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Mihaly’s Hund

Monster-WG
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10.09.2014
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Mihaly’s Hund

Er hat schöne Augen. Bernsteinaugen mit kummervoll schräg gestellten Brauen. Die verleihen seinem Gesicht einen traurig-pessimistischen Ausdruck.
Aber er schaut mich nicht an! Vielleicht würde ich dann in seinen Augen lesen, dass er seine ganze Hoffnung auf mich setzt, ihn aus diesem Loch zu befreien.
Diesen Wunsch kann ich nicht erfüllen, so gern ich es auch täte. Er ist Mihalys Hund.
In diesem lächerlich kleinen Verschlag wird er sein ganzes Leben verbringen müssen. Ein Hundeleben. Schon beim bloßen Hinschauen steigen in mir Wut und Empörung auf.

Ich möchte es ein wenig lindern. Bei meinen seltenen Besuchen stecke ich ihm etwas zu - einen Blutwurstzipfel, einen Entenhals, ein Stück Kälbermagen. Wenn ich ihm wenigstens ein paar erträgliche Minuten schenken kann, ist mir das viel wert.
Mihaly sieht das nicht gern.
„Tamás“, sagt er, „du verwöhnst ihn unnötig. Ich geb ihm schon genug.“
Aber ich darf den Wassernapf auffüllen.
Das geht problemlos mit der Gießkanne durch die Bretterwand.

Das allgegenwärtige Geräusch meiner Kindheit war Hundegebell. Wie ein Dauerton lag es – und liegt es noch heute - über dem Land, durchs ganze Jahr, nah und fern, anschwellend und abklingend.
Nicht nur vor stattlichen Bauernhäusern, auch vor der wackeligsten Kate wacht ein Hund. Oft hat diese arme Kreatur keinen geschützten Platz; ein viel zu kurzer Strick lässt die blutenden Wunden am Hals nicht heilen. Stechende Sonne oder eiskalter Regen peinigen und quälen. Das Fell ist verwahrlost und verfilzt. Ich darf nicht hinsehen. Brennend gern möchte ich diese Torturen beenden. Aber wie?
Selbstverständlich gibt es ein Tierheim; ich kenne die dortigen Zustände. Man sollte einen Hund nicht vom Regen in die Traufe schicken. Es ist zum Verrücktwerden.
Die Leute sind nicht ansprechbar bei diesem Thema.
Sie winken ab – was weiß denn der? Ein Hund gehört zum Haus und damit basta.

Er ist ein schöner Kerl. Ein Riesenviech – ein Kaukase. Kinder könnten auf ihm reiten.
Csibész heißt er, Strolch, Herumtreiber. Der würde gern seinem Namen alle Ehre machen, doch er sitzt so gottverlassen in seinem Pferch, dass ich rund um die Uhr weinen könnte.
Was habe ich denen schon alles gesagt! Alle Register der Redekunst habe ich gezogen – vergebens. Sie behaupten, dass der Hund alle Blumenrabatten kaputtmache, dass er alles ruiniere. Nichts sei vor ihm sicher. Deshalb sperren sie ihn ein.
Ich sage darauf: „Macht doch einen Zaun um die Blumen! Die stört das nicht. Das wäre hundertmal besser, als einen Zaun um den Hund zu machen.“
Da schauen sie mich verständnislos an, bleiben aber freundlich. Ich weiß, dass sie mich für schwierig halten, besonders wegen meiner Ansichten zur Hundehaltung.

Mihaly wohnt eine Stunde entfernt von unserem gemeinsamen Heimatdorf. Überstürzt ist er damals aufgebrochen, weißglühend in Liebe, wirr im Kopf, unansprechbar. Hat das Ingenieursstudium geschmissen, wurde Pusztabauer und wäre auch Friseur geworden, wenn Erzsebets Eltern einen Frisiersalon gehabt hätten. Das ist ihm erspart geblieben, jetzt hat er zweihundert Hektar und zweihundert Schweine.
Ich fand seinen rabiaten Entschluss sehr verwegen, mich hätten keine zehn Pferde in die Puszta ziehen können. Aber Erzsebet war eine Schönheit - bevor sie kochte wie ihre Mutter.

Ob er’s je bereut hat? Jedenfalls sieht sein Ungarn anders aus als meins.
Mein Land sind die grünen Hügel – ein altmodischer Fleckerlteppich aus Obstgärten, Feldern, Waldstücken und Weinbergen. Viel Grün, viel Schatten. Meist weht ein frisches Lüftchen. Ein Grund für Mihaly, mich hin und wieder zu besuchen. Zu Tamás fährt er - in die ‚Sommerfrische’, wie er sagt.
Ein anderer Grund sind unsere Jugendjahre. Unzertrennlich waren wir. Ist lange her.
Deshalb haben wir uns auch so vieles zu erzählen. Schon beim Aussteigen fragt er:
„Und was macht der Wein?“ Den vermisst er in seiner neuen Heimat. Er wird wieder einige Kartons mitnehmen.
„Keine Ahnung“, entgegne ich. „Aber das lässt sich herausfinden.“
Mit einem beseligenden Gefühl steigen wir runter ins Allerheiligste. Fast verschwörerisch zünden wir einige Funzeln an; das elektrische Licht brennt nur beim Weinverkauf.
Diese Uraltgewölbe haben etwas beinahe Sakrales. Sie sind ein Ort, an dem Wunder geschehen. Hier reift der Wein. Und der Mensch.


Mein Rasenmäher bockt; ich muss zu Mihaly, meinem Ingenieur. Auf dem Rückweg nehme ich jeweils seine Steuererklärung mit.
Ich fahre los und bin immer wieder überrascht, wie sehr sich beim Verlassen der grünen Hügel das Bild ändert. Eben noch genieße ich die beschwingte Fahrt durch die langgezogenen Kurven der alten Alleen – und plötzlich führen die Straßen fast übergangslos wie mit dem Lineal gezogen von A nach B, sachlich und uncharmant. Das wirkt stets befremdlich auf mich, so nüchtern, ganz ohne Poesie, nur Parzellen und Nutzflächen.
Alföld – das ist Mihalys Land, das Tiefland. Getreide, Sonnenblumen und Mais auf endlosen Feldern. Und Schweine in langgestreckten Baracken, neben den Futtersilos.
Die Fahrt ist monoton, meine Gedanken beschäftigen sich mit diesem merkwürdigen offenen Land. Immer wieder überkommt mich ein sonderbares Gefühl; ich kann es nicht so recht erklären, doch es hat zu tun mit Ausgeliefertsein, fast mit Brutalität. Ich sehe keine Rückzugsmöglichkeiten, nichts Schützendes.

