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Mit der Tochter meiner Frau
Statt zu stoppen gab ich Gas, der Junge sprang panisch nach hinten, was lächerlich aussah. Ich sah seine grotesk entgleisten Gesichtszüge, sie erfreuten mich wie ein Sonnenaufgang. Nach einer Schrecksekunde sprang er wütend auf mich zu und donnerte theatralisch mit der Hand auf den Kühler meines Wagens. Eine junge Frau, die ich nicht bemerkt hatte, riss die Autotür auf.
„Scheißwichser, Scheißwichser, bist du verrückt oder was.“
Ich bejahte kurz und stieg aus, und das bedeutete, dass ich direkt vor ihr stand, unsere Körper berührten sich leicht, bis ihr Typ sie wegdrängte und mich packte. Es ging um die Ehre, darum, dass ich ihn dazu gebracht hatte, sich zu bewegen wie ein Feigling, wie eine Frau, auf weibische Art, weglaufend statt sich stellend: Das war garantiert nichts, was er mir, dem alten Mann im großen BMW, durchgehen lassen wollte. Als er an meiner Anzugsjacke zerrte, dachte ich, jetzt bekomme ich die Schläge, die ich seit Jahren erwarte. Wie heißt du, fragte ich, spinnst du, war seine Antwort.
„Spinnst du. Du spinnst. Du alte Sau.“
Er hatte einen Akzent, und weil er mir seinen Namen nicht verriet, nannte ich ihn Zlatko.
„Ich habe Freunde bei der Polizei, Zlatko.“
„Ohhh, huuu, ich zittere aber jetzt. Der alte Zwerg hat einen Freund bei der Polizei. Hast du gehört, Kick, die kleine, fette Drecksau will mir drohen! Huh, gefährlich, ich piss mich voll. Ich reiß dir gleich den Arsch auf, Mann.“
Zlatko hielt mich einfach weiter fest und starrte mir in die Augen. Fremder als er kann ein Mensch mir nicht sein, das gefiel mir so sehr, dass ich glaubte, unempfindlich für den körperlichen Schmerz zu werden, der kommen würde. Ich hielt seinem Blick stand, aber ich spürte, wie meine Knie wackelten, wie ich langsam die Kontrolle über meine Beine verlor.
„Ich gebe dir 500 Euro für deine kleine Freundin.“
Der junge Mann, dessen größte Lebensleistung darin bestand, nachts im Frankfurter Bahnhofsviertel zu den Leuten zu gehören, die keine Angst hatten, sondern sie zu verbreiten (was einem Mann in seinen Augen zweifellos ein größeres Prestige verlieh als der rechtschaffene Besitz eines dicken BMW), rammte mir sein Knie zwischen die Beine, ich stöhnte auf, sackte zusammen und landete seitlich auf dem Fahrersitz. Zlatko spuckte mir ins Gesicht und verschwand. Tatsächlich, er spuckte mir ins Gesicht und ging wortlos ab. Ich saß noch ein paar Minuten da und wartete, dass der Schmerz, der überwältigend war, verging.
Als ich die Tür schloss und den Wagen startete, war alles wieder in Ordnung. Es ist nicht nur mein BMW, es sind alle Dinge, die ich besitze.
Ich halte es für eine Dummheit, wenn Menschen verächtlich über Besitz sprechen als sei es etwas Oberflächliches, etwas rein Äußerliches, und nicht das Ergebnis eines Lebens. Wenn ich zuhause an meinem Schreibtisch sitze und auf unseren Garten mit den Bäumen, Beeten, Blumen, Pool und Tennisplatz blicke, erfüllt mich eine Dankbarkeit des Herzens, die nicht eitel ist, sondern spirituell. All die Dinge, die Maria und ich gekauft haben von meinem Geld, die wir haben anfertigen lassen, sind keine toten Gegenstände, Besitz ist nicht banal, es ist absurd, es so zu sehen. Ich sage nicht, dass ich als Hartz-IV-Empfänger in einer billigen Mietwohnung ein schlechterer Mensch wäre, natürlich nicht, ich bin ein gläubiger Christ und messe den Wert eines Menschen nicht an seinem Besitz. Ohne Geld wäre ich kein schlechterer Mensch, aber ich wäre ohne Zweifel ein anderer Mensch. Das Geld, das ich habe, versetzt mich in die Lage, der zu sein, der ich sein will. Es streichelt meine Seele, jedes Mal, wenn ich eine Kirche aufsuche, einen 50-Euro-Schein in den Opferstock zu tun. Dass ich großzügige Trinkgelder gebe, meinen Kindern eine gute Ausbildung ermöglicht habe, dass ich fünf Prozent meines Einkommens spende. Das alles wärmt mein Herz. Ich zahle brav meine Steuern, ich verzichte auf die Tricks der Reichen, da kommt einiges zusammen bei meinem Gehalt. Es ist wichtig, auf der Seite der Geber zu sein, anders könnte ich das Leben schwer ertragen.
Als ich das Einfahrtsgitter und danach das Garagentor vom Wagen aus elektronisch öffnete, sah ich, dass im Wohnzimmer noch Licht war.
Die Fakten sprachen gegen mich, aber die Fakten hatten nichts mit mir zu tun. Ich empfand es als ungeheuere Ungerechtigkeit, mit der Tochter meiner Frau geschlafen zu haben, ohne zu wissen, wer sie ist. Es war meine Schuld, aber ich war nicht wütend auf mich, sondern auf die Situation. Es war eine Zumutung, dass ich Angst vor einer Enthüllung haben musste. Es ist wahr, ich habe mit Jennifer geschlafen, aber ich konnte in diesem Moment nur denken: Es ist anders. Selbst wenn mein Beischlaf mit Jennifer Maria auf einem Video vorgeführt werden würde, würde ich denken: „Es ist nicht so, wie es aussieht, Maria.“
Maria stand im Wohnzimmer und sah mich an mit einem Blick, der sagte, dass sich alles verändert hatte. Ich wollte auf sie zugehen und sie umarmen, aber es war nicht möglich.
„Warum bist du noch auf?“
Ihre Augen schimmerten, sie hatte geweint oder zu viel Alkohol getrunken. Maria musste schweigen, sie durfte nichts sagen, das war alles, worauf es nun ankam.