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Milchmädchen

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30.06.2014
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Milchmädchen

Die Verwandlung von Frau zum Rind begann früh. Sie spürte, wie sich etwas in ihr einnistete. Zu Beginn fühlte sie noch keine Liebe. Nein, in stillen Momenten, wenn sie sich befreit von der Last wähnte, gesellschaftlich geforderte Vorfreude versprühen zu müssen, überkam sie das Empfinden, ein Parasit wäre mit einem Umzugsunternehmen in ihren Leib eingezogen.
Er verschaffte sich Raum in ihr. Nicht in ihrem Herzen, nein, in ihrem Unterleib. Sie träumte von einem Alien, das die Macht über ihren Körper übernahm und sich widerwärtig in ihr ringelte.
Dann biss es sich fest und überschwemmte ihren Körper mit Hormonen und die emotionale und körperliche Verwandlung begann.
Die Brüste gehörten nicht mehr zu ihr. Sie beäugte argwöhnisch die Transformation ihrer liebsten weiblichen Attribute, dem Sinnbild ihrer femininen Koketterie, zu etwas Fremden, dass den Erhalt des Lebens sichern sollte.
In schwierigen Momenten, und solche gibt es viele in jeder Schwangerschaft, Generationen von Männern können ein Lied davon singen, hatte sie die Befürchtung, es könnten die beiden Hübschen eines Nachts heimlich zusammen wachsen, sich vier Zitzen ausbilden und sie am Morgen mit einem Euter erwachen.
Obwohl das nicht geschah, verlor sie den Zugang zu ihnen, setzte sie nicht mehr in Szene. Sie hätte es vermessen und irgendwie pietätslos empfunden, die Ansätze der Schoppen zu zeigen.

Auch die Gesellschaft trug Schuld an ihrer Verwandlung. Die Frau trat in den Hintergrund. Auf eine absonderliche Weise hatte sie fast ihre Identität verloren und es bestand ein kollektives Anrecht auf sie, nein, auf ihren Zustand. Ja, sie war kein Mensch mehr, sondern nur noch ein Zustand.
Das erste Mal in ihrem Leben wurde sie von allen fremden Männern komplett ignoriert, als hätte sie die Pest.
Ihr wurde ein Stempel aufgedrückt, den sie für alle sichtbar plakativ vor sich her trug, später schleppte.
Besetzt. Diese Frau ist besetzt, begattet, indiskutabel.

So verlor sie sich aus den Augen. Die Hormone machten ihr den Abschied leicht.
Die kurzen Röcke und engen Jeans verschwanden in tiefen Regionen ihres Kleiderschranks und fristeten dort lange Jahre des stillen, vergessenen Moderns. Warum sie nicht aufbegehrte, nicht um sich und ihre Identität als Frau kämpfte, ist unbegreiflich. Sie fühlte sich nur noch als Trichter. Als Froschlaich, der die Eier sicher umschließt und nach dem Schlüpfen den Kaulquappen als gute Eiweißquelle und Proviant für die Anfangszeit dient.
Latzhosen, die ihren entfrauten Zustand albern unterstrichen, machten es ihr bequem um die Mitte. Und bequem in der Gesellschaft.
Kinder standen freiwillig im Bus auf, alte Frauen tätschelten ihre Kugel, sie war jetzt nur noch Teil des Arterhalts.
Sie wurde wie eine Königinnenlarve mit Gelée Royale gefüttert und ging auf wie ein überdimensionierter Hefekloß. So verlor sie ihre unteren Regionen, die sie eh nur noch indirekt im Spiegel betrachten konnte, das Unvermögen, sich selber mit der Enthaarung zu beschäftigen tat ihr übriges, komplett aus dem Sichtfeld. Aus den Augen, aus dem Sinn.

