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Minnesänger

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26.02.2003
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Minnesänger

Vicarius fühlte die Schwermut in seinem Herzen. Es verlangte ihn nach seiner Geliebten. Bedächtig stieg er die Stufen hinab, in den finsteren Keller. Allein begleitet vom flackernden Schein der Kerze. Dort unten würde er sie ehren, die ihn verlassen hatte. Sein Lied würde sie wiederauferstehen lassen, für eine Weile. Das Instrument würde ihre Stimme erwecken und sein Gesang würde sie preisen.
Vicarius steckte die Kerze in den Halter und nahm das Instrument zur Hand, dass er ihr zu Ehren angefertigt hatte. Kunstfertig mit Schnitzereien verziert und filigran war es, dennoch vermochte es ihre einstige Schönheit nicht einzufangen.
Auch sein Lied würde nur ein Abglanz ihres reinen Wesens sein.
Oh, wie hatte er sie geliebt.
Seine Finger glitten gewandt über die Saiten und entlockten ihnen Töne, hell wie ein Frühlingsmorgen. Vicarius sang von ihr und weinte dabei. Er pries ihre Stimme, ihre roten Lippen, wie sie gelächelt und ihn verzaubert hatten. Er sang von seiner Liebe zu ihr und der Gram wich von ihm.

Lange Zeit spielte er, die Welt um ihn vergessend. Er wurde nicht müde ihr Lied zu singen, denn sein Herz frohlockte. Stunden, Tage? Er vermochte es nicht zu sagen. Weder Hunger noch Durst plagten ihn, denn die Liebe war es die ihn nährte. Die Kerze war vor langer Zeit verloschen, doch er brauchte kein Licht um sie zu sehen.
Er spielte ohne Unterlass, mit blutenden Fingern und sang dazu mit stechender Kehle.
Er fühlte nicht die Schmerzen, denn sie waren ein geringer Preis für die Freude in seinem Herzen.

Dann war es vorbei. Eine Saite war gerissen, das Stimmband. Es konnte nicht ersetzt werden. All seine Instrumente waren einzigartig beschaffen. Wenn eines brach, war es für immer. Nie wieder würde er damit die Erinnerung an seine Geliebte wecken können. Nun war sie endgültig tot, doch er trauerte nicht mehr.

Vicarius nahm das Instrument und legte es in eine Truhe, die mit Samt ausgekleidet war. Darauf setzte er eine goldene Tafel, mit dem Namen seiner Liebe. Dann stieg er aus dem dunklen Keller nach oben. Er würde ruhen und sich erholen. Während sein Körper neue Kraft schöpfte, würde die Liebe verblassen.
Es war nicht das erste Mal, dass er dies durchmachte. Binnen kurzem würde er sie vergessen haben.

Schon bald sollte er erneut die Suche nach einem jungfräulichen Mädchen beginnen, aus deren Körper er ein Instrument zu fertigen vermochte.

 

Hallo Porcupine!

Du schreibst also auch Geschichten in meiner Lieblingsrubrik? Schön...

Das ist eine Pointegeschichte. Kurz, knapp aber hart. Sie hat keinen grossen Tiefgang, es ist nicht eine Geschichte, über die ich lange nachdenke. Es ist eine Geschichte, in die man sich einliest, kurz Zeit hat, in den Prot. hineinzufühlen, Mitleid mit ihm zu haben und dann... hart, wirklich hart.

Ich weiss jetzt gar nicht recht, was ich noch mehr zu deiner Geschichte sagen könnte. Gut hat sie mir gefallen (alles andere hätte mich enttäuscht), aber wie gesagt, sie ist weder tiefsinnig, noch breit ausgebaut. Sie ist knapp, aber das genügt mir(bin grad in der Schule und wäre sie länger, hätte mir die Zeit fürs Lesen und Antworten nicht gereicht:D)

Das altmodische der Geschichte hat mir sehr gut gefallen, weil es in Horror mal eine Abwechslung ist. Ich nehme an, dass dies wieder eine Geschichte von dir ist, die du 'einfach so in einem Zuge' niederschreiben konntest und die Idee dazu entsprechend 'plötzlich' hattest.

Eine Frage noch:
"Eine Saite war gerissen, das Stimmband. "
Das habe ich glaube ich nicht ganz verstanden. Die Saite ist aus dem Stimmband gemacht, oder wie?

mfg Van

 

Hallo Van Horebeke

freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat. Kurz knapp, in einem Zug geschrieben und mit Pointe, genau so wollte ich sie haben. Ich glaube auch nicht, dass diese idee viel mehr hergibt.

Das mit dem Stimmband hast du ganz richtig erkannt.

liebe Grüße

Porcupine

 
Zuletzt bearbeitet:

Zu kurz!

Zu knapp!

