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Montag bis Freitag

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21.06.2005
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Montag bis Freitag

25 Jahre waren sie zusammen gewesen.
Tagein, tagaus.
Morgenlicht fällt golden ins Büro, schimmert durch die Lamellenvorhänge.
Ulli starrt ins nichts, versucht zu greifen, was diese Zeit für sie bedeutet hat, und kann nur in Stichpunkten denken, Gedankenfetzen eigentlich: Sie kannten einander in- und auswendig, wussten, wie die andere auf jeden Satz reagierte, noch ehe er ganz ausgesprochen war. Wussten, welches Wort ein Augenrollen, welches einen Lachanfall heraufbeschwören würde. Verstanden jede noch so kleine Veränderung in der Mimik.
Vorlieben, Abneigungen, Allergien, Meinungen zum Weltgeschehen oder zum neuesten Netflix-Binge-Fest. Lieblingskuchen, Lieblingspasta, Lieblingswein. Geburtstage, Namen und Krankheiten der Eltern, der Kinder, der Partner und der Affären. Hatten gelacht, brüllend gelacht, nach Luft schnappend, um Erbarmen bettelnd. Hatten geschimpft, gelästert, und einander die Tränen getrocknet, gut zugeredet.

„Ding“ – eine E-Mail. Ulli blinzelt, nimmt sich zusammen, es gibt zu tun. Sie liest eine Weile konzentriert, dann stiehlt sich ein Grinsen auf ihr Gesicht. Ihre Augen weiter auf dem Bildschirm, neigt sich ihr Kinn in Richtung des Schreibtisches neben ihr. „Stell dir vor, jetzt …“ setzt sie an. Sie hält inne, das Lächeln gefriert: Ihr Blick gleitet auf den Arbeitsplatz, an dem niemand sitzt.
Ein Bildschirm, eine Tastatur. Sonst nichts, anonym, wartend, kalt.

Keine Fotos der Kinder mit schokoverschmierten Gesichtern, kein Kaktus, kein Schild mit der Aufschrift "Hier lang auf den Ponyhof", keine Box mit Yogi-Tees „ .. wegen der Sprüche; Ulli, die sind so absurd! Hier, hör mal: Wenn du den Weg verlierst, folge dem Klang deines Lachens nach Hause. Was glauben die wie witzig es daheim ist? Kennen die meinen Mann?” und kein Manuka-Honig gegen jedes Leid von Husten bis Wut auf den Chef.

Ulli presst die Lippen aufeinander, wischt sich über die Augen, holt tief Luft. Ignoriert den leeren Schreibtisch neben sich, so gut sie kann.

Mittags kommt ein Kollege an ihren Tisch. „Wir wollen zum Italiener, es ist Pizza-Tag. Kommt ihr …“ er unterbricht sich verlegen, das „ihr“ hängt zwischen ihnen wie eine kleine schwarze Bombe. Er schielt verstohlen auf den leeren Platz, blickt dann auf seine Kollegin. Räuspert sich und beginnt von vorne. „Kommst du mit?“
Sie schüttelt den Kopf.
„Sicher?“, fragt er, aber er hat sich schon abgewendet. Halb schuldbewusst, halb erleichtert. Denkt Ulli. Was hätten sie auch reden sollen mit Ulli, in ihrer Trauer? Zusammen waren die beiden immer der lachende, lästernde, gesellige Kern am Kollegentisch. Kannten die Firma in- und auswendig, hatten einen unerschöpflichen Vorrat an Anekdoten gewusst.

An der Tür warten schon drei, vier andere aus dem Team auf ihn. Sie warten stumm, und eine junge Frau schüttelt den Kopf. „Sie nimmt es sehr schwer, oder?“ Er nickt, flüstert: „Ist ja auch tragisch. Und Ulli allein, man weiß gar nicht wie man mit ihr umgehen soll, oder?“ Sie junge Frau zögert: „Aber ... die beiden haben außerhalb der Arbeit meines Wissens nichts großartig miteinander zu tun gehabt …“ Ihre Stimmen verhallen auf dem Flur.