Nach dem einschneidenden Erlebnis des Gebärens wurde nicht nur die Nabelschnur durchtrennt, nein, auch der Zugang zu ihrer Sexualität fiel der Schere anheim. Es bestanden keine Nervenbahnen mehr zwischen ihrem Gehirn und ihrem Sexualorgan.
Im frühen Wochenbett kümmerten sich die Krankenschwestern um alles unterhalb des Bauchnabels. Das war ihr sehr recht, denn sie bestand nur noch aus Milchbrüsten zum Nähren, Armen zum Halten und Liebkosen, einem Mund, um den weichen Flaum zu küssen, einer Nase zum Riechen des wunderbaren Dufts. Augen, um die Lieblichkeit aufzusaugen, einer Stimme, um Schlaflieder zu singen und einem Gehirn, das nur noch einen Gedanken kannte.
Das da unten empfand sie als fremden, bedrohlichen Kriegsschauplatz, als Veteran. Im Grunde erwartete sie fast eine Kriegsversehrtenrente vom Staat.
Das Merkwürdige war, all das störte sie nicht. Der Mann an ihrer Seite war nur der Vater. Emotionen für ihn waren nicht mehr vorhanden, er war nur der Mann, der zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort war.
Die Liebesentwicklung war erstarrt, die Schwangerschaft hatte sie nun über Jahre auf ihn festgelegt.
Hatte sie das entschieden? Das Rind wusste das zu dem Zeitpunkt nicht mehr. Man hat ja auch keine Zeit, sich zwischen Stillpausen, Kindergartentaschen mit gesunden Obstmahlzeiten packen, Schultütenbasteln, Laternenlaufen, Schulentscheidungen mit solch etwas Nebensächlichem, wie der eigenen Person zu beschäftigen.
Sex? Hatte sie schon mal Sex? Gab es früher einmal ein Verlangen?
Die vagen Erinnerungen verhallten im Raum.
Eines schönen Morgens hatte sie sogar die Frage vergessen.
Und weidete und wiederkäute bis an ihr Ende.

Das darf nicht das Ende sein, sagte sich ein Wesen unterhalb des Bauchnabels. Schon geraume Zeit schmollte es zwischen den stämmig gewordenen Beinen des Rindes. Und beobachtete den desaströsen Zustand durch wuchernde Schambehaarung. Was es dort zwischen den Büscheln ausmachen konnte, war verheerend. 7/8 Hosen. Sinnbild der Opferung aller Weiblichkeit auf dem Scheiterhaufen der Übermutter. Die ihren immer dicker werdenden Arsch nur noch auf Spielplatzbänken, Elternabenden, Kinderturnen, Pekip, und kreativem Schultütenbasteln platt drückt.
Khaki. Passt zu allem. Korrespondiert sogar mit eingetrockneten Stillbäuerchenkötzerchen auf den Schultern. Besonders albern die Schnürchen an Bund und Wade, als ob es da noch Raum zum Schnüren gäbe, noch Hoffnung auf Gewichtsverlust bestünde.
Da ist sich das Wesen sicher, es gibt nichts auf Erden, was eine Frau schlechter kleidet.
Es hatte aber andere Pläne mit ihr.
Die Hautlustzentrale sendete oft Signale nach oben, zum Gehirn. Erfolglos.
Früher hatte man doch im Einklang gelebt, jeder kam auf seine Kosten.
Nun ist das Weib ein Milchmädchen geworden und hat ihre Lust vergessen.
Das Wesen brütete lange Zeit über dem Problem.
Eines Tages musste es über sich selbst lachen. Wenn interne Signale überhört werden, dann muss man einfach miteinander reden.
Ha! Zu was hat das Wesen denn einen Mund und sogar Lippen! Mit dem goldenen Schweigen hat es jetzt wirklich genug Jahre verplempert.
Silber ist die Devise.
Es wurde ganz unruhig, nachdem es endlich auf das Naheliegende gekommen war. Die Ungeduld musste aber gezügelt werden, alles hing auch vom rechten Moment ab. Einem Moment, wo kein Kind, kein Mann oder anderer Mensch störte. Nicht auf dem Spielplatz, nicht im Lebensmittelladen, dass würde sonst nur für ein hysterisches "Hallo" und eine aufgescheuchte Menschenmenge sorgen.
Eines schönen Abends war es soweit. Das Rind schnarchte und hatte ausnahmsweise kein Kind im Bett.

"He!"
Das Rind zuckte zusammen, glitt aber schnell wieder in seine Traumwelt ab.
"He, ich will, dass Du mir jetzt zuhörst."
Ein unbeschreiblicher Schreck durchzuckte den Körper des Rindes, wie ein Stromschlag. Es setzte sich auf, wie vom Teufel gerührt.
"Was?wie?wer..."
"Hör mir einfach zu. Ich bin Dein vergessenes Lustzentrum. Und mir reicht es nun. Wann hattest Du das letzte Mal Sex? Nein, bemühe Dich nicht, es war zur Zeugung Deines zweiten Kindes. Ich weiß das. Du hast mich jetzt Jahre vernachlässigt, begraben, vergessen. Aber ich bin noch da. Und wir werden das jetzt ändern. Nein, sei still, jetzt rede ich.
Schau Dich mal im Spiegel an. Willst Du nicht? Kann ich verstehen.
Hier kommt jetzt der 3-Schritteplan.
Ab Morgen bringen wir Dich wieder ins Geschäft.
Zu tun:
-Termin beim Friseur, nein, dunkelblonder Zopf ist praktisch, aber darum geht es ab morgen nicht mehr.
-Termin bei WW, ich hab das belauscht auf dem Spielplatz, ein paar Walküren hat das auch geholfen, ich dulde keinen Widerspruch, schau dich doch an, wo Du gelandet bist mit Deiner tollen Selbstbestimmung, ohne mich, die das Weibliche aus dir herauskitzelt. Die dich sinnlich macht.
-Schminke wird gekauft, Klamotten und Schuhe. Nein, was Du da trägst willst Du nicht ernsthaft Schuhwerk nennen.
Die Kinder? Ach, glaubst Du, die finden es schlimm, eine attraktive Mutter zu haben?
Ich entscheide das jetzt für Dich, zu lange hast Du Dich ohne meine Hilfe in diesen Zustand gebracht.
Und verdammt noch mal, Du gehst jetzt sofort ins Bad und rasierst mich, ich muss die Fortschritte mit freier Sicht überprüfen können."

