlichen Baldachin, der alles Licht verschluckte und die Reiter in dämmrige Düsternis hüllte. Sie ritten dem Licht weit vor ihnen entgegen, doch die Dämmerung begleitete sie, wie der Schatten einer großen Wolke, die mit ihnen zog. Als Baldur einen Blick zurück warf, konnte er nicht allzu weit hinter ihnen Lichtflecken auf dem Waldboden erkennen. Er sah wieder starr nach vorne und presste die Zähne zusammen. Was hier passierte, ging über eine ungewöhnliche Anhäufung von Zufällen inzwischen weit hinaus. Er hatte das dumpfe, nagende Gefühl, dass sie, ohne es zu merken, vom Jäger zum Gejagten geworden waren. Er warf einen schnellen Blick auf Remigius, der geistesabwesend auf seinem Pferd saß. Die Kleider hingen in Fetzen von seinem hageren Körper, der mit kleinen Schnitten und Abschürfungen übersät war. Baldur brauchte nicht an sich herunter zu sehen, um zu wissen, dass er ein ähnliches Bild abgab. Man hatte sie eindeutig zu Gejagten gemacht.

„Vielleicht sollten wir umkehren.“ Baldur hatte nur leise gemurmelt, doch Remigius hob ruckartig den Kopf und starrte ihn an.

„Irgendetwas will uns aus diesem Wald vertreiben. Oder irgendjemand. Wir sollten zurück reiten, bevor es uns erwischt.“

„Ich fass es nicht! Du hast mich zu dieser ganzen Sache gezwungen, hast behauptet, Du wüsstest, wo das Amulett zu finden ist und jetzt, wo wir fast da sind, willst Du den Schwanz einziehen und verschwinden?“ Remigius schnaubte wütend. „Du bist ein jämmerlicher Feigling, einer, der große Sprüche klopft und dann nicht die Eier hat, zu kämpfen, wenn`s schwierig wird! Du bist ein Aufschneider ohne Rückgrat! Und dümmer, als ich dachte. Dass man uns daran hindern will, zum Moor zu gelangen, beweist doch nur, dass wir auf der richtigen Spur sind!“

Angesichts dieser Flut von Beleidigungen war Baldur vor Zorn hochrot angelaufen, doch als Remigius seine Tirade beendet hatte, schwieg er nachdenklich. An diesem dürren Kerl war mehr dran, als er geglaubt hatte, und bei allen Teufeln, er hatte Recht! Die Frage war nur, wie oft sie derartige Angriffe noch überleben konnten. Ihm grauste vor der Vorstellung, was der Wald wohl als Nächstes für sie bereithalten würde.

„Na schön“, knurrte er, „wir reiten weiter. Aber wenn Du an Deinem Leben hängst, kann ich Dir nur raten, mich nie wieder Feigling zu nennen.“

Die nächsten Stunden verbrachten sie in finsterem Schweigen. Irgendwann senkte sich tiefschwarze Nacht über den Wald und sie rasteten, wachten abwechselnd, während sich der andere in unruhigem Schlaf hin und her wälzte. Die unnatürliche Stille und die Abwesenheit jeglichen Lichts überreizten die Sinne, ließen in ihren Köpfen Geräusche und geisterhafte Schemen entstehen, die nicht existierten. Der Morgen kam mit grauem, dämmrigem Zwielicht und erschöpft machten sie sich wieder auf den Weg, immer weiter den Berg hinauf.

Der Aufstieg wurde zunehmend mühsamer und die Pferde taten sich schwer, kämpften sich über Geröllhalden und blanken Fels, an den sich verkrüppelte Bäume klammerten. Als die Fuchsstute ins Straucheln kam und beinahe den Abhang hinabstürzte, saßen Baldur und Remigius ab und setzten ihren Weg, die Pferde am Zügel führend, zu Fuß fort. Um die Mittagszeit, vielleicht war es auch bereits Nachmittag, wer konnte das bei dem trüben Dämmerlicht schon sagen, erreichten sie eine flache Senke, die von hohen Buchen und einzelnen Eichen bestanden war. Sie ließen die Pferde grasen und ruhten sich eine Weile aus. Weit oben, irgendwo in den Baumwipfeln, krächzte ein Vogel. Baldur und Remigius lagen ausgestreckt auf dem Waldboden und dösten.

Ein lautes Flügelschlagen, nur kurz, ertönte links über ihnen. Baldur öffnete schläfrig die Augen und stützte sich auf die Ellbogen. Die Pferde grasten nicht mehr, sondern hatten aufmerksam die Köpfe gehoben und lauschten. Es wurde unmerklich dunkler und ein Rauschen fuhr durch die Wipfel, schwoll an, als wäre aus dem Nichts ein Sturm aufgezogen. Baldur legte den Kopf in den Nacken, blickte nach oben und seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Die Baumkronen waren kaum noch zu sehen, stattdessen verdeckten schwarzglänzende Flügel den Himmel, die flatternd durcheinander wimmelten. Mit einem Satz war er auf den Füßen, weckte Remigius mit einem Tritt in die Seite und rannte zu den Pferden. Die Krähen gingen bereits zum Angriff über und die Pferde stürmten los, preschten kopflos den Hang hinab, über Felsbrocken und Geröll. Nach ein paar Metern stürzte der Schimmel auf einer glatten Felsplatte, schlitterte bergab und prallte gegen einen Baum. Wild mit den Hufen strampelnd, versuchte er, wieder auf die Beine zu kommen, doch ein Geschwader Krähen stieß schon auf ihn herab. Schwarze Flügel bedeckten seinen um sich tretenden, zuckenden Leib. Die Vögel hackten wie von Sinnen auf das arme Tier ein, bis es sich schließlich nicht mehr regte. Als die Krähen aufflogen, war von ihm nur noch eine unförmige Masse übrig, die entfernt an ein Pferd erinnerte, hier und da bedeckt von Fetzen weißen Fells, auf denen tiefrote Tupfer leuchteten. Seine Kameradin rannte um ihr Leben und war bald außer Sichtweite. Die Vögel hatten sich aufgeteilt und machten nun Jagd auf Remigius und Baldur, die im Zickzack durch die Senke hetzten. Sie holten schnell auf und attackierten die Flüchtenden. Remigius zog den Kopf ein, als ihn ein Schnabelhieb im Genick streifte, ein weiterer hinterließ eine tiefe Wunde an der Schulter. Baldur fischte im Laufen einen langen Ast vom Boden und wirbelte ihn über seinem Kopf im Kreis. Es klatschte zweimal laut, als Holz auf befiederte Körper traf, doch er sah sich nicht um, sondern rannte weiter und zog den Ast in unregelmäßigen Kreisen durch die Luft. Sie hatten die Senke fast vollständig durchquert, als vor ihnen ein niedriger, langgezogener Steinhaufen auftauchte, der an ein primitives Mäuerchen erinnerte. Remigius sprang mit einem großen Satz hinüber und Baldur hechtete hinterher. Plötzlich ließen die Krähen von ihnen ab und begannen, wie Raubvögel hoch über ihnen zu kreisen. Remigius rannte weiter, doch Baldur, der auf dem Bauch gelandet war und verwundert wahrnahm, dass er entgegen jeder Wahrscheinlichkeit noch lebte, erkannte ihre Chance. Er richtete sich halb auf und schleuderte Remigius im vollen Lauf den Ast zwischen die Füße. Remigius stieß einen spitzen Schrei aus, schlug der Länge nach hin und riss sofort schützend die Arme hoch, bedeckte Kopf und Nacken in Erwartung der tödlichen, hackenden Schnäbel. Als nichts geschah, ließ er langsam die Arme sinken und hob den Kopf. Baldur stand nicht weit von ihm entfernt und starrte angestrengt nach oben. Remigius folgte seinem Blick. Die Krähen zogen in einiger Entfernung über ihnen weite Kreise. Er rappelte sich auf und trat zu Baldur, der sich nun stirnrunzelnd umsah. Sie befanden sich im Innern einer etwa kreisrunden Fläche, die von lose aufeinander geschichteten Steinen begrenzt wurde. Fünf mächtige Eichen unterbrachen diese Grenzlinie in regelmäßigen Abständen.

„Was ist das hier?“, flüsterte Remigius.

Einzelne Krähen verließen nach und nach den kreisenden Schwarm und ließen sich in den umliegenden Bäumen nieder. Baldur begann, die Grenzlinie abzuschreiten, ohne die Vögel in den Bäumen aus den Augen zu lassen.

„Ich glaube, das ist ein Bannkreis, oder etwas Ähnliches“, murmelte er. Geistesabwesend fuhr er mit der Hand über die rissige Borke einer Eiche, die danach dunkelrot glänzte, wo er sie berührt hatte.

Der Boden im Innern des Kreises war frei von Steinen, offensichtlich hatte jemand jeden einzelnen aufgeklaubt und zur Grenzlinie getragen, um sie zu markieren. Baldur überlegte kurz, dann streckte er einen Arm über den Steinhaufen nach draußen. Sofort stieß sich eine kleine Gruppe Krähen von ihren Ästen ab und hielt im Sturzflug auf ihn zu. Hastig zog er seinen Arm wieder zurück. Die Vögel wichen nach rechts und links aus und kehrten auf ihre Plätze in den Baumkronen zurück.

„Komm mal hier rüber!“, rief Remigius. Er stand in der Nähe einer Eiche. Etwas lag vor ihm im Gras. Baldur trat zu ihm und gemeinsam blickten sie auf den ausgemergelten Körper herunter, der dort lag, als ob er schliefe. Der junge Mann musste schon eine Weile tot sein, denn die mit der Verwesung einsetzende Schrumpfung der Haut hatte die Lider zurückgezogen, sodass er mit milchigen Augen ins Leere starrte. Dennoch war sein Leichnam weitestgehend unversehrt. Die Haut war grau verfärbt und unter den Wangenknochen eingefallen, die Zähne zu einem bizarren Grinsen entblößt.

„Ich sehe keine Maden“, sagte Remigius leise. „Hier müsste es vor Fliegen nur so wimmeln.“

Baldur nickte finster. „Der Kreis scheint nicht nur Vögel auszusperren.“

„Was glaubst Du, warum ist er nicht geflohen?“

Baldur ließ den Blick über die Krähen schweifen, die in den Bäumen rings um den Bannkreis Stellung bezogen hatten und ihre glänzenden, schwarzen Augen unverwandt auf die beiden Männer richteten.

„Ich glaube, er konnte es nicht. Die Schrecken, die ihn außerhalb dieses Kreises erwarteten, waren grausamer als der Hungertod im Innern“, sagte er leise.

Sie betrachteten ihn eine Weile stumm und sahen sich selbst dort liegen. Schließlich gab sich Baldur einen Ruck, trat einen Schritt vor und sank auf die Knie. Er zog dem Toten den Mantel aus und schickte sich dann an, ihm die Stiefel abzustreifen. Remigius sah ihm entgeistert zu. „Was tust Du da? Du kannst doch einem Toten nicht die Kleider stehlen!“

Baldur biss die Zähne zusammen und zog und zerrte an dem linken Stiefel. „Ich denke, er braucht sie nicht so sehr wie ich.“ Angewidert wandte sich Remigius ab.

Sie verbrachten drei Tage im Innern des Bannkreises. Gelegentlich flog eine einzelne Krähe auf, entfernte sich, um dann einige Stunden später auf ihren Platz in den Baumkronen zurückzukehren. Die pechschwarzen Vögel waren stumm, sie flatterten nicht, stritten nicht und schienen weder Hunger noch Durst zu verspüren. Sie starrten nur, lauerten, und nachts ging ein schwaches Glimmen von ihren kleinen Augen aus.

Remigius saß oft in der Nähe des Leichnams und betrachtete ihn. Er schien die Gesellschaft des Toten der Baldurs vorzuziehen. Doch es gab ohnehin nichts zu sagen. Ein kleines Rinnsal, das einen kurzen Schlenker durch den Kreis machte, bewahrte sie vor dem Verdursten, doch innerhalb der Steine gab es nichts Essbares. Jegliches Getier mied den Bannkreis.

Der dritte Tag kam wie die vorherigen, mit düsterem Zwielicht, und die Untätigkeit und der Hunger zermürbten quälend langsam Körper und Geist. Baldur lag teilnahmslos unter einer Eiche, den Kopf auf eine Wurzel gebettet und die Augen halb geschlossen. Remigius betrachtete nachdenklich den verwesenden Körper. Plötzlich ruckte sein Kopf herum und er starrte die Vögel an, blickte wieder zurück zu dem Toten und sprang dann auf.

„Ich ... Ich habe eine Idee! Baldur, wach auf!“

Baldur hob matt den Kopf. „Du hast eine Idee? Gott steh uns bei.“

„Wir werfen ihn raus!“

„Was?“ Baldur richtete sich auf und blickte Remigius verständnislos an. „Wen?“

„Den Toten! Wir werfen ihn so weit wir können, die Krähen werden sich auf ihn stürzen und wir rennen wie der Teufel!“

Baldur kratzte sich am Kopf und dachte nach. „Woher weißt Du, dass sie auf die Leiche losgehen werden? Und dass sie sich nicht sofort auf uns stürzen, wenn wir aus dem Kreis rennen? Wie willst Du sichergehen, dass sie uns nicht verfolgen und einholen und mit ihren spitzen Schnäbeln abschlachten wie die Karnickel?“

„Hast Du eine bessere Idee?“

Baldur presste die Lippen aufeinander und schwieg.

„Ich kann Dir nicht versprechen, dass es funktioniert. Aber alles ist besser, als hier drin jämmerlich zu verrecken.“ Remigius verschränkte die Arme und sah ihn herausfordernd an.

Baldur sann eine Weile vor sich hin, dann nickte er langsam. „Wenn wir hier drin bleiben, sterben wir auf alle Fälle. Und ich bin es leid, zu warten.“

Gemeinsam schleiften sie den Toten ein kurzes Stück die Mauer entlang, bis sie freies Feld hatten. Er war überraschend schwer. Baldur stützte schwer atmend die Hände auf die Oberschenkel. „Also, ich nehme die Füße, Du die Arme und dann holen wir zweimal Schwung. Bei drei lassen wir los. Dann einmal quer durch den Kreis und auf der gegenüberliegenden Seite raus. Wir haben größere Chancen, wenn wir uns aufteilen. Du rennst nach links, ich nach rechts. Alles klar?“

„Alles klar. Nein, warte! Wie finde ich zum Moor?“

„Ich weiß selber nicht, wo wir sind, geschweige denn, wie wir zum Moor kommen. Aber wenn wir das hier überleben, treffen wir uns oben auf dem Berg. Dann sehen wir weiter.“

Sie packten den Leichnam, holten Schwung und er klatschte keine zwei Meter entfernt gegen einen niedrigen Felsen. Baldur und Remigius spurteten durch den Bannkreis, während die Krähen zu hunderten über den toten Körper herfielen. Als sie den Kreis verließen, nahmen ein paar wenige die Verfolgung auf, doch sie ließen bald von ihrer flüchtenden Beute ab und kehrten zu dem gemeinschaftlichen Mahl zurück. Remigius rannte, ohne sich umzusehen, bis ihn die Kräfte verließen. Dann verkroch er sich erschöpft in die nächstbeste Felsspalte und fiel in einen unruhigen Schlaf voller tiefschwarz glänzender Flügel und spitzer, todbringender Schnäbel.

Als er erwachte, war es finstere Nacht. Draußen vor seiner Felsspalte sah er in einiger Entfernung kleine Lichter durch die Bäume schimmern. Er zwängte sich hinaus und lief darauf zu, doch sie schienen sich zu bewegen, flackerten, erloschen, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen, lockten ihn mal hierhin und mal dorthin und so bewegte er sich im Zickzack an der Bergflanke entlang. Es schienen Stunden zu vergehen, in denen er im Halbdunkel durch den Wald stolperte. Die kleinen Lichter zogen ihn magisch an, zwangen ihn in Schleifen und Kurven den Berg hinauf. Manchmal hüpften sie auf der Stelle, als machten sie sich über ihn lustig. Und irgendwann, ohne dass er wusste, wie es dazu gekommen war, stand er mit einem Mal am Ufer eines Sees. Die Lichter schossen über das Wasser, das in einiger Entfernung nahtlos in ein Moor überging. Dort stand eine schlanke, hochaufgeschossene Gestalt. Die Irrlichter tanzten um sie herum und sie fuhr mit den Händen durch die Luft, als würde sie die Lichtlein sanft streicheln.
Remigius begann, den See zu umrunden und traf auf halber Strecke auf Baldur, der soeben aus dem Wald trat. Wortlos gingen sie auf das Moor zu, wo die schlanke Gestalt der Nymphe sie bereits erwartete.

Ihre Haut schimmerte grünlich, perlmuttfarbene Haare wanden sich in nassen Strähnen über ihren Rücken. Die Nymphe musterte ihre ungebetenen Gäste aus dunklen, amphibisch wirkenden Augen. Ihr Blick hinterließ ein Brennen auf der Haut und Remigius wand sich unter Schauern, während Baldur um Beherrschung rang und mit zusammengebissenen Zähnen zurückstarrte. Ein leises Lächeln entblößte eine Reihe ebenmäßiger, spitzer Zähne. Sie neigte den Kopf leicht zum Gruß.

„Ihr verirrten Menschlein, was ist euer Begehr?“ Ihre samtige Stimme floss in einem wellenartigen Singsang dahin. Die Hände bewegten sich anmutig, während sie sprach.

Remigius sank auf die Knie. „Ich bin auf der Suche nach einem magischen Amulett, das meiner todkranken Frau das Leben zurückgeben kann. Man erzählt sich, es sei in Eurem Besitz.“

„So, erzählt man sich das?“ Sie lächelte amüsiert und wandte sich Baldur zu. „Und Du? Was führt Dich in mein Reich? Hast auch Du eine todkranke Frau, die auf Deine Rückkehr wartet?“

Baldur schwieg trotzig. Sie betrachtete ihn eine Weile lauernd, dann bleckte sie die Zähne und zischte: „Ein Räuber auf der Suche nach versunkenen Schätzen, ein niederes Ding, das sich an vergangenem Leid bereichert und seine schleimige Spur der Niedertracht in den Leben anderer hinterlässt, eine gierige, kleine Schmeißfliege.“ Langsam kam sie näher. Baldur erbleichte, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Mit den fließenden Bewegungen eines Raubtieres umkreiste sie ihn, bis sie direkt hinter ihm stand. Ihr Gesicht näherte sich seinem linken Ohr und sie flüsterte: „Ich werde mich gut mit Dir amüsieren, kleine Schmeißfliege.“ Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Er knirschte leise mit den Zähnen und begann zu zittern. „Nur Geduld. Alles zu seiner Zeit“, raunte sie ihm ins Ohr.

Remigius hatte unterdessen den ledernen Beutel aus dem Absatz seines Stiefels gezogen und streckte ihn der Nymphe flehend entgegen. „Bitte, ich gebe Euch alles, was ich besitze, wenn Ihr mir nur das Amulett überlasst, um meine geliebte Frau zu retten!“

Sie ließ von Baldur ab und als sie sich zu Remigius umdrehte, lächelte sie sanft. Sie trat zu ihm und beugte sich herab. Ihr Gesicht näherte sich dem seinen und er nahm einen schwachen Geruch nach Algen wahr.

„Ihr Menschen und euer klimpernder Tand. Was soll ich mit Deinen wertlosen Metallplättchen anfangen?“ Lauernd legte sie den Kopf schief. „Wie sehr liebst Du Dein Weib, kleines Menschlein? Was bist Du bereit zu opfern, um ihr Leben zu retten?“ Sie richtete sich auf und blickte verträumt in die Ferne. „Es verlangt mich nach Gesellschaft, nach Unterhaltung. Es ist so einsam in diesen Bergen.“

„Ich verstehe nicht ...“

„Ein Leben für ein Leben. Das ist nur recht und billig.“

Remigius blickte sie verzweifelt an. Tränen liefen über seine Wangen. „Ihr verlangt, dass ich meine Frau verlasse, um sie zu retten? Wie könnte ich, der Kummer würde sie vernichten! Ich würde nur den einen Tod gegen einen anderen eintauschen.“

Die Nymphe sah träumerisch auf ihn herab. „Wie viele Tagesreisen bist Du von Deiner Heimat entfernt, kleiner Mensch?“

„Ich brach vor etwa 60 Tagen auf.“

„Mein Lieber, ich befürchte, Deine Frau weilt längst nicht mehr unter den Lebenden. Und selbst wenn sie noch lebte, so wärest Du doch nicht rechtzeitig zurück, um sie zu retten. Du hast sie bereits verloren.“

Remigius starrte sie an, erkannte die Wahrheit in ihren dunklen Augen. Ein leises Wimmern drang aus seiner Kehle, dann schlug er die Hände vor das Gesicht und brach am Rande des Moores zusammen. Seine Finger gruben sich in die morastige Erde und sein ganzer Körper zuckte in endlosen Krämpfen des Weinens. Die Nymphe kniete sich neben ihn, summte leise und strich liebevoll über sein Haar.
Baldur kämpfte unterdessen gegen die Starre, die von ihm Besitz ergriffen hatte und als er sich endlich wieder bewegen konnte, schlich er sich davon und begann zu rennen, sowie er außer Sichtweite des Moores war. Der Nymphe blieb seine Flucht freilich nicht lange verborgen, denn er polterte durch den Wald, dass sämtliche Vögel, einschließlich ihrer treuen Krähen, in weitem Umkreis erschrocken aufflogen. Sie zischte verärgert und überließ den schluchzenden Remigius seiner Trauer. Mit einer knappen Geste schickte sie die Irrlichter aus, die sich emsig auf die Suche machten und Baldur in einem Bogen wieder zu ihrer Heimstatt zurücklockten. Die Nymphe saß bereits wartend auf einem umgestürzten Baum, der weit ins Moor hineinragte. Auf den letzten Metern drängten und schubsten ihn die kleinen Irrlichter, bis er direkt vor ihr stand. Sie bleckte die Zähne und fixierte ihn mit Augen, die nun schwach grünlich leuchteten.

„Du unartiges kleines Insekt! Niemand darf diesen Ort jemals wieder verlassen! Niemand darf dort unten im Tal berichten, wo dies` Moor zu finden ist“, fauchte sie. Sie riss sich eine Strähne ihres silbrigen Haares aus, trat hinter ihn und legte sie Baldur um den Hals, zog sie fest, dass er nach Luft schnappte. Mit den Händen fuhr sie langsam die Konturen seiner Silhouette nach, ohne ihn zu berühren und murmelte ein paar Worte in einer Sprache, die älter war, als die Erinnerung der Menschen zurückreichte. Baldurs Körper wurde von einem grünen Schimmer überzogen, schrumpfte, immer weiter, bis er nicht mehr zu sehen war und statt seiner eine dicke Kröte auf dem morastigen Boden saß. Die Nymphe hob sie auf und trug sie ins Schilf, wo es ihr bereits laut entgegen quakte. Sie setzte sie auf den weichen Boden und Baldur, die Kröte, verschwand mit zwei ungelenken Hüpfern im Schilf.

Remigius hatte keine Tränen mehr. Er hatte sie alle aufgebraucht und saß nun in dumpfer Verzweiflung auf der schwarzen Erde. Er hatte versagt. Heimzukehren erschien ihm ebenso sinnlos, wie zu bleiben. Und so ging er auf das Moor hinaus und verschwand in den Nebelschwaden. Die erzürnte Nymphe stieß einen schrillen Schrei aus und flog ihm hinterher, doch selbst die Irrlichter konnten ihn nicht mehr finden. In den Dörfern erzählt man sich seither, er geistere nun in mondlosen Nächten über das Moor, auf der Suche nach seiner geliebten Frau, immer verfolgt von der Nymphe, die in ihm ihren Gefährten gefunden zu haben glaubte.

 

Liebe Kassiopeia,

schon gestern habe ich angefangen, deine Geschichte zu lesen. Ungefähr in der Mitte habe ich dann eine Pause gemacht und den Rest auf heute verschoben.
Ich möchte dir nun meinen ersten Eindruck vermitteln.
Bevor ich das mache, möchte ich allerdings etwas über mein Leseverhalten sagen: Vor ein paar Wochen habe ich mir nach Jahrzehnten wieder einmal Stifter vorgenommen. Den habe ich in meiner Jugend geliebt, ganz besonders die Novelle ‚Brigitta’. Ich erinnere mich, dass ich diese Geschichte damals verschlungen habe. Beim jetzigen Lesen hatte ich allerdings das Gefühl, dass ich als Leser auf eine sehr harte Probe gestellt wurde: Stifter kam einfach nicht zu Potte. Es dauerte und dauerte, bis sich endlich die wunderschöne Liebesgeschichte entfaltete. Ich musste endlos mit dem Ich-Erzähler durch die Puszta ziehen, bis sich mir das eigentliche Geschehen erschloss. So kam es mir zumindest vor und ich begann querzulesen, wollte endlich zum Kern der Sache kommen.
Und, liebe Kassiopeia, so ähnlich ging es mir leider auch bei deiner Geschichte.
Ich habe mich ja auf eine Geschichte über ‚Moorgeister’ eingelassen. Aber erst auf Seite 6 erfahre ich dann etwas über eine Nymphe.
Baldur erzählt:

Vor langer Zeit lebte eine Nymphe im Moor in den Bergen. Immer, wenn der Mond zur Gänze verschwand, brachten ihr die Menschen Opfergaben dar, damit sie ihnen wohl gesonnen sei und den Mond wieder zum Leuchten brächte. Eines Tages kam eine Hexe in eins der Dörfer. … die Hexe versprach ihnen, sie von der Nymphe zu befreien, die immer wieder den Mond verdunkelte. Sie hielt ein magisches Amulett in die Höhe und bot ihnen an, damit die Nymphe von ihrem Moor in den Bergen zu vertreiben, … da tauchte die Nymphe erbost aus den Nebeln auf und zog die Hexe mitsamt dem Amulett in die Tiefe.“

Danach wird es dann für mich allerdings verwirrend:

Baldur machte eine Pause und kratzte sich am Hinterkopf.
„Die Nymphe heißt in jedem Dorf anders, genauso wie die Hexe, und das Moor befindet sich mal hier und mal da. Aber es gibt immer wieder Leute, die danach suchen, denn angeblich ist die Hexe mitsamt ihrer Bezahlung im Moor versunken. … “
Einer sehr konkreten Geschichte folgt etwas, was das vorher Erzählte sehr vage und fast bedeutungslos werden lässt.
Die Hexe wird schon früher (Seite 4) erwähnt, erscheint aber am Ende der Geschichte nicht mehr.
Hier finden sich dann die Moorgeister, wenn ich die Irrlichter richtig zuordne:

