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Milchmädchen
Die Verwandlung von Frau zum Rind begann früh. Sie spürte, wie sich etwas in ihr einnistete. Zu Beginn fühlte sie noch keine Liebe. Nein, in stillen Momenten, wenn sie sich befreit von der Last wähnte, gesellschaftlich geforderte Vorfreude versprühen zu müssen, überkam sie das Empfinden, ein Parasit wäre mit einem Umzugsunternehmen in ihren Leib eingezogen.
Er verschaffte sich Raum in ihr. Nicht in ihrem Herzen, nein, in ihrem Unterleib. Sie träumte von einem Alien, das die Macht über ihren Körper übernahm und sich widerwärtig in ihr ringelte.
Dann biss es sich fest und überschwemmte ihren Körper mit Hormonen und die emotionale und körperliche Verwandlung begann.
Die Brüste gehörten nicht mehr zu ihr. Sie beäugte argwöhnisch die Transformation ihrer liebsten weiblichen Attribute, dem Sinnbild ihrer femininen Koketterie, zu etwas Fremden, dass den Erhalt des Lebens sichern sollte.
In schwierigen Momenten, und solche gibt es viele in jeder Schwangerschaft, Generationen von Männern können ein Lied davon singen, hatte sie die Befürchtung, es könnten die beiden Hübschen eines Nachts heimlich zusammen wachsen, sich vier Zitzen ausbilden und sie am Morgen mit einem Euter erwachen.
Obwohl das nicht geschah, verlor sie den Zugang zu ihnen, setzte sie nicht mehr in Szene. Sie hätte es vermessen und irgendwie pietätslos empfunden, die Ansätze der Schoppen zu zeigen.
Auch die Gesellschaft trug Schuld an ihrer Verwandlung. Die Frau trat in den Hintergrund. Auf eine absonderliche Weise hatte sie fast ihre Identität verloren und es bestand ein kollektives Anrecht auf sie, nein, auf ihren Zustand. Ja, sie war kein Mensch mehr, sondern nur noch ein Zustand.
Das erste Mal in ihrem Leben wurde sie von allen fremden Männern komplett ignoriert, als hätte sie die Pest.
Ihr wurde ein Stempel aufgedrückt, den sie für alle sichtbar plakativ vor sich her trug, später schleppte.
Besetzt. Diese Frau ist besetzt, begattet, indiskutabel.
So verlor sie sich aus den Augen. Die Hormone machten ihr den Abschied leicht.
Die kurzen Röcke und engen Jeans verschwanden in tiefen Regionen ihres Kleiderschranks und fristeten dort lange Jahre des stillen, vergessenen Moderns. Warum sie nicht aufbegehrte, nicht um sich und ihre Identität als Frau kämpfte, ist unbegreiflich. Sie fühlte sich nur noch als Trichter. Als Froschlaich, der die Eier sicher umschließt und nach dem Schlüpfen den Kaulquappen als gute Eiweißquelle und Proviant für die Anfangszeit dient.
Latzhosen, die ihren entfrauten Zustand albern unterstrichen, machten es ihr bequem um die Mitte. Und bequem in der Gesellschaft.
Kinder standen freiwillig im Bus auf, alte Frauen tätschelten ihre Kugel, sie war jetzt nur noch Teil des Arterhalts.
Sie wurde wie eine Königinnenlarve mit Gelée Royale gefüttert und ging auf wie ein überdimensionierter Hefekloß. So verlor sie ihre unteren Regionen, die sie eh nur noch indirekt im Spiegel betrachten konnte, das Unvermögen, sich selber mit der Enthaarung zu beschäftigen tat ihr übriges, komplett aus dem Sichtfeld. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Nach dem einschneidenden Erlebnis des Gebärens wurde nicht nur die Nabelschnur durchtrennt, nein, auch der Zugang zu ihrer Sexualität fiel der Schere anheim. Es bestanden keine Nervenbahnen mehr zwischen ihrem Gehirn und ihrem Sexualorgan.
Im frühen Wochenbett kümmerten sich die Krankenschwestern um alles unterhalb des Bauchnabels. Das war ihr sehr recht, denn sie bestand nur noch aus Milchbrüsten zum Nähren, Armen zum Halten und Liebkosen, einem Mund, um den weichen Flaum zu küssen, einer Nase zum Riechen des wunderbaren Dufts. Augen, um die Lieblichkeit aufzusaugen, einer Stimme, um Schlaflieder zu singen und einem Gehirn, das nur noch einen Gedanken kannte.
Das da unten empfand sie als fremden, bedrohlichen Kriegsschauplatz, als Veteran. Im Grunde erwartete sie fast eine Kriegsversehrtenrente vom Staat.
Das Merkwürdige war, all das störte sie nicht. Der Mann an ihrer Seite war nur der Vater. Emotionen für ihn waren nicht mehr vorhanden, er war nur der Mann, der zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort war.
Die Liebesentwicklung war erstarrt, die Schwangerschaft hatte sie nun über Jahre auf ihn festgelegt.