 

Hallo Gretha,

bei Kafka wird der Mann zum Käfer, bei Dir die Frau zur Kuh. Der Konflikt besteht zwischen Schwangerschafts- und Sexualhormonen. Die streiten um die Gunst des Gehirns. Es fehlt etwas an Spannung, denn der Frauenkörper erreicht am Ende ohne besonderen Kampf seinen Normal- oder Ausgangszustand. Interessant, wie sich eine Frau so sehen und befühlen kann. Ich habe das gerne gelesen.

Das Merkwürdige war, all das störte sie nicht. Der Mann an ihrer Seite war nur der Vater. Emotionen für ihn waren nicht mehr vorhanden, er war nur der Mann, der zum richtigen Zeitpunkt am rechten Ort war.
Ja, merkwürdig. Der Typ hat ja jetzt eines seiner Milliarden Spermien am Ziel! Weg mit ihm.
7/8 Hosen.
Was sind 7/8 Hosen?
Pekip kenn ich nicht. Da hab ich sicher was verpasst.
die Ansätze der Schoppen zu zeigen
Ein Schoppen ist doch ein Getränk für Babys?

Kleinigkeiten:
Manchmal verwendest Du Floskeln, z. B.“ als hätte sie die Pest“, „Aus den Augen, aus dem Sinn“, etc.

zu etwas Fremden, dass den Erhalt des Lebens sichern sollte.
das
Übermutter. Die ihren immer dicker werdenden Arsch nur noch auf Spielplatzbänken, Elternabenden, Kinderturnen, Pekip, und kreativem Schultütenbasteln platt drückt.
Übermutter, die
"He!" (weiter unten auch)
"was?wie?wer..."
Was

Irgendwie schon seltsam und komisch die Geschichte. Mach weiter so.
Viele Grüsse
Fugu

 

Hallo Gretha, dass du schreiben kannst, weiß ich seit deiner ersten Geschichte, die mich um einiges mehr angesprochen hat, weil sie Spannung hat. Etwas Distanz, Ironie, eine feine Sprache....nett zum Lesen wird das immer. Aber hier fehlt mir was. Ein paar Milliarden Frauen könnten hier sagen: Ja, genau so ist es. Nur schreiben hätte ich das nicht können. Aber reicht dir das? Das ist eine gut geschriebene Glosse. Wo ist das Einzigartige, das Besondere? Wo ist Gretha? Die Gretha kann viel mehr fesseln, wenn sie wirklich etwas erzählen will.
lieben Gruß von
wander

 
Zuletzt bearbeitet:

Servus Gretha,
ich will’s mal so sagen, ich habe auf der Seite hier schon weitaus nichtssagendere und seelenlosere Texte gelesen. Aber im Grunde geht es mir mit diesem Text wie wander, bzw. wie mit deinem Debüttext. Ich empfinde ihn nicht als Geschichte.
Ist halt immer die Frage, was man sich vom Lesen, von Lektüre erwartet. Wenn man sich nur leise schmunzelnd unterhalten und sich durch das Geschriebene an Selbsterlebtes erinnert fühlen will, weil man das quasi zustimmend abnicken kann, wenn man sich hauptsächlich in der eigenen Welterfahrung bestätigt sehen will, dann funktioniert dein Text vermutlich. Dann bekommt der vermutlich auch Leser, allerdings diejenigen, die vorwiegend Kolumnen schätzen. Leute jedoch, die „Geschichten“ lesen wollen, die ihnen im besten Fall durch stilistische Außergewöhnlichkeit das Hirn zu verdrehen imstande sind und deren Inhalt ihnen gleichzeitig einen Pfahl ins Herz rammt, na ja, die wirst du mit diesem Text wahrscheinlich nicht erreichen. Dazu fehlt ihm das Unvorhersehbare, das Überraschende, das Mitreißende, das Individuelle, das gut ausgedachte Fiktive und ja, das „Literarische“. Was immer das heißen mag. Aber ich glaube, du weißt, was ich meine.
Ich lese so was und habe es nach dem letzten Satz gleich wieder vergessen.
Du solltest dich mehr trauen, Gretha, weil schreiben kannst du ja.

offshore

 

Hallo Gretha

Die Verwandlung von Frau zum Rind begann früh.
Herrlich :) "dumme Kuh" gibt dem Satz nochmal eine ganz andere Perspektive... ja, ist hier nicht gemeint, aber trotzdem kam mir diese Assoziation. :D
im Ernst: Ich finde den Eröffnungssatz gelungen!