Draußen vor seiner Felsspalte sah er in einiger Entfernung kleine Lichter durch die Bäume schimmern. … sie schienen sich zu bewegen, flackerten, erloschen, um an einer anderen Stelle wieder aufzutauchen, lockten ihn mal hierhin und mal dorthin, …Die kleinen Lichter zogen ihn magisch an, zwangen ihn in Schleifen und Kurven den Berg hinauf.
Ich bin nicht sicher, ob deshalb der Titel ‚Moorgeister’ nicht irreführend ist. Denn über fast sechzehn Seiten (Word 12) lese ich eine Geschichte, in der zwei unterschiedliche Männer durchs Land reiten, einige Gefahren bestehen, um dann endlich auf die Nymphe zu stoßen. Diese lange Reise beschreibst du sprachlich sehr gut, detailreich und anschaulich. Was mir fehlt, ist eine innere Spannung, etwas, das mich als Leser dazu bringt, diesen beiden zu folgen, neugierig zu sein auf das, was sie zusammen erleben.
Dabei bleibt für mich recht undurchschaut, warum Baldur eigentlich mitkommt. Sicher, er ist ein Schurke, der sich einen Gewinn verspricht. Aber so richtig kann ich seine Motivation nicht nachvollziehen. Remigius verstehe ich besser: Es geht ihm um die Rettung seiner kranken Frau. Baldur, der Undurchschaubare, der Schlechte – Remigius, der Gute. Diese Konstellation stellst du zwar später in Frage, aber so richtig nahe kommen mir als Leser die beiden nicht:

Remigius sah ihn hasserfüllt an, doch er schwieg und die Zornesröte wich langsam aus seinem Gesicht. Sie machte bald einer mutlosen Resignation Platz und niedergeschlagen senkte er den Blick. Baldur klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter.
„Kein Grund, sich zu grämen, mein Freund. Wir werden Dein Amulett finden und wenn wir es verkauft haben, sind wir beide ein gutes Stück reicher und jeder geht seiner Wege.“
Besonders unklar ist mir diese Person ‚Baldur’ und ihre Motivation. Warum handelt sie so, wie sie handelt?
(Leider habe ich irgendwann auch bei dir angefangen querzulesen und deshalb möglicherweise das eine oder andere überlesen.)

Fazit:
Deine Geschichte ist mir zu lang. Sie verweilt sehr lange bei einzelnen gut und detailreich beschriebenen Episoden, enthält aber für mein Gefühl keinen echten Spannungsbogen, keine nachvollziehbare Entwicklung der beiden Personen und ihrer Beziehung zueinander. Sicherlich, es wird alles immer gefährlicher, aber diese Steigerung teilt sich mir nicht als Spannung mit.
Und erst am Ende wird die Geschichte für mich zum Märchen. Vorher finde ich weder in der Art der Beschreibung noch in der Sprache Märchenhaftes. Zwar geschieht einiges, was ich einem Märchen zuordnen könnte, aber ich vermisse eine typische Märchen-Atmosphäre.

Liebe Kassiopeia, du hast dir sehr viel Arbeit gemacht mit deiner sehr langen Geschichte. Vielleicht solltest du die einzelnen Szenen kürzer und prägnanter gestalten, das Wichtige vom Unwichtigen trennen, das Thema stringenter verfolgen. Und natürlich müsste es dir gelingen, in mir als Leser eine Fragehaltung zu erzeugen: Wie geht das Ganze aus? Was führt der Baldur eigentlich im Schilde? Was ist das überhaupt für ein Typ? Wird Remigius am Ende seine Frau retten können? Usw. usw.

Ich habe mir in deinem Text einiges markiert, was mir aufgefallen ist, was ich aber jetzt nicht auflisten möchte. Nur dies: Du schreibst fast fehlerlos, solltest dir aber noch einmal die Regeln der Zusammen- und Getrenntschreibung von Verben und Adjektiven anschauen. Da finden sich einige Fehler.

Ein paar Beispiele:

einem weitaus kurzweiligeren Glück entgegen strebten
entgegenstrebten

lehnte er sich über grob zusammen gezimmerte Eichenbretter
zusammengezimmerte

als sie davon gewuselt war.
davongewuselt

sich mit einem Gauner zusammen zu tun.
zusammenzutun


Liebe Grüße
barnhelm

Nb: Warum lässt sich Remigius am Anfang ‚Thomas’ nennen? Das ist mir im Nachhinein nicht klar. Habe ich da auch etwas überlesen?

 

Liebe Kassiopeia,

eins ist klar, du hast große Lust am Fabulieren, entwirfst pittoreske Szenenbilder ganz im Stile von Fantasy und ich rechne von Beginn an mit mindestens achthundert Seiten, nein, mit drei Bänden, bis sich alles in Wohlgefallen auflöst.

Deine Gemälde machen mir Spaß, und alles wäre gut, wenn im Hintergrund nicht die Frage lauerte: Ist das nun eine Kurzgeschichte oder doch eher ein erstes Kapitel?

Was ich auch gerne wüsste, hat schon barnhelm aufgelistet, deren Kommentar ich eben erst gelesen habe. Ich hatte mit meinem schon gestern angefangen. Deshalb mache ich es kurz: In deiner "Kurzgeschichte" schlummert ein Epos, unmöglich kann das Ende hier schon alles gewesen sein, schon allein deshalb, weil Fantasy nie, nie, nie schlecht ausgehen darf. Dein Ende schreit geradezu nach einer Fortsetzung. Und dann bekämen deine liebevollen Szenarien ihren richtigen Stellenwert. Außerdem könntest du deinen Prot "Thomas", den ich einfach "Remigius" bleiben ließe, etwas aufpolstern, so dass er seinem Gegenspieler "Baldur" Paroli bieten könnte.

Ha, das wäre doch ein richtiges Kontrastprogramm zu deinem Berufsstress!

Ich würde es jedenfalls interessiert verfolgen, wenn auch nicht immer im Detail kommentieren.

Herzliche Grüße
wieselmaus

 
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Vier Stunden und sieben Krüge Met später ...
ist für mich eine angenehmere Zeitrechnung, als die bürgerliche der Uhr, die alles in kleinste Einheiten zerhackt und bestimmt, was pünktlich heiße und zeitgemäß,

liebe Kassiopeia,

aber mir ging's ähnlich wie meinen charmanten Vorrednerinnen - auch schon gestern - und wenn ich TNR 12 pt. ins Standardmanuskript von 60 Zeichen/Seite unter Courier 12 pt. umwandle - die gute alte Schreibmaschine lässt grüßen - wäre mit mehr als 30 Seiten Manuskript das Format einer Novelle erreicht. Und bei den Nymphen gibt's eigentlich auch Vorbilder, insbesondere wenn man weiß, dass sie eigentlich mit "Bräuten" zu bezeichnen sind - und wer opfert schon gerne eine hübsche Braut?

Aber dürfte einer wie ich nörgeln, der auch schon mal ein gesamtes literarisches Werk in eine Rezension packt , weil das Werk und die Biographie ihn halt "gepackt" haben? Denn eines ist gewiss, schreiben kannstu, und wer wollte schon holprige Wege meiden, wenn die Kutsche auf dem glatten Weg den Gast einschläfert?,

und kann ich überhaupt an den Namen vorbeigehen, deren erster gleich mit der Taufe Chlodwigs und des salfränkischen Adels von dreitausend gestandenen Recken in Verbindung gebracht werden kann? Dass aber Baldr nicht von Loki umgebracht wird ist nur ein schwacher Trost, denn wer wollte schon den Frühling mit einem Kröterich verbringen? Da wäre Knöterich angenehmer zu gebießen.

Aber die Beschreibungsliteratur (größere Formen der Erzählung lassen halt grüßen) gilt es für den Leser zunächst zu überwinden, führt dann aber auch zum ersten Fehltritt - eben einer Zusammenschreibung, wie sie schon an anderer Stelle auch aufgeführt werden

Obwohl es bereits auf Mitternacht zu ging, ...
"zu gehen" ist was anderes, als "auf etwas zuzugehen", und sei's Mitternacht oder ein Ort. Also besser "auf Mitternacht zuging" -

aber auch zu einer Differenz zwischen antik anmutenden Dingen wie Met und Taler mit der Sprache z. B. "hey" als Anrede oder wie hier, wie auch das Ross im Plural zwar korrekt "Rösser", nicht aber in der alten Sprache "Rosse" zu nennen. Da wäre m. E. die wesentliche Baustelle - im Märchenton.

Oder eine Winzigkeit im

„Aaaah, wenn’s weiter nichts ist ...
Warum dieses unnötige Comic-Element des langgezogenen Ahs, wenn es schon ein Dehnungs-h trägt!? Lautsprachlich bliebe es bei "ah" beim [a:], länger geht lautsprachlich nicht.

Hier nur ganz kurz, weil ich schon eine vergleichbare Stelle im Menü weggezappt habe

Die Wirtin hob beschwichtigend die Hände, und eine leichte Unsicherheit stahl sich in ihr Lächeln
die Anfrage, ob Du weißt, dass zwischen Hauptsätzen (ähnlich wie bei gleichrangigen Wörtern, Satzteilen auch) die Konjunktion "und" das Komma an sich ganz gut ersetzt. Ausgenommen natürlich, Du wolltest einen oder beide Sätze besonders betonen.

Aber jedes Mal?

Aber Baldur wird doch wissen, dass es keine "Unkosten" gibt

Deinem Interesse so viel abwerfen sollte, dass ich zusätzlich zur Deckung meiner Unkosten ein hübsches Sümmchen dabei verdiene.
denn die Vorsilbe "un" verweist i. d. R. auf das Gegenteil des angeführten Substantivs, also eine "Untiefe" ist halt nicht besonders tief, sondern eben eine flaches Gewässer (Strand, Sandbank, Fels), ein Unhold ist einem eben alles andere als hold und folglich wären Unkosten nicht mehr Kosten, sondern -

Gewinn/Überschuss/Erfolg/Profit

Wie er den verschlagenen Spitzbuben später loswerden sollte, konnte er sich dann überlegen, wenn es so[...]weit war.
Soweit ich weiß, wird so weit nur als Konjunktion zusammengeschrieben. Als unbestimmte Entfernung oder Zeit immer auseinander! Hier z. B. ists korrekt dargestellt
„Soweit ich mich erinnere, hast Du mich dazu gezwungen!“

..., hätten wir zumindest die ungefähre Richtung, aber so ... .“
(Die Auslassungspunkte geben zugleich in diesem Fall den Schlusspunkt ab. Eine Vier-Punkte-Regelung gibt es nur in Vier-Mächte-Abkommen ...

Die Kleider hingen in Fetzen von seinem hageren Körper, der mit kleinen Schnitten und Abschürfungen übersä[...]t war.

Plötzlich ließen die Krähen von ihnen ab und begannen, wie Raubvögel hoch über ihnen zu kreisen.
Sind Krähen/vögel nicht auch Raubvögel, vom großen Kolkraben bis hinab zur kleinen Dohle? Und: Es sind allemal so ziemlich die geselligsten und untereinander sozialsten Vögel überhaupt - nicht nur während der Brutzeit. Nicht umsonst heißt es, dass die eine Kräher der andern kein Auge aushacke (irgendwo muss ja solch eine Weisheit ihren Ursprung finden). Der Kolkrabe ist zudem noch ein kluges Tier und stellt deshalb auch auch Odin/Wotans Beraterteam.

Nun, der Schlusssatz, den ich ausgewählt habe, könnte sowohl auf mich als auch auf diese kleine Geschichte zutreffen

..., und murmelte ein paar Worte in einer Sprache, die älter war, als die Erinnerung der Menschen zurückreichte.

Gern - wenn auch in zwo Sitzungen - gelesen vom

Friedel

Nachtrag:

Was ich natürlich gänzlich vermiss, ist Humor (oder sollten wir einen total gegensätzlichen tragen?)

Vielleicht - so als Anregung - schau mal bei Eduard Mörike rein, wie der im Stuttgarter Hutzelmännlein mit der Historie von der schönen Lau umzugehen weiß. It zwar schon eine Ewigkeit her, dass ich Mörike gelesen hab, aber wieselmaus wird es genauer wissen ...

 

Hallo barnhelm, wieselmaus und Friedrichard,

ich danke Euch, dass Ihr Euch in diesem "Schinken" bis zum Ende durchgekämpft habt. Ich wollte mich erstmals an etwas Längerem versuchen und obwohl mir bewusst ist, dass der Text nicht nur lang, sondern leider auch langatmig geworden ist, bin ich ein kleines bisschen stolz, dass ich bis zum Ende durchgehalten habe, anstatt ihn auf halber Strecke entnervt in die Ecke zu pfeffern. Geduld gehört leider nicht zu meinen Stärken ;)

Ich habe selbst beim wiederholten Lesen festgestellt, dass die Spannung irgendwo in der Mitte versandet und das, obwohl ja einiges passiert. Ich habe allerdings nicht genau festmachen können, woran das liegt. Allein die Länge kann es nicht sein, denke ich, obwohl ich nach Euren Kommentaren fest entschlossen bin, die Geschichte zu kürzen und zu straffen.

Liebe barnhelm,

der Titel Moorgeister bezieht sich letztlich auf alle Figuren dieser Geschichte (mal abgesehen von den Wirtsleuten), die alle auf eine gewisse Weise Geister des Moores sind oder es werden: Baldur, der dazu verdammt wird, als Kröte auf ewig im Moor zu leben, Remigius, der sich letztlich im Moor das Leben nimmt und als Geist wiederkehren wird, um über das Moor zu wandeln, die Nymphe und ihre Irrlichter, die die Geisterwelt dieses Moores beherrschen. Zumindest erschien mir das in meinem Kopf vollkommen logisch. Aber Deine Argumente sind stichhaltig und ich grübele schon über einer Alternative.

