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Mitleid

Jul

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21.06.2009
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Mitleid

Das warme Nass prasselt auf meinen entspannten Körper. Ich denke nach, wie immer unter der Dusche - die Gedankentropfen sind zuviel. Ich vergleiche mein Leben oft mit dem eines Film-Charakters. Mein Leben ist auch nur Show. Ich täusche ein perfektes Leben vor. Gefühle spielen keine Rolle. Gut, denn ich fühle nichts. Die Hitze des Wassers lässt meine Haut dampfen. Ich fühle an meine Wange, Kälte. Ich habe angefangen mein Leben in Kategorien einzuteilen. Familie – Freunde – Schule – die Liebe. Ich versuche in jedem Bereich das beste Maß zu erreichen. Ist das nicht traurig? Wie kann man Liebe als Kategorie einordnen? Ich will ein Leben, wie einer der Filmstars: Viele Freunde, auf die man sich verlassen kann, eine Familie, die hinter einem steht, Erfolg im Beruf oder in der Schule, eine Partnerin, die einen unterstützt. Aber nur damit ich gut dastehe. Ich freue mich, wenn andere eifersüchtig sind. Sitze ich mit meiner Freundin auf einer Bank, gucke ich nur, ob mich jemand ansieht. Säße ich alleine mit ihr da, wäre die Aktion sinnlos oder? Wie gesagt, der Schein ist wichtig - wichtiger als Gefühle. Ich wäre nur freundlich zu ihr, damit ich zu anderer Zeit mit ihr angeben kann, den Schein erwecken kann, die Eifersucht bei anderen Menschen. Ich habe keine Gefühle wie Liebe oder Freundschaft. Ich will einfach nur, dass es so scheint, dass mein Leben perfekt ist. Schein. Ein einzelnes Wort, welches mein Leben beschreibt. Ich lege mich in die Wanne und blicke an die Decke, wo sich die Kacheln drängen. Sie sind alle gleich. Wie die Menschen, sie wollen alle das Gleiche: Liebe, Freunde, Erfolg. Ich fühle mich oft überlegen gegenüber meinen Mitmenschen. Ich denke ich weiß, was jeder will. Ich glaube zu erkennen, was sich hinter der Fassade versteckt, die Gedanken und Absichten zu entdecken.

Ich entsinne mich und rede mir ein, dass ich mir wieder zu viele Gedanken mache und es nicht stimmt, dass ich keine Gefühle empfinde. Doch wen belüge ich? Mich selbst. Traurig. „Der Mensch ist das, was er sich einredet“, pflege ich immer zu sagen. Das tue ich auch. Ich versuche alles zu haben um dann glücklich zu sein. Mein Leben ist wie eine mathematische Formel. Ich bin glücklich, sobald alles perfekt ist. Doch fühle ich Zufriedenheit oder gar Freude? Ich rede es mir ein, sage mir „Junge du hast alles!“ und ich bin glücklich. Ist das das Leben? Ich bin eine Maschine: Keine Gefühle, alles logisch.

Meine Gedanken lassen mich nicht los. Sie verschlingen mich. Ich erinnere mich an das Messer, welches ich mir aus der Küche mit unter die Dusche genommen habe. Ich habe schon öfter daran gedacht diese Welt hinter mir zu lassen, verdient es eine Maschine, wie ich, auf dieser Welt zu verweilen? Ich setze das Messer an und erschaffe eine rote Augenweide. Alles verschwommen. Ich schreie laut auf und blicke, Blut schmeckend, der Tür entgegen. Natürlich wird jemand kommen. Ich habe geschrieen - der, der von allen geliebt. „Los! Rennt und helft ihm! Wir lieben ihn!“, höre ich sie schreien. „Lieben?“, sage ich in meinem letzten Atemzug, „Ihr liebt mich, doch was tue ich? Ich nicht. Macht es mich traurig? Alles nur Schein. Ich besitze keine Gefühle.“ Ein guter Abgang oder nicht? Ich denke schon. Alles wie im Film. Mein Leben ist perfekt. Die Tür öffnet sich und mein Vater steht in der Tür: still, zitternd, sieht mich entsetzt an. Er läuft zu mir und will mir helfen, doch das kann er vergessen. Ich sehe ihm seine Trauer an und schmecke eine salzige Träne. Meine oder Seine? Meine. Gefühl? Die Trauer vermischt sich mit dem Nass. Mitleid.

 

Hallo Jul,
leider hat mir dein Einstand nicht sonderlich gefallen. Das liegt zum einen daran, dass ich mit deinem Protagonisten nicht mitfühlen kann. Er bleibt mir zu fern. Zwar erhalte ich einen groben Abriss seines Problems, aber es wäre interressanter diesen anhand von Szenen zu bekommen und nicht durch einen Monolog. Zeige doch einfach eine Szene wie er mit seiner Freundin umgeht, wie mit seiner Familie, eine, in der er an sich selbst zweifelt.
Zum anderen ist dein Plot weder neu, noch spannend. Der Selbstmord ist es nicht und auch nicht der Gedanke, dass jemand sein Leben nur heuchelt. Um diesen Plot zu einer interessanten Geschichte zu machen, müsstest du mehr bieten als das hier. Zum Beispiel neue Gedanken damit verbinden wie David Foster Wallace in seiner Kurzgeschichte "Neon in alter Vertrautheit". Oder eben ansprechende szenische Darstellung, denn durch diese gewinnt eine Gesichte etwas eigenes. Deiner Schöpfung entgegen fehtl diese Eigentständigkeit. Sie unterscheidet sich kaum von dutzenden anderen und wirkt daher banal und langweilig.

Kleinkram.