Als ich ankomme, sitzen schon ein paar Herrschaften unterm Birnbaum und lassen es sich gut gehen.
„Tamás, setz dich zu uns! Wenn’s für sechs reicht, reicht’s auch für den siebten. Probier mal!“ Schon hab ich ein Wasserglas Palinka in der Hand.
Sie reden übers Geld, wie viel die Leute in Österreich und Deutschland verdienen und über ihre unzufriedenen Frauen. Eine von ihnen, Mihalys Erzsebet, bringt neues Bier und stellt Pogatscherln auf den Tisch.
Die sind gut! Sie mischt zerstampfte Kartoffeln und Quark unter den Teig, auf jedes Pogatscherl gibt sie etwas Kümmel, grobes Salz, Käsespäne und Speckgrieben. Ich bediene mich ohne Umschweife. Höchste Zeit, etwas zu essen! Gerade erfahre ich, dass unser Schnaps satte fünfzig Prozent hat. Kein Wunder, dass er mir zu Kopf steigt.
Aber es ist vor allem das hirnlose Gequatsche, das mich nervt. Da macht es mehr Sinn, Mihalys Hund ein paar nette Worte zu sagen. Sein Verschlag befindet sich zwischen Haus und Scheune.
Ich muss achtgeben – ich laufe Slalom, obwohl der Weg geradeaus führt.
Jetzt stehe ich vor Csibész, nur die Bretter trennen uns. „Na, wie geht’s, alter Freund?“
Eine Sekunde schaut er mich an, dann wandert sein Blick weiter.
Csibész leidet.
In seiner Verzweiflung hat er handtiefe Kerben in die Wand gekratzt. Ihm fehlt Bewegung. Ich bin aufgewühlt. Ich muss etwas für ihn tun.
Wie in Trance öffne ich den Verschlag und bin bedacht, ihn um Gottes Willen nicht herauszulassen. Also schlüpfe ich hinein: „Komm, wir zwei schmusen ein biss ...“
Seine Augen werden weiß, wie Murmeln aus Glas. Ein starker Föhn richtet sein Fell auf. Wie der Teufel knurrt er und zieht die Oberlippe zurück. Mir erscheinen seine gebleckten Zähne wie ein Haigebiss mit fünf Zahnreihen. Au verdammt! Der schnappt nach mir! Ich muss hier ganz schnell wieder raus! Doch er drückt mich gegen die Brettertür und attackiert mich. Seine Zähne dringen in meinen Unterarm. Ich schreie vor Schmerzen. Der Alkohol gibt mir Kraft und ich versuche, ihm den Hals zuzudrücken, aber er hat einen Nacken wie ein Stier. Er beißt mir in die Hände, ich blute wie ein Schwein. Dann geht er runter an die Beine. Ich trete nach ihm, reiße eine ausgediente Sense aus der Halterung und will mich damit verteidigen, ihn irgendwie davon abbringen, mich weiter anzugreifen. Der Stiel verfängt sich in einem Mauerloch. Ich reiße an ihm und er bricht. Jetzt habe ich einen malaiischen Krummdolch in der Hand. Das Metall funkelt, Csibész greift wieder an. Er springt aus dem Stand, ist in der Luft, im Sprung. Abwehrend halte ich den scharfen Stahl vor mich und er springt direkt hinein. Das Sensenblatt fährt in seinen Leib und eine Fontäne schwarzroten Blutes schießt heraus.
Er sackt zusammen. Roter Schaum quillt aus seinem Maul. Ich lehne mich keuchend gegen die Wand.
Csibész starrt mich an - nie hätte ich gewollt, dass er mich einmal so anschaut. Sein Zucken ist der Abschied von der Welt.
Unser Blut stinkt, ich muss mich übergeben. Ich erbreche Schnaps und Pogatscherln; Rotz vermischt sich mit Blut und Tränen.
Sie schleifen mich aus dem Verhau auf die Wiese. Erzsebet wäscht mich, vermeidet mich anzusehen. Vor Scham stelle ich mich ohnmächtig.
Mihaly bringt Verbandszeug und sagt: „Wir kennen uns so lange, doch manchmal werd’ ich nicht schlau aus ihm. Einmal ist er der große Tierfreund – und jetzt bringt er meinen Hund um.“

 
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Eine Erklärung bin ich schuldig: Ein Kaukase ist ein kaukasischer Herdenschutzhund, Schulterhöhe knapp achtzig Zentimeter, wiegt fünfundvierzig Kilo und mehr. Familien- und Hofhund, gutmütig, trifft eigene Entscheidungen. Leider büxt er gerne aus und kennt jeden Trick, solche Gelüste erfolgreich umzusetzen.
Meine Frau und ich hatten ein Brüderpaar Kaukasen elf und zwölf Jahre lang - Simmy und Burru. Wir erinnern uns oft an sie.
Csibész gab es wirklich. Auch Mihaly ist real - wie auch die traurigen Umstände seines Hundes. So ist es eine reale Geschichte – wenn man vom Ende einmal absieht.
Die Einstellung der Landbevölkerung zur Hundehaltung hat sich in den letzten Jahren langsam zum Positiven gewandelt. Es sind neue Gesetze erlassen worden, dieses Jahr wurde jedem Hund ein Chip implantiert und die grausamen Bilder werden irgendwann gelöscht sein.
Die junge Generation hat eine völlig andere Einstellung zur Haltung eines Hundes. Die sehen die Sache so wie wir.

:DDer falsch gesetzte Apostroph im Titel ist reines Marketing, denn er animiert hoffentlich einige Mitglieder, das zu beanstanden. Bei dieser Gelegenheit erhalte ich meistens auch einen Kommentar.:D

 

Hi Josè,

na sieh an! Ich bin in Ungarn geboren worden und habe die ersten zehn Jahre meines Lebens dort verbracht. Hauptsächlich auf dem Land bei meinen Großeltern - die natürlich allesamt Hunde hielten, und zwar exakt unter den geschilderten Umständen. Mir ging das alles ziemlich gegen den Strich und wühlte mich emotional sehr auf, obwohl ich bezüglich Hunde eine Sozialisation erfahren hatte, die ihnen gegenüber recht gleichgültig war. Zwinger und Verschläge waren beinahe ausnahmslos üblich...
Darüber hinaus verstörte mich damals schon - hält bis heute an - die Unschlüssigkeit unserer emotionalen Befindlichkeit, was unseren Umgang mit tierlichem Leben angeht.
Kinder werden in altersgemäßer literarischen Kultur mit Tieren meist sehr positiv konfrontiert - man denke an Märchen oder auch an alle Kuscheltiere dieser Welt, in denen ihnen eine starke Bindung zu bestimmten Tierarten nahe gebracht wird. Andere wiederum stehen gleichzeitig beinahe täglich auf ihrem Speiseplan. Hier geschieht bereits sehr früh eine Konditionierung, die viele auch im Erwachsenenalter nicht mehr hinterfragen...