Danach wird es dann für mich allerdings verwirrend:

Baldur machte eine Pause und kratzte sich am Hinterkopf.
„Die Nymphe heißt in jedem Dorf anders, genauso wie die Hexe, und das Moor befindet sich mal hier und mal da. Aber es gibt immer wieder Leute, die danach suchen, denn angeblich ist die Hexe mitsamt ihrer Bezahlung im Moor versunken. … “
Einer sehr konkreten Geschichte folgt etwas, was das vorher Erzählte sehr vage und fast bedeutungslos werden lässt.
Die Hexe wird schon früher (Seite 4) erwähnt, erscheint aber am Ende der Geschichte nicht mehr.

Die Geschichte spielt ja in einer Zeit, in der man nicht einfach mal eben so online gehen kann, um etwas zu recherchieren. Remigius ist auf der Suche nach einem Amulett, das im Laufe der Zeit mehrfach den Besitzer gewechselt hat (wobei die Vorgeschichte dieses Amuletts im Dunkeln bleibt und hier auch nicht relevant ist). Dabei ist er auf mündliche Informationen angewiesen und Geschichten werden, je älter sie sind, an verschiedenen Orten durchaus unterschiedlich erzählt. Remigius letzte Information war, dass eine Hexe das Amulett besaß, bevor er die Spur verloren hat in der Gegend, in der er gestrandet ist. Baldur wiederum erzählt von der Hexe und der Nymphe und vermutet, dass das Amulett, das in seiner Geschichte nur ein nebensächliches Detail ist, eben das von Remigius gesuchte ist. Die Geschichte ist aber eine lokale Legende, daher die vielen Unsicherheiten bezüglich der Namen und des Standorts des Moores. Ich werde versuchen, hier für mehr Klarheit zu sorgen, bzw. die Schwierigkeiten der mündlich überlieferten Informationen irgendwo versteckelt darzustellen. Allerdings habe ich, als ich über Deinen Einwand nachgedacht habe, einen (äußerst ärgerlichen) Logikfehler entdeckt: Wenn Baldur weiß, wo sich das Moor der Nymphe befindet, oder es zumindest vermutet, dann wäre er schon viel früher auf die Suche gegangen, weil ja die Bezahlung, mit der die Hexe untergegangen ist, ein viel lohnenderes Ziel wäre als das Amulett. Und da liegt auch schon Logikfehler Nummer zwei :bonk:

Dabei bleibt für mich recht undurchschaut, warum Baldur eigentlich mitkommt. Sicher, er ist ein Schurke, der sich einen Gewinn verspricht. Aber so richtig kann ich seine Motivation nicht nachvollziehen.

Das verstehe ich wiederum nicht ganz. Ich dachte, Habgier sei eine vollkommen ausreichende Motivation für einen kleinen Gauner. Schließlich werden seit Menschengedenken Kriege aus Habgier geführt. Ich sehe aber durchaus ein Problem bei der Gestaltung von Baldur, der wohl etwas flach geraten ist. Vielleicht sollte ich diese Habgier plastischer darstellen, ich denke dabei an Gollum ("Meeeiiiin Schatzzzzzzz!"), oder etwas in der Art.

Warum lässt sich Remigius am Anfang ‚Thomas’ nennen?

Hier ging es mir um das Mißtrauen, das von Anfang an zwischen den beiden herrscht. Wer Deinen echten Namen nicht kennt, kann Dich auch nicht wiederfinden. Und sie benutzen ja beide nicht ihre echten Namen, das deutet die Wirtin zumindest an.

Was ich vor allem aus Deinem Kommentar herauslese, ist, dass in der Beziehung Baldur-Remigius zu wenig Spannung dargestellt ist, zu wenig Konflikt. Ich vermute, dass nicht die Länge das hauptsächliche Problem ist, sondern dass die Story irgendwie zu geradlinig verläuft und dadurch vielleicht auch zu vorhersehbar ist. Die beiden müssen stärker "aufeinanderprallen", anstatt nur nebeneinander her zu reiten.

Du schreibst fast fehlerlos, solltest dir aber noch einmal die Regeln der Zusammen- und Getrenntschreibung von Verben und Adjektiven anschauen. Da finden sich einige Fehler.

Danke für den Hinweis, werde ich machen.

Bei dem Märchen-Tag war ich mir nicht ganz sicher. Ich schaue mal, ob ich den "Märchen-Jargon" verstärkt einflechten kann, sonst muss ich wohl den Tag rausnehmen.

Ein dickes Dankeschön nochmal für Deine Geduld mit diesem Text!

LG Kassiopeia

Liebe wieselmaus,

damit habe ich ja zuallerletzt gerechnet, dass jemand die Geschichte als nicht abgeschlossen betrachtet. Ich meine, der eine ist tot, der andere eine Kröte. Dass dieses Ende nach einer Fortsetzung schreit, hätte ich wirklich nicht erwartet :lol: Aber die Idee gefällt mir irgendwie. Meine Phantasie macht sich da immer schnell selbständig. Übrigens hatte ich mir ursprünglich vorgenommen, das versprochene "ex cathedra-Märchen" zu schreiben, aber irgendwie ist mir die Geschichte schon nach dem ersten Absatz entglitten und hat fortan gemacht, was sie wollte, da hatte ich keine Chance ;)

In deiner "Kurzgeschichte" schlummert ein Epos, unmöglich kann das Ende hier schon alles gewesen sein, schon allein deshalb, weil Fantasy nie, nie, nie schlecht ausgehen darf.

Hm, das war mir nicht bewusst, dass ich gegen die goldene Fantasy-Regel verstoßen habe :D

Um das nochmal abschließend klarzustellen: Diese Geschichte ist als Kurzgeschichte gedacht und sollte nicht Teil eines größeren Ganzen werden (bis Du mir diesen Flo ins Ohr gesetzt hast).

Auch Dir danke fürs Durchhalten!

LG Kassiopeia

Lieber Friedrichard,

ber auch zu einer Differenz zwischen antik anmutenden Dingen wie Met und Taler mit der Sprache z. B. "hey" als Anrede oder wie hier, wie auch das Ross im Plural zwar korrekt "Rösser", nicht aber in der alten Sprache "Rosse" zu nennen. Da wäre m. E. die wesentliche Baustelle - im Märchenton.

Ja, der Märchenton hat etwas gelitten. Ich werde versuchen, ihn aufzupolieren.

Kommata vor "und" werde ich entfernen.

Aber Baldur wird doch wissen, dass es keine "Unkosten" gibt [...] denn die Vorsilbe "un" verweist i. d. R. auf das Gegenteil des angeführten Substantivs, also eine "Untiefe" ist halt nicht besonders tief, sondern eben eine flaches Gewässer (Strand, Sandbank, Fels), ein Unhold ist einem eben alles andere als hold und folglich wären Unkosten nicht mehr Kosten, sondern -

Gewinn/Überschuss/Erfolg/Profit


Also der Duden kennt das Wort "Unkosten" durchaus und definiert es als "Ausgaben" oder "Kosten, die neben den normalen, eingeplanten Ausgaben entstehen". Trotzdem werde ich es ersetzen, passt ja auch nicht zum Märchenton. Vielleicht "Aufwendungen"? Muss ich noch drüber nachdenken.

Sind Krähen/vögel nicht auch Raubvögel, vom großen Kolkraben bis hinab zur kleinen Dohle?

Rabenvögel mögen zwar durchaus räuberische Verhaltensweisen zeigen, sind aber nicht zusammen mit Habichten, Bussarden oder Milanen als Raubvögel zu bezeichnen, denn sie machen in der Regel nicht gezielt Jagd auf Beutetiere. Im Gegensatz zu den genannten Raubvögeln, die sich ausschließlich durch die Jagd ernähren, fressen Rabenvögel hauptsächlich Aas, aber auch Nüsse und dergleichen. Krähen legen gerne Walnüsse auf die Strasse und warten, bis ein Auto darübergefahren ist, um die geknackte Walnuss dann wieder von der Strasse zu holen. Sie sind Allesfresser und keine Jäger. Ich habe auch noch nie eine Krähe am Himmel kreisen gesehen.

Was ich natürlich gänzlich vermiss, ist Humor (oder sollten wir einen total gegensätzlichen tragen?)

Nein, in der Geschichte gibt es keine witzige Stelle, die Du verpasst hast. Ich hatte nicht die Absicht, eine lustige Geschichte zu schreiben. Aber da sie ohnehin eine Generalüberholung nötig hat, schaue ich mal, ob sich da nicht was machen lässt.

Lieber Friedel, auch Dir danke ich fürs aufmerksame Lesen. Die Fehler korrigiere ich gleich. Oder morgen. Jetzt hab ich Hunger :D

LG Kassiopeia

 

Was ich vor allem aus Deinem Kommentar herauslese, ist, dass in der Beziehung Baldur-Remigius zu wenig Spannung dargestellt ist, zu wenig Konflikt. Ich vermute, dass nicht die Länge das hauptsächliche Problem ist, sondern dass die Story irgendwie zu geradlinig verläuft und dadurch vielleicht auch zu vorhersehbar ist. Die beiden müssen stärker "aufeinanderprallen", anstatt nur nebeneinander her zu reiten.

Liebe Kassiopeia,

das ist genau das, was ich meine. Und die Darstellung der Beziehung der beiden zueinander könnte dann auch das die einzelnen Szenen Verbindende sein. Da könnten sich u.a. Misstrauen und Vertrauen, Zorn und Dankbarkeit (für Hilfen in der Not) abwechseln und Remigius in ein Wechselbad der Gefühle geraten lassen.

Ich bin auf jeden Fall gespannt darauf, wie sich deine Geschichte noch entwickeln wird.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Liebe maria.meerhaba,

vier Seiten Kommentar, wow, allein dafür danke ich Dir schonmal :D

Ich habe schon einige Deiner Kommentare auf andere Geschichten gelesen und als ich gesehen habe, dass Du diese Geschichte kommentiert hast, dachte ich mir, oje, jetzt kann ich mich auf was gefasst machen (ich hatte mal irgendwo gelesen, dass Du gerne Geschichten "zerfetzt" ;)). Aber ich finde, so schlimm ist es gar nicht und dass Du nicht nur bis zum Ende durchgehalten hast, sondern wirklich gespannt warst, wie es ausgeht, das freut mich total :)

Ich bin zwar auch ein Fan von langen Sätzen, aber selbst nur selten zufrieden mit ihnen. So ein Satz würde funktionieren, aber nur, wenn du davor eine Spannung aufgebaut hast, die mich fesselt und ich bereit bin, alles zu lesen, egal wie lang und abstrus und abstrakt der Satz gestaltet wurde. Aber schon am Anfang so einen Satz zu schreiben schreckt eher ab.

Ich wurde hier ganz am Anfang mal für kurze, abgehackte Sätze kritisiert, vielleicht bin ich deshalb mit dem einen oder anderen langen Schachtelsatz über das Ziel hinaus geschossen. Da werfe ich bei der großen Überarbeitung sicher nochmal einen gesonderten Blick drauf.

Ich musste resolut nachschlagen :/ Das liegt aber an meiner eigenen Dummheit.

Des glaub ich kaum. Ich muss auch immer mal wieder ein Wort nachschlagen. Wer ist schon ein wandelndes Wörterbuch? Das stelle ich mir furchtbar anstrengend vor.

Met-getränkten Tresen mit einem fleckigen Lappen
Ich bin kein Rechtschreibprofi, aber ich glaube, dass dieser Bindestrich unnötig ist und eher besser aussehen würde, wenn es zusammengeschrieben wurde. Und vielleicht auch klein. So wie: blutgetränkter Tresen.

Klingt plausibel, ändere ich gleich.

Du bist nicht die Erste, die Baldurs Motivation anzweifelt und der Logikfehler, dass er schon früher nach dem Amulett/Schatz gesucht hätte, da er ja weiß, wo es sich befinden müsste, fiel mir gestern auch auf und ich kann Dir sagen, ich habe mich schwarz geärgert und tue es noch.

wenn er vorher danach nicht gesucht hat, hat er an seine Existenz nicht wirklich geglaubt und Remigius teilt ihm nicht gerade etwas mit, dass ihn davon überzeugen kann.

Das Problem sehe ich auch. Außerdem bräuchte Baldur Remigius eigentlich für die Suche nicht, auch hatte er keine neuen oder wichtigen Informationen für ihn. Da muss ich dringend dran.

Moooment. Hat Baldur ihm vorhin den Ast zwischen die Beine geworfen, um ihn zu opfern, damit die Krähen ihn einfangen können? Wieso sonst sollte er ihm den Ast zwischen die Beine werfen?

Nein, er wirft ihm den Ast zwischen die Füße, damit er nicht aus dem Kreis wieder herausrennt, denn Baldur hat erkannt, dass die Krähen innerhalb der Mauer nicht angreifen. Hätte er gerufen, hätte er riskiert, dass Remigius ihn nicht hört oder zu spät abbremst und schon wieder aus dem Kreis draußen ist. Wenn das unklar ist, muss ich das ändern, schließlich rettet Baldur Remigius das Leben. Wo ich so drüber nachdenke, wäre da wohl ein Wort des Dankes angebracht ...

Wieso haben die Wölfe nicht vor der Höhle auf die beiden gewartet? Irgendwann wären sie doch rausgegangen und wären zu Wolfsfutter geworden.

