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Momente in der Momentaufnahme eines Dates, vielleicht.
Momentaufnahmen eines Dates, vielleicht.
Ich schaue weg. Jedenfalls kann ich mir vorstellen, dass das so wahrgenommen wird. Vielleicht auch einfach ins nichts. Vielleicht verunsichert das meine Gesprächspartner, vielleicht mag ich es auch. Selbstbewusst genug zu sein, um jemanden etwas zappeln zu lassen. Dieses kleine Machtgefühl, dass mich so oft heimsucht, wenn ich Gespräche führe. Wie selten so etwas subtiles wahrgenommen wird. Wie schnell du mich damit konfrontiert hast.
Obwohl die Frage, „wo bist du gerade?“, damals nicht als interessierte Anerkennung gemeint war, so ähnlich fühlte sie sich doch an. Ein Mensch, der mir mal fast alles bedeutet hat, fragt mich, wo ich gerade bin, während ich neben ihm sitze. Wo war ich denn? Wie ist es dazu gekommen?
Mir fällt auf, dass du dich nicht so sehr davon irritieren lässt, dass mein Blick abschweift, während ich nachdenke oder Dinge sage, bei denen ich das Gefühl habe, ihnen etwas Schärfe nehmen zu sollen. Vielleicht irritiert es dich so wenig, weil ich schon sehr früh die Weichen dafür gestellt habe. Oder einfach nur, weil es dich eben nicht irritiert.
Ich schaue dir in die Augen. Ich liebe diesen Wechsel von Abwesenheit zum intensiven Augenblick.
Das erinnert mich wieder an alte Zeiten. Werde ich zu oft an jene erinnert?
Du erzählst zur Abwechslung etwas, das mich weniger interessiert. Ich nutze meine Wiederholungsfunktion im Kopf, um zu hören, ob ich etwas Wichtiges verpasst habe und schweife wieder ab.
Jetzt sitzt du auf meinem Schreibtisch, nachdem ich dich draufgesetzt habe. Deine Knie abwehrend und sich schüchtern berührend. Ich lege meine Hände auf deine Oberschenkel und drücke sie sanft, aber bestimmt voneinander weg. Komme der Tischkante näher, nehme dich bei der Hüfte und ziehe dich zu mir ran. Ich schaue dir tief in die Augen. Lasse sie wirken. Dann kommt mein Kopf deinem mit so feinen Zügen gesegnetem Gesicht immer näher. Ich schließe di-
Die eingetretene Stille erinnert mich daran, dass wir noch nebeneinander sitzen, du nicht auf meinem Tisch und du entweder auf eine Antwort wartest oder selbst in deine Gedankenwelt abrutschst. Ich frage mich, ob sich unsere Gedankenwelten manchmal ähneln. Ob wir in die gleiche Parallelwelt driften und uns dort treffen. Weil dort alles etwas einfacher ist.
Mir gefällt die Gesamtsituation, aber ich möchte gerade nicht, dass die Qualität unserer Gespräche abnimmt. Ich beobachte dich von der Seite, stelle fest, dass du mit der Zeit immer schöner zu werden scheinst und frage mich, was ich noch gerne von dir erfahren möchte. Du bist nicht wie die anderen, so kitschig das auch klingt. Du bist interessant, wirkst öfter so, als würde dich nicht interessieren was ich sage, was selten vorkommt, und dann überrascht du mich hintenraus damit, wie genau du zuhörst und was du dir dabei merkst. Ich schätze dich falsch ein. Fast jede Reaktion muss ich neu einordnen, du reagierst anders. So allmählich kann ich Reaktionen herbeirufen, die ich möchte. Es ist wie eine neue Sprache kennenzulernen. Andere Wörter, Melodien, Interpretationen, Grammatik, Selbstverständlichkeiten. Ich liebe es.
Ich habe das Gefühl, den Moment nicht genügend zu ehren und möchte reden. Aber nicht einfach irgendetwas, nur um zu reden. Das habe ich nicht gerne. Außerdem bin ich der Meinung, dass du noch wichtige Dinge über mich erfahren solltest. Ich versuche dich dahinzubringen. Aber du stellst selten Fragen. Seltsam. Aber herausfordernd. Wie bringe ich jemanden dazu, die richtigen Fragen zu stellen, wenn er normalerweise gar keine stellt?
Du beißt nicht an. Jedenfalls nicht, wie ich es mir gedacht hatte. Zwar gibst du mir das Gefühl, jederzeit über mich sprechen zu können, aber nur wenn ich es durchsetze. Ich bin etwas enttäuscht.
Endlich stellst du mir die gleiche Frage zurück, die ich dir davor gestellt habe. Ein Mittel, dass sich in Zukunft bewähren könnte. In der neu geschaffenen Situation bist du der Zuhörer. Ich habe das Gefühl, dass wir Rollen hatten und diese gerade getauscht haben. Abwechslung. Wir schauen uns teilweise etwas länger und tiefer in die Augen, als Leute, die sich gewöhnlich unterhalten. Gewöhnlich voneinander denken. Dann fällt mir ein, dass du schon mehrmals darauf hingewiesen hast, dass du Augenkontakt vor allem bewusst machst, weil du darüber gelesen hast, dass es die Gesellschaft so erwartet. Wie soll ich solche Momente einordnen, wenn ich mir so absolut nicht sicher sein kann, ob du sie ähnlich fühlst. Irgendwie hat diese Blindheit etwas.
Wir kommen wieder auf ernstere Gedanken zu sprechen. Mein Beschützerinstinkt meldet sich laut und bereit in mir, obwohl du mir vorab schon gesagt hast, dass du das nicht leiden kannst.
Gleichzeitig versuche in meinem Kopf Karteikarten zu erstellen. Von all den Personen aus deinem Umkreis. Vor allem von deinen ganzen männlichen Freunden, die du mir gegenüber sporadisch erwähnst. Ich kenne mein Geschlecht etwas besser als du und habe noch meine Zweifel, ob diese Freundschaften unkomplizierter sind als die mit anderen Mädchen. Zwar gibt es wahrscheinlich interessantere und gelassenere Themen und bestimmt generell ein etwas ruhigeres und weniger verurteilenderes Umfeld, das dir wohl auch ziemlich gut tut. Trotzdem würde ich die in großen Abständen aufkommenden Liebeserklärungen nicht so einfach unter den Tisch kehren. Läuft es auf Dauer nicht fast immer so? Selbst mit deinem Paradebeispiel an bestem Freund, keine Ahnung, ob er das noch sein kann, lief es so zumindest so ähnlich ab. Ich mache mir etwas Sorgen. Aber das kannst du nicht ab und mich nervt es auch. Mich nervt auch, dass mein Beschützerinstinkt vor allem darauf aus ist, dich vor mir zu beschützen. Klingt irgendwie paradox. Aber er hat seine Gründe.
Wir haben wieder eine richtig schöne Zeit. Ich genieße es und könnte noch viel mehr Zeit mit dir verbringen. Auch weil ich weiß, dass das nächste Mal wieder etwas weiter entfernt sein wird. Und wir dieses Level nicht von vorneherein haben, was es allerdings noch besonderer macht.
Mir geht mein Opa durch den Kopf. Was er durchmacht, ob ich anders handeln sollte und was es mit meinen Eltern macht. Und wiederum mit meinem Opa, der sich dessen zumindest zum Teil bewusst ist. Melancholie setzt ein, wahrscheinlich lasse ich mir das etwas anmerken. Gerne würde ich darüber reden, wer bekommt nicht gerne gut zugeredet bzw. Mitgefühl? Aber ich werde alleine damit fertig, weil es mir wichtig ist. Und weil ich keine Lust habe, nur Kreise um unsere dunkleren Gedanken zu machen. Außerdem könnte ich den ein oder anderen Tagtraum auch mal Wirklichkeit werden lassen, wenn ich mir zum einen darüber sicher wäre, dass ich es so will und zum anderen, die Stimmung dazu aufkommen lassen würde. Wir flirten subtil, lachen. Aber es wird selten körperlich, meistens nur wenn du mich schlagen möchtest nachdem ich dich mit etwas aufgezogen habe oder ich dich einfach zwinge, indem wir uns bei Begrüßungen und Verabschiedungen umarmen oder ich dich während dem Film schauen massiere. Bist du es gewohnt, dass man das für dich entscheidet? Hast du kein Interesse? Hemmen dich auch noch Dinge, die du mir gegenüber nicht erwähnt hast?
Ich kriege Kopfschmerzen. So viel reden - ja, viel - und zuhören und so wenig zu trinken und das in einer Cafébar, in die man doch eigentlich geht, „um etwas zu trinken gehen“. Mir fällt ein, dass ich mich darauf freue, einen Minijob nach den Prüfungen anzugehen. Außerdem geht die Luft in unserem mittlerweile stundenlangen Gespräch allmählich aus. Auch wenn wir einfach nur nebeneinander liegen können, lange, habe ich wieder das Gefühl, es für heute beenden zu müssen. Ich habe das Gefühl, dass du ähnlich fühlst. Aber was weiß ich schon.
Ich schaue dir tief in die Augen. Lasse sie wirken. Dann kommt mein Kopf deinem mit so feinen Zügen gesegnetem Gesicht immer näher. Ich schließe die Augen kurz bevor ich meine Lippen auf deine drücke. Du erwiderst den Kuss, ich halte dich fest.
Ich stehe auf. Du schaust mich an. Wir verlassen den Moment.