Deine Kurzgeschichte finde ich gelungen - vor allem sprachlich sehr ausgewogen und mitfühlend, ohne emotional zu werden.
Du schaffst es, die Stimmungen und Befindlichkeiten, die jeden Ort, jede Region, jede Stadt charakterisieren, einzufangen und zwischen den Zeilen zu transportieren...

Großartig! Möglicherweise empfinden dies Menschen, die sich verschiedene Kulturen aneignen mussten, etwas sensibler - so geht es mir...

Und natürlich sind die unbequemen Themen meist die existenziellen! Mich hast du abgeholt!

Liebe Grüße
donat

 

Hallo josefelipe,

ich war heute Nacht schon versucht, einen Kommentar zu schreiben, der wäre aber sehr kurz ausgefallen. Nachdem jetzt ein Kenner (des früheren) Ungarns geantwortet hat, trau ich mich auch: Wenn ich dort aufgewachsen wäre, hätte ich wohl schwere Schäden davongetragen. Ich bin mit vielen Haustieren aufgewachsen, die liebevoll gepflegt wurden und meine Mutter brachte mehrmals heimlich junge ausgesetzte Katzen aus südlichen Ländern nach Hause, wo sie geradezu im Katzenhimmel lebten. Sicher ist deine Geschichte relaistisch und fängt auch die Stimmung ein, aber ich kannn sie emotional kaum ertragen. Und der Schluss - warum sehe ich nur die Moral der Geschichte vor Augen: Die Erwachsenen treffen die richtigen Entscheidungen. Misch dich da also nicht ein.

Naja und den falschen Apostroph habe ich gar nicht bemerkt.

Liebe Grüße

Jobär

 

Hey josefelipe,

woah, das hat wehgetan. Ich bin eine Hundemensch, in Gesellschaft eines Hundes großgeworden und will mir nicht vorstellen, einmal nach Hause zu kommen und nicht von einem Hund begrüßt zu werden. Oh man, dieses Leid am Anfang, dieses Leid am Ende. Das hat mich mitgenommen, echt. Ein großes Missverstehen, das zum Tode führt. Mann, das hat echt gesessen.

Wieder schön geschrieben, du hast tolle Landschaftsbilder in meinem Kopf entstehen lassen, die Andersartigkeit des ungarischen Weltbilds gut vermittelt. Zwischendrin hatte ich kurz das Gefühl, du verlierst den anfänglichen Konflikt mit dem Hund und Mihalys Weltbild aus den Augen, versinkst zu sehr in Beschreibungen Ungarns, aber wirklich nur kurz. Du lässt einem wenig zu meckern.

Die von Erzsebet sind gut! Sie mischt zerstampfte Kartoffeln und Quark unter den Teig, auf jedes Pogatscherl gibt sie etwas Kümmel, grobes Salz, Käsespäne und Speckgrieben. Ich bediene mich ohne Umschweife. Höchste Zeit, etwas zu essen!

Warum bekomme ich jedesmal Hunger, wenn ich einer deiner Geschichten gelesen habe? Das ist echt ein Markenzeichen deiner Storys, immer geht es um ausgefallene kulinarische Köstlichkeiten. Das gefällt mir. ;)

Aber mit dem Hunger war es dann ganz schnell vorbei, es verblieb ein flaues Gefühl in der Magengegend. Und wenn ein Text einen so mitnimmt, dann muss der Autor was richtig gemacht haben.

Der falsch gesetzte Apostroph im Titel ist reines Marketing, denn er animiert hoffentlich einige Mitglieder, das zu beanstanden. Bei dieser Gelegenheit erhalte ich meistens auch einen Kommentar.

Ha, da steckt ja ein richtiger Marketingstratege in dir. Den Trick muss ich mir merken. :D

Wieder eine tolle Geschichte, diesmal ernster und blutig, aber das Lesen habe ich keine Sekunde bereut.

Liebe Grüße,
gibberish

 
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josefelipe schrieb:
Der falsch gesetzte Apostroph im Titel ist reines Marketing, denn er animiert hoffentlich einige Mitglieder, das zu beanstanden. Bei dieser Gelegenheit erhalte ich meistens auch einen Kommentar. :D
Ach José, damit willst du uns hinterm Ofen hervorholen? Glaubst du tatsächlich, wir wären nicht schon längst abgestumpft angesichts z.B. solchen Irrsinns?

Im Ernst, ich schau mir deine Geschichte morgen an.

offshore

 

Hallo josefelipe

Dein Text überzeugt mich. Sprachlich und stilistisch äusserst sicher, du schreibst eine sehr gediegene Prosa, finde ich. Meine entsprechenden Vorschläge müssen daher notwendigerweise pingelig wirken:

In diesem lächerlich kleinen Verschlag wird er sein ganzes Leben verbringen müssen. Schon beim bloßen Hinschauen steigen in mir Wut und Empörung auf. Ein Hundeleben.
Das geht mir zu sehr hin und her. Satz 3 nach Satz 1 würde mir besser gefallen. Auch inhaltlich: Empörung hat ja kognitiven Gehalt und kommt daher nach der Erkenntnis, dass es sich um ein Hundeleben handelt.

Wenn ich ihm wenigstens ein paar erträgliche Minuten schenken kann, ist mir das schon viel wert.
Mihaly sieht das nicht gern.
„Tamás“, sagt er, „du verwöhnst ihn unnötig. Ich geb ihm schon genug.“
Eines der beiden "schon" könnte man evtl. streichen.

ein viel zu kurzer Strick lässt die blutenden Wunden am Hals nicht heilen.
Da bin ich drüber gestolpert: Würde ein langer Strick die Wunden heilen? Ist es nicht so, dass der kurze Strick Wunden verursacht, der lange aber nicht?

Die Leute sind nicht ansprechbar bei diesem Thema.
Sie winken ab – was weiß denn der? Ein Hund gehört zum Haus und damit basta.
Der zweite Satz zeigt, was der erste sagt. Ich finde, den ersten könnte man streichen.

dass ich rund um die Uhr weinen könnte
Im Text kommt ein paar Mal das Schema: Beschreibung des Hundes - Reaktion des Protagonisten vor. Hier ist mir das dann aufgefallen. Die Reaktion ist m.E. hier nicht mehr nötig und kann - weil die Beschreibung so gut ist - dem Leser überlassen werden.

Danach habe ich keine konkreten Anmerkungen mehr. Dafür etwas allgemeines zur Dramaturgie des Textes. Anfang und Ende haben mich gepackt, das ist wirklich ausgesprochen stark. Zur Mitte: Mir ist klar, dass du das Hunde-Motiv etwas einbetten, Kontext geben möchtest. Da ist dir auch gut gelungen. Zwingend ist es aber m.E. nicht. Die Hundehaltung sagt schon so viel über die Menschen aus, da muss man über die Menschen gar nicht mehr viel sagen. Mir war's daher fast zu ausführlich. z.B.

