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Montagstraum
Montag. Ein Tag wie jeder andere. Lena saß gelangweilt in der Schule und tat das, was sie eigentlich immer tat. Sie träumte vor sich hin. Oder war es doch kein normaler Tag? Vielleicht passierte heute noch etwas Weltbewegendes. Der Tag hatte schließlich für sie gerade erst angefangen. Aber eigentlich, dachte Lena, muss es ja auch nichts großes sein, was geschehen kann. Hauptsache es lenkte sie von dem tristen Alltag ab, der mit jedem Montag begann. Sie drehte ihren Kopf und schaute aus dem Fenster. Natürlich nicht irgend eins. Meistens suchte sie sich eines aus, bei dem man nur die blauen Weiten des Himmels sehen konnte. So ließ es sich dann am besten träumen. Doch heute blieb Lena keine Zeit dazu sich das richtige Fenster aus zu suchen, denn als sie hinaus sah, blickte ihr ein Drache aus riesigen gelben Augen entgegen.
Lena erschrak aber der Drache sagte freundlich: „Du musst keine Angst vor mir haben. Das weißt du doch. Ich war ja heute Nacht auch schon bei dir.“
Seine Stimme klang äußerst liebevoll, fand Lena und außerdem kam sie ihr entfernt bekannt vor, obwohl sie sich beim besten Willen nicht daran erinnern konnte, wo sie sie schon einmal gehört hatte. Auch verstand sie die rätselhafte Bemerkung des Drachen nicht so ganz. Trotzdem beschloss sie ihm zu trauen.
„Aber was machst du denn hier am Fenster mitten am Tag?“, fragte sie.
Sie schaute in die Runde. Von den anderen hatte noch keiner den großen grünen Drachen bemerkt, der vor der Schule schwebte.
„Was ist, wenn die anderen dich sehen?“
„Ach die sehen mich schon nicht. Ich kann mich nämlich sehr gut verstecken. Komm doch raus! Wir können etwas zusammen unternehmen! Wenn du willst, dann kannst du auch mal eine Runde auf meinem Rücken sitzen und wir fliegen irgendwo hin.“
„Au ja ich komme, aber dann müssen wir wieder zurück sein, ehe die Schule zu Ende ist!“
„Kein Problem“, antwortete der Drache. Lena stand von ihrem Platz auf und wollte gerade zur Tür gehen, als ihr plötzlich etwas auffiel. Sie drehte sich um und sah zur Klasse. Keiner schien bemerkt zu haben, dass sie aufgestanden war. Sie lauschten alle mehr oder weniger den Worten der Deutschlehrerin, die immerfort redete. Lena ging also zur Tür, öffnete sie und rannte dann hinaus, wo der Drache schon auf sie wartete.
„Los, steig auf!“, rief er ihr entgegen.
Er streckte einen Flügel aus, an dem sie empor klettern konnte und noch bevor sie richtig saß, stieß er sich vom Boden ab und sie flogen durch die Luft. Die Stadt unter ihnen wurde immer kleiner und kleiner, bis sie nur noch ein winziger Punkt war.
„Wohin fliegen wir?“, fragte Lena.
„Also, wenn du nichts dagegen hast, dann können wir nach Paris fliegen. Das ist wirklich eine tolle Stadt.“
„Das klingt sehr gut! Wie heißt du eigentlich?“
„Ludwig ist mein Name. Ludwig Drachus. Und mit wem habe ich das Vergnügen?“
„Mit Lena.“
Als sie eine Weile geflogen waren, erreichten sie Frankreich und landeten mitten in Paris auf dem Eiffelturm. Von hier aus konnte man fast ganz Paris sehen doch das hatte Lena ja schon auf Ludwigs Rücken getan, deshalb gingen sie hinunter. Nachdem sie die vielen Treppen hinabgestiegen waren, sagte Ludwig:
„Komm! Hier in der Nähe gibt es einen Laden in dem du das beste Eis der Welt bekommst.“
Lena nickte und folgte Ludwig. Während sie nun durch die Straßen von Paris gingen, fiel Lena etwas auf: Die Menschen hier waren entweder blind, oder an Drachen gewöhnt. Es gab nämlich keinen, der sich auch nur einmal nach ihnen umschaute. Niemand starrte sie ungläubig an oder blieb erschrocken stehen.
„Ludwig? Gibt es eigentlich in Paris viele Drachen?“; fragte sie deshalb.
„Nein. Wie kommst du darauf?“
„Weil es die Menschen gar nicht bemerken, wenn ihnen einer entgegen kommt.“
Ludwig lachte. „Es würde ihnen nicht einmal auffallen, wenn wir stehen bleiben und auf einem Bein tanzen würden. Für die sind wir beide nämlich unsichtbar.“
„Wirklich? Dann können wir machen was wir wollen, ohne dass uns jemand sieht und weiß, dass wir es waren?“, fragte Lena begeistert
Zum Beweis dafür blieb Ludwig stehen und wartete bis ein Fußgänger auf ihn zu kam. Mitten im Schritt prallte er gegen die massige Gestalt des Drachen. Lena fing an zu lachen. Ludwig grinste nur verheißungsvoll. Der Mann kratzte sich am Kopf, streckte vorsichtig seine Hand aus und stieß auf Ludwigs Bauch. Mit einem tief verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht drehte er sich um und ging in großem Bogen davon. Inzwischen hielten sich Lena und der Drache schon den Bauch vor Lachen. Als die beiden endlich wieder Luft bekamen, sagte Ludwig: „Komm dort drüben gibt es das Eis, von dem ich dir vorhin erzählt habe.“
Sie gingen in die Eisdiele und holten sich Eis. (Das heißt, Lena holte sich eins und Ludwig zwölf.) Der Ladenbesitzer wunderte sich schon warum andauernd das Eis direkt vor seiner Nase verschwand. Darüber musste Lena wieder lachen. Noch während sie dies tat, kam ein kleines Mädchen in den Eisladen.
„Lena, Lena!“, rief es. Seine Stimme Klang eher wie die einer erwachsenen Frau.
„Würdest du vielleicht endlich die Freundlichkeit besitzen mir auf meine Frage zu antworten?“ ,sagte es.
Lena starrte sie verdutzt an. Ihr Umfeld begann allmählig zu verblassen auch Ludwig war auf einmal weg.
„Wo ist Ludwig?“, fragte sie.
„Das war nicht die Antwort auf meine Frage!“, herrschte sie das Mädchen an, das sich vor Lenas Augen in ihre Deutschlehrerin verwandelte.
„Ich weiß nicht“, murmelte Lena.
Es klingelte zur Pause und Lena begriff, dass dieser Tag vielleicht doch nicht so langweilig werden würde, wenn Ludwig sie nächste Stunde wieder abholte.