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Missverständnis

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03.01.2003
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Missverständnis

Missverstanden

Seitdem sie weg war, fror er bis in die kleinsten Winkel seiner Glieder.
Die Berührungen ihrer Hände brannten sich wie Wunden in seine Haut. Die Zeit schien sie nicht zu heilen, denn ihr Fehlen riss sie mehr und mehr auf. Bald war er nur noch ein Stück lebloses Fleisch, ein amorpher Schatten seiner Gestalt, der es nicht mehr erlaubte um sie zu weinen, weil keine Tränen mehr da waren. Alle, die er für sie verloren hatte, umgaben ihn, wie ein Ozean, von dem er glaubte in seiner Tiefe zu ertrinken.
Tagsüber zog er durch Parkanlagen, ging mit gesichtslosen Frauen ins Kino, versäumte seine Nachmittage durch Alkohol und Nikotin, und fuhr abends stundenlang Bahn. Die Nächte ließen ihn nicht schlafen, umhüllten ihn mit Schuldgefühlen und benebelten seine Sinne. Diffuse Träume von Zweisamkeit und Zuneigung quälten ihn in den spätesten Stunden. Frost bedeckte seine Wimpern und Augenlider beim morgendlichen Erwachen. In der Wohnung, die er früher mit ihr teilte, schien nichts mehr von ihr übrig geblieben zu sein.
Er erinnerte sich oft an damals, als sie anfingen, sich von einander zu distanzieren. Ein Prozess, oder eine langwierige Entwicklung – er wusste es nicht mehr genau- schien damals die Zeit einzudämmen, in der er nicht einmal mitbekam, was mit ihm und ihr passierte. Alles fing an mit dem verfluchten Alltag, der als Routine ihr gemeinsames Leben und Glück verseuchte. Langsam, auf leisen Sohlen kriechend, schlich sich in seinen Adern auch das Misstrauen ein und stahl ihm die Vernunft sich ihr gegenüber zu beherrschen. Wütend und aufbrausend warf er ihr Dinge vor, die sie nicht einmal zu sehen vermochte; in seiner wutentbrannten Langeweile zerschlug er Tassen, schmiss mit Kerzen, verbrannte Bilder und machte sie zum Sündenbock seines Leidens. Keinen Sonnenstrahl ließ er in die gemeinsame Wohnung hinein, bevorzugte lieber warme Kleidung und wurde mit der unscheinbaren Zeit, die er jetzt suchte, immer blasser und kälter. Nach und nach verblasste ihr Gesicht im Spiegel und ihre zerstreuten Haare verschwanden von den Kopfkissen auf denen sie schlafend lag. Mit ihr ging auch die Wärme und plötzlich hatten die Möbel in der Wohnung einen gräulichen Schimmer angenommen. Nicht einmal an ihr Lachen, den Duft ihrer Haut, die sanften Bewegen ihrer Hände, konnte er sich erinnern.
Eines Tages war sie dann schließlich gänzlich verschwunden und er verlernte die Notwendigkeit, sowie die Kunst zu kommunizieren. Es erschien ihm unmöglich sie wieder in seine Welt zurück zu holen.


Nachdem sie beide einander schweigend beim Essen ansahen, räumte sie das Geschirr zusammen, machte die Küche sauber und verschränkte fröstelnd ihre Arme vor die Brust.
Sie bebte im Innern, besetzt vom sportlichem Drang, durchzuhalten.
„Ich dachte darüber nach, wie altmodisch es doch war, geheiratet zu haben.“ , sagte sie.
„Genau.“, erwiderte er.
Da wusste sie, dass es für heute nichts mehr wäre mit Vergeben, Schuldzuweisungen und Tränen. Stumm und sprachlos blieben sie in der ungeheizten Küche sitzen und konnten es einfach nicht fassen.

 

Hallo Moni,

Du beschreibst den Prozeß einer zermürbenden Beziehung, der schließlich zur totalen Entfremdung der Partner führt. Leider ist dies ein Phänomen, das häufig in unserer Gesellschaft auftritt.
Was mich etwas beschäftigt ist die Mischung von sehr bekannten Elementen in Deiner Geschichte (Kälte, Schweigen) und ungewohnten Formulierungen, bei denen ich manchmal nicht weiß, ob sie beabsichtigt sind.
Beispiel: „kleinster Winkel seiner Glieder“, „amorpher Schatten seiner Gestalt“ (also: Gestaltloser Schatten seiner Gestalt), „versäumte seine Nachmittage“ (fand ich sehr interessant), eine Entwicklung ist doch ein Prozeß, warum „oder“?, „mit der unscheinbaren Zeit“ - warum unscheinbar?, warum verschwinden die Haare, wenn sie doch auf dem „Kopfkissen ... schlafend lag“?
Außerdem: Es muß heißen: „eine“ langwierige „Entwicklung“.
Günstiger fände ich auch: „wie ein Ozean“ in dem er zu ertrinken glaubte.

Insgesamt hast Du die hoffnungslose Stimmung gut veranschaulicht, furchtbar, diese Beziehung.

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Woltichon!

Ich bevorzuge die metaphorische Sprache, weil sie meiner Meinung nach, besonders das Schreckliche und Traurige ,mild' ausdrücken kann. Außerdem finde ich es besser dem Leser immer ein visuelles Bild mitzugeben, da es oft schwierig ist Gefühle in Worte zu fassen.

Gruß MONI

 

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