Ein schrecklich buntes Auto quietscht in der letzten Kurve und dann noch einmal vor der Haustreppe. Ihm entsteigt eine Königin in der Blüte ihres Lebens. Hochgestecktes Haar, Tattoos, Brilli. Sie knallt die Wagentür zu, schaut abschätzig zur Säuferrunde und schließt die Haustür nicht weniger laut.
Hätte wenigstens grüßen können, die Enkelin.
Sie studiert in Budapest. Pogatscherln wird sie nur selten backen.
Da wusste ich nicht, was das zur Geschichte beträgt, ich hab' mir beim Lesen gedacht: "Was ist jetzt mit dem Hund?" und das Gefühl gehabt, mit dem Lesen einer zweiten Geschichte begonnen zu haben. Aber du kannst das alles gerne ignorieren, ich bin ein sehr ungeduldiger Leser und lasse mich schnell ablenken.

Ich habe deinen Text ausgesprochen gerne gelesen und hoffe, du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Liebe Grüsse
Peeperkorn

 

Hola Donatus,

mein erster Kommentator kann aus eigener Erfahrung die Echtheit meiner KG bestätigen!

... auf dem Land bei meinen Großeltern - die natürlich allesamt Hunde hielten, und zwar exakt unter den geschilderten Umständen.

Das ist wirklich ein toller Zufall.

Ich freue mich, in Dir ein WK-Mitglied zu treffen, das sich Gedanken macht um das alles um uns herum. Zur Zeit sollte man sich allerdings einen Sack über den Kopf ziehen, um nicht den ganzen Wahnsinn mitzukriegen, der jeden Tag stattfindet. Wieso wir das Millennium gefeiert haben, ist mir aus heutiger Sicht ein Rätsel.

Aber es besteht auch Hoffnung; Du schreibst:

Andere wiederum stehen gleichzeitig beinahe täglich auf ihrem Speiseplan. Hier geschieht bereits sehr früh eine Konditionierung, die viele auch im Erwachsenenalter nicht mehr hinterfragen...
Stimmt. Hoffnung sehe ich trotzdem, weil viele aufgeklärte Eltern ihre Kinder sensibilisieren.
Vielleicht korrigieren wir doch noch unseren Kurs, auch wenn es schon zwanzig nach zwölf ist?

Möglicherweise empfinden dies Menschen, die sich verschiedene Kulturen aneignen mussten, etwas sensibler - so geht es mir...
Ja, das sehe ich auch so. Man bekommt einen weiteren Horizont – mit der Einschränkung, nicht nur mehr Gutes zu sehen, sondern ...

Und natürlich sind die unbequemen Themen meist die existenziellen!
Du pflegst Deine philosophischen Gedanken zu Recht.

Donat - ich freue mich, Deine Bekanntschaft zu machen.
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo josefelipe

Ich wollte die Geschichte erst gar nicht lesen, fand sich doch bereits im Titel dieser
unmögliche Apostroph ...
Soviel zum Marketing. :D

„Macht doch einen Zaun um die Blumen! Die stört das nicht. Das wäre hundertmal besser, als einen Zaun um den Hund zu machen.“
Wirklich schön ausgedrückt.

Mein Rasenmäher bockt; ich muss zu Mihaly, meinem Ingenieur. Auf dem Rückweg nehme ich seine Steuererklärung mit.
Ich fahre los und bin immer wieder überrascht, wie sehr sich beim Verlassen der grünen Hügel das Bild ändert.
Hier war ich kurz draussen, da ich die Rückfahrt nicht als Allgemeinplatz, sondern als direkte Aktion sah. Hinfahrt, dann Rückfahrt und plötzlich doch erst los fahren, du verstehst?
Vielleicht so: Auf dem Rückweg nehme ich jeweils seine Steuererklärung mit.

Also da hast du mich auf eine schöne Reise in die unterschiedlichen Landschaften und Lebensumstände Ungarns entführt und gleichzeitig ein ernstes Thema schön umgesetzt, ohne gross den Mahnfinger zu heben. Leichtfüssig in savoir-vivre verpackt nimmt das Drama seinen Lauf und gipfelt in einem für mich überraschenden Ende, dessen Schlussatz das ganze Malheur auf den Punkt bringt.

Mehr kann ich kaum dazu sagen, bloss, dass ich in jungen Jahren eine Reise nach Budapest (damals noch im komunistischen Ungarn) unternahm und bei der Gelegenheit einen Hof besuchte. Dort gab es auch einen Hund, der allerdings frei herumlaufen durfte und sich bei der Gelegenheit an den von einzelnen Touristen verschmähten Schmalzbrotscheiben gütlich tat, die eigentlich liebevoll von den Hofbetreibern serviert wurden. Ich empfand es als Affront gegenüber unseren Gastgebern, aber na ja, andere Geschichte.

Habe deine kleine ungarische Gesellschaftsminiatur gerne gelesen,
Gruss dot

 

Hola Jobär,

Du schreibst mir:

Sicher ist deine Geschichte relaistisch und fängt auch die Stimmung ein, aber ich kannn sie emotional kaum ertragen.

Glaub mir: Das hab’ ich nicht gewollt. Ich hoffe, es geht Dir schon wieder etwas besser, denn so weit darf ein Text das Lebensgefühl des Lesers nicht beeinträchtigen.
Und der Schluss - warum sehe ich nur die Moral der Geschichte vor Augen: Die Erwachsenen treffen die richtigen Entscheidungen. Misch dich da also nicht ein.

Hier, mein sehr verehrter und aufrichtiger WK-Kämpfer, kann ich Dir nicht folgen. Dennoch würde ich Dich aus jedem Sperrfeuer rausziehen.

Gi’ mi Five!

José, ein alter Knacker ohne Perspektive.

 

Hola gibberish,

Und wenn ein Text einen so mitnimmt, dann muss der Autor was richtig gemacht haben.

Darauf bilde ich mir etwas ein - wenn Du das sagst. Vielen Dank!
Mihalys Hund habe ich über zehn Jahre leiden sehen, da musste ich einfach mal davon erzählen.

Zwischendrin hatte ich kurz das Gefühl, du verlierst den anfänglichen Konflikt mit dem Hund und Mihalys Weltbild aus den Augen, versinkst zu sehr in Beschreibungen Ungarns, aber wirklich nur kurz.
Das hab ich auch so empfunden. Dieses Mittelstück war noch umfangreicher; Gott sei Dank hab ich’s kurz vor dem Einstellen gelöscht, sonst hättest Du mir ordentlich eins drüberbraten können. Glück gehabt.

