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Mittagsschlaf
Sabine holt mich aus einem seltsamen Traum, in dessen Fragmenten sich helle, blind anmutende Klänge mit den Bildern eigenartig verzerrter Städte abwechselten.
Dazwischen eine beunruhigende Stille, und ... vollkommene Farblosigkeit. Eine ungreifbare Art von Grauen lag in diesem Traum.
Ich bin froh, dass sie mich geweckt hat, auch, wenn mir der Ausdruck in ihrem Gesicht fremd ist. Er gefällt mir nicht. Es ist, als wäre Sabine überhaupt nicht hier.
Dann beugt sie sich zu mir hinunter. So nah, dass ich ihren Atem an meinem Ohr spüren kann.
"Du musst aufstehen", flüstert sie mit zitternder Stimme. - "Die Welt geht unter."
Langsam richte ich mich auf, verstehe nicht, was sie da sagt. Schlafe ich etwa immer noch?
Es ist dunkel draußen. Sind die Rolladen geschlossen? Mein Blick fällt auf die Uhr. Vierzehn Uhr zwanzig.
"Was ist passiert", frage ich.
Sie streicht mir durchs Haar und sagt: "Die Sonne ist erloschen. Ich habe Angst."
Es fühlt sich an, als würde mein Herz in einen tiefen Krater gezogen.
Ich stehe auf, gehe zum Fenster. Die Rolladen sind geöffnet, doch es ist dunkel da draußen. Nicht bloß dunkel, sondern finster.
"Läuft darüber was im Fernsehen ... haben wir noch Strom?"
Sie nickt. - "Es heißt, dass einige schon vor einer Woche davon ... sie sagen auch, dass ... ach Scheiße Mann! Die sagen eine Menge ... das geht jetzt schon seit einer Stunde so. Aber gerade hieß es, dass die Sonne einfach tot ist, verstehst du? Einfach so tot, und keiner weiß warum."
Sie fängt hysterisch an zu lachen. Ich will sie in den Arm nehmen, aber es geht nicht. Ich bin zu keiner Bewegung fähig. Sabine läuft aus dem Schlafzimmer, und alles, was ich machen kann, ist starr dazustehen.
Überall auf der Straße sind Menschen. Verwirrt leuchten sie mit Taschenlampen umher, bis sich plötzlich die Laternen einschalten. Jeder hier wirkt ratlos.
Es hat sich merklich abgekühlt. Das Atmen fällt schwer, wie in großer Höhe, und kein Wort wird gesprochen. Alle schauen sie nach oben, nicht in der Lage, zu verstehen. Mir geht es da nicht anders.
Sabine klammert sich von hinten an mich.
Sie sagt: "Es heißt, dass jetzt alles ganz schnell gehen wird."