mit offenen Augen...
...bezieht sich auf das Selbstportrait von Egon Kersting ...
Nun sind sie doch offen, die Augen, welche ich eigentlich schließen wollte. Denn ich hatte Angst, dass sich meine Seele in ihnen spiegeln könnte und dass all das Leid in meinem Herzen somit sichtbar wird. Nur all zu oft war der Tod direkt vor meinen Augen, vor meiner Kamera und ich habe sein schreckliches Bild tief in mich aufgenommen und ihn meine Seele zerstören lassen, ohne die Augen zu schließen. Doch, auf diesem Foto, da wollte meine Augen schließen. Und als wäre es purer Hohn, konnte ich während der Auslöser summte, nichts anderes tun, als sie weit aufzureißen. Nun sehen sie mich an und der leise Vorwurf, der aus ihnen spricht, lähmt mein Herz.
Die Fenster meiner Seele stehen weit offen und ich frage mich, ob man sehen kann, wie es hinter ihnen brodelt. Die Blindheit meiner jahrelangen Tätigkeit als Fotograf und doch auf der anderen Seite eine wilde, nicht enden wollende Unruhe.
Die Augen weit offen, so sehe ich mich an und ich sehe mich zum ersten mal. Es gibt nichts mehr, dass noch so ist, wie ich es mit diesen Augen sah. Seit sie auf dieser Welt lebt sind meine Augen wirklich offen.
Ich sehe mein kantiges Gesicht und spüre die unsichtbaren Narben der Zeit, die mein Leben in es hinein geschrieben hat. Doch ich sehe auch einen Ort, der Platz läst für ein herzhaftes Lachen und wahre Gefühle. Und sehe die Liebe zu diesem Kind, dass meine Welt verändert hat und für das ich die Welt verändern will.
Ich betrachte meine Hand, eine Hand die ihr Handwerk versteht und die es vermag die grausame Wahrheit aufzuzeigen.
Was hat diese Hand schon berührt? Hat sie nicht letztes Jahr, die Haare dieses kleinen Kindes gestreichelt, um Trost zu geben in der Zeit des Krieges? Hat sie nicht, noch vor einem Jahr eine Hinrichtung in den USA photographiert und dann meist bietend verkauft? Waren es wirklich meine Hände, die solch widersprüchliches taten?
Mit meinen Händen banne ich die Welt auf weißes Fotopapier. Und doch sehe ich keine Befriedigung darin, ein Fotograph der nur dokumentiert, ist niemals ein wahrer Künstler.
Für meine Tochter möchte ich das Leben festhalten und sie ist es, die meinen Blickwinkel geändert hat und mich Dinge sehen lässt, welche ich vorher nicht beachtet habe.
Und für sie, fange ich ein ganz neues Bild an, mit neuen Farben zeichne ich eine Welt, die man in roten Sonnenuntergängen und an grauen Nebeltagen findet. Ich meine nicht jene Welt, welche jeder von uns kennt, nicht den ganz normalen Alltag. Ich meine die Welt der Phantasie.