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Mit und über uns
Da jede Geschichte eine Handlung braucht und nicht in eine reine Zustandsbeschreibung ausarten sollte, wird das auch in dieser Geschichte so sein. Und um dieser Behauptung weiter Nachdruck zu verleihen, wird es am Ende sogar ein Pointe geben. Sie können es gleich nachprüfen indem sie den Scroller ihrer Maus bedienen oder sie haben Teil an jenen Dingen die bis dorthin geschehen werden.
Ich laufe durch das Geschäftsviertel unserer Kreisstadt und sehe eine Gruppe abgemagerter Mädchen in ein Geschäft stolzieren, wo sie wohl ihr Selbstvertrauen in Form von ein paar überteuerten Tops und Slips aufstocken werden. Dass diese Klamotten nur ihrer Marke wegen und nicht ihrer Produktion wegen so teuer sind, ist ihnen entweder egal oder sie wollen es nicht wahr haben. Abgemagert und teuer angezogen. Zwei Ideale über die man kaum länger nachdenken kann, ohne ironisch zu werden.
Da mich sowieso einer dieser Obdachlosen, die hier überall die Straße unsicher machen, ablenkt, muss ich glücklicherweise nicht weiter über irgendwelche Ideale nachedenken.
Verdammt, um ein Haar wäre ich auch noch über einen solchen Typen gestolpert. Ich habe nichts gegen Obdachlose. Sie können genauso wenig für ihre Armut wie andere etwas für ihr riesiges Gehirn, mit dem sie Millionen von Euro Jahr für Jahr verdienen.
Jedem das seine und mir das Meiste.
Was für eine bescheuerte Floskel, an der aber doch erschreckend viel Wahres dran ist.
Genannt: Kapitalismus.
Wir nehmen jenen, die nichts haben, den Rest und geben denen, die im Überfluss leben, noch mehr, damit sie weiter mit ihren Handies Fotos schießen und kleine Filme drehen können. Das wiederum nennen wir alle Fortschritt.
Zum Glück leben wir auf der richtigen Seite des Erdballs, so muss uns das Leid derer, die wir betrügen, nicht weiter kümmern.
Unaufhaltsam ist er, dieser Fortschritt, schon allein des Geldes wegen, das reiche Leute dazuverdienen, wenn sie uns teure und noch leistungsfähigere Computer verkaufen, als wir überhaupt noch sinnvoll gebrauchen können, während die, die darunter leiden, zu arm und zu weit weg "leben", um sich groß beschweren zu können.
Derart von dem Penner abgelenkt, laufe ich weiter und sehe wieder eine kleine Gruppe von Mädchen. An einem warmen Samstagnachmittag trifft man immer wieder solche vereinzelten Grüppchen mit ihren DDR Handtäschchen und Che Guevara Oberteilen.
Ob sie überhaupt wissen, wer Che Guevara war, frage ich mich, während ich abschätzigen Blicken von normalen Teenagern ausgesetzt, die Straße überquere, um mich in meinem kleinen Lieblingscafé niederzulassen.
Sie tragen eine politische Meinung vor sich her, ohne eine Ahnung zu haben, warum eigentlich und was sie genau repräsentiert. Ich bin gespannt was sie wohl sagen würden, wenn ich sie fragen würde, wie Che´s Vorname in Wahrheit war, aber In ist eben In und da wird nicht blöd gefragt. Zumindest nicht von normalen Teenagern. Außerdem hieß er ja auch irgendwie Che, nicht wahr?
An meinem Lieblingscafé angekommen, setze ich mich hin und beobachte weiter die Menschenmenge, die sich die Straße entlangzieht, um irgendwelche wichtigen Dinge zu erledigen.
Die von mir bestellte große Cola wird von einer netten Kellnerin gebracht. Ich nippe an der Cola und sehe wie mich ein paar Jungs in weiten Hosen und schlabbrigen Pullovern beobachten, aber nicht weiter über mich reden.
Ich kann diese Trends beim besten Willen nicht verstehen. Soll die weite Hose zeigen, dass in der goldenen Mitte viel Platz beansprucht wird? Oder spart sich die Regierung so das Säubern der Gehwege?
Im Grunde ist es mit diesen Jungen nicht viel anders als mit der Clique der Mädchen von vorhin. Sie leben alle in ihrem vom Staat gemachten und vorherbestimmten Leben, mit ihren selbstgemachten Problemen, ohne auch nur einmal daran zu denken, über was für Lapallien sie sich gerade aufregen. Ich sage aber nicht, dass sie den ganzen Tag mit einer, den Armen da unten gedenkenden Miene herumlaufen und sich gegenseitig in die Arme fallen müssen, schließlich können sie ja auch nichts dafür, dass es ihnen so "gut" geht.
Es ist ja die Politik, die für die Armut in der dritten Welt verantwortlich ist, aber wie soll sich die Politik ändern, wenn die Jugend alles glaubt, was man ihnen erzählt und es daher nicht einmal in Frage stellt.
Bestimmt haben sie auch in Erdkunde gelernt, wie schlecht es den Chinesen mit dem bösen Kommunismus ging und wie gut es den reichen kapitalistischen Amerikanern geht. Slums werden in diesen äußerst Lehrreichen Filmchen aber nur seltenst gezeigt. Leider bringt es aber nichts, den Lehrer zu kritisieren, da er nur seinen Lehrplan verfolgt und der Direktor auch nicht bereit sein wird, über diesen zu diskutieren.
Die Cola ausgetrunken zahle ich in unserer neuen und, Gott sei dank mittlerweile auch amerikanisierten Währung, bevor ich das Café verlasse. Nun bin ich am Ende der Straße angelangt und frage mich, was ich hier mache.
Ich richte über Menschen, die nie etwas anderes kannten und blicke mit meinen Behauptungen von oben auf sie herab, ohne die Normalität zu ehren, die uns allen (auf der richtigen Seite der Erdkugel; oder die, die uns interessieren) ein gewalt- und angstfreies Leben ermöglicht, so dass wir uns nie die Frage stellen müssen warum das so ist...
Aber Halt. Der Autor hatte noch eine Schlusspointe versprochen:
"Hey sie da!"
"Ja was gibts?"
"Ihr Schuhbändel ist offen."
"Was aber das stimmt doch gar nicht."
"Dann wars wohl meiner."
"Der ist aber auch zu."
"Warum schauen mich dann alle so komisch an?"
"Vielleicht ziehen sie sich einfach eine Hose an."
PS: Der Autor hat sich diese "Pointe" in Markenklamotten gekleidet an einem luxuriösen Computer ausgedacht.