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Minusgrad

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16.07.2002
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Minusgrad

Fuß vor Fuß - eins, zwei, eins, zwei. Ein Balanceakt auf dem Schienenstrang. Eins, zwei, eins... Ein Fuß in der Luft, kurzes Zögern, ein hilfloses Flattern, Fall. Zwischen zwei Gleisen eingekeilt - Zwänge., denkt das Ich. Zwänge sind die Enge des Raumes zwischen zwei Parallelen.
Das Ich atmet kühle Luft und den Blick in die Himmelsbläue. Ersterbend, die letzten Federn sträubend, erhebt es sich. Mit zitternden Flügeln weiter das „Ehne-mehne-muh-Spiel“ der Füße. Eins, zwei, eins, zwei, eins - Verharren. Es hat geschneit., denkt das Ich. Eins, zwei, eins, zwei und dazwischen Frösteln.
Aber das sind doch Federn - kein Schnee, keine Kristalle. Federn.
Schwanenfedern auf Schienensträngen. Im Schnee ein Kopf mit gebrochenen Augen und einem letzten Schrei im lang gebogenen Hals.

Später schneite es wirklich. Ob nun Schwanenfedern oder Eiskristalle wußte niemand zu sagen.
Und wenn die dritte Person nicht gestorben ist, geht sie noch immer ohne Ich auf der Grenze, welche zwischen zwei Parallelen liegt.

Rostock, den 2. Januar 1997

(c) by Edda Hofmann

[ 30.07.2002, 21:18: Beitrag editiert von: nikto ]

 

Hallo nikto!

Wirklich interessant, die Geschichte.
Auch wenn mir der Verlauf beim zweiten Mal lesen etwas verständlicher erschien, sehe ich zumindest noch immer keinen Sinn in dieser Story.

Stattdessen wirft sie viele Fragen auf.
Von welcher dritten Person ist am Schluss die Rede?
Wieso zwei Parallelen?
Warum läuft jemand am Gleis entlang?

Ich finde den Text nicht schlecht und hab' ihn gerne gelesen, aber ich weiß nicht, was die Geschichte bezwecken will. Ist eben etwas erklärungsbedürftig.

Viele Grüße, Michael

 

Hallo Nikto!

Deine Zeilen haben´s in sich! Die muß man langsam und dann nochmal lesen... :thumbsup:

Das, was ich mir dazu denke, werde ich aber erst morgen posten, denn das muß ich mir nochmal überlegen, von der Interpretation her und wie ich das am besten ausdrücke - jetzt geh ich aber erstmal schlafen.
Aber ich glaube schon, den Sinn erkannt zu haben. ;)

Alles liebe
Susi

[ 09.08.2002, 04:36: Beitrag editiert von: Häferl ]

 

Hallo nochmal, Edda!

Willst Du das mit Deiner Geschichte aussagen?:

Das Ich geht den vorgegebenen Weg (die Schiene), er behagt ihm nicht, es fällt ihm schwer, nicht davon abzukommen, den gesellschaftlichen Normen zu folgen (Balanceakt), es ist kein angenehmer Weg.
Es sieht die dritte Person hinunterfallen und sieht den Raum zwischen den Schienen als Enge, glaubt, diese dritte Person ist nun Zwängen unterworfen und hat selbst Angst davor, dort hinunterzufallen. Wo es doch gelernt hat, daß der gerade Weg auf der Schiene der richtige ist.

So balanciert es weiter und macht sich keine Gedanken, warum es das tut (Blick in die Himmelsbläue). Geht selbst dabei innerlich zugrunde, es spürt die Kälte auf diesem glatten, rutschigen Stahl. Es sieht, wie andere schon draufgegangen sind, bei diesem Balanceakt, ein Schwan, der seinen Hals "schon lang" gebogen hat, dorthin wo es am günstigsten schien. Aber er fällt fast nicht auf, der Lauf der Zeit deckt ihn zu und niemand erinnert sich an ihn, den 08-15-Niemand, der immer nur brav den "richtigen" Weg ging (oder so ähnlich, ist schlecht ausgedrückt, ich brings jetzt nicht besser zusammen..).

Aber es läßt sich auch abseits dieser Schienen gehen, die dritte Person geht noch immer dort... Das Ich muß nur draufkommen, daß es selbst in diese dritte Person schlüpfen kann und daß der Raum zwischen den Gleisen keine Enge ist, und dabei nicht annähernd soviel Zwang ist, wie dem Balanceakt auf den Schienen.

.
Und jetzt warte ich gespannt auf Deine Antwort... ;)

Alles liebe
Susi

 
Zuletzt bearbeitet:

hallo häferl,
es ist, so denke ich, eigentlich eher ungünstig, eine eigene interpretation zu meiner geschichte zu verfassen - besonders eine inhaltliche, sinnbezogene. ich habe schwierigkeiten damit, weil ich dann zu einer gewissen hermeneutik verleiten könnte.

es ist schön, zu hören, was du in meinem text liest.

der text ist emotional und automatisch geschrieben worden (dem erleben und den schritten des wandernden ichs gleich).

das Ich und die dritte person waren ein formales spiel von mir. der ich-erzähler, der vom auktorialen erzähler betrachtet wird, bis das "Ich" stirbt und der erzähler allein bleibt.
das ist ein bisschen wüst, wenn ich es jetzt überdenke... :)
aber das ist nur einer meiner ansätze gewesen und man muss es auch überhaupt nicht so lesen.

ein experiment.

aber ich freue mich, über deine durchdachte reaktion. ich weiss, dass dieser text inhaltlich für manche fragwürdig ist und auch viele meinen mögen, dass ich das genre verfehlt haben mag.

viele grüsse,
nikto bzw. edda

 

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