Was ist neu

Mit den Schwalben

Mitglied
Beitritt
20.02.2014
Beiträge
23

Mit den Schwalben

»Die ziehen nach Süden«, erklärten die Eltern, als das Kind fragte, warum jeden Tag mehr Schwalben auf den Stromleitungen hinterm Haus saßen. »Die erfrieren sonst im Winter.«

Das Kind stand auf einem Sessel am offenen Fenster, es trug schon Strumpfhosen, denn im Schatten war es kalt; erster Holzrauchgeruch lag über abgeernteten Äckern. Auf den blitzenden Drähten saßen die Schwalben, ständig kamen neue Scharen an und suchten Platz. Hier flatterte es auf, da fand es zur Ruhe; die kleinen schwarzweißen Körper drängten sich eng und enger, ihr Zwitschern lag fern und kühl in der Luft.

Das Kind kannte sie gut, die Schwalben; es war ihrem sommerlichen Gleitflug über die Gärten mit dem Finger gefolgt. Jetzt bedauerte es, daß die schönen Vögel fortwollten. »Ihr könnt ruhig bei uns wohnen!«, rief es dem Vogelschwarm zu. »Ich laß euch das Fenster auf!«

Ein größerer Verband von Schwalben erhob sich und flog einen weiten Bogen vor dem Himmel, bevor er sich wieder auf den Stromdrähten niederließ. Vielleicht hatten sie nicht gehört?

»Ihr könnt bei uns wohnen!«, schrie das Kind, so laut es konnte, und kletterte auf die Fensterbank, die nach trockenem Staub duftete. Zwei Stockwerke tief lag buschig der Garten. »Kommt, kommt alle!« Und lauter: »Schwalben! Kommt!«

Das schwarzweiße Flattern ließ nicht nach; Wolken von Vögeln stürzten sich ins Blau, zogen Schleifen durch die Luft, um sich wieder zu sammeln und niederzulassen, ein gleitendes Kommen und Gehen nach einem unbegreiflichen Plan. Das Kind rief und rief, bis es heiser war.

Auf einmal fühlte es sich hinterrücks gepackt; die Mutter pflückte es von seinem Sitz. Sie schimpfte: Zu laut! Und: Nicht auf die Fensterbank! Ein Knall, und das Fenster war zu.

»Aber ich muß doch« – und die Tränen liefen –, »die Schwalben wollen doch kommen!«

*

Später, in einem anderen Haus, klebten Schwalbennester unterm Dach; gleich drei über dem Kinderzimmerfenster. Nie schlief das Kind besser ein als beim abendlichen Rauschen und Flattern schmaler, schwarzer Flügel, bei den Stimmen der heimkehrenden Vögel: ein absinkendes, murmelndes Schwatzen, das in einem stimmhaften Schnarren endet, um von einem anderen Tier aufgenommen zu werden, ein endloses, schläfriges Gespräch.

 

Guten Abend! Tief Luft geholt: so -- erster Text. Etwas älter schon. Und nun bin ich gespannt (und gehe einstweilen weiter lesen).

 

Hallo Lakritze,

Ganz kurz: Dein Text hat mir als ästhetisches Bild, das vom Herbst erstellt wird, gut gefallen (sprich: der zweite Absatz, sehr geschickt Attribute und Beschreibungen gewählt). Mit dem Rest, also der Handlung, kann ich (persönlich) leider nicht viel anfangen.

Nombreux

 

Hi,

also was mir als erstes negativ entgegenschlug, dass war diese Anonymität des Protagonisten. "Das Kind"! Also nein. Bitte gib dem Kind einen Namen. Wenn man die Geschichte Kindern vorliest finden die das komisch wenn es heisst das KInd und nicht: Martin, Max, Paul, Sven, Meike, Emma oder so. Ich würde das ändern.

Ich verstand den letzten Absatz nicht. Wiso in einem anderen Haus? Es ist doch immer noch das gleiche Kind oder nicht? Und wenn nicht, warum?

Der Text ist kurz und vermittelt gute Bilder. Der Herbst und die Schwalben. Das Thema ist gut und nicht langatmig. Aber es wirkt unpersönlich. Es fehlt mir der Bezug mich richtig in deinen Text reinzufinden.

Für Kinder zum Vorlesen find ich es jedoch ein wenig kompliziert. Wahrscheinlich würden meine Kids (2,2,4 Jahre alt) gar nicht der Geschichte folgen (wollen). Es fehlt der Bezug für Kinder durch eine namentlich erwähnte Hauptfigur mit welcher Kiner die Handlung miterleben können. Für welche Altersklasse hast du denn genau schreiben wollen?

Mfg
Cozmo

 
  • Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo Nombreux,
danke für die Rückmeldung trotz allem.
Merci beaucoup!
L.

Hallo Cozmo,
oh, Mißverständnis; das hier ist keine Geschichte für Kinder. Darum ist "das Kind" ganz richtig so. Eher eine Geschichte, wie sie Erwachsene aus ihren Kindererinnerungen stricken; das erklärt vielleicht auch den Zeitsprung?
Danke jedenfalls für die Rückmeldung --
L.