Ulli nickt auch, allein an ihrem Platz. Sie hat halb verstanden, halb kann sie sich denken, was die jungen Kollegen denken. Sie haben sich außerhalb der Arbeit tatsächlich nicht getroffen, in 25 Jahren nicht ein einziges Mal. Warum eigentlich? Sie waren so vertraut gewesen. Mit all dem Wissen über das Leben der anderen, zu viel vielleicht, denkt Ulli jetzt, zu subjektiv, dieses Wissen, um die Kollegin auf den echten Ehmann loszulassen, auf die echten Kinder. Stattdessen Montag bis Freitag, acht Uhr dreißig bis 15 Uhr, eine Stunde Mittag. Das ist so viel mehr, denkt sie, so viel mehr Zeit als die meisten anderen Menschen in meinem Leben bekommen.

Sie holt sich im Café ein Panini und einen Cappuccino, sitzt dann auf der Bank vor dem Gebäude. Dort haben sie das ganze Leben diskutiert, Ehe, Freundschaften, Urlaube. Sie haben Elterngespräche seziert und neu zusammengesetzt, das Leben in den richtigen Kontext gesetzt. Jetzt sitzt sie hier allein.

Später schaut der Chef zur Tür herein. „Na…?“, fragt er. E. ist erst seit fünf Jahren ihr Chef, angenehmer Kerl, lässt sie weitgehend in Ruhe ihre Arbeit machen. Jung noch, aber clever. Jetzt steht er etwas betreten vor ihr.
Er schiebt eine Karte über ihren Tisch. Elfenbeinfarben, grauer Rand. In der Mitte die Zeichnung einer Lilie. Sehr geschmackvoll.
„Wollen Sie auch unterschreiben?“, fragt er. Als sie die Karte aufklappt, ist sie einen Moment überrascht von den vielen Unterschriften, die schon darinstehen. Links steht ein Spruch: „Mit den Flügeln der Zeit fliegt die Traurigkeit davon – Jean de la Fontaine“. Verwirrt hängt ihr Blick an den silbergrauen, geschwungenen Buchstaben. Sie fragt sich, wer diesen Spruch ausgesucht hat. In ihren Ohren klingt das, als ob man von den Angehörigen erwarten würde, die Traurigkeit endlich loszulassen, den Menschen, den man geliebt hat, zu vergessen – schnell jetzt, gib der Trauer Flügel, lass endlich los! Sie ist tot, ist gut jetzt, das Leben geht weiter!

Sie schließt die Augen, kann sich gut vorstellen, was sie beide jetzt gesagt hätten, wie sie die Augen verdreht hätten und sich Geschichten erzählt hätten von Trauerfeiern, Beerdigungen, stell-dir-vor-einmal-war-ich …
Ihr Chef wartet. „Wir schicken auch Blumen“, sagt er. Sie weiß das, sie hat die Blumen ausgesucht. Die Beerdigung findet im engsten Familienkreis statt, sie wird nicht hingehen. Hat die Familie nie kennengelernt, und kennt sie doch so gut wie ihre eigene. Besser vielleicht. Zu gut.

Sie nimmt einen Kuli zur Hand. Mach’s gut, meine Liebe, will sie schreiben, und Du fehlst mir so sehr und wenn du wüsstest, was hier los istMit wem teile ich jetzt das Leben? Wir beide haben uns gekannt, wirklich gekannt. Montag bis Freitag, und ein Leben lang.

Sie setzt an und schreibt: „In tiefer Anteilnahme, Ulli“.