Das warme Nass prasselt auf meinen entspannten Körper.
Schreibe doch Wasser. Das "Nass" klingt für mich nach dem Ringen um eine Innovation, die keine ist.

Ich denke nach, wie immer unter der Dusche - die Gedankentropfen sind zuviel.
Für mich klingt da wiedersprüchlich. Wenn er zu viele Gedanken hat, gibt es kein Nachdenken, das ist dann nur haltloses Zappen. Nachdenken hat für mich etwas geordneteres. ICh würde eher schreiben: der/die Gedankentropfen sind viele. Dann denkt er eben über vieles nach.

Ich will ein Leben, wie einer der Filmstars
Vom Sinn her müsste es Filmcharakter lauten, da dein Protagonist einigermaßen intelligent zu sein scheint - er durchschaut immerhin sich selbst - sollte er wissen, dass Filmstars das von ihm gewünschte Leben nicht eher leben als alle anderen - Filmcharaktere dahingegen schon.

Die Hitze des Wassers lässt meine Haut dampfen. Ich fühle an meine Wange, Kälte.
Hier liegt ein Logikbruch vor. Das Wasser ist so heiß, dass seine Haut dampft - was als Bild nicht ganz stimmig ist, da wenn er noch duscht, seine Haut nicht dampft, außerdem habe ich überhaupt noch nie gesehen, dass meine Haut irgendwann beim Duschen dampft, aber das kann auf mangelnder Erfahrung beruhen (ich dusche nie sonderlich heiß) - warum also sollte seine Wange kalt sein?

Der Mensch ist das, was er sich einredet“, pflege ich immer zu sagen. Das tue ich auch.
Meiner Meinung nach bezieht sich das "Das" nicht auf den von ihn gesagten Satz, sondern auf den mit dem "pflege..."

Ich erinnere mich an das Messer, welches ich mir aus der Küche mit unter die Dusche genommen habe.
Ich glaube kaum, dass jemand mit Selbstmordgedanken das Messer vergessen würde und sei er noch so mit seinen Gedanken beschäftig.

Ich rede es mir ein, sage mir „Junge du hast alles!“ und ich bin glücklich.
Nun ja, wenn er glücklich ist, warum will er sich dann umbringen. Du solltest eher schreiben, dass er dennoch nicht glücklich ist.

Ich entsinne mich und rede mir ein, dass ich mir wieder zu viele Gedanken mache und es nicht stimmt, dass ich keine Gefühle empfinde.
Ich glaube es muss "besinne" lauten, da entsinnen meines Wissens nach ein Objekt benötigt.

Hoffe geholfen zu haben, Kew

 

Hallo Jul,

dein Protagonist behauptet, nichts zu empfinden, keine Gefühle zu haben. Dabei betrügt er sich jedoch selbst. Das Gefühl, das mir aus dem Text ganz stark entgegenspringt, ist das Gefühl der Verzweiflung.
Und dieses Gefühl entsteht daraus, dass er sich selbst nicht nah ist, sondern den Ansprüchen der anderen, die er zu seinen eigenen gemacht hat, gerecht werden will.
Diese Verzweiflung, die nicht ausgesprochen wird, verwandelt sich zum Schluß in Selbsthaß und dann in Selbstmitleid.
Damit beschreibst du eine Phase jugendlicher Unreife, die vielleicht jeder einmal durchlaufen hat, bevor er dazu kommt, sich sein eigenes subjektives Bild von der Welt zu machen und sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen.
Ich kann das durchaus nachempfinden und finde das nicht banal und langweilig wie mein Vorredner. Aber vielleicht hab ich auch nur noch nicht die dutzenden anderen identischen Geschichten gelesen, die er erwähnt.


Viele Grüße,

tomtom

 

Hallo tomtom,

Ich bin gerade ziemlich verblüfft wie klar und genau richtig du meine Geschichte interpretiert hast :) Genauso wollte ich es ausdrücken nur, dass es 2 Möglichkeiten zur Deutung des Mitleides am Ende gibt. Einerseits das Selbstmitleid oder er empfindet Mitleid für seinen Vater, der Trauer für ihn empfindet. Doch ich wollte eher das erstere ausdrücken.

Das mit der Verzweiflung is auch genau richtig. Ich habe sogar mit dem Gedanken rumgespielt das "Mitleid" am Ende mit "Verzweiflung" auszutauschen =)

@Kew:

Ein bisschen Kleinkram hat mir geholfen aber ein paar Sachen wollte ich so ausdrücken. Das mit der Wange z.B. soll die Gefühlskälte trotz der Wärme der anderen Mitmenschen darstellen.

Danke euch beiden, dass ihr die Geschichte bis zum Ende gelesen habt.

MFG

 

Hi Jul & Willkommen!

Ich habe leider auch eine Menge solcher Geschichten gelesen: Da ist einer, der unglücklich ist und macht sich Gedanken ... und macht sich Gedanken und ...
Und dann bringt er sich um.

Selbstmitleid ist ein gutes, aber auch ein sehr heikles Thema. So umgesetzt wie hier erreicht es mich auch nicht. Die Handlung ist abgedroschen, die Gedanken bleiben allgemein, der "Held" ist ein Gedankengefäß, mehr nicht. Und wenn ein Mensch für mich nicht interessant wird, dann interessiert es mich auch nicht, was er denkt. Ich nehme es zur Kenntnis und vergesse es.

Was hier fehlt, ist also Handlung und vor Allem die Persönlichkeit des Helden, die sich wiederum in seinem Tun zeigt. Eine Selbstmordgeschichte wird es allerdings immer schwer haben, davon gibt es einfach zuviele.

Gruß
Kasimir

 

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