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Mondtag

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07.12.2002
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Mondtag

Mondtag

Ein strahlend blauer Himmel sah auf die Welt herab. Sein Blau war aber nicht jenes blendende Blau, welches einem schon an manchen Sommertagen die Augen hat zukneifen lassen. Vielmehr war es leicht blaß und dunstig.

Der Künstler schien beim Malen dieses Tages den Pinsel nicht sorgsam genug vom Deckweiß gereinigt zu haben, und mischte in sein sonst so lupenreines Himmelblau Spuren von Unaufmerksamkeit.
Unaufmerksamkeit machte den besonderen Reiz dieses Himmels aus, ließen ihn im Spiel der Farbtöne verworren, individuell erscheinen, obwohl er doch im Grunde nur ein Himmel wie jeder andere war.
Waren nicht alle Himmel grundsätzlich gleich? War ihnen nicht allen die selbe Aufgabe zuteil?

Weit ausladend erstreckten sich seit jeher die Himmel über das Land, waren Anfang und Ende zugleich. Gleich ihrer Farbe, Bewölkung und Niederschläge waren sie doch allesamt der Begleiter des Tages. Ein treuer Gefährte ihres ewiglich fortschreitenden Freundes.
Verabschiedete sich der Tag von der Erde, so sprach nicht er selbst sein Lebewohl zu ihr.
Nicht er war es, der zu den Pflanzen sprach; ihnen sagte, es sei Zeit die Blüten zu schließen.
Es war nicht der vergehende Tag, der den Wachen das Signal gab, sich zum Schlaf zu betten. Und er sprach auch nicht zu jenen die des Tags über schliefen, dass sie sich fertig machten, um während der Nacht dem Leben nachzugehen
Nein, es war der Himmel, der in seinem Namen der Erde den Aufbruch verkündete.
Je nach Stimmungslage mal in Kaminrot, ein letztes Glas des köstlichen Weines hebend, bevor die Zeit zum Abschied drängt, mal im Aschgrau des erloschenen Lagerfeuers, welches die beiden Wanderer zurücklassen, bevor sie ihre Reise fortsetzen.
So begingen die beiden Jahr um Jahr, Monat um Monat. Nichts schien die beiden trennen zu können.

Doch immer wieder ließ sich ein Künstler auf den Versuch ein. Und so mischte er seine Farben zurecht, und setzte dem dunstigen Himmel einen Fremden aufs Haupt.

Es war kalt. Ein eisiger Wind, von Osten her kommend, schien das lang erprobte, geschätzte Verhältnis von Tag und Himmel erzittern zu lassen, als würden die Glieder der sie verbindenden Kette langsam gesprengt. Dieser Wind schien die Eifersucht zu schüren, den Bund ziwschen dem Vermittler und Hüter der Wolken und dem Herren über Alltag und Leben auf die Probe stellen zu wollen. Dabei war der kalte Hauch nur der Bote eines Fremden, Anschluß an den Tag suchenden.
Der Tag hatte gerade etwas mehr als die Hälfte seines Weges begangen, und seine ihm vorrausscheinende Laterne, die Vorbotin des Tages, die dem Tag stets vorneweg ging, stand hoch am Himmel.
Da plötzlich!
Ein schwaches Licht, erhob sich am Horizont. Es drängte sich zwischen Himmel und Tag, als wollte das fahle Licht die beiden trennen. Und langsamen Schrittes wuchs der Lichtschein und eine blasse Scheibe gab der Welt ihr Antlitz preis.
Der Tag, war doch recht angetan von jenem Fremden und lud ihn ein, sich ihm anzuschließen. Der Mond nahm dankend an und erläuterte, er sei nur auf der Suche. Auf der Suche nach neuen Horizonten. Auf der Suche nach etwas neuem, vielleicht auch jemand anderem, der ihm vermochte Gesellschaft zu leisten.
Er berichtete, vom ständigen Kommen und Gehen mit der Nacht, der Schwester des Tages, und dass er zwar einerseits stolz darüber sei, der gute Geist der Sterne, und Herrscher über die Dunkelheit zu sein, der der Erde die Furcht und Schrecken über eben diese zu nehmen im Stande war. Andererseits war er vom immer gleichen Leben gelangweilt, wünschte Abwechslung, vielleicht fand er sogar eine neue Aufgabe.
Der Himmel war entrüstet über die Dreistigkeit, die jener blase Mond, dieser käseweiße Knecht der Nacht, dem Tag und dem Himmel bot.
Doch der Tag, nicht frei von Neugierde, war bereit, dem Kraterübersäten sein Experiment zu gestatten, überzeugt davon, er würde bei Zeiten wieder zur Schwester, seiner angestammten Begleiterin, zurückkehren.
Der Himmel war enttäuscht, und musste nun mit ansehen, wie der frivole Mond sich das Recht nahm, sich zwischen ihn und den alten Freund zu zwängen.
Er konnte und wollte nicht verstehen, warum der Tag diesen blassen Kugelrunden an seiner Seite duldete, wo doch der Tag so majestätisch und voller Macht war. Es paßte einfach nicht zusammen.
Solche Gedanken kamen ihm fortwährend, und noch Stunden später ließen sie ihn nicht los.
Verstand es denn keiner?
Da war es auch schon wieder Zeit, dass der Tag jenen Flecken Erde ein weiteres Mal zu verlassen und weiter auf Wanderschaft zu gehen hatte.
Der Mond entschied noch zu verweilen und auf die Nacht, seine altangetraute Gefährtin zu warten, um mit ihr und den Sternen, die sie schmückten, das Erlebte teilen zu können.
Der Himmel war erfreut, und schickte ein herrliches Weinrot, die Welt zu verabschieden. In Feierlaune und befreit vom Kummer wollte er mit dem Tag anstoßen.

