Mondlarven
Die Mondlarven
Die Story ist verbürgt. Es gibt schwerwiegende Gründe Ort und Zeit geheim zu halten.
Wir befinden uns, meine Damen und Herren, im großen Hörsaal der Universität A des Planeten B im Staate C. Professor D hat bekannte Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft eingeladen zu einem Vortrag. Es geht um die neuesten Ergebnisse der Raumfahrt.
Ich war diesem Vortrag seit etwas mehr als einer Stunde gefolgt, mit mehr oder weniger Interesse und Aufmerksamkeit. Hellwach wurde ich eigentlich erst, als Professor D von Mikrowesen zu sprechen begann.
Professor D erläuterte:
Nachdem schon längere Zeit die Existenz dieser Wesen von uns vermutet wurde, ist uns jetzt endlich der Nachweis gelungen; und zwar mit Hilfe einer genialen Erfindung meines Mitarbeiters Dr. E.
Ich glaube, ich sollte diese Geschichte chronologisch erzählen, zum besseren Verständnis.
Seit einiger Zeit empfangen unsere Radioteleskope elektromagnetische Wellen hoher Intensität aus der Galaxie 17. So kurzwellig, dass wir sie Mikrowellen nannten. Unsere Technik mit diesen Wellen umzugehen oder gar sie zu produzieren war, bisher jedenfalls, völlig unzulänglich.
Wir schickten also, zwecks näherer Erforschung dieses Phänomens, ein Raumschiff in die Galaxie 17. Das Raumschiff, das übrigens von Kapitän F, dem
ich hier meinen besonderen Dank aussprechen möchte, geführt wurde, hatte, unter anderem, die Aufgabe interstellaren Staub aus der Galaxie 17 mitzubringen.
Kapitän F gelang das Einfangen einer besonders großen Probe, die zu untersuchen ich die Ehre hatte. Von Anfang an war eines klar, die Probe strahlte besonders intensiv Mikrowellen aus. Unsere herkömmlichen Mikroskope waren nicht zu gebrauchen. Ihr Auflösungsvermögen war zu klein. Wir kamen nicht recht voran.
Vor gut zwei Perioden gelang Dr. E. die Erfindung eines Mikrowellen-Mikroskops. Mit Hilfe dieses Mikroskops tat sich uns, meine Damen und Herren, im wahrsten Sinne des Wortes, eine neue Welt auf.
Seit sieben Umdrehungen beobachte ich die interstellare Probe unter dem Mikroskop. Ich habe dabei in groben Zügen, zu Details fehlt es uns hier die Zeit, folgendes beobachtet.
Die Probe besteht aus Abermillionen kleiner, glühender Kügelchen. Sie sind es, die die Mikrowellen ausstrahlen. Wir haben sie Sonnen genannt. Diese Sonnen werden von mehr oder weniger großen, erkalteten Körpern umlaufen. Ihr Abstand von den Sonnen ist unterschiedlich groß und damit auch ihre Umlaufzeit unterschiedlich lang.
Wir haben uns auf die Bezeichnung Planeten geeinigt. Auf einem dieser Planeten, den wir Erde genannt haben, haben wir die vorhin erwähnten Mikrowesen entdeckt. Dr. E schlug hierfür die Bezeichnung Mensch vor. Ich meine wir behalten diese Bezeichnung, Dr. E zu Ehren, bei.
Stürmischer Beifall aus dem Saal.
Diese Menschen nun, fuhr Professor D. fort, zeigen seit Beginn meiner Beobachtungstätigkeit eine ungewöhnliche Aktivität. Die Menschen scheinen sehr erfinderisch zu sein. Zu Beginn meiner Forschungen lebten sie noch sehr primitiv und bewegten sich häufig auf vierbeinigen Wesen. Jetzt, nach sieben Umdrehungen, haben sie sich ungeheuer vermehrt und bedienen sich auch verschiedener Fortbewegungsmittel.
Sie haben sogar eine Möglichkeit entwickelt, sich von ihrem Planeten zu erheben. Wir haben uns bisher kein präzises Bild ihrer Körperform machen können, da ihre Umrisse stets verschwommen waren. Das muss an der Gashülle liegen, die die Erde umgibt. Vor kurzem aber waren wir Zeugen eines interessanten Ereignisses. Einer kleinen Gruppe gelang die Landung auf einem die Erde umlaufenden Mond. Dieser Mond hat keine Gashülle und daher konnten wir sie hier zum ersten Mal scharf ins Bild bekommen. Ihr gesamter Körper ist silbrig glänzend. Sie stehen aufrecht auf zwei Standgliedern, die wir Beine nennen wollen und haben Greifglieder. Ihre Bewegungen sind eigentümlich unbeholfen. Dr. E nannte sie scherzhaft Mondlarven.
Gelächter im Saal.
Ihr Denkorgan, fuhr Prof. D fort, sitzt oben auf ihrem Körper von einer glänzenden Kuppel geschützt. Ich glaube, meine Damen und Herren, diese Mondlarven (Gelächter im Saal) werden uns noch interessante Erkenntnisse liefern.
Ich werde Ihnen jetzt zum Abschluss noch einige Diapositive zeigen, die das Gesagte veranschaulichen.
Bevor wir jetzt aber das Licht ausmachen, gestatten sie mir eine kurze Bemerkung für ängstliche Gemüter unter Ihnen.
Um allen Eventualitäten, ich meine Ansteckungen etc., vorzubeugen wird die Probe nach Beendigung der Untersuchung selbstverständlich im Reaktor vernichtet.
Ich danke Ihnen.
Stürmischer Beifall aus dem Saal.
Ó Fritz van Deelen