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- 12.01.2008
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Mit Wasser gegen Strom
Mit Wasser gegen Strom
„Du machst dich lächerlich“, ertönte eine kühle Männerstimme apathisch. Er hörte die Stimme trotz des Rauschens mehr als deutlich. „Ich hasse dich!“ brüllte er in den Wind. Stehend am Abgrund, am Rande des Meeres versuche er herauszufinden, wo die Geräusche herkamen, doch er konnte niemanden sehen, obwohl die Klippe nahezu unbewachsen und übersichtlich war. Der Hintergrund war beeinflussbar, er konnte ihn verändern, ihn formen, so, wie er es wollte. Das Wasser toste und die Wellen barsten an den Wänden der steinigen Klippe.
„Ich weiß“, antwortete die Stimme bestimmt. „Zeig dich!“. „Du hast nicht die Macht, mich zu vernichten!“ Die Stimme wurde lauter und ernster. „Ich kann alles, kann alles verändern, ich…“ Er versuchte zu schlucken, doch es gelang ihm nicht. Es war, als blieben ihm seine Worte im Hals stecken und bildeten einen säuerlichen Kloß, den er nicht einfach aushusten konnte. Der Himmel verfinsterte sich ziemlich schnell, die Wolken zogen sich zu. „Du kannst gar nichts, kannst dich nicht über mich stellen!“ Zorn lag nun in der Stimme. Doch er kämpfte weiter, seine Arme streckten sich dem Himmel entgegen und, seine Stirn in Falten gelegt, sammelte er alle Kraft, die er noch aufbringen konnte und ließ die Wellen höher schlagen, wilder und kraftvoller als zuvor. Sie steigerten sich immer weiter und hatten längst den Rand der Klippe erreicht, einige brachen sogar direkt über ihm ein, sodass er klitschnass wurde. Der Winder blies über seine nasse Kleidung, er fror und Gänsehaut überkam ihn am ganzen Körper. Der Himmel hatte sich mittlerweile so verfinstert, dass die einheitliche, graue Wolkendecke alles, was sich dahinter verbergen könnte, maskierte. „Hör auf!“ brüllte die Stimme mit Nachdruck, doch er ignorierte es. Blitze zuckten nun über das Land, der Donner dröhnte in seinen Ohren. „Du kämpfst mit Wasser gegen Strom!“ Er sah es aber nicht ein, zu kapitulieren, er wollte ihn vernichten, diese furchtbare Stimme, koste es, was wolle. Seine Energie war bereits fast aufgebraucht, doch an dem Entschluss hielt er fest. „Sei nicht albern.“ Ignoranz. „Denk an die Folgen!“ Hoffnungsschimmer, neue Energie, wo auch immer diese gerade herkam. Es goss in Strömen, immer mehr Wellen türmten sich auf und überfluteten die ganze Umgebung, jeder Stein war bis zum Anschlag nass. Und ihm war klar, sie würden nicht aufhören, ehe sie nicht den Horizont erreicht hatten, doch die Wassermassen machten leider auch ihm zu schaffen, Kälte durchzuckte ihn, er rang immer wieder nach Luft. Kleine Blitze schossen von Himmel herab ins Meer und er verspürte kleine elektrische Stromschläge. Es war nicht schmerzhaft, nur unvorstellbar unangenehm.
„Hör auf, hör auf!“ wiederholte die Stimme mit Nachdruck. Panik lag nun in der Stimme. „Ich bringe… dich…“ Seine Worte gingen zwischen Wasser und mühsamer Atmung unter. „Du lässt mir keine andere Wahl“ kam er ihm von oben zuvor und als ob ihn eine ausgemergelte Hand meuchelte, verengte sich seine Luftröhre und würgte ihn. Die Luft wurde immer knapper und er begann unkontrolliert zu zappeln, rang vergebens nach Atem und umfasste mit beiden Händen seinen Hals. Er spürte, wie er nachgab…
Sein Gesicht tauchte aus dem Waschbecken auf und er schnappte dreimal nach Luft, ehe er sich wieder beruhigt hatte. Sein Herz raste, als wäre er verfolgt worden, seine hageren Finger krallten sich am Rand des Waschbeckens fest. Seine Augen, blutunterlaufen, brannten. Voller Verachtung starrten sie in das verhasste Spiegelbild.