Naja, ich ging davon aus, dass sich Wölfe in der Nähe von Feuer nicht wohl fühlen und deshalb das Weite suchen. Trotzdem verstehe ich Deinen Standpunkt irgendwie. Es ist zu einfach. Vielleicht finden sie einen zweiten Höhlenausgang? Wird nicht ganz einfach mit zwei Pferden, die ja auch durchpassen müssen, aber ich denke mal drüber nach. Geisterwölfe, die nur im Dunkeln existieren, wären auch ne Möglichkeit :hmm:

Ich wollte darüber vorher nicht meckern, aber ich kann nicht anders: Von Proviant war nie die Rede. Die haben nie etwas gegessen und getrunken. Zumindest hätte ich erwartet, dass du etwas von Proviant vor der Abreise erwähnst, Säcke oder Taschen eben, aber davon war von Anfang an nicht die Rede. Und jetzt frage ich mich doch, wie haben sie die ersten beiden Tage ohne Nahrung verbringen können? Und wenn sie nicht im Bannkreis gefangen wären, wie hätten sie etwas zu trinken gefunden?

Das ist ein ähnliches Argument wie bei Star Trek: Da werden nie Klos oder Klotüren gezeigt, müssen die nicht irgendwann mal? Essen und Trinken sind für die Geschichte nicht relevant, bis sie eben nichts mehr zu essen haben und im Grunde durch den Bach länger am Leben gehalten werden, was ja an sich schon grausam ist, denn wer wartet schon gern auf den sicheren Tod? Mit einem ähnlichen Argument hätte ich Remigius erstmal an die Außenwand des Wirtshauses pinkeln lassen müssen, bevor er sich aufs Pferd setzt, schließlich hat er mehrere Krüge Met getrunken. Ich fand die körperlichen Grundfunktionen einfach nicht relevant bis zu dem Zeitpunkt, da sie eben nicht mehr bedient werden können. Nichtsdestotrotz behalte ich Deinen Einwand im Hinterkopf, denn wenn es eine stört, dann womöglich auch andere.

UUUUND: Wird der Kreis durch das Rinnsal nicht unterbrochen?

Das fließt unter den Steinen durch :D Ich stelle mir aber gerade vor, wie eine Krähe im Tiefflug durchtaucht und dann auf die beiden losgeht, das hat echt was irre Komisches, zwei Erwachsene Männer, die von einer einzelnen Krähe attackiert werden, während die anderen draußen sitzen wie im Stadion und sie anfeuern :lol:

Die Idee ist gut. Sehr gut sogar. Ich wäre vermutlich nicht darauf gekommen :3 Aber drei Tage hungern und dann die Kraft zum Rennen haben? Ich zweifle irgendwie sehr daran.

Danke :) Ich hab auch etwas länger gebraucht, um darauf zu kommen,wie ich sie aus diesem Bannkreis wieder rauskriege.
Ich glaube, dass der Mensch zu großen Leistungen unter widrigsten Umständen imstande ist, wenn es darum geht, seinen Arsch zu retten. Das ist sicher extrem nach drei Tagen Hunger, aber fairerweise sind ja die Krähen nicht allzu vehement hinter ihnen her, schließlich haben sie ein Opfer, das sich freundlicherweise nicht bewegt, also warum sollten sie sich anstrengen? Ohne den Trick mit dem Toten hätten Baldur und Remigius keine Chance zu entkommen, ob sie nun gehungert hätten oder nicht.

Drei Tage Hungern ist extrem. Ich kenne das. Ich faste jedes Jahr und am dritten Tag glaub mir, wenn ich einmal losgelaufen bin, danach würde ich auch sofort einschlafen, aber aufzustehen und irgendwelchen Lichtern zu folgen, das würde mir der Hunger nicht mehr erlauben. Ich würde eher beginnen, Gras und Erde zu essen, um meinen Körper reinzulegen, aber weiter irgendwohin zu gehen, dafür würde mir die Kraft fehlen. Außer natürlich irgendetwas ich glaube, ich würde etwas zu essen bekommen.

Hm, also ich habe noch nie gefastet, vergesse aber manchmal, zu mittag zu essen und da ich kein großer Frühstücker bin, wird mir dann am Nachmittag scho a bissl schwummrig. So gesehen, stimme ich Dir zu, dass die beiden sicher völlig entkräftet sind. Remigius hält ja auch ein Delirium-ähnliches Nickerchen in seiner Felsspalte (Deine Idee, Gras oder Erde zu essen, gefällt mir, vielleicht klau ich mir das in der überarbeiteten Version). Die Irrlichter haben etwas, das die beiden in Bann zieht und sie vorwärts zwingt. Ich denke, der eigene Wille ist da weitestgehend unterdrückt und sie werden quasi ferngesteuert.

Ungebeten? Sie hat sie förmlich zu sich geholt.

Ich dachte mir das so: Zuerst versucht sie, die beiden fernzuhalten, aber irgendwann kommen sie ihr doch zu nahe, sodass sie sicher gehen muss, dass sie nicht mehr entkommen, denn sie will den Standort ihres Moores möglichst geheimhalten. Das funktioniert nicht immer, denn der Landstreicher hat Baldur ja von dem Moor erzählt, auch wenn er wohl seitdem ein psychisches Wrack ist. Ich habe diese Zusammenhänge nicht klar genug dargestellt, soviel ist sicher.

Na, das klingt für mich eher so, als wäre dir einfach nichts mehr eingefallen. Das befriedigt nicht. Und wie kann überhaupt Remigius einfach verschwinden und dann zum Geist oder so werden?

Remigius geht aufs Moor hinaus und stirbt, dann wird er zum Geist. Mir ist tatsächlich hinten raus etwas die Puste ausgegangen, obwohl ich mir das Ende schon so in etwa vorgestellt hatte. Die Ausführung befriedigt mich selbst nicht so richtig, aber die Nymphe muss einfach bösartig bleiben, sonst macht mir das Ganze keinen Spaß. Baldurs Verwandlung zur Kröte passt, finde ich, aber bei Remigius hat mir dann die eine zündende Idee gefehlt. Steht auch auf der To do-Liste für die Generalüberholung.

das hier ist nicht die erste Geschichte, die ich von dir gelesen habe, aber die erste, die mich bis zum Schluss gehalten hat. Der Spannungsbogen stimmt bei dir, funktioniert, hat mich förmlich zum Lesen gezwungen,

Das freut mich wirklich sehr, obwohl ich selbst das Gefühl habe, dass die Spannung zumindest in der Mitte irgendwie durchhängt (ich hatte schon überlegt, den kompletten Block mit dem "Riesen", der sie verfolgt, zu streichen ...). So richtig rund ist das Ganze nicht und das liegt auch an den Logikfehlern, da hast Du mir noch den einen oder anderen aufgezeigt, den ich übersehen habe (die Sache mit dem Dolch ist höchst ärgerlich, mit dem hatte ich eigentlich noch was vor und hab ihn dann "im Eifer des Gefechts" schlichtweg vergessen).

Ich habe schon echt viel gemeckert, ist auch ein längerer Text, aber es trotzt so von Logikfehlern. Zu behaupten, es wäre ein Märchen und diese Fehler vertretbar, ist leider keine Entschuldigung.

Ne, Logikfehler sind in keinem Genre vertretbar, so würde ich auch nicht argumentieren. Dafür stören sie zu sehr.

Gut. Vier A4-Seiten Kritik ist wohl genug. Ich habe es übertrieben, aber ich habe halt mitgeschrieben und bei längeren Texten kommt halt so viel zusammen :3

Ich finde es ganz und gar nicht übertrieben und danke Dir, dass Du Dir die Arbeit gemacht hast :) Ich habe eine Menge Zeit und Mühe in diesen Text gesteckt und war am Ende irgendwie unzufrieden damit, konnte aber nicht so richtig ausmachen, was da nicht passt. Für mich wird mit jedem Kommentar klarer, wo es hakt und damit kann ich arbeiten. Würde mich sehr freuen, wenn Du nach der Überarbeitung nochmal reinschaust, natürlich nur, wenn es die Zeit erlaubt, ist ja doch ein recht langer Text.

Liebe Grüße!

Kassiopeia

 

Liebe maria.meerhaba,

vier Seiten Kommentar, wow, allein dafür danke ich Dir schonmal :D

Ich habe schon einige Deiner Kommentare auf andere Geschichten gelesen und als ich gesehen habe, dass Du diese Geschichte kommentiert hast, dachte ich mir, oje, jetzt kann ich mich auf was gefasst machen (ich hatte mal irgendwo gelesen, dass Du gerne Geschichten "zerfetzt" ;)). Aber ich finde, so schlimm ist es gar nicht und dass Du nicht nur bis zum Ende durchgehalten hast, sondern wirklich gespannt warst, wie es ausgeht, das freut mich total :)

Ich bin zwar auch ein Fan von langen Sätzen, aber selbst nur selten zufrieden mit ihnen. So ein Satz würde funktionieren, aber nur, wenn du davor eine Spannung aufgebaut hast, die mich fesselt und ich bereit bin, alles zu lesen, egal wie lang und abstrus und abstrakt der Satz gestaltet wurde. Aber schon am Anfang so einen Satz zu schreiben schreckt eher ab.

Ich wurde hier ganz am Anfang mal für kurze, abgehackte Sätze kritisiert, vielleicht bin ich deshalb mit dem einen oder anderen langen Schachtelsatz über das Ziel hinaus geschossen. Da werfe ich bei der großen Überarbeitung sicher nochmal einen gesonderten Blick drauf.

Ich musste resolut nachschlagen :/ Das liegt aber an meiner eigenen Dummheit.

Des glaub ich kaum. Ich muss auch immer mal wieder ein Wort nachschlagen. Wer ist schon ein wandelndes Wörterbuch? Das stelle ich mir furchtbar anstrengend vor.

Met-getränkten Tresen mit einem fleckigen Lappen
Ich bin kein Rechtschreibprofi, aber ich glaube, dass dieser Bindestrich unnötig ist und eher besser aussehen würde, wenn es zusammengeschrieben wurde. Und vielleicht auch klein. So wie: blutgetränkter Tresen.

Klingt plausibel, ändere ich gleich.

Du bist nicht die Erste, die Baldurs Motivation anzweifelt und der Logikfehler, dass er schon früher nach dem Amulett/Schatz gesucht hätte, da er ja weiß, wo es sich befinden müsste, fiel mir gestern auch auf und ich kann Dir sagen, ich habe mich schwarz geärgert und tue es noch.

wenn er vorher danach nicht gesucht hat, hat er an seine Existenz nicht wirklich geglaubt und Remigius teilt ihm nicht gerade etwas mit, dass ihn davon überzeugen kann.

Das Problem sehe ich auch. Außerdem bräuchte Baldur Remigius eigentlich für die Suche nicht, auch hatte er keine neuen oder wichtigen Informationen für ihn. Da muss ich dringend dran.

Moooment. Hat Baldur ihm vorhin den Ast zwischen die Beine geworfen, um ihn zu opfern, damit die Krähen ihn einfangen können? Wieso sonst sollte er ihm den Ast zwischen die Beine werfen?

Nein, er wirft ihm den Ast zwischen die Füße, damit er nicht aus dem Kreis wieder herausrennt, denn Baldur hat erkannt, dass die Krähen innerhalb der Mauer nicht angreifen. Hätte er gerufen, hätte er riskiert, dass Remigius ihn nicht hört oder zu spät abbremst und schon wieder aus dem Kreis draußen ist. Wenn das unklar ist, muss ich das ändern, schließlich rettet Baldur Remigius das Leben. Wo ich so drüber nachdenke, wäre da wohl ein Wort des Dankes angebracht ...

Wieso haben die Wölfe nicht vor der Höhle auf die beiden gewartet? Irgendwann wären sie doch rausgegangen und wären zu Wolfsfutter geworden.

Naja, ich ging davon aus, dass sich Wölfe in der Nähe von Feuer nicht wohl fühlen und deshalb das Weite suchen. Trotzdem verstehe ich Deinen Standpunkt irgendwie. Es ist zu einfach. Vielleicht finden sie einen zweiten Höhlenausgang? Wird nicht ganz einfach mit zwei Pferden, die ja auch durchpassen müssen, aber ich denke mal drüber nach. Geisterwölfe, die nur im Dunkeln existieren, wären auch ne Möglichkeit :hmm:

Ich wollte darüber vorher nicht meckern, aber ich kann nicht anders: Von Proviant war nie die Rede. Die haben nie etwas gegessen und getrunken. Zumindest hätte ich erwartet, dass du etwas von Proviant vor der Abreise erwähnst, Säcke oder Taschen eben, aber davon war von Anfang an nicht die Rede. Und jetzt frage ich mich doch, wie haben sie die ersten beiden Tage ohne Nahrung verbringen können? Und wenn sie nicht im Bannkreis gefangen wären, wie hätten sie etwas zu trinken gefunden?

Das ist ein ähnliches Argument wie bei Star Trek: Da werden nie Klos oder Klotüren gezeigt, müssen die nicht irgendwann mal? Essen und Trinken sind für die Geschichte nicht relevant, bis sie eben nichts mehr zu essen haben und im Grunde durch den Bach länger am Leben gehalten werden, was ja an sich schon grausam ist, denn wer wartet schon gern auf den sicheren Tod? Mit einem ähnlichen Argument hätte ich Remigius erstmal an die Außenwand des Wirtshauses pinkeln lassen müssen, bevor er sich aufs Pferd setzt, schließlich hat er mehrere Krüge Met getrunken. Ich fand die körperlichen Grundfunktionen einfach nicht relevant bis zu dem Zeitpunkt, da sie eben nicht mehr bedient werden können. Nichtsdestotrotz behalte ich Deinen Einwand im Hinterkopf, denn wenn es eine stört, dann womöglich auch andere.