Ha, da steckt ja ein richtiger Marketingstratege in dir.
Möglicherweise ging der Schuss nach hinten los, dann war’s die falsche Strategie.
... das Lesen habe ich keine Sekunde bereut.
Lieber gibberish, das freut mich wirklich sehr und spornt mich an, auch bei der nächsten Geschichte alles zu geben. Ich danke Dir, dass Du meinen Text kommentiert hast.

Beste Grüße!
José


Hola ernst offshore,


Glaubst du tatsächlich, wir wären nicht schon längst abgestumpft angesichts z.B. solchen Irrsinns?

Ich muss mich hier nicht drehen und winden, ich hab die BILD doch auch abonniert!

Einen schönen Gruß nach Wien!
José

 

Oh Scheiße, josefelipe, jetzt hast du es vermasselt. Aber so richtig!

Was laß ich die Geschichte gern bis zu dem Punkt, in dem der Prot in den Verschlag gegangen ist um zu schmusen. Und dann das Ende, das mir weh getan hat.

Also alles, was eine Geschichte erzeugen muß: Interesse, Neugier, Mitfühlen und Leiden. Dazu gespickt mit josefelipes Freude am Leben.

Also alles in allem: Bestens gelungen!!! Aber das Ende!? Mensch, musste das sein???

Er hat schöne Augen. Bernsteinaugen mit kummervoll schräg gestellten Brauen. Die verleihen seinem Gesicht einen traurig-pessimistischen Ausdruck.
Aber er schaut mich nicht an! Vielleicht würde ich dann in seinen Augen lesen, dass er seine ganze Hoffnung auf mich setzt, ihn aus diesem Loch zu befreien.
Diesen Wunsch kann ich nicht erfüllen, so gern ich es auch täte. Er ist Mihalys Hund.
In diesem lächerlich kleinen Verschlag wird er sein ganzes Leben verbringen müssen. Schon beim bloßen Hinschauen steigen in mir Wut und Empörung auf. Ein Hundeleben.

Ich möchte es ein wenig lindern. Bei meinen seltenen Besuchen stecke ich ihm etwas zu - einen Blutwurstzipfel, einen Entenhals, ein Stück Kälbermagen. Wenn ich ihm wenigstens ein paar erträgliche Minuten schenken kann, ist mir das schon viel wert.
Mihaly sieht das nicht gern.
„Tamás“, sagt er, „du verwöhnst ihn unnötig. Ich geb ihm schon genug.“
Aber ich darf den Wassernapf auffüllen.
Das geht problemlos mit der Gießkanne durch die Bretterwand.


Toller Einstieg, da war ich sofort drin in der Handlung und konnte mir die Situation bildlich sehr plastisch vorstellen. Fast spürte ich den Staub an meinen Füßen, hätte ich keine Schuhe an.

Mihaly wohnt eine Stunde entfernt von unserem gemeinsamen Heimatdorf. Überstürzt ist er damals aufgebrochen, weißglühend in Liebe, wirr im Kopf, unansprechbar. Hat das Ingenieursstudium geschmissen, wurde Pusztabauer und wäre auch Friseur geworden, wenn Erzsebets Eltern einen Frisiersalon gehabt hätten. Das ist ihm erspart geblieben, jetzt hat er zweihundert Hektar und zweihundert Schweine.
Ich fand seinen rabiaten Entschluss sehr verwegen, mich hätten keine zehn Pferde in die Puszta ziehen können. Aber Erzsebet war eine Schönheit - bevor sie kochte wie ihre Mutter.

Mensch José, der letzte Satz. Fast könnte man ihn überlesen, so scheinbar belanglos kommt er daher und birgt dennoch eine Menge in sich. :) Groß!

Als ich ankomme, sitzen schon ein paar Herrschaften unterm Birnbaum und lassen es sich gut gehen.
„Tamás, setz dich zu uns! Wenn’s für sechs reicht, reicht’s auch für den siebten. Probier mal!“ Schon hab ich ein Wasserglas Palinka in der Hand.
Sie reden übers Geld, wie viel die Leute in Österreich und Deutschland verdienen und über ihre unzufriedenen Frauen. Eine von ihnen, Mihalys Erzsebet, bringt neues Bier und stellt Pogatscherln auf den Tisch. Sie entfernt sich schweigend.

Sehr toll! Direkt ist man drin in der Szenerie; das Grüppchen unter dem Birnbaum, die gut essen und trinken.

Da wirkt nachfolgende Passage entbehrlich, eigentlich stört sie mich:

Ein schrecklich buntes Auto quietscht in der letzten Kurve und dann noch einmal vor der Haustreppe. Ihm entsteigt eine Königin in der Blüte ihres Lebens. Hochgestecktes Haar, Tattoos, Brilli. Sie knallt die Wagentür zu, schaut abschätzig zur Säuferrunde und schließt die Haustür nicht weniger laut.
Hätte wenigstens grüßen können, die Enkelin.
Sie studiert in Budapest. Pogatscherln wird sie nur selten backen.

Hier geht es schön mit einer der beliebten josefelip´chen Beschreibungen weiter, die einem das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen:
Dennoch: Die von Erzsebet sind gut! Sie mischt zerstampfte Kartoffeln und Quark unter den Teig, auf jedes Pogatscherl gibt sie etwas Kümmel, grobes Salz, Käsespäne und Speckgrieben. Ich bediene mich ohne Umschweife. Höchste Zeit, etwas zu essen! Gerade erfahre ich, dass unser Schnaps satte fünfzig Prozent hat. Kein Wunder, dass er mir zu Kopf steigt.

Irgendwie hätte ich es als schöner empfunden, wenn du den kleinen Abschnitt mit der Enkelin weggelassen hättest, ebenso das "dennoch" und die Teile "( ... ) sie stellt Pogatscherl auf den Tisch" mit "Sie mischt gestampfte Kartoffeln ( ... )" verbunden hättest.

Der Rest der Geschichte ist Tragik und ich tue mich schwer, darüber zu schreiben, insbesondere daher, da du ja noch einen erklärenden Abschnitt unter deine Geschichte gesetzt hast.

Eine deiner allerbesten Geschichten, in der josefelipischen TOP 3! :thumbsup:

Gerne mehr!

Liebe Grüße,

Jürgen

 

Hola Peeperkorn,

ich bitte um Nachsicht, bin spät dran. Deine Meinung ist mit zu wichtig, als dass ich sie unbeantwortet lassen kann.
Gleich hier muss ich Dir recht geben:

Das geht mir zu sehr hin und her. Satz 3 nach Satz 1 würde mir besser gefallen. Auch inhaltlich: Empörung hat ja kognitiven Gehalt und kommt daher nach der Erkenntnis, dass es sich um ein Hundeleben handelt.

