Was ist neu

Montagabend

Rob

Mitglied
Beitritt
02.11.2015
Beiträge
2

Montagabend

An diesem Montagabend zeichnete das fahle Licht der Straßenlaternen erneut meterhohe Silhouetten mehrerer Hundertschaften an die farblosen Häuserwände der Stadt. Die unheimlichen Schattenrisse hasteten geisterhaft über den kalten Stein.
Männer und Frauen, die Soldaten, so schien es mir damals, wurden begleitet von einem wilden Stimmengewirr. Aus der Ferne klangen die vorübermaschierten Soldaten wie ein tiefgrollender Donner. An jedem Montagabend war ich nun ein stiller Beobachter dieses unwirklichen Schauspiels. Und an jedem Montagabend wurden die Züge länger und länger.

Einmal, ich weiß es noch genau, glaubte ich, das Gesicht meines Vaters inmitten der Reihen erkannt zu haben. Er sah nicht zu mir, aber wie die meisten der anderen Soldaten wirkte auch sein Blick entschlossen. Ich war zu jung, als dass ich des Winters unlängste Geschehnisse hätte verstehen können.

Ich freute mich immer, wenn ich am Dienstagmorgen meinen neuen Freunden in der Schule von den Soldaten erzählen konnte. Manchmal spielten wir dann, wir seien selbst Soldaten. Wedat, ein neuer Junge in meiner Klasse, verkroch sich dann meistens in der hintersten Ecke des Raumes und sprach kein Wort mit uns. Die Lehrerin sagte uns an seinem ersten Tag, er sei von sehr weit her und
dass wir ihn allesamt in unserer Klassenmitte willkommen heißen sollten. Deshalb wollte ich auch, dass er sich mir und meinen Freunden und unserem Spiel anschloss. Doch er sagte, er möge es nicht. Er möge es nicht, dass wir so taten als würden wir einander erschießen. Es mache ihn traurig. Es mache ihm Angst. Es mache, dass ihm Bilder von sehr weit her erschienen. Bilder, von der Baracke in der er und seine Familie hausten. Bilder, von verdorbenen Lebensmitteln, die sie sich
erklauen mussten. Bilder, in denen Menschen nicht nur spielten einander zu erschießen. Dann weinte er. Er weinte und zitterte so sehr, dass ich ihn kaum zu beruhigen wusste und es machte mir Angst.

Am Nachmittag dachte ich nochmal an meinen Schulfreund von sehr weit her und es machte mich wütend, dass Wedat soviel Unrecht erfahren musste. Und auch ich fing an zu weinen. Aber gleichzeitig freute ich mich, dass es hier friedlich war, dass wir ein
wärmendes Haus hatten anstatt einer Baracke, dass wir zu Essen hatten und dass hier an jedem Montagabend Patrouillenzüge der Soldaten durch die ganze Stadt zogen, die sicher versuchten Wedat und seine Famile und auch mich zu beschützen.
Ja, ganz sicher sogar. Das waren gute Soldaten.

Dachte ich damals.

*Wedat: arab., männlicher Vorname/Bedeutung: Liebe; Freundschaft

 

Hallo Rob und herzlich willkommen bei den Wortkriegern!

Ich bin ein wenig verwirrt, ehrlich gesagt. Was bedeutet die letzte Zeile? Ich hab versucht, einen Zusammenhang zum Rest der Geschichte zu finden, was mir aber nicht gelungen ist. Und wieso sind die Soldaten immer kursiv gedruckt? Sind es keine Soldaten, sondern eher übergriffige Pegida-Hohlköppe, von denen man ja in letzter Zeit viel hört?

Sprachlich habe ich nicht viel anzumerken. Sehr klare und gut verständliche Schreibweise.
Im ersten Absatz würde ich eventuell ein paar Adjektive ausdünnen, aber das mag Geschmackssache sein.

... Bilder von sehr weit her erschienen. Bilder, von der Baracke ...
Solche Konstruktionen finde ich etwas hölzern, könnte man ändern.

Viele Grüße
imperfektionist

 

Hallo Rob und herzlich willkommen!

An diesem Montagabend zeichnete das fahle Licht der Straßenlaternen erneut meterhohe Silhouetten mehrerer Hundertschaften an die farblosen Häuserwände der Stadt. Die unheimlichen Schattenrisse hasteten geisterhaft über den kalten Stein.

Also mir gefällt dieser Einstieg sehr gut. Ich stehe auf sowas. :)

Sprachlich habe ich nicht viel anzumerken. Sehr klare und gut verständliche Schreibweise.

Das kann ich nur unterstreichen.

Das Einzige was mir nicht so gut gefallen hat war:

Es mache ihn traurig. Es mache ihm Angst. Es mache, dass ihm Bilder von sehr weit her erschienen.

Diese Wiederholungen von " es mache" klingen irgendwie nicht so gut.
Ich persönlich hätte daraus einen Dialog gemacht.
" Es macht mir traurig und es macht mir Angst", sagte Wedat.
So in der Art.

Das Thema und die Geschichte an sich haben mir gut gefallen.
Und wie bereits erwähnt, vor allem der Einstieg hat mein Interesse geweckt.

Ich wünsche dir hier viel Spaß

Gruß
Raimond

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hey imperfektionist,

vielen Dank erstmal für deine Kritik. Es ist eigentlich ganz einfach. Was in den naiven Augen eines Kindes aussieht wie ein ein Heer an Soldaten, soll in meiner Geschichte tatsächlich Anhänger der Pegida darstellen (deshalb auch Montagabend -> Montagsdemonstrationen).

Während des Schreibens suchte ich nach einem arabischen Vornamen, der in seiner Bedeutung möglichst positiv die Naivität (im Sinne von Unvoreingenommenheit) eines Kindes beleuchtet. So einen Namen zu finden, gestaltete sich relativ schwierig, daher entschied mich für Wedat/Freundschaft, um zum Ausdruck zu bringen, dass Kinder unter "normalen" Bedingungen Freundschaften schließen, ohne auf Nationaltäten etc. zu achten. Ob das für die Geschichte wichtig ist, weiß ich nicht. Soweit jedenfalls meine Intention.

Beste Grüße
Rob

Hallo Raimond,

vielen lieben Dank für dein Feedback! ;) Ich suche schon seit einger Zeit nach solch einer Plattform und werde, sofern die Zeit es zulässt, weitere Beiträge liefern. Bin auch sehr gespannt, was ich hier beim Durchstöbern noch so finden kann.

Beste Grüße
Rob

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo nochmal,

gut, dann weiß ich Bescheid. Hochaktuelles Thema und die Idee, das Ganze aus der Sichtweise eines Kindes zu erzählen, gefällt mir immer besser.

Ich persönlich hätte daraus einen Dialog gemacht.
Das fänd ich keine gute Idee. Die Geschichte kommt insgesamt sehr gut nur mit indirekter Rede aus. Ein Dialog an nur einer einzigen Stelle würde mich irgendwie stören. Dennoch spricht Raimond damit genau dasselbe Problem an, das ich mit der Bilder-Konstruktion im darauffolgenden Satz hatte. Mir fällt leider gerade keine bessere Formulierung ein, weil "machen" ja in der Tat ein plausibles Wort aus dem Mund eines Kindes ist. Vielleicht fällt dir noch was ein. ;)

EDIT: Da haben wir uns wohl missverstanden. Ich meinte die vorletzte Zeile. Dass du die Bedeutung des Namens erklärst, ist super. Ich rede von:

Dachte ich damals.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom