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Miserable Noten
Das Kultusministerium ist mehr als nur aufgebracht.
Die Ergebnisse der PISA-Studie liegen vor und sie sind mehr schlecht als recht: das eigene Land konnte sich rangmäßig bloß in den untersten Reihen einordnen.
Der erreichte Status wäre weniger schmerzhaft gewesen, hätten die Briten – beinahe zum Trotz – sich nicht ganz oben in der Ergebniswertung eingenistet. Verständlich, dass man so eine Demütigung und Schmach nicht hinnehmen kann.
Der pathetische Zustand des Ministeriums bedingt das sofortige Zusammenkommen der Schulleiter aller deutschen Schulen. Beraten wird zunächst über das vorhandene Lehrerengagement und über dessen potentielle Erweiterung. Die Ansicht der Minister, die Lehrer seien viel zu inkompetent und sehr wenig innovativ kann von denselben nicht geteilt werden. Vielmehr seien dumme und lernunfähige Schüler in den Klassen anzutreffen, darunter vor allem Ausländer. In Anbetracht der objektiven Sachlage sei der negative Ausfall dieser sogenannten PISA-Studie hauptsächlich den Ausländern zuzuschreiben, so der Verteidigungsstandpunkt der Lehrer.
Die allgemeine Empörung über die Schuldzuweisung wandelt sich nach einer ruhigen Gedenkphase in euphorische Zustimmung um. Die Ursache für den schlechten Ausfall dieser Studie, dem besonders mangelndes Textverständnis zugrunde liegt, steht somit fest und das Kind kann beim Namen genannt werden: Ausländer.
Ausgangspunkt der Debatte ist nun, wie man den ideellen Schaden wohl am wahrscheinlichsten begrenzen könne. Nach reiflicher Überlegung steht fest:
Der Test muss wiederholt werden, möglichst nur mit deutschen Schülern, deshalb eben die Zulassung der Ausländer zu diesem Test bestmöglich einschränken.
Der Versuch der Schulen, Schüler zu diesem Test durch ein Auswahlverfahren, das auf einer Rechtschreibprüfung aufbaut, aufzunehmen, stößt auf vehemente Ablehnung vonseiten des Bundesverfassungsgerichts. Auch die konsequente Ausschließung ausländischer Schüler von dieser Studie findet kein Gehör.
Dem Kultusministerium bleibt nichts anderes übrig als eine grundrechtsfreundliche Methode auszuarbeiten.
Der Plan, alle ausländischen Schüler während dieser Studien-Phase zu einem Fortbildungskurs zu schicken, scheint kein Hindernis erwarten zu lassen.
Unmittelbar nach dem Abschieben der ausländischen Schüler rückt auch schon der Termin für die zu wiederholende PISA-Studie näher; der nach mühsamen Verhandlungen mit der zuständigen Behörde durch das Auswärtige Amt festgesetzt werden konnte.
Die Minister vergewissern sich noch einmal ausdrücklichst bei den Schulleitern, dass auch ja kein einziger Ausländer, nicht einmal Kinder aus sogenannten Mischehen, in den zu testenden Klassen anzutreffen seien. Unverzüglich erreicht ein Faxschreiben das Kultusministerium, anhand dessen bestätigt wird, dass eine absolut deutsche Teilnahme vonstatten gehe.
Die Minister stoßen schon auf den potentiellen Erfolg an, indessen die Schulleiter, zusammen mit dem Lehrkörper, einem Kaffeekränzchen nicht ganz abgeneigt sind.
Fiktive Traumblasen, die eine Beförderung erhoffen lassen, steigen aus den Mündern und Köpfen der Pädagogen empor.
Die einstimmige Euphorie findet ein jähes Ende mit dem unmittelbaren Zugang der Studienauswertung, die sich nach mehrfacher Beäugung und vielseitigem Handkontakt schließlich zusammengeknüllt im Papierkorb wiederfindet.
Einseitige Verwirrung lässt darauf schließen, die Schüler haben wohl einen schlechten Tag gehabt; obwohl, was habe so eine Studie schon groß über das Bildungsniveau eines Landes zu sagen?