 

Hallo @ardandwen,

Eine tieftraurige Geschichte hast du da geschrieben. Ich dachte beim Lesen der ersten Zeilen, es handele sich um den Verlust eines Ehepartners, aber schnell wurde klar, dass es „nur“ um den Tod einer Arbeitskollegin und Freundin geht. Wenn man 25 Jahre lang eng befreundet ist, während der Arbeit nebeneinander sitzt, die Pausen miteinander verbringt, kann eine solche enge Bindung entstehen, das kann ich mir vorstellen und das hast du in deiner Geschichte glaubhaft dargestellt. Die Protagonistin kann es noch gar nicht fassen, will ihr eine E-Mail zeigen und erst ein Blick hinüber zu dem Arbeitsplatz der Freundin ruft ihr wieder in Erinnerung, dass es vorbei ist. Und das Leben geht weiter, die Arbeitskollegen wollen sie zum Pizza-Essen holen, der Chef reicht ihr eine Beileidskarte, wie, um den Tod der Kollegin abzuhaken. Aber sie ist noch nicht so weit.

Das alles ist gut dargestellt, jedoch fehlt für mich etwas an der Geschichte, etwas, das über die bloße Darstellung der Trauer hinausgeht. Das Besondere liegt für mich hier darin, dass es eben nicht um Ehepartner geht, sondern um die Beziehung zweier Kolleginnen, deren Bindung zueinander so einzigartig ist, dass der Eindruck entsteht, es handele sich um ein altes Ehepaar. Die Kollegen können das offenbar auch nicht verstehen.
Aber reicht das? ich weiß nicht recht.

Hier noch Kleinigkeiten:

Tag ein, Tag aus.
tagein, tagaus
Sie kannten einander in- und auswendig, wussten, wie die andere auf jeden Satz reagierte, noch ehe es ganz ausgesprochen war.
noch ehe er ganz ausgesprochen war. Das bezieht sich ja auf den Satz.
Mittag kommt ein Kollege an ihren Tisch.
Mittags
Aber ... die beiden haben außerhalb der Arbeit meines Wissens nichts großartig miteinander zu tun gehabt …“ Sie ziehen ab. Die Frau nickt auch, allein an ihrem Platz.
Hat sie das wirklich gehört? Doch höchstens, wie sie leise miteinander sprechen. Sie kann sich denken, was sie sagen, und so würde ich das auch schreiben.
Sie holt sich im Café ein Panini und einen Cappuccino, sitzt dann auf der Bank vor dem Gebäude. Wo früher das ganze Leben diskutiert wurde, Ehe, Freundschaften, Urlaube, Elterngespräche seziert und neu zusammengesetzt wurde, wo das Leben in den richtigen Kontext gesetzt wurde.
Das zweite "wurde" sehnt sich nach dem Plural. Davon abgesehen ist die Häufung dieser "wurde" nicht schön. Warum nicht aktiv schreiben. "Dort haben sie früher ..."

Grüße
Sturek

 

Hallo @ardandwen ,


ich finde das Thema deiner Geschichte echt gut. Dass man mit Arbeitskollegen eine höhere Stundenzahl im Leben verbringt als oft mit Familie oder Freunden. Was richtig gut rüberkommt, ist dass das Umfeld unterschätzt, was Ulli diese Zeit bedeutet.
Allerdings finde ich auch, dass die Geschichte noch etwas mehr Fleisch am Knochen vertragen könnte. Eine näher beleuchtete Szene oder so, die erzählt, wie besonders eben dieses Verhältnis war.
Seltsam finde ich schon, dass sie einen so intimen Teil ihres Lebens nie außerhalb des Arbeitsplatzes getroffen hat, kann mir aber vorstellen, dass es so gewesen sein könnte.
Ich stelle mir eine bestimmte Szene vor oder mehrere, wie sie lachen, lästern z.B. Irgendwas, das den Leser miterleben lässt.
Natürlich dachte ich am Anfang auch, dass es um eine Ehe oder Liebesbeziehung geht, obwohl du im Titel eigentlich schon klar gemacht hast, dass es dennoch Grenzen hatte. aber am Ende will sie schreiben: "Meine Liebe".