Hatte sie das entschieden? Das Rind wusste das zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Man hat ja auch keine Zeit, sich zwischen Stillpausen, Kindergartentaschen mit gesunden Obstmahlzeiten packen, Schultütenbasteln, Laternenlaufen, Schulentscheidungen mit solch etwas Nebensächlichem, wie der eigenen Person zu beschäftigen.
Sex? Hatte sie schon mal Sex? Gab es früher einmal ein Verlangen?
Die vagen Erinnerungen verhallten im Raum.
Eines schönen Morgens hatte sie sogar die Frage vergessen.
Und weidete und wiederkäute bis an ihr Ende.
Das darf nicht das Ende sein, sagte sich ein Wesen unterhalb des Bauchnabels. Schon geraume Zeit schmollte es zwischen den stämmig gewordenen Beinen des Rindes. Und beobachtete den desaströsen Zustand durch wuchernde Schambehaarung. Was es dort zwischen den Büscheln ausmachen konnte, war verheerend. 7/8 Hosen. Sinnbild der Opferung aller Weiblichkeit auf dem Scheiterhaufen der Übermutter. Die ihren immer dicker werdenden Arsch nur noch auf Spielplatzbänken, Elternabenden, Kinderturnen, Pekip, und kreativem Schultütenbasteln platt drückt.
Khaki. Passt zu allem. Korrespondiert sogar mit eingetrockneten Stillbäuerchenkötzerchen auf den Schultern. Besonders albern die Schnürchen an Bund und Wade, als ob es da noch Raum zum Schnüren gäbe, noch Hoffnung auf Gewichtsverlust bestünde.
Da ist sich das Wesen sicher, es gibt nichts auf Erden, was eine Frau schlechter kleidet.
Es hatte aber andere Pläne mit ihr.
Die Hautlustzentrale sendete oft Signale nach oben, zum Gehirn. Erfolglos.
Früher hatte man doch im Einklang gelebt, jeder kam auf seine Kosten.
Nun ist das Weib ein Milchmädchen geworden und hat ihre Lust vergessen.
Das Wesen brütete lange Zeit über dem Problem.
Eines Tages musste es über sich selbst lachen. Wenn interne Signale überhört werden, dann muss man einfach miteinander reden.
Ha! Zu was hat das Wesen denn einen Mund und sogar Lippen! Mit dem goldenen Schweigen hat es jetzt wirklich genug Jahre verplempert.
Silber ist die Devise.
Es wurde ganz unruhig, nachdem es endlich auf das Naheliegende gekommen war. Die Ungeduld musste aber gezügelt werden, alles hing auch vom rechten Moment ab. Einem Moment, wo kein Kind, kein Mann oder anderer Mensch störte. Nicht auf dem Spielplatz, nicht im Lebensmittelladen, dass würde sonst nur für ein hysterisches "Hallo" und eine aufgescheuchte Menschenmenge sorgen.
Eines schönen Abends war es soweit. Das Rind schnarchte und hatte ausnahmsweise kein Kind im Bett.
"He!"
Das Rind zuckte zusammen, glitt aber schnell wieder in seine Traumwelt ab.
"He, ich will, dass Du mir jetzt zuhörst."
Ein unbeschreiblicher Schreck durchzuckte den Körper des Rindes, wie ein Stromschlag. Es setzte sich auf, wie vom Teufel gerührt.
"Was?wie?wer..."
"Hör mir einfach zu. Ich bin Dein vergessenes Lustzentrum. Und mir reicht es nun. Wann hattest Du das letzte Mal Sex? Nein, bemühe Dich nicht, es war zur Zeugung Deines zweiten Kindes. Ich weiß das. Du hast mich jetzt Jahre vernachlässigt, begraben, vergessen. Aber ich bin noch da. Und wir werden das jetzt ändern. Nein, sei still, jetzt rede ich.
Schau Dich mal im Spiegel an. Willst Du nicht? Kann ich verstehen.
Hier kommt jetzt der 3-Schritteplan.
Ab Morgen bringen wir Dich wieder ins Geschäft.
Zu tun:
-Termin beim Friseur, nein, dunkelblonder Zopf ist praktisch, aber darum geht es ab morgen nicht mehr.
-Termin bei WW, ich hab das belauscht auf dem Spielplatz, ein paar Walküren hat das auch geholfen, ich dulde keinen Widerspruch, schau dich doch an, wo Du gelandet bist mit Deiner tollen Selbstbestimmung, ohne mich, die das Weibliche aus dir herauskitzelt. Die dich sinnlich macht.
-Schminke wird gekauft, Klamotten und Schuhe. Nein, was Du da trägst willst Du nicht ernsthaft Schuhwerk nennen.
Die Kinder? Ach, glaubst Du, die finden es schlimm, eine attraktive Mutter zu haben?
Ich entscheide das jetzt für Dich, zu lange hast Du Dich ohne meine Hilfe in diesen Zustand gebracht.
Und verdammt noch mal, Du gehst jetzt sofort ins Bad und rasierst mich, ich muss die Fortschritte mit freier Sicht überprüfen können."