Und während der Tag und der Himmel die Szene zurückließen, im fahlen Licht des Mondes, da legte der Küntler seinen Pinsel beiseite und nahm Farben und Palette zur Hand, um sie behutsam in seinen Koffer zu packen. „Genug für heute.“,so dachte er bei sich und seufzte leise. „Dies Bild, es ist zu schön, um ewiglich zu bleiben. Doch bei Zeiten werde ich erneut dies Experiment wagen. Und ein weiteres Mal wird die Erde um einen Moment der Schönheit bereichert werden.“, und er schloß den Malkoffer.

Es wurde Nacht.

 

Hallo Gen 83,

Dein Text wirkt zunächst wie eine Anhäufung von bildhaften Ausdrücken, wobei mir die „Spuren von Unaufmerksamkeit“ noch am besten gefallen. Der Satz „dem dunstigem Himmel einen Fremden auf`s Haupt“ kann ich gar nichts abgewinnen, selbst wenn man später erschließen kann, daß wohl der Mond gemeint ist.
Im Moment kann ich leider nichts besseres dazu sagen, wo siehst Du die philosophische Aussage?

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Zunächst, danke für die Kritik. :)

Der Anfang ist eine Art Einbettung, der Geschichte. Beabsichtigt war, eine Geschichte zu erzählen, die verschieden verstanden werden kann.

Einerseits so, dass die Ereignisse um Tag, Himmel und Mond nur als Geschehnis auf der Erde zu sehen sind, während im Hintergrund ein anderer dies alles lenkt.
Der Künstler ist in diesem Fall eine Art lenkende Macht, wobei ich hier nicht unbedingt einen "Gott" personifizieren wollte.
Die Person des Künstlers kann, je nach eigener Ansichtssache, unterschiedlich aufgefaßt werden.

Die andere Betrachtungsweise sollte sein, dass nur der Künstler in dieser Umgebung sitzt, und erzählt, wie er Tag, Himmel und Mond versteht und Tag für Tag erlebt.
Währenddessen malt er und versucht seine Gefühle auf die Leinwand zu bringen. Doch beim Malen fällt ihm immer wieder auf, dass er die Schönheit abnutzt, ist sie von dauerhaftem Bestand.

Philosophie besteht unter anderem aus Hinterfragungen:

- Gibt es diesen Künstler?
- Ist er für alle Geschehnisse auf Erden zuständig?
- Sind es vielleicht auch Tag, Himmel und Mond die Mächte, die alles beeinflußen, auch den Künstler?
- Oder ist alles Geschehene nur eine Fügung des Schicksals?
- Ist somit nicht alles Schicksal?
- Und wer bestimmt Schicksale?

Man könnte noch eine ganze Reihe von Fragen aufwerfen, die ich jetzt jedem einzelnen Überlassen will.
Es sollte einfach eine, zugegeben, schön erzählte Geschichte sein, die zum Nachdenken anregt über das Sein.
Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, diese Aspekte in die Geschichte einzubringen.

 

Hallo Gen83,

vielen Dank für Deine Anmerkungen. Ich hatte schon geahnt, daß der Maler nicht unbedingt Gott sein muß. Auch die anderen Dinge, die Du erwähnst findet man in Deiner Geschichte. Es ist wohl immer schwer, zu beurteilen, wie sehr man solche Inhalte darstellen muß, oder nur andeuten kann (ich habe da zumindest bei meiner Schreiberei mit zu kämpfen).
Weiterhin viel Erfolg,

tschüß... Woltochinon

 

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