Die ersten beiden Absätze habe ich amüsiert gelesen (mein Kind ist gerade 5Wochen alt. daher ist die Erinnerung noch frisch.

Der dritte Absatz war mir mit dem Froschlaich dann etwas zu dick aufgetragen. Zumal du dich von dem Kuh-Bild dabei entfernst, da ein zweiter Vergleich reinkommt.

Außerdam fand ich es schade, dass ab dem dritten Absatz mein Schmunzeln weg blieb. Ich kann Dir leider nicht genau sagen, warum, aber irgendwie waren die ersten Absätze witziger.

Die Zeiten gehen dann auch etwas schnell...

Man hat ja auch keine Zeit, sich zwischen Stillpausen, Kindergartentaschen mit gesunden Obstmahlzeiten packen, Schultütenbasteln, Laternenlaufen, Schulentscheidungen mit solch etwas Nebensächlichem, wie der eigenen Person zu beschäftigen.
hier packst du gleich mehrere Jahre in einen Nebensatz. Das ist als Leser ganz schon hart ;)

Dass der Mann so weggeschoben wird - nun gut, das ist meine persönliche Meinung, dass ich das nicht mag - als Mann! :)

Das Ende emfand ich etwas als Stilbruch, dass da der Unterleib so personal wird und eine Rede hält. Ein Vorschlag: Schreib den Text aus der Perspektive des Unterleibs. (oder der Vagina). So viel ist dafür gar nicht zu ändern, denke ich. Dann kommt die Rede nicht so überraschend.

Fazit: Nette Idee. Witziger Anfang. Dann geht es aus Meiner SIcht etwas durcheinander. Und das Ende ist eine nette Idee, aber passt stilistisch nicht zum Rest des Textes.
Dennoch: gern gelesen!!! :)

Gruss
pantoholli

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Fugusan,
danke fürs Lesen und Kommentieren. Die Hormone sind ein großes Thema im Leben einer Frau. Ich denke, sie sind in erster Linie der Grund, warum viele Frauen ungleich komplizierter in ihrem Denken, Fühlen und Agieren sind. Ich sage oft zu meinem Freund, dass ich froh bin, eine Frau zu sein und heterosexuell. Mich würde das Beziehungsleben mit einer Frau irre machen.
Pubertät, PMS, Eisprung, Schwangerschaft und Menopause. Ist man anfällig für die Biester, hat Frau alle Hände voll zu tun damit.
7/8-Hosen sind eine fürchterliche Erfindung. Der Name bezieht sich auf die Länge, also 7 Teile von 8. Nicht kurz, nicht lang. Sie lassen alle Frauen optisch aussehen wie Kopffüßler, beziehungsweise, sie stauchen. Da es bei den Frauen im Stil des Rindes aber nicht mehr um Proportionen, sondern um Bequemlichkeit geht, sieht man sie sehr gehäuft auf typischen "Rinderweideflächen".
Danke, für die Verbesserungsvorschläge.
Und das Kompliment am Ende.
Gretha


Hallo Wander.
Mir ist bewusst, das dieses Thema weniger spannend ist. Aber letztlich ist es die Kehrseite der Medaille.
Eine Frau kann alles sein, beide Extreme in sich vereinen. Sie kann durch das Leben wandeln und an jeder Ecke nur an Sex erinnert werden, vor Verlangen platzen. Sie kann aber auch die Lust auf Männer und Sex vollkommen verlieren.Dann kommen einem Annäherungen von männlicher Seite so aufdringlich und abstoßend vor, wie ein notgeiler Hund, der sich an das Bein klammert und Begattungsbewegungen vollführt.

Zu lesen ist für einen Mann die lustvolle Seite natürlich angenehmer. Und spannender. Beide Geschichten beschreiben ein Extrem. Meist schwingt das Pendel nicht so drastisch.

Aber schön, dass Du es trotzdem gelesen hast und mir etwas dazu schreibst.
Gretha ist in beiden Texten. Vielleicht hier weniger inspiriert, das mag sein.
Zum Thema Glosse oder Kolumne schreibe ich unten gleich noch was.
Danke Dir,
Getha

Hallo Ernst,
auch Dir danke für Deine Gedanken.
Kolumne, Kolumne, ich ärgere mich ja selber. Aber scheinbar ist der Stil etwas, was zu mir gehört. Ich habe mal für einen Freund etwas geschrieben, was mich geprägt hat, eine sehr unschöne Sache aus meiner Kindheit. Darüber zu reden finde ich manchmal schwierig, also schrieb ich ihm das, was schon traumatisch für mich war.
Und in welcher Form?
Ich fing an mit: "Es war einmal ein Mädchen..." und plauderte in den für mich typischen oberflächlichen und ironischen Plaudernton. Lustig, leicht, fast fröhlich über all den Schmerz.
Das ist für mich irgendwie die Art, mit problematischen Themen, die mich betreffen, die mich getroffen haben, umzugehen. Ich kann in negative belastende Themen nicht richtig eintauchen. Ich hüpfe immer eher heiter drüber, so komme ich in die nötige Distanz.
Danke, dass ihr mir das aufgezeigt habt. Wie ich das ändern kann, weiß ich noch nicht. Bis dahin versuche ich einfach, die Kolumnen zu perfektionieren.
Danke Dir,
Gretha

Hallo Pantoholli,
schön, dass Dich die ersten Absätze amüsiert haben. Ich finde es witzig, dass Dir der untere Teil nicht recht zugehörig vorkommt. Ich habe vor wenigen Woche die Geschichte bis "Und weidete und wiederkäute bis an ihr Ende." geschrieben. Es kam mir aber irgendwie nicht fertig vor. Und habe gestern das unten noch angestückelt.
Scheinbar zu wenig homogen. Ich hätte das Wesen früher dazwischen bauen müssen. Oder eben in einem Zug schreiben, mit dem Gefühl für das Rind, ohne nachträglich noch dran herum zu pfuschen, mit einem anderen Gefühl.
Ich muss Geschichten immer ziemlich an einem Tag in ein paar Stunden schreiben, sonst verliere ich die Empfindung für die Charakteren und kann mich später nicht mehr einfühlen.
Mein Kunstlehrer hat mir früher beim Plastizieren verboten, im Nachhinein noch einen Klumpen Ton anzustückeln. "Denn der Teil wird dann nie zum Körper gehören."
Er hätte wohl recht.
Danke fürs Aufzeigen.
Liebe Grüße, Gretha.

 

Hallo,

also, dass Frauen aufgrund ihrer Hormone komplizierter im Denken, Handeln und Fühlen sind als Männer, halte ich mal für eine steile These.

Abgesehen davon: Das Thema ist gut. Da steckt viel drin. Gesellschaftlich ist die Mutter immer noch asexuell, oder sie hat zumindest so zu sein: irgendwann dann kann man wieder zu einer M.I.L.F mutieren, aber genau scheint das nicht festgelegt zu sein. Also, du machst das schon gut, du hast da so ein Bündel an Argumenten, aber du machst es dir auch unnötig schwer. Wenn du diese Erkenntnisse nun in eine Geschichte packen würdest, uns etwas erzählen könntest, würdest du mehr Wirkung erzielen. Du sagst, dieser Stil gehöre zu dir - aber es ist eben keine Kurzgeschichte, die du uns hier vorstellst. Du wirst dann nicht mehr an substanzieller Kritik hören, als eben dies. Ernst hat es ja schon geschrieben. Dein anderer Text geht auch in die Richtung. Schreiben kannst du sicherlich, das merkt man, wenn du jetzt noch ein wenig mehr Energie in Plot, Konflikt und die Figuren investierst, da bin ich mir sicher, kannst du eine sehr guter Erzählerin werden.

Gruss, Jimmy

 

Hallo Gretha

Ich habe die vorliegend formale Erzählung in einem Zug gelesen, den Empfindungen und Regungen der Protagonistin folgend. Ich bin mir nicht im Klaren, ob dieser Stil emanzipatorische Moderne ist, im Moment fällt mir keine Schriftstellerin ein, deren Werk ich gelesen hatte und sich vergleichend heranziehen lässt. Es liest sich leicht, und doch vermittelt der Text in der Schilderung der Persönlichkeit ein sehr dualistisches Bild, Wirrnisse seelischer Empfindungen wild aufreihend.

Im ersten Abschnitt offenbart sich gleich die Ambivalenz einer Identitätskrise. Dies finde ich gelungen, da es ohne Umschweife in das Thema vordringt. Auch die Unsicherheit der Gefühle fügt sich, von hormoneller Überflutung diktiert wie auch in der Selbstwahrnehmung des wandelnden Körperbildes Ausdruck findend, ein. Doch dann wird es zum obskuren Abstraktum einer Selbstverleugnung an Reizen und Empfindungen. Soweit mir bekannt, sind die Schwankungen in diesem Stadium von Last und Lust sehr stark, doch eher nicht einseitig polarisiert.

