Mondschein...
Die Sonne verschwand langsam hinter den sanften Hügeln und ließ das kleine Dorf in Dunkelheit versinken. Julia schaute sich noch einmal um und schlüpfte schnell aus dem Raum, lief die verlassene Straße entlang und bog in eine kleine Gasse ein. Hier konnte sie langsamer laufen. Hoffendlich hatte sie kein Leher bemerkt, aber es hörten ja alle ganz gespannt dem langweiligen Vortrag zu. Sie verschnaufte kurz und ging dann weiter.
Seit 14Tagen war sie nun mit ihrer gesamten Klasse und 5 Betreuern in Rumänien. Sie war ganz begeistert gewesen, als in ihrer Schule diese Projekt vorgestellt wurde. 2 Wochen in Rumänien. 2 Wochen in einem Zigeunerdorf leben. 2 Wochen eine völlig andere Welt kennenlernen und dort helfen. Das war ihr letzter Abend hier. Sie verdrängte die aufsteigenden Tränen, lief um die Häuserecke und verschwand für einen Moment in der Dunkelheit. Sie hatte Stimmen gehört und dachte, es wären ihre Lehrer gewesen, die bemerkt hätten das sie weg war. Doch es schlurften nur zwei alte Männer vorbei, wahrscheinlich auf dem Weg zur Bar, dem Zentrum diesem sonst nur aus verfallenen Wohnhäuser bestehendem Dörfchen. Dort versammelten sich Abends die gesamten Familien. Die Männer kamen wegen der Table-dance-attraktionen, die Frauen wegen dem Klatsch, die Jugendlichen wegen dem Billiardtisch und die kleinen Kinder wegen dem Fernseher, wahrscheinlich der einzige im Dorf.
Sie blieb an einer Ecke stehen und blickte sich suchend um. Wo war er nur? Er wollte doch pünktlich kommen? Und da kam er auch schon, nahm sie in die Arme und küsste sie auf den Mund. Sie schluchzte.
Vor genau 10 tagen hatte sie ihn kennengelernt, er lebte in dem kleinen Zigeunerdorf, das etwas außerhalb des rumänischen Dorfes lag, in dem sie wohnten. Er war ihr sofort aufgefallen, mit diesen schönen dunklen Augen. Er war ein Jahr lang in Deutschland gewesen und stand ihnen als Dolmetscher zur Verfügung, falls es mal Probleme mit den eigensinnigen und starrköpfigen Zigeunern gab. Und sie hatte sich in ihn verliebt. Und er sich in sie? Das wusste sie nicht, schließlich war er seit vier Jahren verheiratet, und hatte eine Tochter. Aber er hatte ihr geschworen das er seine Frau nicht heiraten wollte-sie glaubte ihm. Schließlich war erst vorgestern eine Hochzeit zweier 14 jähriger Kinder gewesen.
<Warum bist du traurig, Liebling?> fragte er in gebrochenem Deutsch. <du sollst nicht traurig sein, ich bin da> flüsterte er ihr ins Ohr und nahm sie an die Hand. Dann legte er ihr seinen Finger auf den Mund und führte sie kleine Straßen entlang. Sie schwieg. Die letzten Stunden mit ihm waren ihr kostbar. Er führte sie in eine kleine Scheune außerhalb des Dorfes. Die türe war kaputt und das Dach undicht, aber es wohnte auch schon lange keiner mehr hier drinnen. Sie staunte als siedie vielen decken und Kerzen sah, die er aufgestellt hatte. Woher hatte er kerzen bekommen? schoß es ihr durch den Kopf, als sie dieses Lichtermeer sah. Doch der Gedanke verschwand und zurück blieben nur sie zwei. Sie sah in seine faszienierenden Augen und hörte ihr Herz laut klopfen. Er küsste sie auf die Stirn und zog sie auf den Boden. <ich schwöre, das ich dich nie vergessen werde!>
Eine Träne lief über seine Wange. Er wunderte sich, das er weinte. Er weinte nie. Und dann bei Julia? Er hatte sie ganz süß gefunden, mal etwas Abwechslung in seinem Leben. Aber in diesen kurzen, intensiven 10 Tagen mit ihr hatte er sich verliebt. In Julia, in dieses kleine Mädchen mit den blonden Locken, den großen Augen, den süßen Grübchen wenn sie lachte. In Julia, die noch so sorglos war und so unverdorben. Er dachte an seine Frau, kaum älter als sie, mit seiner Tochter im Arm. Mit ihrem dicken Bauch konnte sie kaum mehr arbeiten, bald würde er noch ein Kindlein haben. Doch er verdrängte die Gedanken an seine Frau, die mit 17 jahren schon 2 fache Mutter war und aussah wie 30.
Julia wischte seine Träne weg und gab ihm einen sanften Kuss. Dann nahm sie seine Hände ihn ihre und schaute im fest in die Augen. <ich liebe dich!> flüserte sie.<ich dich auch> flüsterte er zurück. dann streichelte er ihr sanft über den Kopf, seine Hände glitten ihren Rücken entlang, und jagten einen Schauer durch Julias Körper. Sie zog in an sich und leidenschaftlich versanken sie in einen Kuss. Langsam zog er sie aus, streichelte ihren unberührten Körper und küsste sie. Inmitten diesem Lager aus Decken und flackernden Kerzen zeigte er ihr die Liebe.
Dunkel und schützend wölbte sich der sternklare Himmel über die kleine Hütte auf der Wiese. Sie lag in seinen Armen und atmete seinen Geruch ein, sie wollte ihn nie mehr vergessen, diesen Duft. Dicke Tränen rollten ihre Wangen hinunter. Er hielt sie fest in den Armen und blickte durch ein Loch in der Decke in den Himmel. <Siehst du den Mond dort oben? Wenn du einsam bist, dann schaue ihn an und du weißt, das ich dich ewig lieben werde>.
Ächzend wand sich der altersschwache Bus die kleinen Straßen entlang und überholte ein paar kleine Kutschen, die mit Familien, Tieren und kaputten Autos beladen waren. Julia schaute aus dem Fenster. Es zogen Dörfer vorbei, bunte Wäschleinen, kleine Kinder, ein paar Wildpferde. doch all das nahm sie nicht war. Sie sah noch immer ihn vor sich, wie er ihr den letzten süßen Kuss gab, wie sie das letzte mal ihn schmeckte, seinen Duft einatmete, über sein gesicht strich, durch seine Haare fuhr, wie sie das letzte mal sein Stimme hörte.
Am nächsten Morgen zur Abfahrt war er nicht gekommen.