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Mimi
„Du hast schon wieder den Kühlschrank offen gelassen!”, kreischte Peters Freundin.
Er schlurfte in die Küche, kratzte sich am Bart und sah sich die Katastrophe an.
Lena stemmte die Hände in die Hüften. „Sag mal wie bescheuert kann man eigentlich sein? Ist es so schwer, eine Tür richtig zuzumachen?“
„War ich das?“
„Na, wer denn sonst? Ist außer dir jemand hier?”
Peter sah sich kurz um. Mimi, sein Kater, blinzelte träge zurück. „Ich denke nicht ...“
„Dann wirst du es gewesen sein!“
Peter runzelte die Stirn. Hatte er wirklich die Tür offengelassen? Er konnte sich nicht daran erinnern. Er hatte etwas gegessen, dessen war er sich sicher. Aber die Tür?
Schwierig ...
„Also ich hab's bestimmt nicht mit Absicht getan, Schatz.“
„Weißt du was? So langsam wünsche ich mir fast, du würdest es mit Absicht tun! Man kann doch nicht immer wieder die Kühlschranktür einfach offen lassen. Wo sind wir denn hier? In der Psychiatrie?“
„Also komm, hey, jetzt chill doch mal, ist doch nur eine Tür ...“
„Nein, es ist nicht nur eine Tür! Schau dir die Butter an, die ist schon verlaufen! Hast du schon mal was von Keimen gehört? Sagt dir EHEC was?“
„Warum?“ Peter zog die Stirn kraus. „Hast du etwa Gurken eingekauft?“
Lena kniff die Augen zusammen, ballte eine Faust, öffnete die Kehle und begann wieder zu kreischen.
Peter wich zurück, wollte fliehen, doch dann stöhnte Mimi, der auf der Theke saß, und sah Peter hilflos an. Peter opferte sich, nahm Mimi in den Arm und hielt ihm die Ohren zu.
„Was machst du jetzt mit dem blöden Kater?“, brüllte Lena. „Hat der schon wieder überall hingepisst, das Viech!“
„Ich finde es echt nicht okay, wenn du so über ihn sprichst, das verletzt ihn.“
„Er kann uns doch nicht verstehen!“
„Hey weißt du überhaupt, wie abnormal beschissen das klingt, wenn du so schreist?“
„Nein, Peter, weiß ich nicht!“
„Das ist so, als würde dir jemand eine Bohrmaschine an den Kopf halten und gleichzeitig ins Gesicht furzen.“ Peter wandte sich an Mimi. „Alles klar, kleiner Mann? Geht’s dir noch gut?“ Peter kratze ihm den Hals. „Ja, fein ... Ja, fein ... Hast schon wieder Lust auf Fleisch, du kleine Schnurrmaschine? Hm? Lust auf Fleisch? Hm?“
Lena fing an zu weinen. „Peter, ich weiß nicht ... ich weiß wirklich nicht, ob ich das, ob ich das noch ...“
Plötzlich hatte Peter eine Eingebung.
Lena würde ihn verlassen. Sie hatte zwar schon des Öfteren damit gedroht, doch jetzt war es tatsächlich so weit. Scheiß Kühlschrank. Jetzt würde Peter wieder allen erklären müssen, was passiert war, würde wieder zuhören müssen, wie die Freunde nette Dinge sagten und Peter dabei so ansahen, als sei er der größte Loser der Welt.
Es gab nur eine Möglichkeit, diese Loser-Blicke zu umgehen. Peter musste zuerst Schluss machen.
„Ich verlass dich, Lena.“
„Was?”
„Ich verlasse dich.”
Sie verzog das Gesicht.
„Es tut mir Leid, es war eine schöne Zeit und so ... ich hoffe, wir können Freunde bleiben.“
„Du willst mich verlassen! Das kannst du doch gar nicht!”
„Aber ich hab's doch grad getan, du bist offiziell verlassen worden.”
„Wann denn?”
„Vor fünf Sekunden.”
„Und warum?”
„Ich find dich irgendwie stressig ... und du stinkst manchmal.“
„Was?"
„Nimm's nicht persönlich, jeder riecht halt anders."
„Und wo willst du denn hin? Du bist doch arbeitslos.“
„Ich zieh zurück meiner Mutter.“
„Deine Mutter ist doch tot!“
Peter runzelte die Stirn.
„Sag bloß, das weißt du nicht mehr!“
Peter schüttelte den Kopf. „Hey sag mal ... für wie dumm hältst du mich eigentlich? Glaubst du wirklich, ich hätte vergessen, dass meine Mutter tot ist? Das war doch ein Joke! Ich zieh zurück zu meiner Mutter, das sagt man halt so, wenn man wo auszieht. Gott ... hast du denn gar keinen Sinn für Humor?“
Lena kreischte wieder, laut und schrill. Mimi sah Peter mit großen wässrigen Augen an und miaute.
Peter tätschelte ihm den Kopf – „Ist schon gut ...“ – und machte sich auf in Richtung Tür.
„Peter, jetzt warte doch mal! Willst du nicht zuerst darüber reden?“
„Nein.“
„Aber du kannst doch nicht einfach gehen!“
„Adé, Lena.“
„Aber ich liebe dich doch!“
„Tschau.“
Als Peter durch die Tür ging, blickte Mimi über Peters Schulter, hob die Pfote und zeigte Lena die Mittelklaue.
Dann grinste er und blickte zum Kühlschrank.