Hallo Max,

herzlichen Dank für die ausführlichen Anmerkungen!
(Ich bin nicht sicher, wie man die Zitate hier korrekt handhabt ... na, ich versuch's mal:

Max erzaehlt schrieb:
"Kommen" passt für mich nicht zu Vögeln, das klingt für mich nach Gehen.

Mh, da liegen meine Assoziationen anders; jedes Jahr kommen sie, die Schwalben.

Zunächst passt das "es", aber dann finde ich es nicht mehr passend, sodass es auch im ersten Teil vielleicht besser ersetzt werden würde, in etwa:

Hier flatterten sie auf, da fanden sie zur Ruhe


Das ist gut, danke.

Naja, ist drei mal (fast) der gleiche Eindruck.

Bei Wortwiederholungen bin ich sehr empfindlich; ich hatte gehofft, ich hätte sie weit genug gestreut. Verflixt. ,)

Klingt wieder nach Gehen für mich.

Hier kann ich's nicht abstreiten. --> nachdenken.

Warum hier keine Anführungsstriche?

Weil die Geschichte aus der eingeschränkten Wahrnehmung des Kindes erzählt ist; die Mutter sagt sicher viel, viel mehr, aber das sind die einzigen Informationen, die durchdringen.

Über "Verband" bin ich irgendwie gesolpert.

Stimmt, das ist entschieden kein Kinderwort. Auch das werde ich noch mal bedenken.

Danke für die wertvollen Anregungen. Und fürs Testvorlesen -- das ist mal eine schöne Rückmeldung!
L.


* Anmerkung: Mehrere zeitnahe Antworten bitte in einem Beitrag posten ;)

 

Hej Lakritze,

auch ich dachte, das Kind wird aus dem Fenster fallen.

Ich mochte diesen kurzen Text, die Namenlosigkeit finde ich gut, mir gibt das eher was als dass es mir etwas nimmt.

Zum Text :

erster Holzrauchgeruch lag über abgeernteten Äckern.
Hier setze ich automatisch ein "den" vor die Äcker, es sind wohl vor allem die gemeint, die sich in der Nähe befinden (auch wenn es vllt auf andere auch zutrifft, aber die spielen geruchstechnisch keine Rolle).

Auf den blitzenden Drähten saßen die Schwalben,
Können die das wirklich, die Drähte von Stromleitungen? Blitzen die? Ich kann es mir irgendwie nicht richtig vorstellen.

ein absinkendes, murmelndes Schwatzen, das in einem stimmhaften Schnarren endet, um von einem anderen Tier aufgenommen zu werden, ein endloses, schläfriges Gespräch.
Bei Schwalben denke ich eher an ein hohes Kreischen, aber sicher gibt es da Unterschiede.
Schläfrig ist aber doch eher das Kind?

Ich hab's gerne gelesen.

Viel Spaß noch hier (und ausatmen nicht vergessen ;))

LG
Ane

 

Juhu Ane,

spät kommt sie dann also, aber sie kommt, die Antwort:

erster Holzrauchgeruch lag über abgeernteten Äckern.
Hier setze ich automatisch ein "den" vor die Äcker, es sind wohl vor allem die gemeint, die sich in der Nähe befinden (auch wenn es vllt auf andere auch zutrifft, aber die spielen geruchstechnisch keine Rolle).

Das "den" ist aus rhythmischen Gründen weggefallen;
das "erster" wäre es auch fast. Laß ich mir noch mal
durch den Kopf gehen.

Auf den blitzenden Drähten saßen die Schwalben,
Können die das wirklich, die Drähte von Stromleitungen? Blitzen die? Ich kann es mir irgendwie nicht richtig vorstellen.

Können sie, in der Sonne; gerade vorgestern habe ich mich
an anderer Stelle davon überzeugt. Aber das ist tatsächlich
eine Stelle, an der ich, um Irritationen zu vermeiden, das
Partizip weglassen könnte. Danke!

ein absinkendes, murmelndes Schwatzen, das in einem stimmhaften Schnarren endet, um von einem anderen Tier aufgenommen zu werden, ein endloses, schläfriges Gespräch.
Bei Schwalben denke ich eher an ein hohes Kreischen, aber sicher gibt es da Unterschiede.
Schläfrig ist aber doch eher das Kind?

Im Nest machen Schwalben ein ganz anderes Geräusch als
in der Luft, sogar nachts noch; ich denke mir, das ganze
Nest ist vollgepackt mit kleinen Vögeln, und daß die alle
durchschlafen, wäre wohl ein Wunder ...

Vielleicht muß man den Ton kennen? Ändern mag ich diesen
Satz nicht, aber richtig -- kann irritieren.

Also danke nochmals fürs genaue Lesen und für die Anregungen!

Schöne Grüße,
Lakritze

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom