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Mister Kingdom

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28.12.2019
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Anmerkungen zum Text

Die Inspiration für diese Kurzgeschichte war das 1974 erschienene Album Eldorado des Electric Light Orchestras

Mister Kingdom

Kennen sie das Gefühl, wenn der Wind im Frühling einem die Jacke gegen die Brust drückt und sie jedem Moment abheben könnten? Ich hatte so einen Moment und streckte bereitwillig meine Arme zur Seite. Das war es was ich wollte, mich nach vorn zu lehnen und im Widerstand des Windes zu gleiten, bis er mich schließlich mitreißen würde. Ich konnte die Frühlingsblumen riechen, wie ich an ihnen vorbei glitt. Am Rande des Walds brachte ich mit den Fingern die Blätter der Bäume zum Rascheln. Das Gebirge senkte sich und ich nahm Fahrt auf. Nichts und niemand konnte mich aufhalten. In meinem Bauch begann es zu prickeln, als ich den Stausee erreichte. Das klare kalte Wasser flitzte nur so an mir vorbei. Ich näherte mich der Staumauer. Nun war es soweit. Der Moment, auf dem ich mich immer am meisten freute. Der freie Fall aus hundert Metern Höhe. Ich atmete die Gebirgsluft nochmals tief ein, als plötzlich ein Bär mit einem riesigen Honig Pot im Schoss mir auf der Mauer sitzend entgegen winkte. Ich begann langsamer zu werden, meine Schuhspitzen berührten das Wasser und ich musste meinen Körper anspannen, um nicht hinein zu fallen. Der Bär nahm einen Holzlöffel und schöpfte damit etwas Honig aus dem Gefäß. Ungeschickt schleckte er daran und sprach: "Wenn der Hals dir schmerzt, nimm Nukulamerz." Ich war baff. Sie hatten es wirklich durchgezogen. Anscheinend waren ihnen die Steuergelder ausgegangen. Meiner anfänglichen Enttäuschung auf das vermasselte Erlebnis folgte Wut. Ich öffnete die Augen.