UUUUND: Wird der Kreis durch das Rinnsal nicht unterbrochen?

Das fließt unter den Steinen durch :D Ich stelle mir aber gerade vor, wie eine Krähe im Tiefflug durchtaucht und dann auf die beiden losgeht, das hat echt was irre Komisches, zwei Erwachsene Männer, die von einer einzelnen Krähe attackiert werden, während die anderen draußen sitzen wie im Stadion und sie anfeuern :lol:

Die Idee ist gut. Sehr gut sogar. Ich wäre vermutlich nicht darauf gekommen :3 Aber drei Tage hungern und dann die Kraft zum Rennen haben? Ich zweifle irgendwie sehr daran.

Danke :) Ich hab auch etwas länger gebraucht, um darauf zu kommen,wie ich sie aus diesem Bannkreis wieder rauskriege.
Ich glaube, dass der Mensch zu großen Leistungen unter widrigsten Umständen imstande ist, wenn es darum geht, seinen Arsch zu retten. Das ist sicher extrem nach drei Tagen Hunger, aber fairerweise sind ja die Krähen nicht allzu vehement hinter ihnen her, schließlich haben sie ein Opfer, das sich freundlicherweise nicht bewegt, also warum sollten sie sich anstrengen? Ohne den Trick mit dem Toten hätten Baldur und Remigius keine Chance zu entkommen, ob sie nun gehungert hätten oder nicht.

Drei Tage Hungern ist extrem. Ich kenne das. Ich faste jedes Jahr und am dritten Tag glaub mir, wenn ich einmal losgelaufen bin, danach würde ich auch sofort einschlafen, aber aufzustehen und irgendwelchen Lichtern zu folgen, das würde mir der Hunger nicht mehr erlauben. Ich würde eher beginnen, Gras und Erde zu essen, um meinen Körper reinzulegen, aber weiter irgendwohin zu gehen, dafür würde mir die Kraft fehlen. Außer natürlich irgendetwas ich glaube, ich würde etwas zu essen bekommen.

Hm, also ich habe noch nie gefastet, vergesse aber manchmal, zu mittag zu essen und da ich kein großer Frühstücker bin, wird mir dann am Nachmittag scho a bissl schwummrig. So gesehen, stimme ich Dir zu, dass die beiden sicher völlig entkräftet sind. Remigius hält ja auch ein Delirium-ähnliches Nickerchen in seiner Felsspalte (Deine Idee, Gras oder Erde zu essen, gefällt mir, vielleicht klau ich mir das in der überarbeiteten Version). Die Irrlichter haben etwas, das die beiden in Bann zieht und sie vorwärts zwingt. Ich denke, der eigene Wille ist da weitestgehend unterdrückt und sie werden quasi ferngesteuert.

Ungebeten? Sie hat sie förmlich zu sich geholt.

Ich dachte mir das so: Zuerst versucht sie, die beiden fernzuhalten, aber irgendwann kommen sie ihr doch zu nahe, sodass sie sicher gehen muss, dass sie nicht mehr entkommen, denn sie will den Standort ihres Moores möglichst geheimhalten. Das funktioniert nicht immer, denn der Landstreicher hat Baldur ja von dem Moor erzählt, auch wenn er wohl seitdem ein psychisches Wrack ist. Ich habe diese Zusammenhänge nicht klar genug dargestellt, soviel ist sicher.

Na, das klingt für mich eher so, als wäre dir einfach nichts mehr eingefallen. Das befriedigt nicht. Und wie kann überhaupt Remigius einfach verschwinden und dann zum Geist oder so werden?

Remigius geht aufs Moor hinaus und stirbt, dann wird er zum Geist. Mir ist tatsächlich hinten raus etwas die Puste ausgegangen, obwohl ich mir das Ende schon so in etwa vorgestellt hatte. Die Ausführung befriedigt mich selbst nicht so richtig, aber die Nymphe muss einfach bösartig bleiben, sonst macht mir das Ganze keinen Spaß. Baldurs Verwandlung zur Kröte passt, finde ich, aber bei Remigius hat mir dann die eine zündende Idee gefehlt. Steht auch auf der To do-Liste für die Generalüberholung.

das hier ist nicht die erste Geschichte, die ich von dir gelesen habe, aber die erste, die mich bis zum Schluss gehalten hat. Der Spannungsbogen stimmt bei dir, funktioniert, hat mich förmlich zum Lesen gezwungen,

Das freut mich wirklich sehr, obwohl ich selbst das Gefühl habe, dass die Spannung zumindest in der Mitte irgendwie durchhängt (ich hatte schon überlegt, den kompletten Block mit dem "Riesen", der sie verfolgt, zu streichen ...). So richtig rund ist das Ganze nicht und das liegt auch an den Logikfehlern, da hast Du mir noch den einen oder anderen aufgezeigt, den ich übersehen habe (die Sache mit dem Dolch ist höchst ärgerlich, mit dem hatte ich eigentlich noch was vor und hab ihn dann "im Eifer des Gefechts" schlichtweg vergessen).

Ich habe schon echt viel gemeckert, ist auch ein längerer Text, aber es trotzt so von Logikfehlern. Zu behaupten, es wäre ein Märchen und diese Fehler vertretbar, ist leider keine Entschuldigung.

Ne, Logikfehler sind in keinem Genre vertretbar, so würde ich auch nicht argumentieren. Dafür stören sie zu sehr.

Gut. Vier A4-Seiten Kritik ist wohl genug. Ich habe es übertrieben, aber ich habe halt mitgeschrieben und bei längeren Texten kommt halt so viel zusammen :3

Ich finde es ganz und gar nicht übertrieben und danke Dir, dass Du Dir die Arbeit gemacht hast :) Ich habe eine Menge Zeit und Mühe in diesen Text gesteckt und war am Ende irgendwie unzufrieden damit, konnte aber nicht so richtig ausmachen, was da nicht passt. Für mich wird mit jedem Kommentar klarer, wo es hakt und damit kann ich arbeiten. Würde mich sehr freuen, wenn Du nach der Überarbeitung nochmal reinschaust, natürlich nur, wenn es die Zeit erlaubt, ist ja doch ein recht langer Text.

Liebe Grüße!

Kassiopeia

 

Hi Maria, hab ich doch glatt übersehen, dass Du nochmal geantwortet hast.

Oder ich würde versuchen zuerst panisch aufzustehen oder mein Gesicht zu schützen.

Das tut er ja durchaus. Er landet auf dem Bauch und versucht, mit Händen und Armen den Kopf und den Nacken zu schützen.

Es ging mir eher darum, dass ich nicht dachte, dass die Reise so lang dauern wird. Bard kommt mit den Pferden her und Remi steigt auf und es machte für mich eher den Eindruck, als sollte die Reise nicht so schwerfällig werden, irgendwie einfacher halt. Es ist kein schlimmer Fehler, aber eben einer, der mich nachdenklich gemacht hat.

Ah okay, daran habe ich nicht gedacht. Dann muss ich das auf alle Fälle noch ändern.

Ich habe kein Problem mit längeren Texten, es ist halt so, dass ich jetzt bei deiner das Ende kenne und das hat mich ja gefesselt und ich habe mich gefragt, wie sie der Nymphe begegnen und was alles passieren wird.

Das verstehe ich natürlich. Wenn man das Ende schon kennt, warum sollte man sich nochmal durch so einen langen Text quälen? Ich werde mir Mühe geben, ihn deutlich zu kürzen und die Logikfehler auszumerzen. Vielleicht fällt mir ja eine schön schaurige Möglichkeit ein, Remigius das Zeitliche segnen zu lassen. Oder ich stelle mit ihm was ganz anderes an. Baldur bleibt jedenfalls ne Kröte :D

VG Kassiopeia

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Kassiopeia!

Auf diese Geschichte hab ich mich richtig gefreut, denn ich fand deine beschreibende Art bei Jagdfieber schon toll.

Die bereits getätigten Kommentare kann ich von der Wortqualität und deren Umfang bei weitem nicht toppen. Aber darum geht es hier ja auch nicht. Dennoch würde ich gerne noch ein paar Punkte aufzählen die mir beim Lesen aufgefallen sind:

- Das Wort Dorfanger könnte man vielleicht öfter ersetzen. Es kommt recht häufig vor und wirkt dann irgendwann phantasielos.
-

Der Wald wurde immer enger
, hier könnte man vielleicht besser das Wort dicht benutzen
Schwarze Flügel bedeckten seinen um sich schlagenden, zuckenden Leib
Besser um sich tretenden, zuckenden Leib

Grüße,
Johnny

 

Hi Johnny,

Auf diese Geschichte hab ich mich richtig gefreut, denn ich fand deine beschreibende Art bei Jagdfieber schon toll.

Da freue ich mich doch gleich doppelt :D

Ich habe gerade mal nachgeschaut, welche Synonyme es für Dorfanger gibt und so richtig fündig bin ich nicht geworden. Dorfplatz scheint mir auch nicht viel besser zu sein, denn ich hatte ohnehin das Problem, dass das Wort Dorf am Anfang viel zu oft vorkommt und habe schon beim ersten Korrekturlesen einiges umformuliert, um die ständige Wiederholung abzustellen. Mal sehen, inwieweit sich die generelle Kürzung da auswirkt.

Der Wald wurde immer enger
, hier könnte man vielleicht besser das Wort dicht benutzen

Prinzipiell hast Du natürlich recht, das Wort dicht ist im Hinblick auf Waldstruktur korrekter. Allerdings ging es mir nicht um Waldstruktur. Ein dichter Wald bedeutet, dass viel Unterwuchs in Form von Verjüngung unter den Altbäumen zu finden ist. Was ich aber ausdrücken wollte, ist der subjektive Eindruck von Enge, der nicht natürlichen Ursprungs ist, sondern, wie die sich einander zuneigenden Fichten, die unnatürliche Dunkelheit erzeugen, von einer "übernatürlichen" Macht herbeigeführt wird.

Schwarze Flügel bedeckten seinen um sich schlagenden, zuckenden Leib
Besser um sich tretenden, zuckenden Leib

Gekauft und geändert.

Johnny, danke für Dein Feedback!

LG Kassiopeia

 

Liebe Kassiopeia,
Die Geschichte finde ich sehr gut, weil sie ganz tolle Szenen hat und weil es auch noch einige Dinge zu verbessern gibt.
Zuerst zu den Pluspunkten:
Deine Beschreibungen sind sehr gut und auch wenn es sich am Beginn um eine Standardsituation handelt, schaffst du es, das bei mir ein Film entsteht.
Auch das Motiv der Charaktäre und den Konflikt finde ich gut, wobei mir etwas zu wenig herausgearbeitet ist, warum Baldur ihm folgt. Da vergibst du Chancen, zusätzlich Spannung einzubauen, in dem sich beide gegenseitig zu betrügen versuchen..
Auch dauert es recht lange, bis klar wird, was Remigius sucht. Hier müsstest du schon in den ersten Zeilen mehr über ihn verraten und ihn vielleicht etwas schlauer und gewitzter darstellen.
Zum Schluss hin, fand ich, ging der Geschichte ziemlich die Luft aus.
Die Nymphe - warum will sie die beiden zuerst vertreiben und nimmt sie sich dann als Gespielen ??? - sagt Remigius, seine Frau sei tot, er glaubt das und läuft davon? - finde ich unglaubwürdiger. Warum lässt sie ihn nicht in einen verzauberten Teich blicken, wo er das Grab seiner Frau sieht?
Ich glaube mit einer Überarbeitung des Schlusses kann das eine ganz großartige Geschichte werden.


Kleinkram:

Was verschlägt Dich in dieses schäbige Loch am Ende der Welt?
dich,
außerdem finde ich es etwas komisch, dass sie das Wirtshaus, in dem sie arbeite so nennt.
Und was suchst Du, Großer
du und dich schreibt man generell klein
Baldur hatte seine Zündutensilien
das wirkt doch recht technisch und mehr 20 Jh als Mittelalter
Er richtete sich halb auf und schleuderte Remigius im vollen Lauf den Ast zwischen die Füße.
das finde ich unlogisch, den Baldur ist ja vor ihm und selbst wenn er noch neben ihm wäre, müsste er sehr schnell und geistesgegenwärtig reagieren. Warum ruft er ihm nicht nach, stehenzubleiben?

lg
Bernhard

 

Hallo Bernhard,

freut mich sehr, dass Dir die Geschichte trotz ihrer Schwächen gefallen hat. Ein paar Deiner Kritikpunkte wurden auch von anderen schon angemerkt, wie Baldurs unglaubwürdige bzw. nicht ausreichende Motivation sowie das Verhalten der Nymphe, da muss ich also definitiv dran. Was die Nymphe angeht, so hatte ich mir das so überlegt, dass sie zuerst versucht, die beiden fernzuhalten, aber als das nicht klappt, muss sie verhindern, dass sie entkommen und weitererzählen, wo sich ihr Moor befindet. Kommt nicht so rüber, aber während des Schreibens schien es mir vollkommen logisch.

Auch dauert es recht lange, bis klar wird, was Remigius sucht. Hier müsstest du schon in den ersten Zeilen mehr über ihn verraten und ihn vielleicht etwas schlauer und gewitzter darstellen.

