Mondtag
Mondtag
Ein strahlend blauer Himmel sah auf die Welt herab. Sein Blau war aber nicht jenes blendende Blau, welches einem schon an manchen Sommertagen die Augen hat zukneifen lassen. Vielmehr war es leicht blaß und dunstig.
Der Künstler schien beim Malen dieses Tages den Pinsel nicht sorgsam genug vom Deckweiß gereinigt zu haben, und mischte in sein sonst so lupenreines Himmelblau Spuren von Unaufmerksamkeit.
Unaufmerksamkeit machte den besonderen Reiz dieses Himmels aus, ließen ihn im Spiel der Farbtöne verworren, individuell erscheinen, obwohl er doch im Grunde nur ein Himmel wie jeder andere war.
Waren nicht alle Himmel grundsätzlich gleich? War ihnen nicht allen die selbe Aufgabe zuteil?
Weit ausladend erstreckten sich seit jeher die Himmel über das Land, waren Anfang und Ende zugleich. Gleich ihrer Farbe, Bewölkung und Niederschläge waren sie doch allesamt der Begleiter des Tages. Ein treuer Gefährte ihres ewiglich fortschreitenden Freundes.
Verabschiedete sich der Tag von der Erde, so sprach nicht er selbst sein Lebewohl zu ihr.
Nicht er war es, der zu den Pflanzen sprach; ihnen sagte, es sei Zeit die Blüten zu schließen.
Es war nicht der vergehende Tag, der den Wachen das Signal gab, sich zum Schlaf zu betten. Und er sprach auch nicht zu jenen die des Tags über schliefen, dass sie sich fertig machten, um während der Nacht dem Leben nachzugehen
Nein, es war der Himmel, der in seinem Namen der Erde den Aufbruch verkündete.
Je nach Stimmungslage mal in Kaminrot, ein letztes Glas des köstlichen Weines hebend, bevor die Zeit zum Abschied drängt, mal im Aschgrau des erloschenen Lagerfeuers, welches die beiden Wanderer zurücklassen, bevor sie ihre Reise fortsetzen.
So begingen die beiden Jahr um Jahr, Monat um Monat. Nichts schien die beiden trennen zu können.
Doch immer wieder ließ sich ein Künstler auf den Versuch ein. Und so mischte er seine Farben zurecht, und setzte dem dunstigen Himmel einen Fremden aufs Haupt.
Es war kalt. Ein eisiger Wind, von Osten her kommend, schien das lang erprobte, geschätzte Verhältnis von Tag und Himmel erzittern zu lassen, als würden die Glieder der sie verbindenden Kette langsam gesprengt. Dieser Wind schien die Eifersucht zu schüren, den Bund ziwschen dem Vermittler und Hüter der Wolken und dem Herren über Alltag und Leben auf die Probe stellen zu wollen. Dabei war der kalte Hauch nur der Bote eines Fremden, Anschluß an den Tag suchenden.
Der Tag hatte gerade etwas mehr als die Hälfte seines Weges begangen, und seine ihm vorrausscheinende Laterne, die Vorbotin des Tages, die dem Tag stets vorneweg ging, stand hoch am Himmel.
Da plötzlich!
Ein schwaches Licht, erhob sich am Horizont. Es drängte sich zwischen Himmel und Tag, als wollte das fahle Licht die beiden trennen. Und langsamen Schrittes wuchs der Lichtschein und eine blasse Scheibe gab der Welt ihr Antlitz preis.
Der Tag, war doch recht angetan von jenem Fremden und lud ihn ein, sich ihm anzuschließen. Der Mond nahm dankend an und erläuterte, er sei nur auf der Suche. Auf der Suche nach neuen Horizonten. Auf der Suche nach etwas neuem, vielleicht auch jemand anderem, der ihm vermochte Gesellschaft zu leisten.
Er berichtete, vom ständigen Kommen und Gehen mit der Nacht, der Schwester des Tages, und dass er zwar einerseits stolz darüber sei, der gute Geist der Sterne, und Herrscher über die Dunkelheit zu sein, der der Erde die Furcht und Schrecken über eben diese zu nehmen im Stande war. Andererseits war er vom immer gleichen Leben gelangweilt, wünschte Abwechslung, vielleicht fand er sogar eine neue Aufgabe.
Der Himmel war entrüstet über die Dreistigkeit, die jener blase Mond, dieser käseweiße Knecht der Nacht, dem Tag und dem Himmel bot.
Doch der Tag, nicht frei von Neugierde, war bereit, dem Kraterübersäten sein Experiment zu gestatten, überzeugt davon, er würde bei Zeiten wieder zur Schwester, seiner angestammten Begleiterin, zurückkehren.
Der Himmel war enttäuscht, und musste nun mit ansehen, wie der frivole Mond sich das Recht nahm, sich zwischen ihn und den alten Freund zu zwängen.
Er konnte und wollte nicht verstehen, warum der Tag diesen blassen Kugelrunden an seiner Seite duldete, wo doch der Tag so majestätisch und voller Macht war. Es paßte einfach nicht zusammen.
Solche Gedanken kamen ihm fortwährend, und noch Stunden später ließen sie ihn nicht los.
Verstand es denn keiner?
Da war es auch schon wieder Zeit, dass der Tag jenen Flecken Erde ein weiteres Mal zu verlassen und weiter auf Wanderschaft zu gehen hatte.
Der Mond entschied noch zu verweilen und auf die Nacht, seine altangetraute Gefährtin zu warten, um mit ihr und den Sternen, die sie schmückten, das Erlebte teilen zu können.
Der Himmel war erfreut, und schickte ein herrliches Weinrot, die Welt zu verabschieden. In Feierlaune und befreit vom Kummer wollte er mit dem Tag anstoßen.
Und während der Tag und der Himmel die Szene zurückließen, im fahlen Licht des Mondes, da legte der Küntler seinen Pinsel beiseite und nahm Farben und Palette zur Hand, um sie behutsam in seinen Koffer zu packen. „Genug für heute.“,so dachte er bei sich und seufzte leise. „Dies Bild, es ist zu schön, um ewiglich zu bleiben. Doch bei Zeiten werde ich erneut dies Experiment wagen. Und ein weiteres Mal wird die Erde um einen Moment der Schönheit bereichert werden.“, und er schloß den Malkoffer.
Es wurde Nacht.