Kurze Zeit später stand ich auf dem schier unendlich langem Förderband des Nexus Buildings. Durch die weiß glänzenden Fliesen an den hohen Mauern wirkte das Regierungsgebäude wie ein Krankenhaus. Durchbrochen wurde die eintönige Optik durch die in allen Farben schimmernden Seitengängen, welche zu den jeweiligen Abteilungen führten. Da es im Flur mehrere hundert dieser gläsernen Tore gab, sah ich nur vereinzelt Personen vom Förderband abspringen. Die meisten hatten ihre Augen geschlossen und genau deshalb war ich hier.
Ich bemühte mich, sie nicht länger als zwei Sekunden zu schließen, denn sonst setzte der Werbemechanismus ein. Ich hatte auf dem Hinweg zuvor des Öfteren versucht, mir die Langeweile mit - Realen Erlebnissen - , wie diese weitverbreitete Technologie von Nexus genannt wurde, zu vertreiben. Werbeanzeigen waren alles, was ich zu sehen bekam. Ich ertappte mich wie ein Verrückter blinzelnd, als ich endlich durch das Tor der Abteilung 'Eye Sight' eintrat. Der Anblick des winzigem Wartebereichs, in welchen sich die Kunden aneinander drückten, ließ mich meine Augen weit aufschlagen. Dabei wurden sie vom daherfahrendem Rezeptionsautomaten gescannt und kurz darauf rollte ein Chip mit der Nummer Zweiunddreißig aus einer kleinen Öffnung. Ich nahm den Wartechip und hätte mir dabei fast die Finger meiner Hand eingezwickt, so schnell wurde die kleine Luke wieder geschlossen und der verfluchte Staubsauger rollte zum nächstem Opfer. Trotz der steril wirkenden Umgebung roch es nach Schweiß. Ich kämpfte mich durch die Menge hindurch, um zu den eingelassenen Sitzbänken an der Wand zu kommen. Ein Bildschirm zeigte der Nummer Vier an, einzutreten. Dies war es auch, was ich der dicken alten Dame neben mir mitteilte und ich spätestens alle fünf Minuten von ihr aufgefordert wurde zu bestätigen, ob sich die Nummer nicht doch verändert hatte. Es war grauenhaft, glauben sie mir. Nummer Zweiundzwanzig. Ich hätte das Gefühl für Zeit verloren gehabt, musste ich meiner Lieblingsdame diese nicht gerade an der Wanduhr bestätigen. 18.30 Uhr. Zu dieser Zeit trank sie normalerweise ein Gläschen Gin mit Frank Sinatra zu fly me to the moon. 'Wohl eher eine Flasche Gin zu Fast Food', wie ich fand. Ich war schon mehrere Stunden hier. Da überkam mich ein Durstgefühl und ich erhob mich von der harten Plastiksitzfläche. "Können sie mir den Sitzplatz freihalten?", bat ich die mittlerweile um einige Kilo schlanker aussehende Dame. Sie sah mit lieblichem Blick zu mir hoch, ohne zu antworten. Ich wendete mich ab und ging langsam in Richtung der Beratungs- und Operationszimmer, Nexrooms, wie sie hier genannt wurden, in der Hoffnung, dass sich dort Getränkeautomaten befanden. Ein leerer Wasserbehälter stand auf einem Tisch zwischen der Nexrooms. Enttäuscht wollte ich kehrtmachen, da hörte ich ein Zischen. Unter dem Tisch befand sich eine Luke, ähnlich die eines Wäschetrockners. Niemand schien ihr Beachtung zu schenken. Obwohl sie verschlossen war, dampfte es an allen Seiten heraus. Ich öffnete sie. Hätte mir jemand dabei zugesehen, wie ich mir einen Weg in die enge Trommel bahnte, man hätte mich bestimmt für verrückt gehalten.
Sofort fühlte ich mich wie in den Tropen. Schweiß rann von meiner Stirn und meine Hose klebte sich unangenehm an der Haut fest. Ich zog mich noch eine Weile liegend voran, da schien die Röhre endlich zu enden und ich erblickte Licht. Was sich dann vor mir abspielte, vermag ich kaum zu beschreiben. Es war, als würde man das sagenhafte Eldorado mit all seinen Schätzen und üppiger Fauna entdecken. Ich war überzeugt, den Mittelpunkt der Erde erreicht zu haben. Unglaubliche Wasserfälle donnerten von allen Seiten und Richtungen herab, nur um sich im Zentrum der Landschaft zu einem gewaltigen Sprühnebel zu vereinen. Licht erstrahlte das Spektakel, welches von golden glühenden Tempeln am Rande des sich vor mir ausbreitenden Dschungels auszugehen schien. Eine Gruppe Flugsaurier, mit einer Flügelspannweite wie der eines Passagierflugzeugs, schoss so knapp an mir vorbei, dass mich der Anblick überwältigte und ich Furcht und Entzücken zeitgleich empfand. Was mich jedoch stutzig machte, waren die Elefanten, welche sich im Wasser eines von Sand umgebenen Teiches suhlten. Die Oase war umgeben von Sonnenliegen und mit Eiswürfeln gefüllte Gläsern steckten im Sand. Eines der Tiere holte mit dem Rüssel eine rote Dose aus einem vorbei treibenden Bambuskorb. Da kam mein rationales Bewusstsein zurück. Der Elefant sprühte einen Schwall dunkler Flüssigkeit in die Höhe, welche sich knapp vor mir sprudelnd zu einem Logo der Firma Coca Cola formte. "Unverschämt", dachte ich und öffnete die Augen.

Ein weiß gekleideter Mann sah mir mit zuversichtlich lächelndem Gesichtsausdruck hinter einem Schreibtisch sitzend entgegen. "Mit ihrer Eye Sight Solution ist alles in bester Ordnung. Es steht ja, wie sie wissen Herr Lynne, alles in ihrem Vertrag, dass es früher oder später zu Werbeeinschaltungen kommen könnte." Er ließ sich etwas abrupt in dem teuer aussehenden Ledersessel zurücklehnen, was ihn selbst zu Schrecken schien. "Wir testen derzeit an all unseren verehrten Kundinnen und Kunden, wie und in welchen Ausmaße diese angenommen werden." Er saß nun wieder aufrecht. "Es besteht also kein Grund zur Besorgnis." Wieder dieses Lächeln, welches wohl in der Ausbildung von allen Ärzten erlernt wurde, nur um ihre Patienten zu ärgern. "Aber nicht mit mir!", schrie ich so laut ich konnte. "Glaubt die Regierung etwa, so die Kriminalitätsrate weiterhin niedrig zu halten?", schoss ich nach. "Also schön", sagte der Arzt und lächelte dabei ruhig. Gelernt war gelernt. "Wir können ihren Eye Sight Empfänger entfernen, aber sind dann natürlich nicht mehr für eventuelle Probleme in ihren Gemütszustand oder ihrer Wahrnehmung zuständig. Ich hoffe Sie sind sich der Risiken und Einschränkungen bewusst, welche ohne die Eye Sight Technologie auf sie zukommen könnten." Ich umklammerte die Armlehnen des viel zu weichem Drehsessels, schloss meine Augen und zählte bis Zwei. Nun kam eine hübsche Frau Mitte Zwanzig auf mich zu. Sie trug ein futuristisches Gewand, das einem Kontaminationsschutzanzug glich, öffnete den Reißverschluss und begann sich vor mir auszuziehen. Ihre Brüste schimmerten, bedeckt mit glänzendem Staub. Nackt setzte sie sich auf meinem Schoss und begann zu stöhnen. Obwohl ich anfangs die Situation noch als ungewöhnlich empfand, ließ ich das nun alles mit zunehmender Erregung zu, bis ich ihre gelben Zähne bemerkte. Der aus meiner Wahrnehmung gerückte Arzt kam ins Bild und streckte uns eine Tube mit der Aufschrift Flurolamerz entgegen. Er lächelte mir mit unnatürlich weißen Zähnen zu. "Kaputte Zähne sind kein Scherz, verwende Flurola..." Ich riss meine Augen auf. Der Arzt erzählte immer noch etwas von möglichen Depressionen ohne einer integrierten Eye Sight Solution und dass die Werbeblocks speziell den Vorlieben der Kunden angepasst seien . Ich hatte genug gehört. "Führen sie die Extraktion durch", sagte ich.

Ich kam müde und erschöpft nach Hause und stellte fest, dass ich wieder einmal vergessen hatte, das Katzenklo zu leeren. Meine Einzimmerwohnung stank demnach nach Katzenpisse. Ich schloss meine Augen, doch nichts passierte. Verdammte Angewohnheit. Ich setzte Teewasser auf und legte mich auf die Couch. Normalerweise würde ich mich jetzt mit Audrey Hepburn unterhalten, doch das war nun nicht mehr möglich. Ich starrte aus der kleinen Luke neben meinem Wasserbehälter nach draußen. An den verlassenen Wohnbauten holte sich die Natur -langsam aber doch- ihren Lebensraum zurück. Dickes Gras keimte aus den freigelegten Ziegelmauern hervor. Selbstfliegende Gleiter surrten vorbei und ich konnte einen Blick auf die Passagiere werfen. Sie hatten friedlich und zufrieden ihre Augen geschlossen. Der Himmel war grau vom Smog und eine Gruppe von Pennern lag am Gehweg neben ihrer eigenen Pisse. Ich rümpfte meine Nase. Dies war es also, mein wahrhaftiges Eldorado. Jedenfalls für heute. Morgen würde ich mich bereitwillig mit sprechenden Bären, Cola trinkenden Elefanten und aus dem Mund stinkenden Modeln anfreunden. Nur noch wenige Stunden bis das Nexus Building wieder öffnete. Ich schloss meine Augen und alles was ich sah war schwarz.

 

Hallo @jazzsonic

toller Username!

Ich würde dir empfehlen, mehr Absätze/Zeilensprünge einzubauen. So ist es auf kleinen Bildschirmen schwierig zu lesen. Absätze bei Zeit- und Perspektivwechsel.
Bespiel:

Durchbrochen wurde die eintönige Optik durch die in allen Farben schimmernden Seitengängen, welche zu den jeweiligen Abteilungen führten. (NEUE ZEILE) Da es im Flur mehrere hundert dieser gläsernen Tore gab,

Dann tummeln sich noch Fehler im Text.
Beispiele:

Kennen sie das Gefühl, wenn der Wind im Frühling einem die Jacke gegen die Brust drückt und sie jedem Moment abheben könnten?
Sie /groß

Honig Pot
Honigpott

als plötzlich ein Bär mit einem riesigen Honig Pot im Schoss mir auf der Mauer sitzend entgegen winkte.
Zu kompliziert. Vorschlag:
als mir plötzlich ein auf der Mauer sitzender Bär mit einem ...
entgegenwinkte / ein Wort

Ich begann langsamer zu werden,
ich wurde langsamer.