Guter Punkt, werde ich bei der Überarbeitung versuchen, frühzeitiger einzubauen.

Warum lässt sie ihn nicht in einen verzauberten Teich blicken, wo er das Grab seiner Frau sieht?

Warum bin ich darauf nicht gekommen, verdammt?! Mir gingen zum Ende hin tatsächlich etwas die Ideen aus, insbesondere für Remigius`Schicksal. Mit Baldur als Kröte bin ich eigentlich recht zufrieden. Passt zu ihm.

Ich glaube mit einer Überarbeitung des Schlusses kann das eine ganz großartige Geschichte werden.

Das hoffe ich. Werde mir alle Mühe geben, versprochen.

du und dich schreibt man generell klein

Ah, wieder meine übliche Macke. Danke fürs dran erinnern.

außerdem finde ich es etwas komisch, dass sie das Wirtshaus, in dem sie arbeite so nennt.

Naja, erstens ist es ja tatsächlich ein schäbiges Loch am Ende der Welt und zweitens soll es tatsächlich Menschen geben, die ihre Arbeitsumgebung genug verabscheuen, um so darüber zu reden ;)

Baldur hatte seine Zündutensilien
das wirkt doch recht technisch und mehr 20 Jh als Mittelalter

Hier muss ich ein Geständnis machen: Ich wusste nicht, womit die Leute früher ihre Pfeife angezündet haben, deshalb habe ich es (mehr schlecht als recht) umschrieben. Solltest Du oder sonst irgendjemand mir da weiterhelfen können, bitte immer her damit :D

das finde ich unlogisch, den Baldur ist ja vor ihm und selbst wenn er noch neben ihm wäre, müsste er sehr schnell und geistesgegenwärtig reagieren. Warum ruft er ihm nicht nach, stehenzubleiben?

Nein, Baldur ist hinter Remigius:

Remigius sprang mit einem großen Satz hinüber und Baldur hechtete hinterher.

Hätte er gerufen, hätte er riskiert, dass Remigius ihn möglicherweise nicht hört oder in seiner Panik nicht schnell genug stehenbleibt und aus dem Kreis wieder hinausrennt. Deshalb schien es mir (und auch Baldur) sicherer, ihn sofort zu Fall zu bringen. Schnell und geistesgegenwärtig reagiert ist es auf jeden Fall. Baldur ist zwar ein Gauner, aber sicher nicht dumm.

Bernhard, danke für Deinen Kommentar. Die Überarbeitung wird etwas Zeit brauchen und ich bin aktuell leider ziemlich eingespannt, sodass ich auch nicht gleich dazu komme. Aber ich poste dann einen entsprechenden Kommentar unter der Geschichte, wenn es soweit ist und würde mich freuen, wenn Du nochmal reinschaust!

LG Kassiopeia

 

Hi Maxi,

das Positive zuerst:

herzlichen Glückwunsch zum Durchhaltevermögen zum ersten längeren Text.

Danke danke, leider verlangt der Text dem Leser ebenso viel Durchhaltevermögen ab :shy:

Muss ein beliebtes Dorf sein. Stellt sich die Frage, warum es keine Stadt ist.

Wie weiter unten im Text erklärt, liegt das Dorf an einer Verbindungsstraße zweier entfernter Städte. Die Geschichte ist grob im Mittelalter angesiedelt und da brauchte es mehr als ein gut frequentiertes Wirtshaus, um Stadtrechte zu erhalten.

Ich würde das zusammenfassen und ihn schon bei der ersten Erwähnung auf besagte Lücke zustreben lassen.

Mir ging es sowohl an dieser als auch an vielen weiteren Stellen darum, die Szenerie detailliert zu beschreiben, deshalb musste Remigius sich zunächst durchd die Menge schieben. Die Lücke am Tresen tut sich ja auch nicht gleich auf. Ist aber sicher eine Möglichkeit, wo ich mit dem Kürzen ansetzen kann.

Wie unterscheiden sich die Dörfler von den Fremden? Da sind so viele Dörfler bisher, dass es mir zu viele Wiederholungen sind.

Durch die Kleidung. Bäuerliche Alltagskleidung vs. Reisekleidung, also eher lange Mäntel und Hüte. Mit den Wortwiederholungen hatte ich von Anfang an zu kämpfen. Einige von den Dörflern werden definitiv den Kürzungen zum Opfer fallen.

Unsicherheit nur weil der Gast eine Frage nicht beantwortet und sie mustert? Die Beschreibung der Dame passt nicht zusammen finde ich.

Ja, das habe ich schon beim Schreiben gesehen, aber mir gefiel die Formulierung, weshalb ich es drin gelassen habe. Fliegt trotzdem raus, es passt wirklich nicht zu ihr, es sei denn, Remigius bekommt einen düsteren Anstrich, was ursprünglich meine Idee war ...

Entweder dein Remigius ist zu gebildet für dieses Gasthaus

Es gibt nur dieses eine Wirtshaus. Ich fürchte, er hat da nicht die Auswahl.

Die trinken sich sehr langsam unter den Tisch, wenn beide wortkarg sind und einen halben Krug auf Ex trinken.

Ja, ich wollte an dieser Stelle vermeiden, zu übertreiben. Werde mal Krugvolumina und Alkoholprozente von Met recherchieren, um eine authentischere Zahl zu bekommen.

Dein Protagonist passt hier definitiv nicht her. Aber woher ist er dann angeblich trinkfest?

Isser nicht, deshalb das Saufkoma danach. Remigius passt da nicht rein, da hast Du recht, aber wie gesagt, es ist das einzige Wirtshaus weit und breit, da versammelt sich zwangsläufig ein buntes Sammelsurium an Charakteren.

Das winzige Dorf bestand aus einer Handvoll ärmlicher Häuschen,
Das passt nicht zu dem mindestens zweistöckigen Haus des Pferdehändlers, der gerade die Treppe hochgestiegen ist.

Ok, guter Punkt. Eventuell kicke ich den Pferdehändler komplett und lasse Baldur die Pferde einfach klauen.

Also um 4 Uhr in der früh geht die Sonne auf. Ich tippe also auf Hochsommer. Da passen schlammige Straßen eher nicht.

Mist. Ich hatte Herbst im Sinn. Du hast recht, die Rechnung geht nicht auf.

Bei einem übervollen Wirtshaus mit vielen Fremden passt eine verlassene Straße ebenfalls nicht.

Nun ja, die Fremden sind zu diesem Zeitpunkt (später Vormittag) schon weitergereist und die Dörfler, Verzeihung, die Bauern, sind auf den Feldern/beim Kuhmelken/Hühner schlachten/Getreide mahlen ... Der Spätherbst, mit dem Winter, der vor der Tür steht, ist nicht die optimale Reisezeit, sodass die Straße weniger frequentiert ist, als im Sommer. Das Wirthaus ist deshalb so voll, weil es weit und breit das einzige ist. Da das anscheinend in sich nicht logisch ist oder nicht entsprechend rüberkommt, muss ich schauen, wie ich die Info unterkriege. Bzw. ob sie relevant ist.

Meist? Und was hört man von denen die zurück kommen? Ich würde "meist" streichen.

"Meist" habe ich nachträglich eingefügt, weil Baldur später von einem Landstreicher berichtet, der ihm den Weg zum Moor beschreibt. Zumindest den Logikfehler habe ich im Vorfeld ausgemerzt.

Wie wäre es mit: Unermüdlich trabten die Pferde bergan. ?

Nicht in diesem Gelände. Die breiten Wirtschaftswege, die die Wälder heute durchziehen, gab es damals noch nicht. Im felsigen Gebirge traben wäre geradezu halsbrecherisch. Bergan traben vermittelt für mich auch nicht die große Anstrengung, wie sich bergan arbeiten.

Pferde die seit dem Morgen geritten werden sind müde. Und auf matschiger Straße / unbefestigtem Untergrund würde ich sie nicht plötzlich schnell steuern lassen.

Pferde sind Lauftiere und zu ganz erstaunlichen Leistungen fähig. Ich weiß das aus erster Hand, ich habe nämlich selber welche und bin schon Distanzen geritten. Heutzutage glauben die Leute, ihre Pferde fallen nach nem zweistündigen Ausritt gleich tot um. Deshalb grassieren die "Wohlstandskrankheiten", weil die meisten Pferde hauptsächlich herumstehen. Remigius und Baldur sind geländebedingt hauptsächlich im Schritt unterwegs, daher sind die Pferde zwar nicht mehr ganz frisch, aber für einen kurzen Spurt zur nächsten Höhle reicht es noch. Darüberhinaus spezifiziert eilig daraufzusteuern ja nicht die Gangart. Wenn er den Höhleneingang durch den Regen gerade so erkennt, ist er nur ein paar Meter entfernt, sodass galoppieren sowieso keine Sinn macht, allenfalls ein flotter Trab über 15 bis 20 Meter.

und erhob sich dann, um sein Pferd abzusatteln.
Sollten sie das nicht früher tun, um sich ihre Transportmittel zu erhalten?

Früher hat man sich da sicher nicht so viele Gedanken gemacht wie heute. Das Transportmittel wurde eben abgesattelt, wenn man sein Pfeifchen fertiggeraucht hatte. Das Pferd hatte nicht unbedingt Priorität und wurde halt benutzt.

Wie sieht es eigentlich mit Essen aus? Nach der bisherigen Geschichte wurde nur getrunken und das am Vorabend. Müsste nicht Remigius langsam hungrig sein? Baldur hat sicher was zu Essen irgendwo in seinem Mantel versteckt.

Das hat Maria auch schon angemerkt. Ich fand, es sei keine relevante Information, sodass ich darauf verzichtet habe, ebenso wie ich darauf verzichtet habe, zu beschreiben wie Remigius die vielen Krüge Met wieder loswird ;) Aber da Du schon die zweite bist, die das anmerkt, werde ich mir da was überlegen.

Hier wechselst du die Perspektive zu Baldur. Machsts du das bewusst?

Definitiv. Baldur ist erfahrener als Remigius und auch wenn er ein schlitzohriger Gauner ist, so beobachtet er seine Umwelt sehr aufmerksam und macht sich seine Gedanken. Remigius schien mir für das Herstellen gewisser Zusammenhänge etwas einfach gestrickt.

Ich frage mich, wann die Pferde zusammenbrechen, da sie ebenfalls nicht gefüttert wurden und jetzt einen wilden Ritt querfeldein hinter sich haben.

Ah, so schnell brechen die nicht zusammen, auch nicht nach dem wilden Galoppintermezzo. Es gibt Distanzritte bis 160km, die werden an einem Tag geritten, und zwar nicht im Schritt. Dagegen ist das hier ein gemütlicher Sonntagsausflug ;)

Der Wald auf blankem Fels kann nicht so dicht sein, dass nur noch trübes Dämmerlicht übrig bleibt. Auch "hohe Buchen und einzelne Eichen" kann ich mir nicht so dicht gewachsen vorstellen. Ich weiß nicht, ich habe das Gefühl, dass hier logisch einiges nicht passt auch wenn der Wald der Gegner ist.

Nun, das trübe Dämmerlicht ist ja nicht natürlichen Ursprungs. Aber die Logikfehler verfolgen mich in diesem Text geradezu. Ich werde dahingehend prüfen, ob die Lichtverhältnisse richtig wiedergegeben sind. Ich hatte zum Bannkreis hin eine Auflichtung im Sinn, kann aber sein, dass ich das so explizit nicht geschrieben habe.

Der vierte Tag...
Nachdem sie bisher nichts gegessen haben, also wohl beide kein Essen brauchen, empfinde ich das als unnötiges in die Länge ziehen der Zeit.

Ok. Mir ging es darum, dass sich nach 3 Tagen Hungern die Lage langsam zuspitzt und eine Lösung hermuss. Hätte ich sie die Lösung gleich am ersten Tag finden lassen, wäre das zu einfach gewesen. Aber auch hier werde ich schauen, inwieweit ich noch kürzen kann.

Das finde ich unglaubwürdig. Von dem Pferd haben sie abgelassen, sobald es tot war und da war sicher mehr zu Fressen dran, als an einem vertrockneten, mumifizierten Toten.

Gutes Argument. Muss ich drüber nachdenken, wie ich das logisch auflöse.

Schön, wie sich die kalte Nymphe plötzlich verständnisvoll zeigt und für Remigius fürchtet.

Das Ende ist, hm, unerwartet. Baldur wird Mitglied der Krötensammlung der Nymphe. Das erscheint mir nun nicht als besonders schlimme Strafe für ihn. Das die Nymphe Remigius in ihrem eigenen Moor nicht wiederfindet verwundert mich.


Also ich wäre ja äußerst ungern eine Kröte. Aber vielleicht gehts nur mir so. Remigius´Ende passt nicht, da hast Du recht, wurde auch schon mehrfach angemerkt. Ich hatte für ihn zu dem Zeitpunkt einfach keine zündende Idee. Auf der anderen Seite, hätte ich Baldurs Verwandlung zur Kröte nicht eingefügt und schon vorher die Geschichte beendet, wie Du es vorschlägst, würde man mich fragen: Was ist denn mit Baldur? Den übergehst Du einfach, dabei spielt er doch eine fast ebenso große Rolle in der Geschichte wie Remigius. Nein, Baldurs Schicksal kann ich nicht streichen, dafür ist er vorher zu präsent. Aber ich werde mir für Remigius etwas anderes überlegen und versuchen, die Nymphe logischer handeln zu lassen.

Schön, wie sich die kalte Nymphe plötzlich verständnisvoll zeigt und für Remigius fürchtet.

Wirklich interessant, wie unterschiedlich das wahrgenommen wird. Ihr Verhalten wurde von anderen als unlogisch aufgefasst.

Maxi, ich danke Dir fürs Lesen und ausführliche Kommentieren. Ich bin aktuell mit meiner Diss beschäftigt und werde erst in ein bis zwei Wochen dazu kommen, mich an die Überarbeitung der Moorgeister zu setzen, die wegen der vielen Logikfehler etwas Zeit in Anspruch nehmen wird. Wenn ich soweit bin, setze ich hier einen Kommentar drunter.

Liebe Grüße!
Kassiopeia

 

Hallo Kassiopeia

Eine lange Geschichte, die du da erzählst. Ist aber nicht zu lang, wenn man sie gelesen hat. Nur solange man sie noch nicht gelesen hat, kann sie einem schon abschreckend lang vorkommen. (So, jetzt langt es aber mit dem Wort lang. So lange ist sie wiederum auch nicht, dass man nie über das Thema der Länge hinaus gelänge.)

Das Genre ist Fantasy. Ja, das stimmt. Ist sonst nicht so meine Sache, das. Aber der Anfang hat mich angezogen, weil er ans Mittelalter erinnert. Ist zwar keine historisch genau dargestellte Welt, fand’s aber doch spannend, weil es an die romantischen Vorstellungen erinnert, mit denen man jene Zeit lange gesehen und teils auch verklärt hat.
Allerdings wechselt der Schauplatz nach dem Anfang. Es geht dann ja aus dem Dorf und der mehr oder weniger zivilisierten Welt hinaus in den Wald, auf den Berg und ins Moor, kurzum in die Wildnis. Das einzige, was im Mittelteil noch mittelalterlich anmutet, ist das Reisemittel, die Pferde. Sobald sie das Dorf also verlassen, wirkt die Geschichte auf mich vorwiegend dem gewählten Genre Fantasy entsprechend.
Heißt das nun, dass mir die Geschichte ab dem Mittelteil weniger gut gefallen hat? Ich habe ja schon gesagt, dass mir Fantasy meistens nicht so zusagt. Aber nein, heißt es nicht. Was mich an dem Genre manchmal stört, ist Geschwafel. Es bietet die Chance enormer Freiheit, die manchen zur Geschwätzigkeit verleitet. Das passiert dir freilich nicht. Die Einfälle, mit denen die Heldenreise angereichert ist, sind zwar eindeutig magisch und somit fantasy-artig, wirken aber mitnichten beliebig. Damit wäre auch gesagt, wo ich deine Geschichte einordne.
Eine Heldenreise? Ist vielleicht ein wenig hoch gegriffen. Müssen angeblich zwölf Stationen darin vorkommen, nicht wahr? – Ich habe nicht gezählt. Außerdem wäre es übertrieben, zu erwarten, dass in einer Kurzgeschichte alle Teile voll ausgearbeitet vorhanden sind, die in einem Roman vorkommen würden. Aber das Schema der Heldenreise, des Quest, passt wohl am ehesten zu deiner Geschichte. Das ist insofern auch bestimmend, wenn man fragt, was eigentlich der Zweck der gefahrvollen Episoden im Mittelteil ist.
Meistens sind es wohl dreierlei Gründe, die im Mittelteil in einer solchen Gesichte dargestellt werden: Der Held soll erkennbarer werden, aufschlussreiche Einzelheiten der Aufgabe (Suche nach dem Amulett) sollen eingeflochten werden, die Welt der Geschichte soll fassbarer werden oder schlichtweg die Geschichte soll länger werden. Bei deiner Geschichte weiß ich nicht sicher, was du im Mittelteil bezweckst. Soll gezeigt werden, wie gefährlich die Aufgabe ist und wie mutig der Held? Soll der Fantasy-Charakter der Welt ersichtlich werden? Ich komme zu keinem sicheren Schluss. Darum frage ich dich, ob hinter den Episoden im Mittelteil eine bewusste Absicht steckt und gegebenenfalls welche?

Ich habe jetzt über die Länge und die Teile der Geschichte geschrieben. Beides hat sie. Was sie hingegen nicht hat, ist eine sinnvolle Unterteilung. Wenn du keine sinnfreien Leerzeilen, dafür aber echte Abschnitte und Absätze, sowie drei durch Trennzeichen offensichtlich getrennte Teile (Anfang, Mittelteil, Schluss) machen würdest, dann wäre die Länge weniger abschreckend.

Noch eines: Wieso bist du wankelmütig? Wieso knickst du so schnell ein? – Sei doch ein wenig standhafter!
Du hast zwei Kommentare erhalten, in denen gefordert wird, du müsstest so alltägliche Dinge wie die Mahlzeiten der Helden und das Füttern der Pferde beschreiben. Du hast – und zwar zu Recht – darauf hingewiesen, dass nebensächliche Vorgänge ausgelassen werden können, bis sie wichtig werden. Beide Kritiker entkräften deine Begründung nicht. Stattdessen knickst du nach dem zweiten Kommentar ein und sagst, dass du dir etwas ausdenken willst. Was willst du jetzt ausdenken? Viellicht, wie eine spannende Geschichte mit langeiligen, weil nebensächlichen Dingen so versetzt werden kann, dass sie trotzdem spannend bleibt? – Ich wäre da eher kritisch. Wenn jemand nicht erkennen kann, was nebensächlich ist, dann verleitest du ihn mit deinem Einlenken nur dazu, noch weiter nebensächliche Inhalte zu verlangen. Besser wäre es also, wenn du standhaft deine Sichtweise vertreten würdest. (Geht ein Kritiker nicht darauf ein oder redet nur hinhaltend, dann verwandle ihn in eine Kröte.;))

Sicher gäbe es noch einiges zu deiner Geschichte zu sagen. Aber ich will mich jetzt noch anderen Dingen zuwenden. Habe deine Geschichte gern gelesen und fand dabei so manches, das mich anregte.

Gruß teoma

Ps. Wie geht’s mit der Schreibblockade? – Habe gelesen, was du im Profil schreibst.

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Kassiopeia

ich habe mich nochmals auf deine Fantasy-Geschichte gestürzt, um zu sehen, welche Änderungen du vorgenommen hast.

Dass du den Fantasy-Ton gut getroffen hast, weißt du ja schon. Besonders die Szene im Wirtshaus gefällt mir gut, die Charaktere von Remigius und Baldur sind präzisiert.

"Baldur, hm? Nett." Die Wirtin schmunzelte.
"Ach komm, sieht der für dich aus wie ein Thomas?"

Diesen Dialog fand ich auch nach mehrmaligem Lesen missverständlich. Will Baldur damit sagen, dass hier niemand seinen richtigen Namen preisgibt? Was ist denn an einem Thomas unglaubwürdig?

Du hast viel Fantasie in die sich steigernden Gefahren entwickelt.Sie wecken Erinnerungen bei mir an "Die Gefährten" aus der "Herr der Ringe"-Trilogie. Es hätte mir gefallen, wenn sich der Konflikt zwischen beiden gesteigert hätte, so bleibt er immer auf demselben Niveau, wo man sich gegenseitig helfen muss, und es gibt auch keinen richtigen Showdown zwischen den beiden, da die Moornymphe ratzfatz sowohl Baldur als auch Remigius für sich okkupiert. Hätte sie nicht noch ein wenig die beiden gegeneinander ausspielen können?

Ja, der Schluss. Ich wage die Behauptung, dass du doch mit einer Fortsetzung liebäugelst (nach dem Rigorosum) und Remigius entkommen lässt. Ausgerechnet ins Moor flieht er,

doch selbst die Irrlichter konnten ihn nicht mehr finden. Wieso nicht?

Ach lass ihn doch Unterschlupf finden bei einer Feindin der Nymphe. Da hätte er gleich eine Gefährtin für seinen Rachefeldzug gegen die Nymphe. Baldur könnte ja wieder seine menschliche Gestalt bekommen und für die todkranke Frau findet sich sicher auch noch eine fantasievolle Lösung.

Kleines Gemecker: Die persönliche Anrede (du, dein) wird in Texten immer klein geschrieben. Verbindlich groß gilt nur für die höfliche Anrede (Sie, Ihr). aber wir sind ja im Mittelalter-Modus.

Hat nochmals Spaß gemacht.

Herzlichst wieselmaus

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo teoma, hallo wieselmaus,

sorry sorry sorry für die ausbleibende Reaktion auf Eure Kommentare! Ich stecke immernoch bis zum Hals in Arbeit, die Diss will und will nicht fertig werden. Ich schraube und feile daran herum und trotzdem bin ich noch nicht zufrieden. Die gute Nachricht ist, meine Schreibblockade ist Schnee von gestern. Zum größten Teil Dank der Wortkrieger. Durch das Geschichten schreiben und den Austausch hier ist der Knoten geplatzt und es ging in den letzten Wochen mit Riesenschritten voran :D Ich kann das Ende schon sehen ...

Die Überarbeitung der Moorgeister liegt deshalb nach wie vor auf Eis, aber ich bin fest entschlossen, sie nach der Abgabe in Angriff zu nehmen und ich möchte auch erst dann detailliert auf die Kommentare eingehen, wenn ich mich mit den einzelnen Kritikpunkten auseinandergesetzt und in der Geschichte umgesetzt habe. Trotzdem ganz kurz:
teoma: Wie schön, dass sich noch jemand gefunden hat, der die Geduld hatte, sich durch diesen langen Text zu kämpfen, danke dafür! Der Begriff "Heldenreise" gefällt mir wahnsinnig gut, auch wenn ich Baldur und Remigius nicht unbedingt spontan als Helden betrachten würde. Aber es gibt ja auch die "Antihelden" (die mir persönlich meistens besser gefallen, denn ich mag Figuren mit Schrullen) und auch die kann man auf die Reise schicken.
Ein Wort zur Wankelmütigkeit: Ich verteidige durchaus meinen Standpunkt (in diesem Fall, dass die Mahlzeiten keinerlei Relevanz für die Geschichte haben), allerdings bin ich hier, um zu lernen, zu erfahren, wie eine Geschichte wahrgenommen wird und wo Fehlerquellen sind, auf die ich selber nicht komme. Die diversen Logikfehler in dieser Geschichte sind ein gutes Beispiel dafür, ein anderes sind Details, die unbestreitbar wichtig sind für Atmosphäre und Logik. Die Frage ist nur immer, welche Details sind wichtig. Wenn mir nun jemand schreibt, er fragt sich, wann die mal was gegessen haben, dann argumentiere ich mit der fehlenden Relevanz für die Geschichte. Wenn aber ein zweiter mit der gleichen Frage kommt, dann muss ich mir überlegen, ob das ein Detail ist, dessen Fehlen beim Lesen auffällt. Und ich kenne das von mir selbst, ein Detail, das fehlt, ist fast noch schlimmer, als ein Detail, das überflüssig ist. Wenn da etwas fehlt, dann drückt und stört das in meinem Kopf über mehrere Absätze hinweg und ich ärgere mich darüber. Und ich möchte natürlich gerne vermeiden, dass mein Leser sich ärgert, womöglich für den Rest der Geschichte, nur weil ich die Hauptmahlzeiten unterschlagen habe ;) Ich habe jedenfalls nicht vor, einen ganzen Absatz über ein lauschiges Abendessen am Lagerfeuer einzuschieben, schließlich will ich kürzen, nicht weiter aufblähen. Eine kurze Bemerkung wird sicher genügen.
wieselmaus: Hach, Deine Kommentare bringen mich immer zum Lächeln :) Bei aller Kritikfähigkeit freue ich mich doch immer wieder über ein Lob, vor allem jetzt gerade tut das richtig gut (meine Diss hab ich noch niemandem gezeigt, also null Feedback in den letzten Wochen, und der Druck wird immer größer, je näher die Abgabe rückt. Habe letzte Woche von jemandem gehört, dessen Arbeit vom Prüfungsausschuss abgelehnt wurde, da hab ich doch mal kurz gegen ne Panikattacke angekämpft ...), deshalb ein großes DANKE dafür :herz:
Was eine potenzielle Fortsetzung angeht: Ich gebe zu, da geistert was als vager Schemen in den Untiefen meines überlasteten Hirns herum :D Allerdings hatte ich wirklich vor, Remigius tot sein und tot bleiben zu lassen. Warum finden ihn die Irrlichter nicht? Hm, da habe ich mir nicht so detaillierte Gedanken drüber gemacht. Ich vermute, er versank im Moor. Aber Deine Idee hat was. Ich dachte eher in die Richtung Genesung der todkranken Frau, die sich dann aufmacht, ihren Mann zu suchen und ihrerseits einen Rachfeldzug startet, nachdem sie herausfindet, was mit Remigius passiert ist. So oder so ähnlich. Wie gesagt, ein vager Schemen. Jedenfalls freue ich mich, dass Du offensichtlich genausoviel Sympathie für die Figuren hast wie ich. Wirklich kurios, wie sehr einem das Schicksal von fiktiven Figuren am Herzen liegen kann. Um ehrlich zu sein, ihr Schicksal als Autorin selbst bestimmen, formen zu dürfen, ist eine wunderbare und höchst eigenartige Erfahrung. Denn was wäre, wenn Existenz nicht zwangsläufig mit Materie verknüpft wäre? Wenn der Gedanke selbst die Figur existieren ließe?

Ihr Lieben, nochmals danke für Eure Kommentare! Ich melde mich, sobald die Geschichte überarbeitet ist.

LG Kassiopeia

 

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