Der zweite Akt, beinah wie eine Annäherung an eine postnatale Depression wird zur endgültigen Zuspitzung der Ablehnung mütterlicher Wahrnehmung, einhergehend mit dem sich Aufgeben als weibliches Wesen. Dieses destruktive Bild gestaltet die Protagonistin sich allerdings selbst, da sie sich nicht aufrafft, die Entwicklung und Reifung welche auch mitschwingt, nutzend. Das Selbstmitleid erzeugt ihr eine Sogwirkung zu einem beinah unerträglichen Sein.

Im dritten Akt, den Säugling an der Brust [nur sinnbildlich gemeint], bleiben ihr Lustgefühle aus. Das Säugen, an sich durch Sinnesreize beflügelt, gibt ihr keinen Gewinn. Eine frigide Öde hat ihren Körper und ihre Sinne im Besitz.

Im vierten Akt, ein Aufmucken neu erwachter Lust, liest sich nach so viel tiefem Fall dann nicht mehr authentisch. Es zeigt das Bild einer Ertrinkenden, die sich selbst an den Haaren aus dem stürmischen Fluss des Niedergangs ziehen will. Für mein Empfinden funktioniert dies nicht, es müsste zumindest eine Phase des „Schwimmen Lernens“ vorangehen, ihr Wille zur Entfaltung ihrer Gefühle vehement eingekehrt sein und eben eine Genese sich einstellen. Wenn es mehr sein möchte als nur ein Protest, müsste diese Wiederfindung an Identität stärker gewichtet und eingebettet sein.

Insgesamt ein sehr verdichtetes Bild, ein fiktives, wenig reales Psychogramm auslebend. Ich fand es interessant, doch rückblickend finde ich es in Aufbau als auch in der Wandlung nicht ausreichend zu einer eigentlichen Geschichte geformt.

Nicht so recht überzeugen mochte mich der Titel: Milchmädchen. Doch hat er durchaus eine Folgerichtigkeit, die Ablehnung dieser naturgebundenen Gegebenheit ausdrückend.

Die andern Kommentare habe ich noch nicht gelesen, wieweit die Meinungen auseinandergehen, ist mir also nicht bekannt, doch werde ich dies noch nachholen.

Schöne Grüsse

Anakreon

 
Zuletzt bearbeitet:

Jimmysalaryman,
die These ist vielleicht steil. Ich hab sie aber relativiert, nicht alle Frauen reagieren extrem auf die Hormone. Ich zum Beispiel schon. Vor dem Eisprung hab ich fast ein bisschen Angst, vor die Türe zu gehen, die Gefahr, multipelgeschwängert zurückzukommen, fühlt sich sehr real an. PMS macht mich unhaltbar. Mein Partner drohte mir vor einiger Zeit mal "ich bin heute nicht zurechnungsfähig, bitte fragen sie meinen Vormund." auf die Stirn zu schreiben.

Das Du mir zutraust, die Anlagen dazu mitzubringen, Erzählungen zu verfassen, freut mich echt.
Ich hab noch ein paar Probleme mit der Fiktion, ich hoffe, ich bekomme das noch auf die Rille.
Danke Dir,
Gretha

Anakreon,
Puh, da hast Du aber sehr viel raus gelesen. Mir schwirrt noch der Kopf. Der ursprüngliche Grund, die "Geschichte" zu schreiben war eine männliche Reaktion auf "Süße Last der Passivität". Er schrieb mir, dass er es wunderbar findet, dass ich solch einen unkomplizierten, fast männlichen Umgang mit meiner Sexualität hätte. Das es auch Frauen gibt, die Hormongeschwängert auf optische Schlüsselreize reagierend durch ihre Umwelt stolpern. Er hätte die weibliche Sexualität immer als sehr sensibles Pflänzchen erlebt.
Und da fragte ich mich, bin ich unkompliziert? Und kann das ohne große Umschweife mit nein beantworten.
Das Milchmädchen ist das Gegengewicht zur anderen Frau. Beide Anteile gibt es, beide sind sicherlich auf die Spitze getrieben und überzeichnet. Aber ich kenne beide Mädchen.

Dann war mir hier wichtig den Moment zu zeichnen, wo sich das Rind schon gewahr ist, schwanger zu sein, aber noch nicht umprogrammiert ist. Ist eine seltsame Zeit. "Zustand sein" ist für viele Frauen bestimmt ein glückseliges Gefühl. Wahrscheinlich gibt es viele Frauen, denen es gut gelingt, ihre Identität zu wahren. Oder schneller in ihre Persönlichkeit zurückfinden.
Dem Rind ist das sehr spät gelungen. Letztlich musste die verschüttete Lust sie an der Hand nehmen.
Rind gebliebene Mütter sehe ich oft in meiner Umgebung.