Das leuchtet mir ein, hab’s geändert. Danke!

Eines der beiden "schon" könnte man evtl. streichen.

Hast recht, das erste lebt nicht mehr.

Da bin ich drüber gestolpert: Würde ein langer Strick die Wunden heilen?

Natürlich nicht, wäre eine ziemlich paradoxe Sache. Aber das wollte ich auch nicht gesagt haben.

Ist es nicht so, dass der kurze Strick Wunden verursacht, der lange aber nicht?

Selbstverständlich, so ist es. Und weil der kurze Strick Wunden verursacht, immer wieder - lässt er sie nicht heilen. (Sind wir uns einig oder bin ich schwer von Begriff? Wäre nicht das erste Mal.)

Zur Mitte: Mir ist klar, dass du das Hunde-Motiv etwas einbetten, Kontext geben möchtest. Da ist dir auch gut gelungen. Zwingend ist es aber m.E. nicht. Die Hundehaltung sagt schon so viel über die Menschen aus, da muss man über die Menschen gar nicht mehr viel sagen. Mir war's daher fast zu ausführlich.

Jawohl, stimmt. Hab’s auch gibberish geschrieben, dass mein Mittelstück zu beredt war, vielleicht immer noch ist – trotz kräftiger Kürzungen vor der Einstellung. Da hatte ich mich etwas über die Jahreszeiten in der Puszta ausgelassen, das war schon ein halber Roman. Aber den verbleibenden Rest will ich gerne verantworten.

Das bunte Auto:

Da wusste ich nicht, was das zur Geschichte beträgt, ich hab' mir beim Lesen gedacht: "Was ist jetzt mit dem Hund?" und das Gefühl gehabt, mit dem Lesen einer zweiten Geschichte begonnen zu haben. Aber du kannst das alles gerne ignorieren, ich bin ein sehr ungeduldiger Leser und lasse mich schnell ablenken.

Uji, hier streust Du Salz in die Wunde! Freegrazer hat’s mir auch geschrieben – das habe ich nicht gut eingebaut. Ich wollte das veränderte Verhältnis der jungen Generation zu Haustieren oder speziell zum Hund darstellen, doch dann passten verschiedene Details nicht und ich hab’s gelassen.
Deshalb wirkt dieser Abschnitt nicht homogen im Text – und ich habe ihn gelöscht. Meine Herren – vielen Dank für den Tipp!

... du kannst mit meinen Anmerkungen etwas anfangen.

Oh ja. Die sind voll angekommen; wie Du siehst auch überwiegend umgesetzt worden.
Peeperkorn - herzlichen Dank für Deine Zeit und Mühe! Anbei hab ich noch etwas kapiert: Auf den ersten Blick scheinbar pedantische Anmerkungen sind besonders dann wichtig, wenn man die Basis draufhat. Nun sind’s eben die Feinheiten, um die sich der Autor kümmern muss.
Danke schön nochmals – wir lesen von einander.
José

 
Zuletzt bearbeitet:

Lieber José

Ja, Pedanterie und Spitzfindigkeit macht nur bei guten Texten Sinn. Die Spitzfindigkeit zur kurzen Leine habe ich allerdings zu weit getrieben. Ich fand es ungewöhnlich, wie du den Akzent gesetzt hast („nicht heilen lassen“ statt „verursachen“). Ein analoges Beispiel, um mein damaliges Unbehagen zu verdeutlichen: „Die viel zu heisse Herdplatte lässt die Brandblasen an meinen Händen nicht heilen.“ Es wäre seltsam, sich so auszudrücken. Aber inzwischen habe ich darüber nachgedacht und die Sache mit dem Strick ist - wie es du ja in deiner Antwort auch klar machst - nicht dasselbe. Ich widerrufe somit.

Herzlich
Peeperkorn

 

Hola Peeperkorn,


Jawohl, stimmt. Hab’s auch gibberish geschrieben, dass mein Mittelstück zu beredt war, vielleicht immer noch ist – trotz kräftiger Kürzungen vor der Einstellung. Da hatte ich mich etwas über die Jahreszeiten in der Puszta ausgelassen, das war schon ein halber Roman. Aber den verbleibenden Rest will ich gerne verantworten.

José


Einspruch euer Ehren!

Obiges war deine Antwort an Pepperkorn, der "unnötige Längen" angemerkt hatte.

Ich aber will den wahren josefelipe lesen, Lust auf die beschriebenen leckeren Gericht und vollbusigen Rasseweiber bekommen. Das gelingt nur, wenn du dir erlaubst, etwas umschweifiger zu schreiben. So wie du es tust.

Klar, achte darauf, wirklich völlig unnötige Sequenzen (wie das mit der Enkelin) wegzulassen, lass dir aber Zeit, Atmosphäre zu schaffen, lass attraktive Weiber tun und machen und leckerste Speisen und Getränke kredenzen. Lass mich schwitzend mit unterm Apfelbaum sitzen bei einem 50%-igen Schnaps, sinnlose Gespräche führen: Das ist das Leben!

Das Lesen selbst macht auch dann Spaß, wenn man mal kurz die Handlung vergisst und trotzdem unterhalten wird.

Gruß Freegrazer; z.Z. im Feldzug gegen den Kürzungswahn!

 

Hallo José,

ich habe Deine Geschichte gerne gelesen, mehrere Dinge haben mich sehr berührt:

Bei meinen seltenen Besuchen stecke ich ihm etwas zu - einen Blutwurstzipfel, einen Entenhals, ein Stück Kälbermagen.

Das unterscheidet eine Geschichte, geschrieben von jemandem der Ahnung hat, von Geschichten die das Landleben nur romantisieren. Wie oft gibt es für die Hunde in Geschichten nur Würstchen, Knochen oder Frolic?

Selbstverständlich gibt es ein Tierheim; ich kenne die dortigen Zustände. Man sollte einen Hund nicht vom Regen in die Traufe schicken. Es ist zum Verrücktwerden.

Du beschreibst ein echtes Dilemma. Was nützt dem Vierbeiner mehr? Ist jede "Rettung" gut für das Tier?

Diese Uraltgewölbe haben etwas beinahe Sakrales. Sie sind ein Ort, an dem Wunder geschehen. Hier reift der Wein. Und der Mensch.

Ich fühle mich direkt dort hineinversetzt, stelle mir die Gesellschaft vor und die Umstände, die den Menschen reifen lassen. Wahrscheinlich ist es nicht alleine der Wein, es ist die Beschäftigung mit etwas Bestimmtem, die Welt draußen spielt keine Rolle mehr, hier ticken die Uhren anders.