hinein zu fallen
ein Wort

dem schier unendlich langem Förderband
die weiß glänzenden Fliesen an den hohen Mauern
eintönige Optik durch die in allen Farben
mit zuversichtlich lächelndem
Adverbien-/Adjektiv-Overkill
Weniger ist mehr. Mach es prägnanter, bringe nur unbedingt Notwendiges.
Versuche, starke Verben/andere Begriffe zu finden, wie etwa:
"in allen Farben": bunt

welche zu den jeweiligen Abteilungen führten.
welche = schören: die

Ich hatte auf dem Hinweg zuvor des Öfteren versucht, mir die Langeweile mit - Realen Erlebnissen - , wie diese weitverbreitete Technologie von Nexus genannt wurde,
Geviertstrich (–) anstatt Bindestrich (-)
Und: warum hier überhaupt ein Einschub? Besser evtl. kursiv oder Hochkomma.
Ich hatte auf dem Hinweg zuvor des Öfteren versucht, mir die Langeweile mit "Realen Erlebnissen", wie diese weitverbreitete Technologie von Nexus genannt wurde,

seien(KEIN LEERZEICHEN) . Ich hatte

An den verlassenen Wohnbauten holte sich die Natur -langsam aber doch- ihren Lebensraum zurück.
Natur – langsam aber doch – ihren

mit Frank Sinatra zu fly me to the moon.
Lt. Wikipedia: Fly Me to the Moon

Schönen Tag und liebe Grüße,
GoMusic

 

Hallo @jazzsonic,

gut gefallen hat mir die Gesellschaftskritik, die in deiner Geschichte zum Ausdruck kommt: zum einen am eskapistischen Verhalten mancher Menschen, insbesondere im letzten Absatz, aber auch an der Dreistigkeit, mit der heutzutage Marketing betrieben wird.
Dass davor auch Virtual-Reality-Erlebnisse nicht sicher sind, ist eigentlich offensichtlich, hat mich aber trotzdem überrascht, weil ich vorher nie genau darüber nachgedacht habe.
Genau das soll eine gute SciFi-Geschichte leisten!

Insgesamt hätte ich mir in deiner Geschichte allerdings etwas mehr Spannung gewünscht. Besonders das dritte "Reale Erlebnis" hätte es meiner Meinung nach nicht unbedingt gebraucht. Zusätzlich hätte mich noch weiter interessiert, wie es deinem Protagonisten ohne seine "Eye Sight Solution" ergeht. Wie nimmt er die Welt (im Gegensatz zu vorher) wahr? Welche (inneren) Konflikte ergeben sich? Wie kommt er letztendlich zu dem Schluss, dass er doch in die virtuelle Realität flüchten will, die er zunächst ablehnt?

Weiterhin empfinde ich es als wesentlich plastischer, wenn sich die Emotionen deiner Figuren durch ihre Handlungen ausdrücken statt explizit im Text genannt zu werden.

und ich Furcht und Entzücken zeitgleich empfand.
Hier könnte die Figur zum Beispiel einen wie auch immer gearteten Schrei ausstoßen, statt einfach zu erzählen, dass sie Furcht und Entzücken empfindet.

Auf der technischen Seite kann ich dem Wunsch nach mehr Absätzen nur zustimmen.
Ein paar kleinere Fehler sind mir auch noch aufgefallen:

Bär mit einem riesigen Honig Pot im Schoss mir auf der Mauer sitzend
Schoss -> Schoß

anspannen, um nicht hinein zu fallen.
hinein zu fallen -> hineinzufallen

auf dem schier unendlich langem Förderband

Liebe Grüße

langem -> langen

durch die in allen Farben schimmernden Seitengängen,
Seitengängen -> Seitengänge

Der Anblick des winzigem Wartebereichs, in welchen
winzigem -> winzigen

wurden sie vom daherfahrendem Rezeptionsautomaten gescannt
daherfahrendem -> daherfahrenden

eine Luke, ähnlich die eines Wäschetrockners.
die -> der

mit Eiswürfeln gefüllte Gläsern steckten
Gläsern -> Gläser

für eventuelle Probleme in ihren Gemütszustand
Vielleicht: für eventuelle Probleme hinsichtlich ihres...

Viele Grüße
Tarkus

 

@Tarkus
Vielen Dank fürs lesen meiner Geschichte. Ich freue mich wirklich sehr darüber!
Ich war in letzter Zeit nicht sehr aktiv hier im Forum, werde aber mich die kommende Woche anstrengen, die Fehler auszubessern und ein paar Dinge umschreiben.
Fühle mich schlecht, dass sich Personen wie du Zeit für meine Kurzgeschichte nehmen und ich nicht gleich daran arbeiten kann. Weiß aber die Arbeit, die du und @GoMusic euch im lesen und ausbessern von MISTER KINGDOM gemacht habt, wirklich zu schätzen! Dankeschön und liebe Grüße aus Wien.

jazzsonic

 

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