Mehr anhand von Textstellen:

Sie lächelt, ihr Kinn neigt sich in Richtung des Schreibtisches neben ihr.
Hier habe ich mich gefragt, warum es das Kinn sein soll, gibt es einen bestimmten Grund, eine Symbolik? "Kopf" würde ich gängiger finden.
„Stell dir vor, was er jetzt wieder geschrieben hat …“ grinst sie. Dann sieht sie auf, ihr Blick fällt auf den Arbeitsplatz, an dem niemand sitzt, jetzt nicht mehr:
Das finde ich sehr unmittelbar eingesetzt, und da ich zu dem Zeitpunkt noch nicht viel weiß über die Verhältnisse der beiden Frauen, fällt es mir ein bisschen schwer, zu glauben, dass sie das wirklich laut ausspricht und erst dann bemerkt, dass der Platz ja leer ist. Es muss noch ganz, ganz frisch sein. Vielleicht unterschätze ich auch einfach die 25 Jahre. :confused:

Ein Bildschirm, eine Tastatur. Sonst nichts, anonym, wartend, kalt. Tot.
"Tot" finde ich ein bisschen viel, aber der Rest ist toll! Da entsteht sofort ein Bild und eine Atmosphäre!
„Sie nimmt es sehr schwer, oder?“ Er nickt, flüstert: „Ist ja auch tragisch. Aber ... die beiden haben außerhalb der Arbeit meines Wissens nichts großartig miteinander zu tun gehabt …“
Ja, in Ulli scheint es eine ganze Welt zu geben, von der niemand weiß. Ich finde ein bisschen heikel, dass die Kollegen so vollkommen ahnungslos sind. Auch in Büros, auch wenn man die Details und die Art der Verbindung nicht kennt, müssten sie doch eigentlich auf von außen als untrennbares Duo wahrgenommen worden sein?
Machen sie das ausnahmsweise aus Mitgefühl? Wenn sie sie schon fragen, ob sie mit zum Essen kommen will, scheint es ja eine reguläre Verbindung zu geben. Die Reaktion der Kolleg:innen zeigt ja auch, dass sie nicht sonderlich viel Verständnis haben, dass Ulli der Kollegin "so nachhängt", obwohl es ja gerade mal Zeit für die Trauerkarte ist, also wirklich noch nicht lange. Würden sie sie fragen, wenn sie das sonst nie tun, wenn sie sich so schwertun mit ihr?
Die Frau nickt auch, allein an ihrem Platz. Sie haben sich außerhalb der Arbeit tatsächlich nicht getroffen, in 25 Jahren nicht ein einziges mal.
"Mal"
den Menschen, den man geliebt, hat zu vergessen
den man geliebt hat, zu vergessen
den Menschen, den man geliebt, hat zu vergessen – schnell jetzt, gib der Trauer Flügel, lass endlich los! Sie ist tot, ist gut jetzt, das Leben geht weiter!
Das kommt im Text gut raus, dass die Tendenzen der anderen dahin gehen.
Sie setzt an und schreibt: „In tiefer Anteilnahme, Ulli“.
Ich glaube, das würde ich als Schlusssatz nehmen.

Viele Grüße,
Helen

 

Ein Stück „anderer“ Literatur der Arbeitswelt als der aus der gleichnamigen „Literaturwerkstatt“ aus den 60/70er Jahren, die sich insbesondere mit den sozialen Differenzen in der "Arbeitswelt" auseinandersetzte,

@ardandwen,

denn neben der sozialen und der betrieblich-hierarchischen Ungleichheilt gibt es die unterschiedlichen Beziehungseisen von kühldistanziert bis hin zur Solidarität und Sympathie und wenn die vorhanden ist, weiß man um und kennt die Verhaltensroutinen des/der Kollegen/-in am Schreibtisch (oder an der Werksbank, Jacke wie Hose) und gelegentlich entstehen Kontakte jenseits der Werks- und Büromauern. Aber auch die dicksten Freunde bleiben sterblich ...

Bissken Flusenlese,

Sie kannten einander in- und auswendig, wussten, wie die andere auf jeden Satz reagierte, noch ehe es ganz ausgesprochen war.
„er“, der Satz

Wussten, welches Wort ein Augenrollen, welches einen Lachanfall heraufbeschwören würde.
Es kann auch jede beliebige andere Geste sein, nicht nur die lautliche … von der Grimasse oder dem Augenschließen bis zum Grinsen oder Lächeln usw. Da steht doch eine kleine Auswahl
Hatten gelacht, geschimpft, gelästert, und manchmal zusammen geweint.

Mittag kommt ein Kollege an ihren Tisch. „Wir wollen zum Italiener, es ist Pizza-Tag.
„Mittags ...“ oder „Am Mittag ...“

„Sicher?“[,] fragt er, aber er hat sich schon halb abgewendet.
Später schaut der Chef zur Tür herein. „Na[...]…?“[,] fragt er.
Die Punkte direkt am Wort behaupten, da fehle zumindest ein Buchstabe – was nicht der Fall ist …

Hier ebenso

…., Beerdigungen, stell-dir-vor-einmal-war-ich…

Gern gelesen vom

Friedel -

der noch ein schönes Wochenende wünscht!

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @ardandwen

Ich kann dem Text wenig abgewinnen. Er wirkt auf mich, als wäre er mit Grossbuchstaben geschrieben, als drängte er sich mir auf. Hier zum Beispiel:

Ein Bildschirm, eine Tastatur. Sonst nichts, anonym, wartend, kalt. Tot.
Er lässt auch wenig Raum für eigene Gedanken/Emotionen, fürs Zwischen-den-Zeilen-Lesen. Hier zum Beispiel wird gesagt, was ich als Leser eigentlich spüren/ aus Szene und Dialog erschliessen möchte:
Ihre Anwesenheit würde die Stimmung drücken.
Bezeichnend finde ich die Tatsache, dass es im Text darum geht, wie gut jemand eine andere Person gekannt hat, und ich als Leser am Ende nichts über diese Person weiss, ausser dass sie Yogi-Tee mit Manuka-Honig mag. Die folgenden Passagen erscheinen mir beliebig und abgegriffen, besonders das Fettmarkierte.
Lieblingskuchen, Lieblingspasta, Lieblingswein. Geburtstage, Namen und Krankheiten der Eltern, der Kinder, der Partner und der Affären. Hatten gelacht, geschimpft, gelästert, und manchmal zusammen geweint.
Sie kannten einander in- und auswendig, wussten, wie die andere auf jeden Satz reagierte, noch ehe es ganz ausgesprochen war. Wussten, welches Wort ein Augenrollen, welches einen Lachanfall heraufbeschwören würde.
Ich erfahre nichts über die verstorbene Person und eigentlich auch kaum etwas über die Beziehung, ausser ein paar sehr tellige Behauptungen. Insofern war es für mich passend, dass die Prota am Ende nichts auf die Karte zu schreiben weiss. (Einen Moment habe ich gedacht, das sei deine Absicht: Den Lesern wird eingehämmert, wie gut sie sich gekannt haben, und am Ende zeigt sich, dass das gar nicht stimmt. Sie haben nur aus ihrem Leben erzählt, es nicht geteilt, nichts gemeinsam erlebt. Falls ja, müsste das meines Erachtens klarer herausgearbeitet werden)

Das klingt alles recht harsch, aber so habe ich den Text nun mal wahrgenommen, das hängt hier in meinen Augen besonders stark von eigenen Vorlieben ab. Ich finde das Thema gut und mit Sprache umgehen kannst du. Mein Ratschlag wäre, subtiler zu arbeiten, sodass sich den Leser:innen die Tragweite dieses Verlust mehr und mehr erschliesst. Dabei auf konkrete Details setzen, szenischer erzählen, kleine Gesten statt grosse Worte.

Lieber Gruss
Peeperkorn

 

Hallo @Sturek,

vielen lieben Dank für deine Auseinandersetzung mit dem Text.
Ich bin ganz bei dir, dass noch etwas, naja, Handlung fehlt. Gleichzeitig möchte ich das Bild nicht zerstören, dass ich versucht habe zu beschreiben.
Ich hab mich daher nochmal dran gemacht und versucht stärker herauszuarbeiten, was die Beziehung zwischen Ulli und ihrer Kollegin ausmacht: Das Gefühl des absoluten "Kennen und Gekannt-Werdens", ohne dass das Gegenüber aber je in das eigene Leben eindringt, sozusagen. Ulli kannte die das Leben der Kollegin vollkommen, aber eben nur durch deren Brille. Und sie selbst konnte der Kollegin alles offen erzählen, ohne Gefahr zu laufen, dass die Kollegin Ullis Leben wirklich "erlebt". Eigentlich eine fast therapeutische Beziehung, die ich bisweilen in verschiedenen Büros beobachtet habe. Ergibt das Sinn?

Danke auch für deine textlichen Anmerkungen, habe dementsprechend ausgebessert.

Lg Ardandwen


Hallo @Helenesthe,

auch dir ein großes Dankeschön, dass du den Text gelesen und kommentiert hast.

Ich habe versucht, einige Szenen einfließen zu lassen für mehr Fleisch. Gleichzeitig möchte ich die Beziehung bzw die Personen auch einigermassen "interpretierbar" halten, vielleicht ist mir das gelungen - würde mich freuen, wenn du da nochmal drüber guckst, wenn du Zeit und Lust hast!
Die von dir genannten Textstellen habe ich umgeschrieben, danke für die Detailarbeit!

LG Ardandwen

Lieber @Friedrichard,

auch dir meinen liebsten Dank für das Lesen und kommentieren. Ich denke es ist interessant, wie wenig Literatur sich dem widmet, womit wir am Meisten Zeit verbringen: Arbeit, Kollegen etc. und wie wenig wir die zwischenmenschlichen Beziehungen teilweise in unsere "Lebensstory" einbinden.

Danke auch für die Flusenlese, ich hab das natürlich umgesetzt.
LG Ardanwen

Hallo @Peeperkorn,

die speziell einen Dank, dass du die Geschichte mit Feedback versehen hast, obwohl du nicht viel damit anfangen konntest. Das weiß ich zu schätzen, und harsch war es sicher nicht. Ich will mich ja verbessern :)

Auch inhaltlich kann ich deine Kritik verstehen und habe versucht, den Text bzgl Holzhämmern und Großbuchstabenmessaging zu verbessern :) Wenn das jetzt besser ist, würde ich mich über einen kurzen Laut von dir freuen :)

Deine Interpretation finde ich interessant - eigentlich weiß die Prota eine Menge auf die Karte zu schreiben, aber sie tut es nicht, weil es eben eine "Kollegenbeziehung war", und sie die "therapeutische" Bindung zu einer Person, der sie alles sagen kann, WEIL sie niemals in ihr "echtes" Leben treten wird, auf einer Trauerkarte nicht ausdrücken kann, und die Karte ja an Hinterbliebene geht, die damit auch nichts anfangen könnten.
Ich habe mich bemüht, das noch etwas herauszustellen, aber ich kann nicht sagen, ob mir das wirklich geglückt ist.

Danke und LG

Ardandwen

 

Hallo @ardandwen ,

jetzt habe ich auch deine Überarbeitung gelesen.