Klar, wenn man wie ein Minnesänger formuliert ( ;) ), dann ist es schwierig, was längeres hinzubekommen. Es fehlt eindeutig Atmosphäre. Ich will was aus der Zeit wissen, in der die Handlung spielt. Ich will wissen, wie er aus den toten Körpern Instrumente anfertigt. Ich will wissen, warum er es macht. So hast du ein Gerüst, bestehend aus Knochen, es fehlt also nur noch das Fleisch. So, wie er jetzt hier steht, ist der Text abolut unausgegoren, du läßt den Leser frustriert mit den wenigen Sätzen zurück. Und die Pointe gibt auch nichts her. Du erwähnst dermaßen penetrant, was für Gefühle Vicarius hat, wenn er in die Saiten haut, dass ja klar wird, was abgeht. Spätestens ab "Eine Saite war gerissen, das Stimmband." sollte es jedem ersichtlich sein.

So, das wars von meiner Seite aus.

Gruß
Poncher

 

Mir war leider ebenfalls viel zu früh klar, was gespielt wird, so das die Geschichte nicht wirklich ihre Wirkung entfalten konnte.
Vor allem, da die Sprache, die du gewählt hast, sehr gut zur Thematik paßt, solltest du dir Ponchs Vorschläge vielleicht zu Herzen nehmen. Da ließe sich wesentlich mehr draus machen.

Mich erinnert die Erzählung übrigens an die Mär vom Puppenspieler, der seine Puppen aus Menschen anfertigt - erst kürzlich von King Diamond vertont. Wenn du auf die Art von Musik stehst, hör's dir mal an, auf daß es dich inspirieren möge (was es tun wird)! :)

 

Vielleicht habe ich zu schnell gelesen, um beim erwähnten Satz sofort zu schalten. Deutlich ist er aber schon. Vielleicht kannst du ihn ein wenig unklarer, bzw. zweideutig machen. Bsp:
Das Instrument ist ein einmaliges Werk, die Saiten lassen sich ebensowenig ersetzen, wie der aus direkter Trauer entstehende Klang.

Den Text breiter zu gestalten wäre durchaus eine Möglichkeit, die je nach Umsetzung auch mir gefallen würde (obwohl ich gerne knappes habe). Dabei würdest du auf den direkten Horror/auf den Handlungshorror eingehen, wobei die Pointe wahrscheinlich verlorengienge, in diesem Falle müsste man sich für den Schluss (damit er nicht zu fade erscheint) etwas anderes, einen Wechsel, eine Überraschung einfallen lassen...

mfg Van

 

Hallo Poncher und falk

vielen dank für eure Kritiken

die gefunddenen Fehler habe ich bereits ausgebessert.

Das hier ist wohl meine kürzeste Geschichte bisher. Wie schon oben gesagt, es war als reine Pointenstory gedacht, deshalb habe ich auch auf jegliches drumherum verzichtet. Ich kürze nie, ich schreib das was andere kürzen erst gar nicht :D

das schwülstige gebrabbel war Absicht und sollte zeigen wie krank der typ ist ;)

eigentlich dachte ich ja, durch die hinweise darauf, dass er weder isst noch trinkt und seine finger bluten usw, den leser aufs glatteis zu führen. will heissen: man sollte denken die geschichte endet mit seinem Tod. Naja, is wohl nicht so gelungen. Mal sehn, vielleicht greife ich die Geschchte später noch mal auf und mach eine historisch akkurate Geschichte über einen mittelalterlichen Serienmörder daraus :)

aber erstmal schreib ich eine andere (ausführlichere) Geschichte fertig an der ich grad arbeite, diese hier hat sich einfach so dazwischengedrängt;)

Grüße

Porcupine

 

ah, Crossposting :D

ja, Van, eindeutig, wenn ich die Geschichte ausbaue, würde die Pointe verlorengehen. Was man aber mit tieferen Einblick in die Charaktäre wettmachen könnte.

 

Hallo Porcupine!

Die Sprache, die Du in dieser Geschichte verwendest, gefällt mir ausgesprochen gut! Die Pointe hast Du gut herausgearbeitet, aber der Weg dorthin ist m. E. viel zu kurz. Die Erwähnung von ein paar ähnlich gestalteten Instrumenten könnte eventuell den Horror verdichten. Dies ist jedoch meine ganz persönliche, unerhebliche Meinung in der Hoffnung, dass dieser Text länger wird, denn die Sprache, die Du in dieser Geschichte verwendest ...


Ciao
Antonia

 

Hallo Antonia

freut mich dass dir die Geschichte gefallen hat.

die Sprache? Die Sprache ist doch erst er echte Horror, für den Autor ;)

naja, mal sehen was sich machen lässt.

 

Hallo porcupine!

Ein origineller Gedanke: Die gerissene Saite ist unersetzlich, weil sie zusammen mit den anderen Stimmbändern in ein und derselben Kehle (hoffentlich stimmt das anatomisch!) gewachsen ist. Organische Harmonie sozusagen, gewachsener Zusammenklang aus einem Fleisch und Blut.
Auch die blutenden Finger, mit denen er spielt, gefallen mir. Um die Tote zu beschwören, müssen Opfer gebracht werden: Die Jungfrau und sein Blut und Schmerz.

Grüße gerthans

 

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