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Milchkaffee
Seine Hand liegt auf der glatten Oberfläche der Kaffeetasse. Obwohl er nach außen hin so ruhig scheint, sehe ich wie er mit sich ringt und es in ihm brodelt. Er hat schöne Hände, gerade und mit breiten Nagelbetten, die Fingernägel kurz geschnitten, aber nicht so kurz, dass es abgekaut aussieht. Klavierspielerhände, hätte meine Oma gesagt. Kurz treffen sich unsere Blicke, er probiert ein Lächeln, das nicht gelingen will und das ich nicht erwidere, schnell schaut er wieder in seinen Kaffee. Wie schwach er ist. Seinen Kaffee trinkt er mit viel Milch und zwei Stück Zucker, wie ein Bubi. Schwarz hätte ich sympathisch gefunden, aber genug Kreativität um darauf zu kommen, habe ich ihm ohnehin nicht zugetraut.
Ich trinke Tee, Karamell, natürlich ohne Zucker.
Wir schweigen und ich weiß, dass ihm das unangenehm ist. Ich genieße es, ihm zu zusehen wie er kämpft, wie er mich für sich einnehmen will, was ich vehement und zugegeben ein bisschen grausam ausdauernd abblocke. Ich bin ihm überlegen und das gefällt mir, obwohl es mich nicht stolz machen sollte ihn so zu sehen.
Das habe ich schon gemerkt, als ich ihn in mich verliebt gemacht habe, dass er zu einfach war für mich. Es war nicht schwierig. Ein klassischer Anhänger, der jemanden sucht der ihn leitet, dem er nachlaufen kann, wie ein Hund seinem Herrchen.
Nur suche ich niemanden, bei dem ich nur pfeifen muss, damit er springt. Mein Vor- und sein Nachteil, dass er das nicht weiß.
„Und wie geht es dir so?“ Seine Stimme versagt, er muss sich räuspern um den Satz zu vollenden.
Ich lächele halb, ein bisschen arrogant und doch so, dass er sich am liebsten über den Tisch beugen würde um mich zu küssen. Das kann ich gut, dieses Lächeln. Übung macht den Meister, bloß gibt es in meinem Fachgebiet kein Zertifikat. Wie schade.
„Gut“, sage ich direkt in seine Augen, „es könnte nicht besser sein“
Er nickt, vermutlich kann er nichts sagen. Der Arme.
„Sag mal …“, ich rühre einen Moment in meinem Tee, schaue ihm ein bisschen dabei zu wie er nicht fähig ist in meine Augen zu schauen, sehe zu, dass meine Zunge bei dem ‚l’ einen Wimpernschlag lang meine Vorderzähne streift, was ihn verrückt macht, „wieso wolltest du mich unbedingt sehen?“
Er sackt noch ein wenig mehr in sich zusammen, wenn das möglich ist. Es amüsiert mich, dass er anscheinend tatsächlich bis hierher einen Rest Hoffnung gehabt zu haben scheint, dass auch ich das Bedürfnis haben könnte ihn wieder zu sehen. Erbärmlich.
Er setzt sich auf, schaut mich an. Sein letzter Versuch, der allerletzte Funke Kampfgeist. Es fängt an mir wirklich Spaß zu machen. Fast bin ich froh, dass ich nach seinem ewigen Bitten und Betteln diesem Treffen zugestimmt habe, eigentlich nur um meine Ruhe zu haben.
„Das kann es doch nicht gewesen sein. Nach allem was war. Wir haben uns so gut verstanden, ich habe noch nie einen Menschen wie dich getroffen, mit dem ich lachen und reden kann und der so warmherzig ist.“
Ich muss mir auf die Backen beißen, um nicht zu lachen.