Ich habe versucht, einige Szenen einfließen zu lassen für mehr Fleisch. Gleichzeitig möchte ich die Beziehung bzw die Personen auch einigermassen "interpretierbar" halten, vielleicht ist mir das gelungen - würde mich freuen, wenn du da nochmal drüber guckst, wenn du Zeit und Lust hast!
Ich glaube, da gehen unsere Ansichten einfach auseinander, wenn du "interpretierbar" im Sinne von "möglichst offen" meinst, was dir meiner Meinung nach gelungen ist. Ich bin oft Freundin von etwas Konkretem.
keine Box mit Yogi-Tees „ .. wegen der Sprüche; Ulli, die sind so absurd! Hier, hör mal: Wenn du den Weg verlierst, folge dem Klang deines Lachens nach Hause. Was glauben die wie witzig es daheim ist? Kennen die meinen Mann?”
Das kommt, glaube ich, dem am nächsten, was ich meinte mit einer näher erzählten Szene. (Hier schreibt übrigens eine Verfechterin der Yogi-Tees. :D). Das ist wieder sehr angedeutet. Es wird erzählt, dass die verstorbene Kollegin es scheinbar nicht sehr lustig in ihrem Familienleben hat, das lässt zumindest vermuten, dass die Frauen mehr als genug Gesprächsbedarf hatten. Mehr aber auch nicht. Für mich als Leserin bleibt es weiter im Dunklen.
Ulli starrt ins nichts, versucht zu greifen, was diese Zeit für sie bedeutet hat,
ins Nichts
Geburtstage, Namen und Krankheiten der Eltern, der Kinder, der Partner und der Affären.
Irgendwie finde ich nach wie vor seltsam, dass es da so zwei vollkommene Blasen nebeneinander gibt, wo man anscheinend keine Hemmungen hatte, aus wirklich jedem Lebensbereich offen zu erzählen, samt Affären. Das erzählen manche nicht der engsten Busenfreundin.
Hatten gelacht, brüllend gelacht, nach Luft schnappend, um Erbarmen bettelnd. Hatten geschimpft, gelästert, und einander die Tränen getrocknet, gut zugeredet.
Ich finde spannend, was hier neu reinkommt: etwas, nennen wir es mal "Ordinäres", was hier auch nochmal verstärkt wird:
Zusammen waren die beiden immer der lachende, lästernde, gesellige Kern am Kollegentisch. Kannten die Firma in- und auswendig, hatten einen unerschöpflichen Vorrat an Anekdoten gewusst.
(ich würde das "gewusst" streichen)
"Lachend, lästernd, gesellig" klingt einerseits sehr fröhlich, andererseits sehr enthemmt und vielleicht für die übrigen Kollegen auch eher mal unangenehm, was wiederum hier nochmal verstärkt wird:
Mit all dem Wissen über das Leben der anderen, zu viel vielleicht, denkt Ulli jetzt, zu subjektiv, dieses Wissen, um die Kollegin auf den echten Ehmann loszulassen, auf die echten Kinder.
Ehemann
Auf so einem kleinen Text ist das ziemlich viel und herausragend für mich, dass es über's Lästern geht, sehr oft sogar. Das mag realistisch sein, aber es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass das mit derjenigen, die mich am besten und intimsten kannte, so einen Löwenanteil ausgemacht hat.
Gleichzeitig muss ich sagen, dass die Aussagen wenigstens verstärkt haben, was du z.B. hier erzählst:
Dort haben sie das ganze Leben diskutiert, Ehe, Freundschaften, Urlaube. Sie haben Elterngespräche seziert und neu zusammengesetzt, das Leben in den richtigen Kontext gesetzt.
Der leisere Abschnitt wirkt durch die Lauten nochmal etwas ruhiger und intimer, finde ich.
„Ist ja auch tragisch. Und Ulli allein, man weiß gar nicht wie man mit ihr umgehen soll,
Die Ergänzung finde ich ganz gut.
E. ist erst seit fünf Jahren ihr Chef,
Er
Mit all dem Wissen über das Leben der anderen, zu viel vielleicht, denkt Ulli jetzt, zu subjektiv, dieses Wissen, um die Kollegin auf den echten Ehmann loszulassen, auf die echten Kinder.
Das finde ich nicht ganz passend, bzw. habe ich auch Schwierigkeiten, es zu verstehen. Beide haben also jemanden gesucht, der/die nur die eigene Sicht der Anderen auf die Dinge wahrnimmt. Es ist ja immer subjektiv, aber hier frage ich mich, warum sie das wollte. Wenn sie das so ausdrückt, heißt es ja auch: "Meine Wahrnehmungen sind so speziell, dass es die Kollegin verwirren könnte, eigene Eindrücke zu kriegen". Ich weiß nicht, ob ich dann sagen könnte, dass es die Person ist, die mich am besten kennt. Dazu würde ja auch die Grenzen derer Wahrnehmung gehören, in denen man manchmal eben auch helfen kann.

Viele Grüße,
Helen

 

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