Sie mischt zerstampfte Kartoffeln und Quark unter den Teig, auf jedes Pogatscherl gibt sie etwas Kümmel, grobes Salz, Käsespäne und Speckgrieben. Ich bediene mich ohne Umschweife. Höchste Zeit, etwas zu essen! Gerade erfahre ich, dass unser Schnaps satte fünfzig Prozent hat. Kein Wunder, dass er mir zu Kopf steigt.

JA! Ich kriege Hunger! Ich liebe dieses bäuerische Zusammensein, Hausmannskost, Handgemachtes. Aber dennoch muss ich unwillkürlich an irgendwelche Imagefilme denken, die dicke Mama die sich ums Essen kümmert und die jungen Schönen, die sich vergnügen und lieben. Aber ich weiß: Die schlanke Dunkelhaarige, die in der Werbung kess den Blick gen Zuschauer richtet, isst keine Grieben.

In seiner Verzweiflung hat er handtiefe Kerben in die Wand gekratzt. Ihm fehlt Bewegung. Ich bin aufgewühlt. Ich muss etwas für ihn tun.
Wie in Trance öffne ich den Verschlag und bin bedacht, ihn um Gottes Willen nicht herauszulassen. Also schlüpfe ich hinein: „Komm, wir zwei schmusen ein biss ...“

Bis hierher dachte ich: Eine schöne romantische Geschichte eines gefühlsduseligen Landeis, der ein bisschen sehr blauäugig durch die Puszta streift... Ja, ich weiß wie es weiter geht, er lässt den Hund raus, dieser ist brav wie nie, alle sind baff, "das hat er ja noch nie gemacht", es wird mehr Schnaps eingeschenkt um zu besiegeln dass das Tier nun einen neuen Besitzer hat.

Aber NEIN! Du hast es geschafft, dass mir das Prosa-Schmalzbrot von oben im Halse stecken blieb. In Gedanken spülte ich gerade leckere rustikale Käsegebäcke mit kräftigem Rotwein hinunter, als Du mich mit dem Hammer wieder in die Realität zurückgeholt hast. Der Genuss weicht dem Schmerz und man liest noch einmal nach, nein, der Hund ist nicht dankbar für Deine Tierliebe, er verspeist gerade Deinen Unterarm. Ich kenne diesen plötzlichen Stimmungswechsel, kann es nachempfinden, ein schöner Tag, man will niemandem etwas böses und plötzlich wacht man im Rettungswagen auf und denkt "Oh Scheiße".

Mihaly bringt Verbandszeug und sagt: „Wir kennen uns so lange, doch manchmal werd’ ich nicht schlau aus ihm. Einmal ist er der große Tierfreund – und jetzt bringt er meinen Hund um.“

Diese Aussage schmerzt wahrscheinlich mehr als die Verletzungen es könnten. "Aber ich BIN doch ein Tierfreund!!! Ich habe Deinen Hund nicht, ich meine, ich wollte nicht, es war doch ganz anders!"

Es hinterlässt bei mir einen faden Beigeschmack. Ich wohne auch in einer schönen Gegend. Aber nun denke ich nicht mehr an Wiesen, Wälder und Tiere, sondern an all die gequetschten Gliedmaßen, blutenden Wunden und psychischen Narben des ländlichen Alltags. Ich denke an unsere Hunde und die Hunde im Dorf. Und an all die "Das hat er ja noch nie gemacht"s kurz bevor der Opa sein Jagdgewehr holte....

 

Hola Freegrazer alias Jürgen (oder umgekehrt)

Recht vielen Dank für die oder den Post von Dir. Das freut mich immer, von Dir zu hören, sprich zu lesen. Deine Verbesserungsvorschläge habe ich stracks umgesetzt.

Also alles in allem: Bestens gelungen!!! Aber das Ende!? Mensch, musste das sein???

Ja, ich fürchte: ja. Noch eine ‚normale’ Hundegeschichte, wie sie Flakey befürchtete, hätte die Welt nicht gebraucht. Persönlich wollte ich Dir nicht wehtun, das musst Du mir einfach glauben! Andere sagen, ebenfalls gelitten zu haben – und dann verteilt sich das schon ein bisschen.

Da wirkt nachfolgende Passage entbehrlich, eigentlich stört sie mich:

Ja – das bunte Auto. Recht hast Du! Ich bin manchmal etwas verrückt: Statt eine Stelle, mit der man selbst nicht zufrieden ist, zu löschen, wartet man, bis einem andere das sagen.
Jedenfalls hab ich’s gestrichen, danke Dir.

Irgendwie hätte ich es als schöner empfunden, wenn du den kleinen Abschnitt mit der Enkelin weggelassen hättest, ebenso das "dennoch" und die Teile "( ... ) sie stellt Pogatscherl auf den Tisch" mit "Sie mischt gestampfte Kartoffeln ( ... )" verbunden hättest.
Das habe ich gemacht. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, so ist der Text eindeutig besser. Ein weiteres Dankeschön!

Gerne mehr!

Jeh nun, ich tu, was ich kann. Vergiss bitte nicht, dass ich im Ruhestand bin – da braucht alles ein bisschen mehr Zeit (und manches geht gar nicht mehr:hmm:).

Jürgen, hab Dank, Deine Ratschläge haben die Sache vorangebracht und wir sind schon wieder einen zehntel Millimeter näher zur Meisterschaft gekrochen.

Alles Gute und bleib gesund!
Thomas alias José oder umgekehrt

 
Zuletzt bearbeitet:

»Nun, was jappst du so, Packan?«, fragte der Esel.
»Ach,« sagte der Hund, »weil ich alt bin und jeden Tag schwächer werde,
auch auf der Jagd nicht mehr fort kann, hat mich mein Herr wollen totschlagen,
da hab ich Reißaus genommen; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen?«,
heißt es bei den Grimm Brs. & den sich formierenden Bremer Stadtmusikanten.
Anpassung an die neuere dt. Rechtschreibung durch mich.​

¡Hola!, alter Schwerenöter,

kann ein Hundsfott wie ich und Liebhaber der Derivate des Wolfs (incl. des Originals, ausgeschl. der Zierhündchen für die Innentasche des Saccos) an diesem Titel vorbei, wird sich mancher fragen?

Da bedarf’s eigentlich keiner Marketing-Strategie und PR. Die überlassen wir doch denen, die’s nötig haben. Aber das mit den in den Augen schauen ist bei Hunden schon ein Kunststückchen (gilt ja auch für ganze Völkerschaften anderer Kulturkreise).

Und schauen nicht alle Hundeaugen traurig-pessimistisch …?