„Ich habe noch nie so intensiv für jemanden empfunden, seit diesen Tagen in Spanien gibt es nur noch dich für mich. Ich habe dein Gesicht vor Augen, wenn ich einschlafe und genauso, wenn ich aufwache. Ehrlich, ich hab' probiert es zu lassen und unsere Zeit zu vergessen aber immer wenn ich gerade dabei bin alles in den Hintergrund zu drängen, ist irgendetwas da was mich abhält. Dann muss ich wieder daran denken, wie du am Strand liegst und die Wellen hinter uns rauschen und wie dein Gesicht so nah vor meinem ist, dass ich dein Herz schlagen höre und den Sand sehe der sich hartnäckig unter deinem rechten Auge festhält, weil du einfach zu wunderbar bist und er dich nicht los lassen kann.“
Er schaut starr aus dem Fenster und trotzdem sind seine Augen so lebendig, ganz und gar auf diese Tage in Spanien gerichtet, in denen er mir von der Trennung seiner Eltern erzählte und wir uns, die Füße im Meer, am Strand liebten. Beziehungsweise ich ihn liebte, er war zu unbeholfen und zu glücklich. Obwohl er nichts gesagt hat, bin ich sicher, dass es sein erster Sex war.
Sein Blick kehrt zurück zu mir.
„Dem Sand geht es wie mir, Zoe. Ich will und kann und darf dich nicht vergessen, weil ich dich liebe.“
Gute Güte, das war nicht schlecht. Vermutlich aus sämtlichen Kitschromanen seiner Mutter zusammengeklaut. Er schaut mich so flehend an, wie nur ein Anhänger es kann, 'hab mich doch lieb' sagen seine zwar gewöhnlichen, aber nicht unattraktiven blauen Augen und trotzdem erkenne ich ein rezessives bisschen Zufriedenheit. Das macht mich rasend. Nicht mir mir, Kleiner. Ich bin nicht wie all diese gewöhnlichen, dummen, naiven Mädchen aus deiner Schule. Nicht wie meine Mutter, die sich von ihren Typen alles gefallen und alles mit sich machen lässt. Ich bin was Besonderes und ich bin eigenständig. Niemals, nie, nie werde ich abhängig sein von jemandem wie dir, allein in einem großen Haus mit einem Kind, während du deine Sekretärin vögelst.
Ich habe dich in der Hand und nicht umgekehrt.
Mein Blick ist kalt und teilnahmslos, als ich sage: „Das war ein netter Vortrag. Nur weißt du, sehe ich das alles ein klein wenig anders als du. Du warst Urlaub, verstehst du. Ein kleiner Flirt, ein kleiner Fick in heißem Sand, nur Spaß. Mit dir hatte das nichts zu tun, es hätte genauso gut mit jedem anderen sein können. Mir hat das alles nichts bedeutet. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, weiß ich auch, dass das falsch war. Ich hätte sorgsamer aussuchen müssen. Dann hätte ich vielleicht jemanden gefunden, der mir nicht mit dem Gejammer über seine Eltern den letzten Nerv raubt.
Und bestimmt hätte ich jemanden gefunden, der es mir wenigstens besorgen kann.“
Seine Lippen sind hart aufeinander gepresst. Gut so, eine schöne Reaktion. Langsam komme ich herunter. Ich stehe auf, mein Stuhl schleift leise über den Holzboden. Ich gehe mit langsamen Schritten auf ihn zu, streichele sachte mit meinen Fingern durch seine kurzen Haare.
„Na ja, lass dich nicht entmutigen. Heutzutage kann man operativ ja alles …“ Ich schaue kurz zu dem Reißverschluss seiner Jeans „ein bisschen größer machen“
Beinahe berühren sich unsere Nasenspitzen. „Sei nächstes Mal einfach ein bisschen weniger langweilig, mehr interessiert, als nur auf dich fixiert dann kann es sein, dass sogar du jemanden findest“
Ein kleiner Moment vergeht, während ich die Reaktion meiner Worte genieße.
„Ein schönes Leben wünsche ich“
Dann gehe ich mit schnellen Schritten aus dem Café, streife im Gehen meinen Mantel über und stelle mir das Geräusch der Tränen vor, die gerade sanft und leise in seinen Milchkaffee tropfen.