Ich denke, mehr steckt da nicht drin. Eine postnatale Depression würde die Tatsache fast schon wieder entschuldigen. Ich denke in vielen Frauen steckt das Rind. Jede kann nur unterschiedlich mit ihm umgehen. Ihm mehr, oder weniger Raum gestatten.
Ein bisschen Rind gehört ja auch dazu, zum Arterhalt.

Vielen Dank für Deine ausführlichen Gedanken. Ich bin immer wieder erstaunt und dankbar, wie intensiv sich hier mit den Zeilen fremder Menschen beschäftigt wird.
Lieber Gruß,
Gretha

 

Hallo Max erzaehlt,
ich habe das Buch natürlich gelesen, seitdem ist die Bezeichnung "Rind" fest in meinem Sprachgebrauch verankert. Am Prenzelberg hat man sich exemplarisch in einen kollektiven Rinderwahnsinn gesteigert.

Das mit dem Anspruch, den ihr an eine Geschichte stellt, hab ich mich oben schon geäußert. Ich versuche das zu ändern.

Du hast Recht, ich hätte mich entweder für den Veteran, oder dem Kriegsschauspatz entscheiden müssen.
Beim nächsten Text versuche ich alle Anforderungen an eine Geschichte zu erfüllen, vielleicht schaust Du dann noch mal rein.
Liebe Grüße,
Gretha.

 

Hallo Gretha, ich hab den Text bis auf den Schluss gern gelesen. Es war interessant, wie du das Mutterwerden und Mutterwerden mit einer "Entfraulichung", sogar einer "Entmenschlichung" in Zusammenhang gebracht hast. In vielen Punkten dachte ich, dich gut verstehen zu können. Dann aber kam dieser Passus:

-Termin beim Friseur
-Termin bei WW
-Schminke wird gekauft, Klamotten und Schuhe.

Das hat mich rausgehauen und irgendwie enttäuscht, denn offenbar habe ich mehr reininterpretiert, als drin war. Unterscheidet DAS eine Milchkuh von einer Frau, einem Menschen? Frisur, Schminke und 90-60-90? Ist Lust nur möglich, wenn eine bestimmte Optik stimmt? Für mich ein extrem flacher Schluss für eine Geschichte, die auf mehr hoffen ließ :-(

 

Hallo Gretha :)

Ich muss Geschichten immer ziemlich an einem Tag in ein paar Stunden schreiben, sonst verliere ich die Empfindung für die Charakteren und kann mich später nicht mehr einfühlen.
Kann ich verstehen. Schränkt Dich aber ziemlich ein, oder? Ich denke da findest Du einen Weg ;)
Bei mir gährt das immer sooo lange, und wenn ich es dann schaffe mich ranzusetzen kommt manchmal sogar nur ein Satz pro Tag zusammen. Ja - kann dann auch gestückelt wirken. Aber gerade dafür mag ich dann wieder dieses Forum, weil hier Leute diese Lücken finden (und schmerzhaft drauf rumreiten :D )

Was mir noch zur Rede aufgefallen ist (und vielleicht wirkte sie deshalb nicht ganz passend für mich):
Für mich wirkt der Tonfall der Rede wie der einer Mutti.

He, ich will, dass Du mir jetzt zuhörst....
Hör mir einfach zu. Ich bin Deine Mutter. Und mir reicht es nun. Wann hattest Du das letzte Mal Hausaufgaben gemacht? Nein, bemühe Dich nicht, es war zur Mathearbeit letzte Woche. Ich weiß das. Du hast mich aus dem Zimmer geschickt, um zu lernen. Hast du aber nicht. Und wir werden das jetzt ändern. Nein, sei still, jetzt rede ich.
....
Es klingt wie ein "Rind".. :D
^^finde ich... Vielleicht war das ja auch gewollt.. :D

lieben Gruß
pantoholli

 

Etwas skurril aber durchaus nachvollziehbar. (Wobei ich schwangere Frauen immer sexy finde)
Ich finde den Schreibsil sehr interessant. Da ich hier ganz neu bin und noch keinerlei Kritikerfahrung habe möchte ich es auch dabei belassen.
Gruß

 

Tja, den Titel „Milchmädchen“ finde ich nicht gut. Besser wäre einfach: „Kuh“. Ansonsten konnte ich fast allen Veränderungen der Frau folgen. Im Gegensatz zu der von dir beschriebenen hatte meine Frau Lustgefühle beim Stillen. Und zuvor hat es auch Sex gegeben, selbst im neunten Monat. Und danach war der Appetit nach Sex auch bald da.