Treudoof, sozusagen. Denn der Hund wird doof gehalten, wenn er spätestens acht Wochen nach der Geburt vom Muttertier (das ja auch keine bessere Erfahrung gemacht hat) getrennt wird. Wie lang schonen Rüden den Welpen, bevor sie ihn als Konkurrenten oder Objekt der Begierde entdecken? So lange bleibt der Wolfswelpe bei der Mutter, vor allem im Wurf der Geschwister und muss sich nicht auf ein zweibeiniges (Anti)Alpha(be)Tier verlassen, das ihn eh nur blöd wie ein Kleinkind und unselbständig halten will.

Nein, in (scheinbar) rückständigen Gesellschaften oder Schichten ist der Hund das, für was er gezüchtet wurde durch vorzeitige Trennung von der Mutter: Verblödetes Arbeitstier. Und heute noch gilt – da kann die Geschichte rührend sein oder nicht, wie etwa in Niedersachsen, da braucht man gar nicht bis zu den Hun(nen)garn zu reisen – für den zahnlosen gealterten besten Freund des Menschen: Schüppe vorn Schädel und ab zum Abdecker, auf dass er als Seife noch nützlich sein kann! Aber auch das: Junge Hunde schmecken gut!, der Chow-Chow z. B. verdankt dieser Erkenntnis seine Lebensberechtigung: Chow-Chow soll "Lecker-Lecker" heißen (wenn ich denn meinem Informanten vertrauen kann). Und wer wüsste nicht, dass der eine und insbesondere die andere auf dem Ponyhof auf einem frischen potentiellen Sauerbraten reite?

Da schützt die schönste Landschaft vor allem das liebste Tier nicht vor …

Dennoch: Schönes Wochenende aus’m Ruhrpott vom

Friedel

 

Hallo josefelipe,

ach, was werde ich da blass. Aber nicht nur angesichts der Tragödie, sondern vor allem auch blass vor Neid, denn von mir gibt es ebenso eine Geschichte über ein Hundedilemma, nur, nachdem ich jetzt deine kenne, ist die meine soeben zu einem nüchtern runtergeratterten Werk verblasst. Deinem Text hier hast du Persönlichkeit eingehaucht, man ist mittendrin, man fühlt mit, man leidet mit.

Emotional geht deine Geschichte mir schon nahe, aber so richtig böse kann ich keiner deiner Figuren sein. Mihaly und Erzsebet nicht, die das wohl nicht anders kannten und deinem Protagonisten schon gar nicht, der bei dem "Mordstrumm" von Kalb aus reiner Notwehr handeln musste. So wie eine derartige Hundehaltung heute unvorstellbar ist, war es damals eben umgekehrt. Ich sehe das hier auf dem Land selber: Hier mussten zwar die Hunde zum Glück nicht in einem Verschlag hausen, aber sie wurden eben als reines (Arbeits-)Tier gesehen, das in erster Linie zum Kühetreiben, als Jagdhund oder Wachhund diente. Und heute die umgekehrte Version: Ein unvergleichbares Hundehotel mit dreiundsiebzig verschiedenen Futtersorten, wo teilweise eine Person mit fünf Hunden anreist, um hier den Urlaub zu verbringen (übrigens großer Tipp für alle, die im Urlaub nicht auf den Hund verzichten wollen und auf Berge und Natur und so stehen). Wenn allerdings dann die kleinen Hündchen teilweise im Kinderwagen herumkutschiert werden, dann platzt aber auch mir die Hutschnur. Die Tierliebe in allen Ehren, aber das geht sogar mir und meinem Hund zu weit.

Mihaly bringt Verbandszeug und sagt: „Wir kennen uns so lange, doch manchmal werd’ ich nicht schlau aus ihm. Einmal ist er der große Tierfreund – und jetzt bringt er meinen Hund um.“

Einmalig, lieber jose, einfach nur einmalig. Ich lese gern und lerne gern von dir.

Bis bald,
rehla

 

Hallo josefelipe,

ich habe deine Geschichte und deine Erklärung gelesen, die anderen Kommentare bis jetzt noch nicht, deshalb kann es sein, dass sich einiges überlappt. Aber ich wollte meine Empfindungen nicht durch andere Kommentare verfärben lassen.

Ich kann mich noch ganz genau an die ausgedehnten Sonnenblumenfelder erinnern, als wir mit dem Zug nach Bulgarien gefahren sind, das war 1984. Wir fuhren in einem Schlafwagen, wachten auf und sahen draußen diese Landschaft. Genau dieses Bild habe ich vor Augen, wenn ich deine Geschichte lese.
Ich komme auch vom Land und Hunde waren in meiner Kindheit von einem Hof nicht wegzudenken. Sie waren an Ketten, an denen sie fast über den ganzen Hof streifen konnten. Wie sie mit der langen Kette zurechtkamen, war ihr Problem. Irgendwie haben sie es geschafft. Unser damaliger Nachbarhof hatte einen Schäferhund. Es gab nur wenige Kinder, die sich ihm nähern konnten. Ich gehörte nicht dazu, wahrscheinlich hat er meine Angst gewittert.

Und jetzt komme ich auf etwas, das ich nicht so richtig verstehe. Csibész kannte Tamás doch schon die ganzen Jahre. Er hat ihm Wasser und Futter gegeben. Das heißt, der Hund hat von ihm Futter angenommen. Wenn er ihm feindlich gesinnt ist, nimmt er normalerweise kein Futter an. Deshalb komme ich mit deiner Dramaturgie nicht ganz zurecht. Die einzige Erklärung, die mir logisch erscheinen möchte ist, dass der Hund mit Alkohol schlechte Erfahrung gemacht hat, weil sein Halter ihn vielleicht im Rausch schlecht behandelt hat. Aber dass der Hund, dazu noch ein Kaukase, so ausrastet, ist schon seltsam. Dann ist bei Hunden eigentlich typisch, dass sie Eindringlinge erst angreifen, wenn sie wieder gehen wollen. Bleibt die Frage offen: Durfte sich sein Herrchen ihm ohne weiters nähern?

Geschrieben ist die Geschichte für mich absolut souverän, da gibt es keine Frage. Du erzählst eine schöne Geschichte und man fühlt sich in ihr wohl. Dass sie tragisch endet, kam überraschend, was aber beabsichtigt ist.

Einmal ist er der große Tierfreund – und jetzt bringt er meinen Hund um.

Ich glaube, das eine hat hier nicht unbedingt was mit dem anderen zu tun. Er musste ja sein Leben verteidigen. Da lässt sich auch ein Tierfreund nicht zerfleischen. Wenn der Hundehalter davon gewusst hat, dass sein Hund derartige Risiken in sich birgt, hätte er seinen Freund zurückhalten müssen, damit er gar nicht in das Pferch hätte gehen können. Aber der war ja auch im Rausch.

Ich hab’s sehr gerne gelesen! :)

Schönen Gruß
khnebel

 

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