Aber das mit den Hormonen stimmt. Es sind schon gewaltige Veränderungen vor, während und nach der Schwangerschaft, die eine Frau durchmacht. Normalerweise, es gibt aber sicher Ausnahmen. Wie bei Männern auch: Es gibt solche und solche. Die einen können mit einer Schwangeren nichts anfangen, die anderen, sicher eine Minderheit, dafür umso mehr.

Das Hauptproblem bei Frauen: Sie finden sich selbst nicht mehr attraktiv. Und übertragen/projizieren das auf die Umgebung. Das hast Du gut rübergebracht, Gretha.

Zum letzten Teil: Lustzentrum liegt im Gehirn, an der Peripherie liegen nur ausführende Organe. Das ist wie beim Computer: Ohne Rechner geht nichts. Ist zwar nett, wie Du den Dialog geschrieben hast, aber rein von den Möglichkeiten her kann das Gehirn nur mit sich selbst sprechen.

Okay, bei einer Fiktion wie dieser, geht es möglicherweise auch anders. :D

 

Hallo Gretha,

nachdem ich mit deinem "Fucking Höhlengleichnis" schon festgestellt habe, dass du dich mit deinen Themen und Geschichten eher am Rande von dem bewegst, was die Allgemeinheit unter Normalität versteht, war ich nun gespannt auf einen weiteren Text von dir. Am "Milchmädchen" bin ich hängen geblieben, weil ich damit doch eher etwas Niedliches verbinde und mir gedacht habe, wie um alles in der Welt du daraus denn etwas Besonderes, um nicht zu sagen Absonderliches erschaffen kannst. Tja, so gesehen hast du meine Erwartungen nicht enttäuscht, denn das ist dir tatsächlich gelungen.

Dein Schreibstil macht es mir leicht, die Geschichte in einem Fluss zu lesen. Es entstehen Bilder in meinem Kopf, die ich manchmal gar nicht sehen will und obwohl ich von Zeile zu Zeile verstörter wurde (siehe unten), musste ich weiterlesen. Und wenn ich einen Text, den ich mit meinem Gewissen fast nicht vereinbaren kann trotzdem bis zum Ende verschlinge, dann machst du in meinen Augen ja eigentlich vieles richtig.

Der Schluss hat mich dann aber leider rausgehauen:

Zu tun:
-Termin beim Friseur, nein, dunkelblonder Zopf ist praktisch, aber darum geht es ab morgen nicht mehr.
-Termin bei WW, ich hab das belauscht auf dem Spielplatz, ein paar Walküren hat das auch geholfen, ich dulde keinen Widerspruch, schau dich doch an, wo Du gelandet bist mit Deiner tollen Selbstbestimmung, ohne mich, die das Weibliche aus dir herauskitzelt. Die dich sinnlich macht.
-Schminke wird gekauft, Klamotten und Schuhe. Nein, was Du da trägst willst Du nicht ernsthaft Schuhwerk nennen.

Für mich spricht bis zu diesem Teil aus deiner Geschichte viel Wortgewalt und ich habe mir da einfach ein komplett anderes Ende erwartet. Doch plötzlich kommen da so normale Dinge daher wie zum Friseur gehen, abnehmen, schminken etc. Andere sehen es vielleicht als Stilbruch, aber auf mich wirkt es so, als würdest du plötzlich, aus welchem Grund auch immer, von einem schreibtechnisch hohen Niveau auf ein niedrigeres zurückschalten.

Kurz noch zum Inhalt:
Das Wort "Emanzipation" ist da sofort vor meinem inneren Auge aufgetaucht. Warum? Weil für mich dieses Wort einfach nur negativ behaftet ist, so quasi alles was bis dato für Frauen normal war, soll nun plötzlich schlecht sein und sich um hundertachtzig Grad in die andere Richtung wenden. So auch Schwangerschaften und Kinder kriegen. Wenn die Frau von der Gesellschaft bzw. sogar vom eigenen Geschlecht auf ein Rindvieh reduziert wird, dann wundert es mich nicht, dass Kinderkriegen heutzutage schon beinahe als Krankheit angesehen wird, mit der man sich nur noch am Rande der Gesellschaft bewegt.
Das ist jetzt keine Kritik in dem Sinne, dass ich deine Geschichte irgendwie schlecht finde oder so, aber meinen persönlichen Geschmack trifft sie einfach nicht. Absolut nicht. Aber vermutlich lese ich sie auch gerade zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt.

Ich bin trotz allem gespannt auf deine weiteren Geschichten.

Gruß,
rehla

 

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